Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Wenn man den Rahmen ein bisschen erweitert und sich einmal fragt, worüber wir eigentlich reden und wie so eine Zuordnung von Identitäten entstanden ist, dann ist das Ganze sehr viel undramatischer. Tatsächlich ist das, was man klassisch als männlich und weiblich bei uns betrachtet, etwas, das gar nicht so alt ist, nicht 1000 Jahre alt, son

dern letztlich im Rahmen der Industrialisierung entstanden ist. Wenn man sich einmal anschaut, was zum Beispiel Émile Zola geschrieben hat in seinem "Germinal", dann findet man dort das Entstehen des heutigen Rollenbildes. In älterer Literatur, bei Charles Dickens etwa, findet man ganz andere Vorstellungen, bei "David Copperfield" zum Beispiel. Ich würde das durchaus einmal empfehlen, wenn man sich der Frage stellt, wie man dieses Thema denn einzuordnen hat.

Wenn man weiß, dass Identität auch etwas mit Kultur zu tun hat und Kultur in Bewegung ist, dann ist das auch ein ganz normaler kultureller Entwicklungsprozess, den wir hier haben, und keine große Krise und kein Riesenproblem. Aber ich sehe die Aufforderung an uns zu sagen, mit welchen Instrumenten wir denn konkret Verbesserungen schaffen wollen. Das, was uns heute vorliegt, ist ein erster Schritt, dem allerdings noch etwas die Struktur fehlt. Da wollen wir in der Tat eine Evaluation haben, nicht nur, um zu wissen, was die Angebote unserer bisherigen Arbeitsweise sind, sondern was die Erfolge sind, die vorhanden sind und auf denen sich aufbauen lässt.

Frau Blömeke, wenn Sie anbieten, die Koordinationsstelle solle diese Evaluation vornehmen, dann finde ich das eine gute Sache. Aber vielleicht könnten Sie dann auch vorschlagen, Punkt 1 von uns entsprechend einzufügen, wo es um diese Koordinationsstelle geht, damit wir wissen, dass das tatsächlich ein Teil dieses Auftrags ist. Das würde uns sicherlich auch gut gefallen und hinterher könnten wir gemeinsam darüber beraten, wie wir damit umgehen.

Sie monieren, dass wir immer genaue Zeitpunkte haben wollten. Wir wollen nicht erst in der nächsten Legislaturperiode wieder über dieses Thema reden, sondern schon sehr viel früher wissen, wo die Erfolge liegen und wo nachgebessert werden muss. Wir finden es ein bisschen schwierig zu sagen, der Senat solle einmal prüfen, ob denn etwas eingerichtet werden kann, ob zusätzliche Funktions- und Beratungslehrerstunden zur Verfügung gestellt werden können. Wir wollen schon, dass das geschieht und nicht nur geprüft wird. Deshalb haben wir auch einen eigenen Antrag dazu vorgelegt.

(Beifall bei der SPD)

Ansonsten freuen wir uns, dass wir zu den bezirklichen Jugendhilfeausschüssen hier mehr oder weniger eine gemeinsame Lösung gefunden haben; das halte ich auch für gut. Wir hatten ursprünglich analog zur bisherigen Formulierung vorgeschlagen – für die Mädchenarbeit ist eine Frau vorgesehen –, für die Jungenarbeit einen Mann vorzusehen. Darüber kann man diskutieren. Wir haben uns jetzt darauf eingelassen, so wie das bei Ihnen im Landesjugendhilfeausschuss vorgesehen war, von Personen zu sprechen. Wir werden einmal sehen,

wie die Erfolge hinterher sind und ob das tatsächlich zeitgemäß ist.

Zum Antrag der Fraktion der LINKEN würde ich gern noch zwei Sätze sagen. Tatsächlich ist er uns zu schematisch und in einigen Fällen, das ist auch gesagt worden, sind diese Dinge längst vorhanden und abgesichert, zum Beispiel die entsprechende Vertretung im Landesjugendhilfeausschuss und in bezirklichen Jugendhilfeausschüssen, sodass der Antrag aus unserer Sicht einfach zu kurz greift. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Sie haben unseren Zusatzantrag, der hier schon mehrfach erwähnt wurde, zu dem von CDU und GAL vorgelegten Antrag vor sich liegen. Daraus können Sie, soweit Sie ihn bereits gelesen oder zumindest quergelesen haben, erkennen, dass wir durchaus einen konstruktiven Versuch starten möchten, dass Sie das Thema Jungenarbeit nicht isoliert zu Mädchenarbeit betrachten. Warum DIE LINKE darauf viel Wert legt und die Verknüpfung für unabdingbar hält, möchte ich im Folgenden darlegen und hoffe, Sie trotz der ablehnenden Aussagen hier zu überzeugen.

Aus den Antworten des damaligen CDU-Senats auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke aus dem März 2007 und den Antworten auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Gunnar Eisold vom Juni 2008 ergibt sich, dass sich die Stadt Hamburg und ihre Träger in der Jungenarbeit und in der Jugendarbeit bereits intensiv mit geschlechtsspezifischer Arbeit befassen, speziell auch der für Jungen. Aus beiden ergibt sich aber nicht, wie Mädchen- und Jungenarbeit im Verhältnis zueinander stehen und wie konkret finanzielle und personelle Ressourcen unterschiedlich verwendet werden und sich auswirken. Das macht jede vernünftige Analyse leider unmöglich.

Aus einer Antwort auf meine Kleine Anfrage aus dem März ergibt sich aber zum Beispiel, dass Dolle Deerns für den Girls'Day 4000 Euro bekamen und für die Förderung des Projekts "Was für Jungs!" 16 000 Euro veranschlagt wurden. Die Ideen für geschlechtsspezifische Kinder- und Jugendarbeit reduzieren sich außerdem auf Wahrnehmung, Vermutung und Einschätzung, bestenfalls auf Erfahrungswerte. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, ist aber unzureichend bei den Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft in Anbetracht massiver ökonomischer Frauenbenachteiligung und praktizierter Männergewalt zu stellen hat.

Wir möchten an dieser Stelle dennoch keinen Gender-Budgeting-Ansatz von Ihnen einfordern, denn das haben wir vor Kurzem erst getan. Sie sehen aber nun eine weitere konkrete Auswirkung Ihrer Weigerung, die finanziellen Ressourcen der Stadt Hamburg geschlechtsspezifisch auszuweisen und zu verwenden. Mit unserem Zusatzantrag ermöglichen wir Ihnen, Ihre Pläne mit unserer Unterstützung anzugehen und gleichzeitig nicht einseitig zu agieren. Erhebliche Probleme für die Erfolge geschlechtsspezifischer Kinderund Jugendarbeit scheinen zudem deswegen zu bestehen, weil in der Stadt Hamburg noch sehr altmodisch unterrichtet wird. Dies ist möglicherweise auch ein Indiz dafür, dass Mädchen zwar die besseren Schulabschlüsse machen, später aber doch mit der Doppelbelastung konfrontiert sind und überwiegend das Armutsrisiko bei Erwerbslosigkeit tragen.

Wissenschaftlich anerkannt ist mittlerweile nämlich, dass es zwei Hirnhälften gibt – bei Männern und bei Frauen –, denen aber jeweils unterschiedliche Aufgabenbereiche zugeschrieben werden. In der linken wird das rationale, logische und technische Denken ausgeprägt, in der rechten das emotionale, musische und kommunikative. Schulen unterrichten weitgehend aber immer noch linkshirnig, wie es so schön heißt, also Lernen durch Zuhören und Sehen anstatt rechtshirnig durch Anfassen, Handeln, Ausprobieren, Fehler machen. Deswegen gehört für DIE LINKE auch unabdingbar dazu, diese Lehrmethoden endgültig abzuschaffen und eine radikale Umorientierung in der Aus- und Fortbildung von Frauen und Männern, die Kinder beruflich erziehen und betreuen, vorzunehmen. Auch hier muss Geld in die Hand genommen werden und geschlechtsspezifisch abrechenbar ausgewiesen werden. Auch hier würde ein Gender Budgeting hilfreich sein. Anhand des Girls'Day wird übrigens die Abbildung eines punktuellen und viel zu kurz greifenden Gleichstellungsinteresses deutlich, vor allem, da nun auch Jungen am Girls'Day Angebote gemacht werden. Einen Tag in einen Beruf hineinzuschnuppern, hilft überhaupt nichts. Das ändert weder etwas am Schulwesen noch am Rollenverständnis. Unangemessen finden wir im Übrigen auch, am Girls'Day Angebote für Jungen zu machen. Dies entspricht einem falschen Gleichstellungsinteresse und wirkt sich negativ aus.

Wir würden Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Sollte er abgelehnt werden, werden wir uns bei beiden Anträgen, sowohl bei dem Antrag der CDU als auch bei dem der SPD, enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Gwosdz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Ker

(Gunnar Eisold)

sten Artus, es gibt absolut keinen Widerspruch zu dem, was Sie gesagt haben, dass wir gleichermaßen Mädchen wie Jungen in den Blick nehmen müssen. Wir haben aber heute einen Antrag zum Thema Jungenarbeit. Das schließt – das hat Frau Blömeke auch schon ausgeführt – natürlich nicht ein, dass es ein Antrag ist, der sich gegen Mädchen richtet. Es ist absolut selbstverständlich, dass wir auch in diesen Zeiten, in der Situation, in der wir als Männer und Frauen miteinander leben, insgesamt einiges mehr an Arbeit leisten müssen, damit wir zu einer Gleichberechtigung in dieser Gesellschaft kommen, dass wir Geschlechterdifferenzen nicht als negativ wahrnehmen, dass wir hier mehr ausgleichen und dass die Arbeit mit Mädchen nicht eingestellt werden kann.

Den Fokus legen wir heute aber auf Jungen, die – Herr Eisold hat es auch schon erwähnt – weiterhin Verlierer des deutschen und auch des Hamburger Schulsystems sind. Vielleicht ein paar Zahlen zum Hamburger Schulsystem. Es gab gerade ein Gutachten des Aktionsrates Bildung für das Jahr 2009, das sich genau mit dem Thema Geschlechterdifferenzen in den Schulen auseinandergesetzt hat. Es hat einerseits für Hamburg durchaus positive Zahlen ergeben, Hamburg steht relativ gut da im Vergleich mit anderen Bundesländern. Trotzdem ist in Hamburg die Situation der Jungen auch im schulischen System dramatisch. Von allen Schulabbrechern in Hamburg sind 60 Prozent Jungen, der beste Schnitt überhaupt von allen Bundesländern, aber eben ein deutlich überproportionaler Anteil der Jungen und – Herr Eisold hat es gesagt – eines unserer wichtigsten gemeinsamen Ziele ist es, den Anteil der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher zu verringern. Um den Anteil von Schulabbrecherinnen und Schulabbrechern insgesamt zu verringern, also von Jungen wie auch von Mädchen, braucht es weit mehr als jungenspezifische Instrumente. Dafür muss generell das Schulsystem reformiert werden, darüber debattieren wir an anderer Stelle oft genug. Da gilt es, Hürden abzubauen, da gilt es, Frustrationserlebnisse im schulischen System abzubauen. Davon profitieren gleichermaßen Jungen wie Mädchen. Für uns ist es wichtig, die strukturellen Defizite in der Schule anzugehen, aber andererseits auch Jungen dabei zu unterstützen, ihre geschlechtliche Identität im Alltag zu finden. Eine gleichberechtigte Gesellschaft erreichen wir nicht, wenn wir hierbei nur die Mädchen unterstützen.

In Hamburg gibt es bereits positive Ansätze, auch das wurde gesagt. So wird der Gender-Aspekt in der Lehrerinnen-Ausbildung verstärkt berücksichtigt. Die Studentinnen haben, sofern sie Pädagogik oder Erziehungswissenschaften studieren, heutzutage umfassend Kenntnis zu diesem Thema erhalten. Auch am Landesinstitut für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung gibt es bereits Angebote zum Thema Jungenarbeit, die stärker nachgefragt

werden, und einzelne Schulen wie die Gesamtschule Bergstedt, die Ida-Ehre-Gesamtschule oder die Rudolf-Roß-Gesamtschule haben Angebote der Jungenarbeit etabliert.

Warum stellen wir dann heute diesen Antrag, wenn es schon diese ersten Ansätze gibt? Das ist deshalb wichtig, weil diese Initiativen von unten gekommen sind. Wir sagen als Abgeordnete von CDU und GAL – wie ich höre, auch die Abgeordneten von der SPD und der Fraktion DIE LINKE –, diese Ansätze sind richtig und wichtig und sie brauchen für ihre kontinuierliche Arbeit und dafür, dass sie institutionalisiert werden können, auch die Unterstützung der Hamburgischen Bürgerschaft.

Um diese Institutionalisierung voranzutreiben, möchten wir als einen ersten Ansatz eine behördenübergreifende Fachtagung organisieren, die den öffentlichen und den fachöffentlichen Diskurs für jungenspezifische Themen befördert. Natürlich ist es auch Aufgabe einer solchen Tagung, eine Bestandsaufnahme dessen, was in Hamburg bereits erreicht und gegeben ist, vorzunehmen. Das Thema steht noch nicht ausreichend im Fokus des allgemeinen Interesses, wobei man aktuell aufgrund der Berichterstattung sagen kann, da hat sich schon einiges geändert in Bezug auf das öffentliche Interesse. Ich hoffe, das bleibt so erhalten. Aufbauend auf der Fachtagung wünschen wir uns, ein Netzwerk für die geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung zu etablieren, damit die Lehrerinnen und Lehrer zu diesem Thema fortgebildet und in ihrer Arbeit auch unterstützt werden. Wie in diesem Zusammenhang bereits erwähnt, hat auch das Ausweiten von Funktionsstunden und Beratungslehrerstunden für die Jungenarbeit eine wichtige Bedeutung.

Auch von mir noch ein paar kurze Sätze zum Antrag der Fraktion der LINKEN und warum wir ihn ablehnen in der heutigen Fassung. Gerade im Schulsystem kann man eine strukturelle Benachteiligung für Mädchen nicht feststellen. Mädchen machen die besseren Abschlüsse, es machen mehr Mädchen als Jungen Abitur. Damit ist zwar nicht gesagt, dass es keine Probleme in dieser Hinsicht gibt, aber diese treten – das hat Frau Artus richtig dargestellt – später und an anderen Stellen auf, zum Beispiel beim Übergang in den Beruf. Wir verwehren uns auch dagegen, Jungenarbeit gegen Mädchenarbeit auszuspielen. Es geht im Grundsatz um eine verbesserte Gender-Kompetenz, die an den Schulen zu berücksichtigen ist. Jungenarbeit beschränkt sich nicht einfach auf Angebote für Jungen, auch das ist immer ein Missverständnis. Es geht nicht einfach nur darum, dass Männer mit Jungen irgendetwas zusammen machen. Wenn das so wäre, dann wäre jede JungenFußballmannschaft irgendwo im Jugendbereich schon ein klassisches Angebot für Jungenarbeit.

Jungenarbeit ist deutlich mehr, denn sie nimmt den Umgang mit den Geschlechterdifferenzen im Allgemeinen in den Blick und arbeitet mit einer anderen, besonderen, auf Jungen ausgerichteten Pädagogik. Diese Pädagogik, die vor allem in der außerschulischen Jugendhilfe bei Jugendträgern bereits durchaus etabliert ist, möchten wir auch verstärkt in die Ganztagsschulen einbeziehen, denn wenn wir Ganztagsschulen ausbauen, dann entziehen wir natürlich außerschulischen Jugendträgern Jungen in der normalen Tageszeit. Deswegen ist es für uns wichtig, das in den Konzeptionen von Ganztagsschulen mit zu verankern. Mit dem Netzwerk, das ich schon erwähnt habe, wird es auch gelingen, an Schulen ein qualitativ hochwertiges Angebot zu machen und den Austausch zwischen den Lehrern, die dort bereits arbeiten, zu verbessern.

Insgesamt ist unser Ziel eine Schulkultur, die auch die Dimension Geschlechtergerechtigkeit sichtbar und lebbar macht. – Vielen Dank

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Herr Müller-Kallweit, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Artus, Ihr Vortrag reizt mich doch noch zu einem Satz. Im günstigsten Fall ist Ihr Antrag, wenn man ihn einfach mal so betrachtet, evident, irgendwie richtig und macht eigentlich nichts kaputt, im ungünstigsten Fall ist er kontraproduktiv. Nach Ihren Ausführungen von eben neige ich dazu, davon auszugehen, dass er kontraproduktiv ist und der Sache, um die es hier geht, überhaupt nicht gerecht wird, weil er nämlich genau der Intention, Jungenarbeit isoliert zu betrachten, aus sich heraus verständlich zu machen und damit zu befördern nicht gerecht wird. Sie blockieren und konterkarieren dieses Ansinnen mit Ihrer Forderung, erst einmal alle Mädchen mit einzubeziehen und alles vergleichend gegenüberzustellen, und dann finden wir eine gemeinsame Lösung und alles ist toll. Das ist der Grund, warum Ihr Antrag abzulehnen ist; das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Lieber Herr Eisold, Sie sprachen von klassischer Betrachtungsweise und Zuteilung der Rollen in der Vergangenheit. Die Rollenzuteilung ist, wenn man sich den kleinen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein anguckt, eigentlich klar. Bei der Geburt eines Kindes gucken die Eltern, was ist es denn, Junge oder Mädchen. Wenn es ein Junge ist, dann hat man eine Vorstellung davon, in welche Richtung er gehen soll. Aber – und das ist das große Aber – was passiert, wenn diese Vorstellung am Anfang noch vorhanden ist, aber irgendwann aufgrund des Wegfalls eines Elternteils, und regel

mäßig dann des männlichen Elternteils, nämlich des Vaters, diese Rolle, dieses prägsame Bild des Vaters nicht mehr vorhanden ist? Die Rolle muss der Junge individuell für sich entwickeln. Gender ist eine soziale Konstruktion, ein Bild, das entwickelt werden muss, das kann nicht jeder. Das kann die Mutter aus ihrer Veranlagung heraus unter Normalbedingungen nicht, aber das können andere, das können Fachleute. Diese Fachleute müssen wir auftun, die müssen wir finden, die müssen wir in einen Dialog führen – daher diese Fachtagung –, die müssen zu einem Ergebnis kommen, diese Ergebnisse müssen in Richtlinien münden und dann müssen diese Ergebnisse abgearbeitet werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Frau Dobusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei, drei Dinge möchte ich auch noch anmerken. Zum einen, liebe Kollegin, lieber Kollege von der GAL, muss ich sagen, dass die Ausführungen, die Sie beide zu Ihrem Antrag gemacht haben, mir erheblich besser gefallen haben als der Antrag selbst. Ich bin natürlich einer Meinung mit meinem Vorredner aus meiner Fraktion: Der Antrag selbst ist dünn. Ich habe der Presse entnehmen können, dass da steht, Sie hätten ein umfassendes Konzept zur Jungenarbeit vorgelegt. Da möchte ich doch deutlich andere Qualitätsstandards anlegen, da wird hoffentlich noch etwas kommen.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Bemerkung zu Herrn Müller-Kallweit. Ihre Verwunderung darüber, dass das so positiv in der Presse aufgenommen worden ist, hat mich wiederum verwundert. Als ich letzte Woche in einer großen Wochenzeitung von einer neuen, sanften und weichen Macht gelesen habe – die Rede war von einem der mächtigsten Männer der Welt, nämlich von Obama –, habe ich tatsächlich gedacht, wunderbar. Jetzt hat wirklich auch der Letzte verstanden, dass wir wegkommen müssen von den Lippenbekenntnissen zu geschlechtsspezifischen Ansätzen und dass tatsächlich dieser Gedanke von Gender auch im Mainstream angekommen ist. Vielleicht ist das trotzdem zumindest auf der rechten Seite noch nicht ganz der Fall.

Ich glaube aber, die meisten von uns sind sich einig, dass geschlechtsspezifische Arbeit ausgeweitet werden muss und dass das nicht nur Mädchenarbeit heißt, sondern unter geschlechtsspezifischer Arbeit eben auch Jungenarbeit zu verstehen ist. Ich glaube, wir sind uns auch darin einig, dass es nicht reicht, einfach nur offene Jugendarbeit als verdeckte Jungenarbeit weiterzuführen.

(Michael Gwosdz)

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Konzepte für Jungenarbeit und entsprechende Ausbildungsmodule für Pädagogen und vielleicht auch Pädagoginnen brauchen wir und wir brauchen sie aus meiner Sicht lieber heute als morgen, schneller und nicht auf die lange Bank geschoben. Organisches Wachsen ist schön und gut, aber wir brauchen sie dringend.

Frau Blömeke, da stimme ich Ihnen auch zu, es gibt schon einiges in Hamburg. Sie haben aber auch erwähnt, dass wir uns an anderen Bundesländern, die schon in einigen Dingen weiter sind, durchaus ein Beispiel nehmen sollten. Ein Beispiel würde ich hier gerne hervorheben, ein Projekt aus dem süddeutschen Raum: "Männer, Machos, Memmen". Ich bin tatsächlich gespannt, wie sich solche Ansätze, die sich zum Beispiel damit beschäftigen, welche Zusammenhänge es gibt oder geben könnte zwischen Gewalt und Männerbildern bei Jungen, etwa bei dem geplanten Fachtag zur Gewaltprävention niederschlagen werden, der demnächst in Hamburg stattfinden wird.

Zum anderen würde ich gern noch auf Frau Artus eingehen. Ich verstehe tatsächlich die Bedenken, die da zum Ausdruck kommen, und es ist nicht ganz unbegründet zu fürchten, dass der Ausbau von Jungenarbeit auf Kosten der Mädchenarbeit erfolgen könnte. Bei allen Beteuerungen, die ich hier höre, bleibt es trotzdem eine Angelegenheit, die auch ich sehr misstrauisch verfolge. Bei aller Sympathie, die ich für die Aktion "Was für Jungs!" hege, die heute in Hamburg stattfindet, muss ich sagen, dass damit auch Aufmerksamkeit vom Girls'Day weggezogen wird. Wir hatten als SPDFraktion heute eine Gruppe von Mädchen,

(Antje Möller GAL: Wir hatten auch eine Gruppe Mädchen!)

die GAL hatte heute ebenfalls eine Gruppe von Mädchen hier in der Bürgerschaft, um sie an das Feld Politik heranzuführen. Ich hätte es diesen Mädchen gegönnt, dass an ihrem Tag ihre Sache im Zentrum steht und auch weiterhin im Zentrum stehen wird und sie nicht wieder mit geteilter Aufmerksamkeit rechnen müssen und wir nicht ausgerechnet am Girls'Day – sie sind jetzt nicht mehr da – über Jungs sprechen.

(Beifall bei Anja Domres SPD und Kersten Artus DIE LINKE)

Wir sind uns natürlich einig, dass wir Jungenarbeit brauchen. Wir brauchen sie auch schnell, wir brauchen sie konkreter, wir wollen nicht noch einmal prüfen. Jetzt, wo wir uns darauf geeinigt haben, dass wir das brauchen, können wir auch Nägel mit Köpfen machen, auch wenn es nur im Kleinen ist. Wir müssen sie perspektivisch einbetten in ein Gesamtkonzept zur geschlechtsspezifischen Arbeit insgesamt, damit solchen Bedenken noch einmal Rechnung getragen wird, dass der Ausbau der