Wenn es wirklich um den Gesundheitsschutz geht, da haben die Arbeitgeber ein Angebot vorgelegt, das den Forderungen von ver.di bis auf die rechtlich nicht zulässige Bildung von Gewerkschaftskommissionen in den Betrieben entspricht. Deshalb schließe ich mich im Interesse der Eltern dem Appell an: Kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch, suchen Sie eine gemeinsame Lösung beim Gesundheitsschutz und ersparen Sie den Eltern diesen Streik unter falschen Vorzeichen.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wenn in Hamburg alles so schön wäre wie Herr Wersich das beschreibt, dann würden die Kolleginnen und Kollegen nicht auf die Straße gehen und streiken. Streik ist immer eine Ausnahmesituation, dann hat man die Schnauze voll und geht auf die Straße und kämpft für seine Rechte.
Frau Abgeordnete, ob Sie freundlicherweise zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückkehren wollen.
Ich bin nicht der Ansicht von Herrn Müller, dass die Verhandlungen in einer entscheidenden Phase wären und ich bin nicht der Ansicht von Frau Blömeke, dass die Gespräche auf einem guten Weg seien. Das sind Lippenbekenntnisse, die nicht ernst zu nehmen sind. Es kommt nichts Substanzielles auf den Tisch und deswegen ist es auch richtig, was ver.di und GEW machen.
Viele Erzieher und Erzieherinnen sind nicht gesund. Der hohe Krankenstand spricht für sich, Frau Veit hat dies bereits gesagt. Neben den gestiegenen Anforderungen sind die Gruppen heute wieder so groß wie zuletzt 1978.
Deswegen muss es verbindliche Regelungen zur Gesundheitsförderung geben, deswegen gehen die Beschäftigten, vornehmlich Frauen, dafür auf die Straße. Woraus bestehen die gestiegenen Anforderungen? Zum Beispiel die Altersmischung. Sie bewirkt, dass Gruppen ständig voll sind. Durch das Gutscheinsystem, und hierfür ist der Hamburger Senat verantwortlich, und die unterschiedlichen
Es herrscht ständige Hektik. Sehen Sie sich die Situation in Hamburg an. Zudem wird der hohe Krankenstand personell nicht ausgeglichen, sodass eine Doppelbelastung für die noch arbeitsfähigen Arbeitskolleginnen und -kollegen besteht. Nun hören Sie sich doch einmal an, wie es in den Kitas aussieht. Ich habe nämlich das Gefühl, dass Sie keine Ahnung haben, wie die Arbeitsbedingungen dort aussehen; deswegen erzähle ich Ihnen das jetzt.
Es gibt zwar Vorbereitungszeit, zum Beispiel um die verbindlichen Bildungspläne auch kompetent umzusetzen, aber es handelt sich dabei nicht um kinderfreie Zeit. Es geht um Gesundheitsförderung, liebe CDU-Fraktion, ich erzähle Ihnen hier, was in den Kitas krank macht, und wenn Sie es nicht hören möchten, verlassen Sie bitte den Saal. Die Erzieherin oder der Erzieher wird also ständig gestört oder muss damit rechnen, gestört zu werden, und darüber hinaus müssen die Kollegen in den Krippen immer wieder heben, sich beugen, auf dem Boden sein, wie bereits erwähnt wurde. Machen Sie das einmal eine Woche lang, dann können Sie nachts nicht mehr schlafen. Bei der Übergabe der Kinder kommt es häufig zu stressigen Abschiedssituationen, oft müssen Bollerwagen voller Kinder gezogen werden.
Das Thema ist Gesundheitsförderung, hören Sie sich an, worin die gesundheitlichen Belastungen bestehen. Erhöhte Anforderungen werden auch an das Berichtswesen gestellt. Dies erfolgt ebenfalls ohne Personalaufstockung, aber die Jugendämter, der ASD verlangen zu Recht Berichte, auch wir Abgeordnete fordern sie berechtigterweise im Kinder- und Jugendausschuss. Der DGB-Index gute Arbeit hat zudem ergeben, dass nur 26 Prozent aller Erzieherinnen davon ausgehen, ihren Beruf gesund bis zur Rente ausüben zu können. Der Durchschnitt bei den anderen Berufen im Dienstleistungssektor beträgt 54 Prozent. Der Erzieherinnenberuf ist der am schlechtesten bewertete Beruf. Das hängt auch mit der Leidenschaft zusammen, mit der diese Kolleginnen ihren Arbeitsplatz ausfüllen.
Derzeit entscheiden die Arbeitgeber weitgehend allein und deswegen komme ich noch einmal auf den geforderten Tarifvertrag zu sprechen. Einen Rechtsanspruch auf gesundheitserhaltende Maßnahmen zu haben bedeutet im Zweifelsfall, diese einklagen zu können, zum Beispiel die von Herrn Wersich erwähnte schalldichte Wand oder einen Besprechungsraum, in dem die Erzieherinnen nicht auf Kinderstühlen sitzen müssen. Zur Gesundheitsförderung gehört aus meiner Sicht auch ein faires Entgelt – und hier komme ich noch einmal auf die Kritik von Herrn Müller zu sprechen –, denn sämtliche Statistiken belegen, dass jemand, der zu
Noch eine Anmerkung zum Thema Lärm in einer Kita. Dort wurden schon 117 Dezibel gemessen, das entspricht einer Lautstärke, als würden Sie in 100 Metern Entfernung von einem startenden Düsenjet stehen. Rufen Sie einmal in einer Kita zur Hochzeit an, Sie werden den Hörer vermutlich einen halben Meter von ihrem Ohr entfernt halten. Aus all den genannten Gründen müssen die Erzieherinnen und Erzieher einen Rechtsanspruch auf Gesundheitsförderung bekommen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Artus und Frau Veit, wenn man Sie hört, ist der Beruf der Erzieherin einer, bei dem man offensichtlich vorher seinen Arzt oder Apotheker nach Risiken und Nebenwirkungen befragen sollte. Sie tun ja gerade so, als könnte dieser Beruf gar nicht mehr ausgeübt werden. Natürlich ist es ein schwieriger Beruf …
… und auch wir haben die größte Hochachtung vor ihm. Niemand hier hat behauptet, dass dieser Beruf schlecht bezahlt sein muss und niemand hat bestritten, dass Gesundheitsförderung in den Kitas ein wichtiges Thema ist. Es geht schlicht und einfach um die Frage, wie wir uns in puncto Tarifvertrag positionieren.
Frau Veit, Ihrer Behauptung, der Arbeitgeberverband würde mit spitzfindigen gerichtlichen Ersuchen den Streik verhindern, setze ich entgegen, dass auch der Arbeitgeberverband Rechte hat und sie auf dem Rechtsweg durchsetzen kann. Wenn Sie diese letzten Endes einfach vom Tisch fegen wollen, schlagen Sie sich ganz eindeutig auf eine Seite, und das halte ich für jemanden in Ihrem Amt nicht für richtig. Der von Ihnen festgestellte kausale Zusammenhang zwischen Gesundheit und Einkommen mag zum Teil ja richtig sein, aber wichtig ist doch, wie Frau Blömeke auch schon vernünftig herausgearbeitet hat, dass es prioritär nicht um Gruppengrößen geht, sondern um die Arbeitsbedingungen vor Ort.
Insofern sind wir auf einem guten Weg. Herr Senator Wersich hat wunderbar verdeutlicht, dass wir in Hamburg, zumindest im westdeutschen Vergleich der Städte, Spitze sind. Und dafür werden wir auch weiterhin sorgen.
(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, Durchschnitt hat er gesagt! – Beifall bei der CDU und der GAL)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Dr. Schön unterstützt schon allein ganz tapfer die Arbeitgeberseite, da braucht er unsere Hilfe gar nicht. Die Kommentare von Herrn Senator Wersich zum Streik und zum Verhalten von GEW und ver.di lasse ich einfach einmal so stehen. Zu Ihrer Bemerkung, der Streik würde auf dem Rücken von Eltern und Kindern ausgetragen, möchte ich allerdings sagen, dass das nicht stimmt. Nicht umsonst ist es der Presse kaum gelungen, irgendwo ein paar Eltern auszugraben, die mit diesem Streik nicht einverstanden sind, weil Eltern nämlich ganz genau wissen, dass es dabei um ihre Zukunft und die ihrer Kinder geht.
Frau Blömeke, in der Anmeldung heißt es zwar, dass Erzieherinnen Rechtsanspruch auf Gesundheitsförderung brauchen, aber dort steht auch, dass die sachlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen für gute Erziehung und Bildung fehlen. Über diese Voraussetzungen sprechen wir hier auch, und, Herr Müller, es liegt natürlich nicht nur an den Gruppengrößen, sondern auch an der Erzieher-Kind-Relation, und in diesem Punkt liegen wir in Hamburg im Vergleich mit den anderen Bundesländern weit unter dem Durchschnitt. Darüber hinaus geht es auch um Bildungsempfehlungen, die in Hamburg nicht ausfinanziert sind …
… und um vieles mehr. Und wenn Frau Blömeke sagt, über Gruppengrößen und Erzieher-Kind-Relation müsse nachgedacht werden, und Herr Wersich dies damit kommentiert, dass dafür kein Geld vorhanden sei, so spricht das Bände. Da Sie Berlin angesprochen haben, sollten Sie wissen, dass es dort einen sogenannten Quartierszuschlag für die Kitas in den benachteiligten Quartieren gibt, die anders ausgestattet sind als die Kitas in den besseren oder gesünderen Stadtteilen. In Berlin ist man diesen Schritt gegangen, weil man den Quartierszuschlag, so wie wir den KESS-Zuschlag, für nötig hielt. Ich kann Ihnen nur empfehlen, auch diesbezüglich einen Blick nach Berlin zu werfen.
Sie nennen viele positive Beispiele, wie Ruheräume für Erzieher und Erzieherinnen; ja, diese finde ich super, aber sie sind in Hamburg eben nicht Standard. Auch Ruheräume müssen finanziert und ins Raumprogramm integriert werden, und das tun
Sie nicht. Wie Frau Artus gesagt hat, gibt es praktisch überhaupt keine sogenannte mittelbare pädagogische Arbeitszeit, also Zeit für Vor- und Nachbereitung, für Dokumentation, für Elterngespräche. All das findet zwischen Tür und Angel und in der Gruppe und am Katzentisch statt. Es ist nicht nur eine Frage der Tarifverhandlungen, sondern auch des Landesrahmenvertrags, den Sie mit den Trägern aushandeln. Hören Sie also auf, sich herauszureden. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch von mir zunächst ein kleiner Nachschlag. Frau Artus, ich frage mich wirklich, welches Bild Sie eigentlich von einer Kita zeichnen. Sie müssen Erstaunliches bei Ihren Besuchen in Kitas erlebt haben und für die Abschaffung des Gutscheinsystems werden Sie hier keine Mehrheit finden, auch nicht bei den Oppositionskollegen in der SPD, denn sie haben das Gutscheinsystem damals mit eingeführt. Anscheinend ist die Fraktion der LINKEN die einzige, die sich immer noch nicht mit diesem flexiblen, modernen, von allen Fraktionen gewollten System in Hamburg abgefunden hat. Was malen Sie für ein Bild von Kitas? Sie beschreiben den Alltag in einer Kita nur mit Hektik, ständigem Kommen und Gehen, nur Negativ-Wahrnehmungen habe ich von Ihnen gehört. Die in den Kitas geleistete pädagogische, gruppenübergreifende Arbeit, die Flexibilisierung, die Sie mit Kommen und Gehen bezeichnen und die von uns allen gewollt wird, weil sich auch die beruflichen Anforderungen an die Eltern geändert haben, klammern Sie völlig aus. Heutzutage werden nun einmal andere Anforderungen als früher an eine Kita gestellt. In vielen Berufen gibt es keinen geregelten Alltag mehr, sondern Früh- und Spätschichten und ungeregelte Arbeitszeiten, und deswegen ist es unsere Aufgabe, eine Kinderbetreuung zu organisieren, die diesem Bedarf gerecht wird.
Ich habe keinen aus dem Parlament gehört, der behauptet hätte, dass der Beruf der Erzieherinnen einfach sei. Es ist richtig, dass das Heben und Tragen in der Kita eines der Gesundheitsrisiken darstellt. Vorhin erwähnte ich bereits den Lärm und das unpassende Mobiliar, aber ich verstehe nicht, dass Sie das alles immer wieder gebetsmühlenar
tig wiederholen, wo wir doch alle einvernehmlich gesagt haben, dass uns der Gesundheitsschutz in Kitas wichtig ist und es dafür Lösungsmodelle geben muss. Wie Herr Wersich möchte auch ich noch einmal daran erinnern, dass diese Lösungsmodelle auch vom Träger, also dem Arbeitgeber, gemeinsam mit den Kitas entwickelt werden können. Herr Wersich nannte eben schon die Vereinigung. Ich könnte noch viele andere gute Beispiele anführen, doch anscheinend ist mein Beispiel von vorhin an Ihnen vorbeigegangen, deshalb wiederhole ich es noch einmal. Wir hatten in Hamburg das dreijährige Modellprojekt "Kitas fit für die Zukunft", bei dem Lösungsmodelle entwickelt worden sind, die wir uns alle einmal ansehen sollten. Natürlich können wir immer wieder kritisieren, dass die Erzieherinnen nicht genug verdienen und sie deshalb krank werden. Ja, darin habe ich Ihnen zugestimmt, der Beruf ist auch aus meiner Sicht unterbezahlt. Ich werde aber einen Teufel tun, denn ich finde nach wie vor, dass es nicht unsere Aufgabe ist, uns auf die Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite zu stellen, sondern dass die Politik sich hier zunächst herauszuhalten hat. Wir plädieren dafür, dass einvernehmliche Lösungen am Verhandlungstisch gefunden werden müssen.
Aufgabe der Politik aber ist es in der Tat, Rahmenbedingungen für eine Erfolg versprechende Arbeit zu schaffen. Das betrifft einerseits die pädagogische Arbeit und andererseits die Personalaufstockung bei den Erziehern und Erzieherinnen in den sozialen Brennpunkten. Das ist jedoch eine ganz andere Diskussion.