Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

Herr Petersen hat doch ganz zu Recht gesagt, wenn es 2008 mit Rot-Grün geklappt hätte, was wäre denn anderes dabei herausgekommen als das, was wir jetzt vorliegen haben. Das wäre doch einfach der mathematische Schnitt gewesen.

Wir von der LINKEN begleiten diese Primarschule äußerst kritisch. Wir sehen die Chance, dass man gemeinsames längeres Lernen eröffnen kann. Ob es klappt, wird der Versuch zeigen.

(Ties Rabe SPD: Wollen Sie eigentlich die Primarschule oder nicht?)

Wir sehen sehr kritisch, dass es an verschiedenen Standorten stattfindet. Wir sehen sehr kritisch, dass nach der dritten Klasse, wie im Schulgesetz jetzt vorgeschlagen, den Eltern die Möglichkeit gegeben wird, ihre Kinder auf eine andere Primarschule zu geben. Das sehen wir äußerst kritisch und sehen dort einen versteckten Hinweis auf eine frühzeitige Selektion. Aber nichtsdestotrotz kann man doch in dieser Situation, wo die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen noch nicht zu Ende sind, nicht mit der Raumfrage versuchen, diese Thematik zu problematisieren. Dann müssen Sie schon inhaltlich diskutieren.

(Carola Veit SPD: Oh, gerne!)

Wir erwarten vom Senat, dass er ernst macht mit dem gemeinsamen längeren Lernen, wir werden ihm auf die Finger gucken. Wir erwarten auch, wenn wir schon von Schulbauten sprechen, dass dem dritten Pädagogen, der Architektur, Rechnung getragen wird durch veränderte Bauten auch im Primarschulbereich. Es kommt nicht nur auf die Quantität an, sondern auch auf die Qualität und darauf werden wir den Finger legen.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und bei Karl-Heinz Warnholz und Ekkehart Wersich, beide CDU)

Das Wort bekommt Senatorin Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es macht immer wieder Freude, wenn auch wirklich Fachleute hier sprechen und wir wegkommen von Horrorszenarien, wegkommen von düsteren Gedanken. Wir haben eine große Chance, die wir so noch nie hatten, egal, welche Couleur in den letzten Jahrzehnten regiert hat, dass wir endlich einmal gemeinsam der Ansicht sind, dass über die Bereiche Kita, Jugendhilfe und Schule zusammen nachgedacht werden muss.

Wir haben doch seit Jahren und Jahrzehnten das Problem, dass wir zum einen Kita und Horte haben, Horte auf der Schule, Horte neben der Schule, Kita neben der Schule oder in den Räumen der Schule. Wir haben eine Vorschule, die als Satellit fungiert, die nie in die Verlässliche Halbtagsgrundschule mit einbezogen wurde. Darüber entstanden ewig Probleme, einerseits gab es ein Bildungsangebot, andererseits gab es keine Anschlussbetreuung für knapp 40 Prozent Vorschulkinder in dieser Stadt. Wir haben die Frage der Ganztagsschule in der Grundschule, wo auch bisher die Vorschule nicht einbezogen ist. All diese ganzen Themen werden jetzt endlich zusammengenommen.

(Dora Heyenn)

Der erste Schritt sind tatsächlich die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen, bei denen die Kita-Träger und die Sozialraum-Manager der Bezirke teilgenommen haben, um endlich einmal diese Bestandsaufnahme zusammenzustellen und damit jede Bildungsregion in Hamburg jetzt eine klare Übersicht hat, wo welcher Hort in der Schule oder neben der Schule ist. Das heißt aber nicht, dass es dabei stehenbleibt und irgendetwas verzögert wird, sondern dass dieses, wenn die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen ihre Empfehlungen abgegeben haben, umgesetzt wird.

Ich komme darauf gleich zurück, nachdem ich zwei Fehlinformationen an dieser Stelle einmal klarstelle. Zum einen bleibt es dabei, dass es kurze Wege gibt für die kurzen Beine; hier wird auch immer wieder ein unnötiges, unberechtigtes Theater gemacht.

Wir werden sowohl bei den dreizügigen als auch den zum Teil zweizügigen Primarschulen dafür sorgen, dass sie in Kooperation arbeiten und damit natürlich auch wesentlich bessere Bildungsangebote machen können wie Vertretungen und all diese Dinge. Es bleibt dabei: Kurze Beine, kurze Wege.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Der andere Punkt ist, dass Horte gekündigt würden; das geht gar nicht. Es kann keine Schule einen Hort kündigen, es kann keine einzelne Schule eine Elternschule kündigen. Das ist alles gar nicht möglich, das muss über die Behörde gehen. Das ist auch richtig so, damit nicht jeder versucht, irgendwelche Vorteile daraus zu haben, sondern das muss zusammen gedacht werden.

(Zuruf von Wilfried Buss SPD)

Lieber Herr Buss, Schulen, die das gemacht haben, haben das in vorauseilendem Gehorsam gemacht, aber nicht auf einer Rechtsgrundlage, deshalb keine Sorge, es wird ganz geordnet passieren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das ist wichtig für unsere Koordination und für die Kinder, das heißt, genau so, wie die Enquete-Kommission 2007 empfohlen hat, dass Schule mit Kita und Hort feste Kooperationen bildet und organisiert. Da haben wir tatsächlich eine richtige Herausforderung.

Ich habe eben schon die Vorschule angesprochen, aber wir haben auch vollgebundene Ganztagsprimarschulen in der Zukunft, wir haben teilgebundene, wir haben die verlässliche Halbtagsprimarschule. Überall dort muss vernünftig organisiert werden, zum Beispiel sieben bis acht Uhr morgens vor der Schule, entweder 13 Uhr bis 18 Uhr oder 16 Uhr bis 18 Uhr, wenn man eine gebundene Ganztagsprimarschule hat. Das sind alles Themen, die man endlich einmal zusammen denkt und nicht

Kita, Hort, Schule und zwei Behörden nebeneinander herlaufen, sondern miteinander. Das ist eine wirklich tolle Chance.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Nun ein paar Ausführungen dazu, wie es weitergeht, damit Sie alle im Bilde sind und nicht auf einem unterschiedlichen Stand. Wir werden im Sommer 327 neue Vorschulklassen einrichten. Das sind 25 Klassen mehr oder 800 Schülerinnen und Schüler mehr als im letzten Jahr und das kostenfrei. Das zeigt das große Interesse an der Vorschule.

Der zweite Punkt ist, dass wir in drei Wochen, wenn die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen ihre Empfehlungen abgegeben haben, so lange kann man es noch aushalten, den kompletten Überblick haben werden und umgehend in der Verzahnung mit der Behörde für Soziales diese Organisation Hort und Schule durchführen werden.

Wir sind natürlich nicht faul und haben die Hände in den Schoß gelegt; natürlich arbeiten unsere beiden Behörden schon längst zusammen, wie man das organisatorisch ordentlich hinbekommt. Es ist sehr wichtig, dass wir dann einen Rahmen haben, wie Schule, Ganztagsschule und Hortbetreuung gemeinsam unter einen Hut gebracht werden können, sodass für die Eltern endlich Bildung und Betreuung zusammen gedacht und sicher durchgeführt wird. Diese Aufgabe haben wir uns vorgenommen. Herr Wersich und ich, unsere Staatsräte und unsere Arbeitsebene sind da wirklich mit vollem Herzen und vollem Engagement dabei und ich glaube, das ist ein Novum. Das macht auch große Freude, etwas zu gestalten und zu entwickeln, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten. Herr Wersich, auf den Anfang kommt es an, das machen wir jetzt gemeinsam.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Veit.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Senatorin, Ihre Begeisterung ist Ihnen anzumerken. Allein das Erklären von Zeitplänen und Absichtserklärungen ist uns hier ein bisschen wenig. Da haben Sie, drei Wochen, bevor die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen beendet werden, wenn vor Ort schon vieles in Tüten ist, eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe zu dem Thema einberufen. Während die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen noch relativ öffentlich tagen und mit den Themen umgehen, ist hier eher ein Geheimkommando angesagt.

Frau Ernst und ich haben vor zwei Wochen eine Kleine Anfrage gestellt mit ganz harmlosen Fragen wie zum Beispiel, wer in dieser Arbeitsgruppe mitwirkt, mit welchen Institutionen und Leistungsan

(Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch)

bietern Sie sprechen, durch wen die Betreuungsangebote organisiert werden sollen, wie das ausgestattet wird, ob es vielleicht verpflichtende Elemente gibt. Darauf haben Sie geantwortet, die Planungen seien noch nicht abgeschlossen und es gebe keine Antworten – ich zitiere das einmal –:

"Dies käme im Ergebnis einer Aktenvorlage gleich. Diese ist gemäß Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung an Voraussetzungen gebunden, die hier nicht vorliegen."

Das ist doch ohne Worte.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: So ist es!)

Das soll Ihre Transparenz in der Schulentwicklung sein. Wann sollen die Träger denn planen, wann sollen die Eltern denn planen dürfen? Diese Geheimniskrämerei lässt nichts Gutes erwarten. Während sich Herr Wersich und seine Behörde bei dem Thema in Wahrheit überhaupt nicht beziehungsweise im Schneckentempo bewegen, stellen wir bei Frau Goetsch zuweilen eher eine Art Schweinsgalopp fest; das haben wir eben auch wieder bewundern dürfen. Damit machen Sie aber in der Tat vieles kaputt, was in den letzten Jahren mühsam aufgebaut wurde.

Ich war besonders erschreckt über den Beitrag der GAL; Betreuung ist für Sie wohl eher ein Randproblem. Sie beziehen nämlich Kitas und Träger bisher nicht wirklich in Ihre Schulplanungsprozesse ein. Sie verfolgen den klugen und richtigen Gedanken der Bildungsgärten beziehungsweise Bildungshäuser – über den Begriff wollen wir nicht mehr streiten, da sind wir uns hier einig – nicht. Irgendwie ist es dann fast schon folgerichtig, Herr Wersich, dass Sie mit der personellen und sachlichen Ausstattung der Kitas und der qualitativen Verbesserung auch nicht wirklich weiterkommen.

Gemeinsam, Frau Goetsch, haben wir im letzten Wahlkampf auch auf Veranstaltungen die Vision verfolgt, dass sich Elementar- und Primarpädagogik besser verzahnen müssen,

(Wolfgang Beuß CDU: Da arbeiten wir noch dran!)

um bisweilen schlimme Brüche für die Kinder zu verhindern. Wir haben alle betont, wie wichtig es ist, dass sich die verschiedenen Einrichtungen und Professionen auf Augenhöhe begegnen. Aber es ist so schade, dass Ihnen dieses Ziel offenbar völlig aus dem Blick geraten ist.

(Beifall bei der SPD)

CDU und SPD haben im letzten Wahlkampf auch gemeinsam darüber gesprochen, als wir das Ziel der Bildungshäuser formulierten. Was Sie jetzt machen, ist eine Ungleichbehandlung von Kita und Schule. Während nach KESS 1 und KESS 2 in den Vorschulklassen maximal 20 Kinder sitzen, sitzen

in den Kitas immer noch 25 Kinder in einer Gruppe.

Sie reden von flexiblen Einschulungsterminen, wobei Sie völlig aus dem Blick verlieren, dass zwei Drittel der Fünfjährigen in die Kitas gehen und Sie nicht einmal annähernd ein Konzept für die Situation und auch für die pädagogischen Herausforderungen haben. Sie schaffen überhaupt keine Voraussetzung für die bessere Verzahnung von Kita und Schule. Von neuen, auch personellen, Konzepten ist von Ihnen nichts zu hören bis auf Absichtserklärungen. Das ist zu wenig zu einem Zeitpunkt, wo die Regionalen Schulentwicklungskonferenzen im Prinzip am Ende ihrer Planungen sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einmal betonen: Hier geht es nicht um Elternrechte, hier geht es um Kinderrechte auf bestmögliche frühkindliche Bildung und darum kümmern Sie sich nicht.

Ganztagsschulen sind rar. Zum Glück gibt es einige Horteinrichtungen in der Nähe von Schulen. In einzelnen Stadtteilen sind die Wartelisten extrem lang. An der Schule meines Sohnes sind 80 Kinder auf der Warteliste, das ist überhaupt kein Einzelfall. Ich will die Zahlen gern noch einmal nennen. Keine 15 Prozent der Grundschüler in Hamburg sind Ganztagsschüler und nur für 23 Prozent der Kinder gibt es Hortplätze. In Wirklichkeit gibt es also nicht einmal für 50 Prozent der Hamburger Grundschüler eine Ganztagsbetreuung.

Sie sagen, hier soll etwas geschehen, das lesen wir auch im Koalitionsvertrag, aber den Ausbau weiterer Ganztagsschulen, Frau Goetsch, haben Sie mit Ihrem Amtsantritt erst einmal auf Eis gelegt. Da hat sich erst einmal gar nichts getan, weil Sie das Ihrer chaotischen Planerei opfern, und auch hier schieben Sie die Bedürfnisse der Kinder und Eltern auf die lange Bank.

Jetzt wollen Sie zumindest eine Randbetreuung in der Schule organisieren, haben wir vorhin gehört, aber in der Praxis geht auch das nicht voran. Auch die Horte sind in den Regionalen Schulentwicklungskonferenzen nicht regelhaft vertreten gewesen. Auch Sie wissen nicht, wie es weitergeht. Herr Rabe hat es schon angedeutet, von überallher erreichen uns die Gerüchte, dass Sie Hortgruppen rückführen wollen, weil Sie den Platz auf dem Schulgelände für Ihre Primarschule brauchen. Das Gleiche gilt für Elternschulen und ähnliche Einrichtungen, die inzwischen auf dem einen oder anderen Schulgelände angesiedelt sind, sinnvollerweise, weil die Vernetzung vor Ort und Verzahnung mit der Schule vor Ort so wichtig ist.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus Rothenburgsort nennen. Da hat die CDU-Regierung vor vier Jahren die Sekundarstufe I geschlossen, es gibt im ganzen Stadtteil nur noch eine Grundschule. Dann hat die benachbarte Sonderschule, eine Schule für

geistig Behinderte, etliche Räume übernommen, weil sie Platzbedarf hatte. Zwei Jahre später haben wir uns im Bezirk überlegt, mit den leerstehenden Räumen etwas Sinnvolles zu tun und haben ein kleines Haus der Familie auf das Schulgelände gestellt mit der Mütterberatung, der Elternschule, den Familienhebammen und so weiter; eine richtig sinnvolle Sache, eine Superzusammenarbeit, eine tolle Vernetzung vor Ort. Und was ist jetzt? Natürlich reichen die Räume für eine Primarschule nicht. In der Regionalen Schulentwicklungskonferenz ist die einzige Ansage, die aus der Schulbehörde kommt, dann müsse man sich überlegen, wie man diese Räume wieder rückführe. Da wird gar nichts zusammen gedacht, da wird vor Ort die Angst geschürt, da werden inzwischen entstandene, sinnvolle Konzepte kaputt gemacht.