Protokoll der Sitzung vom 02.04.2008

Wir wollen keine Universitäten, die als Maschinerie Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt produzieren. Die Menschen in diesem Land haben ein Recht auf Bildung und ihre freie Entfaltung in der Wissenschaft und an der Hochschule. Mit den Studiengebühren im Nacken wird der eine oder andere wohl versuchen, nur noch auf den Arbeitsmarkt hin zu studieren. Das hat mit Universitätsstudium eigentlich nichts mehr zu tun. Die Universität ist der Ort der freien Entfaltung des Geistes und der Wissenschaft und wir brauchen mehr Kreativität, mehr Wissenschaft, mehr Innovation. Die ganze Diskussion um Turboabitur, Bachelor- und Masterstudium hat doch nur noch ein einziges Ziel, nämlich Menschen so früh wie möglich verwertbar und verfügbar zu machen für die Wirtschaft.

Dafür schickt man sie dann mit 55 wieder in die Frührente. Für die Fraktion DIE LINKE ist die Gebührenfreiheit ein wesentliches Element. Das gilt für den Kindergarten genauso wie für die Schule, die Ausbildung, das Studium und die Weiterbildung. Es geht in dieser Diskussion auch nicht mehr ausschließlich um die soziale Frage im Bildungssystem. Es geht inzwischen - das haben wir auch im Schulsystem - um eine Verteilungskonkurrenz. Das schließt den Bogen zu unserer schier nicht enden wollenden Schuldiskussion. Wenn wir, wie jetzt die neuesten Tendenzen quer durch alle Parteien zeigen, die soziale Ausgrenzung im Kindergarten verhindern wollen, dann können wir sie auf der anderen Seite nicht wieder durch Gebühren im Studium verschärfen. Studiengebühren sind aus gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen abzulehnen. Sie lösen kein einziges Problem. Sie verschärfen die Krise des Bildungssystems. Auch darauf hat Frau Ernst schon hingewiesen.

Die Hochschulbildung ist ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft und keine reine Investition.

(Unruhe im Hause - Glocke)

Ich bitte für Sie um ein wenig mehr Ruhe und Aufmerksamkeit. - Danke.

Danke.

Hochschulbildung ist für uns ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Engels, ich meinte das für jeden in diesem Hause.

Sie sollten Lehrer werden.

Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

Die Hochschulausbildung ist ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft und keine reine Investition in das sogenannte Humankapital der Studierenden.

Ich habe mich bei der Vorbereitung auf diese Sitzung die ganze Zeit gefragt - die SPD hat es auch getan -, warum wir nicht heute über die Abschaffung der Studiengebühren abstimmen.

Wie schon eingangs erwähnt, ist diese Diskussion nicht neu. Die Argumente sind schon vielfach hin und her gewälzt worden und eine Beratung in den Ausschüssen wird nichts Neues zutage bringen. Ich bin davon ausgegangen, dass es nach der Wahl am 24. Februar in diesem Hause eine parlamentarische Mehrheit gegen Studiengebühren geben wird.

(Wolfgang Beuß CDU: So kann man sich täu- schen!)

- Es ist eben noch einmal bestätigt worden, dass es von der Willensbildung her eine Mehrheit gibt.

Das Problem ist, dass die GAL, die im Wahlkampf immer klar die Position vertreten hat, dass sie gegen Studiengebühren ist, sich nicht traut. Man könnte auch sagen, sie weiß noch nicht, was sie darf.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Das ist sehr bedauerlich und diese Verzögerungstaktik geht eindeutig zulasten der Studierenden unserer Stadt. Über 4.000 junge Menschen sind von Exmatrikulation bedroht und haben sie teilweise bereits ausgesprochen bekommen. Das Mindeste, wofür die Bürgerschaft sich heute durchringen müsste, wäre ein Moratorium. Es kann nicht im Interesse der Hochschule liegen, Studierende zu verlieren, die wegen finanzieller Schwierigkeiten die Studiengebühren nicht bezahlen können.

Es können ihnen auch keine kostspieligen Verfahren aufgezwungen werden. Wenn politisch - so verstehe ich die Überweisung der Anträge an die Ausschüsse - durchaus ernsthaft in Betracht gezogen wird, die Studiengebühren abzuschaffen, dann müssten wir heute ein Moratorium für die Exmatrikulation erwirken können.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb hat die Fraktion DIE LINKE heute einen Initiativantrag eingebracht und wir bitten um Zustimmung. Wenn

dieser Antrag überwiesen wird, muss man sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Im Wahlkampf ist sehr viel über Verantwortung gesprochen worden. Dann hat diese Bürgerschaft die Verantwortung dafür, dass 4.000 junge Menschen exmatrikuliert werden. Das ist ein Rieseneinschnitt in das Leben eines jungen Menschen. Der weiß nicht, wie er weiterarbeiten soll. Davon sind auch Familien betroffen. Es wäre das Allermindeste, was diese Bürgerschaft tun könnte, da die Mehrheit gegen Studiengebühren ist, dass bei der Exmatrikulation ein Moratorium erreicht wird.

In der prinzipiellen Frage der Studiengebühren werden wir alle parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten nutzen, um die berechtigten Forderungen der Studierenden zu Gehör zu bringen. Die Studiengebühr gehört abgeschafft, in Hamburg und auch anderswo. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Fraktion DIE LINKE)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Egloff.

(Rolf Harlinghausen CDU: Genauso lange?)

Wenn Sie es möchten, Herr Harlinghausen, kann ich auch solange reden, aber ich will Sie nicht quälen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Beuß, den ich im Übrigen sehr schätze, hat hier sehr wenig gesagt. Er hat gesagt, die inhaltlichen Standpunkte der CDU seien dem Parlament bekannt. Das ist richtig. Aber die CDU müsste zur Kenntnis nehmen, dass sie für diese Inhalte in diesem Hause keine Mehrheit mehr hat.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Es wäre angebracht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, darüber nachzudenken, wie Sie an dieser Stelle Ihre Politik ändern wollen. Ich bin natürlich gespannt, was bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der GAL und der CDU herauskommt, wenn wir hier das vernehmen, was die Kollegin von der GAL gesagt hat, dass man im Prinzip auch dafür sei, die Studiengebühren abzuschaffen, und auf der anderen Seite das vernimmt, was Herr Beuß sagt, man hätte den inhaltlichen Standpunkt und der sei hinreichend klar. Das heißt, der inhaltliche Standpunkt der CDU hat sich an dieser Stelle anscheinend nicht geändert. Das Ergebnis interessiert uns, wir werden es abwarten.

(Beifall bei der SPD-Fraktion - Hans-Detlef Roock CDU: Warten Sie es doch ab!)

Vielleicht sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie beispielsweise beim Wahlergebnis bei den jungen Leuten in dieser Stadt krachend eingebrochen sind und dass Ihr RCDS trotz einer Zweiprozenthürde es nicht einmal geschafft, ins Studentenparlament gewählt zu werden.

(Beifall bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Das ist Ausdruck dessen, was diejenigen, die davon in erster Linie betroffen sind, von dem halten, was Sie in diesem und im letzten Jahr beschlossen und hier zulasten der Studierenden in dieser Stadt durchgedrückt haben. Wir halten nämlich überhaupt nichts davon. Einige Ihrer Kollegen waren mit mir in Diskussionen in Schulen,

Herr Freistedt zum Beispiel. Sie haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Hauptfrage, die die Schüler in den Gymnasien beschäftigt, ist, was mit den Studiengebühren ist. Sind wir in der Lage, überhaupt noch ein Studium zu schaffen? Gucken Sie sich die Untersuchung des Studierendenwerks an, wie die soziale Schichtung sich seit 2000 in dieser Stadt unter den Studierenden verändert hat. Die besseren Einkommensgruppen stellen inzwischen 13,2 Prozent mehr an Studierenden als im Jahre 2000 und bei denjenigen, die als sogenannte Unterschicht bezeichnet werden, ist der Prozentsatz, der sowieso nur bei 14 Prozent lag, noch einmal um fast 4 Prozent zurückgegangen. Das ist die soziale Wirklichkeit der Hochschulpolitik, die Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei der SPD-Fraktion und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Studiengebühren verfestigen die soziale Ausgrenzung dieser Gesellschaft, die im Bildungswesen innerschulisch schon angelegt ist. Deswegen wollen wir Sozialdemokraten die Studiengebühren in Hamburg abschaffen.

(Beifall bei der SPD-Fraktion und bei Kersten Ar- tus und Elisabeth Baum, beide DIE LINKE)

Es gibt noch einen anderen Grund. Nun kann man mit Fug und Recht darüber streiten, ob das Studium nur dafür da ist, sich selbst zu verwirklichen, oder ob Studium auch dafür da ist, beispielsweise den Wirtschaftsstandort Hamburg voranzutreiben. Als Wirtschaftspolitiker sage ich: Auch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten ist die Entscheidung, die Sie getroffen haben, falsch. Frau Ernst hat darauf hingewiesen, dass wir im Vergleich mit anderen OECD-Staaten, was die Frage der Studienanfänger angeht, was die Frage derjenigen angeht, die ihr Studium erfolgreich abschließen, was die Frage der Abiturientenzahlen angeht, im Hintertreffen sind, und das in einem Lande, dessen einzige Ressource in der weltweiten Konkurrenz Bildung ist. Deswegen müssen wir an dieser Stelle unsere Politik ändern und die Studiengebühren abschaffen.

(Beifall bei der SPD-Fraktion und vereinzelt bei der Fraktion DIE Linke)

Ein Punkt noch zur GAL. Sie haben gesagt, grundsätzlich seien Sie auch gegen Studiengebühren, aber haben uns vorgeworfen, wir würden mit diesem Antrag Rosinenpickerei betreiben. Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, wir werden weitere Anträge einbringen, durch die Sie deutlich machen können, wo Ihr soziales Gewissen schlägt, ob Sie zu dem stehen, was Sie in der letzten Legislaturperiode beantragt haben und ob Sie weiterhin für einen sozialen Ausgleich in dieser Stadt sind. Die Gelegenheit werden Sie in den nächsten Sitzungen der Bürgerschaft haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD-Fraktion)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar kurze Sätze dazu sagen. Ich wundere mich ein wenig über die Scheinheiligkeit der Sozialdemokraten. Mir wurde aus den Sondierungsgesprächen, die Sie, Herr Neumann, Herr Naumann und Herr Egloff mit unserer Spitze geführt haben, berichtet, dass Sie zugesagt haben - deswegen ist Ihre Kritik an

der GAL vollkommen deplatziert und scheinheilig -, wenn wir im Verlaufe von Verhandlungen sind, keine Anträge in die Bürgerschaft einzubringen, die die Seelenlage des Partners beunruhigt. Darum finde ich Ihr Verhalten mehr als scheinheilig.

(Beifall bei der CDU-Fraktion - Ingo Egloff SPD: Sagen Sie doch etwas zur Sache!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben eben viele Argumente gehört und sie waren zur Frage der Studiengebühren auch sehr überzeugend. Wir haben auch die Argumente vernommen - vor allen Dingen von der GAL -, warum man den Antrag gegenwärtig nicht abstimmen kann, sondern ihn an einen Ausschuss überweisen will.