Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Aber was Sie sagen könnten und sagen sollten, ist, dass es in den nächsten Jahren schwierig werden wird, wenn der Silberstreifen am Horizont wieder da ist, Haushaltskonsolidierung zu machen und diese Schulden zurückzuführen. Die Aussage des Senats und der ihn tragenden Fraktionen, dass wir diese Schulden wieder zurückführen wollen, ist eine, die sehr stark bindet. Das ist eine Aussage, die es nicht möglich machen wird, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Man könnte eigentlich diese neuen Schulden auf den großen Haufen der alten Schulden legen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das machen Sie doch jetzt schon!)

Es wäre Ihre Aufgabe, uns zu unterstützen, aber auch zu fordern, dass wir uns an dieses Versprechen halten. Dann müssen wir aber auch gemeinsam – das ist die Aufgabe des Parlaments, für den Haushalt sind wir verantwortlich – Wege in den nächsten Jahren finden, die Prioritäten so zu setzen, dass sie den Haushalt weiter entlasten, und das wird nicht einfach werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sagen Sie doch vor der Bundestagswahl, wo das sein soll!)

Dafür erwarten wir Ihre Vorschläge. Wenn Sie in der Vergangenheit versäumt haben zu sagen, wo man Millionen einsparen sollte, dann können Sie uns das in Zukunft sagen. Wir werden den Konsolidierungskurs fortsetzen, aber wir werden nicht diese Stadt in dieser Situation kaputtsparen. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kerstan.

(Rüdiger Kruse)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Monaten vor einer dramatischen Situation gestanden. Wir alle konnten uns nicht sicher sein, ob es zu einer so dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise kommen würde wie in den Dreißigerjahren mit Abermillionen Arbeitslosen, zusammenbrechenden Sozialsystemen und letztlich dann auch Unruhen, die in der Gesellschaft für Zerrüttung und auch für schlimme Entwicklungen gesorgt haben. Das konnte abgewendet werden, abgewendet durch beispiellose Maßnahmen, durch Riesensummen, die von Notenbanken, von der Politik, der Bundesregierung, den Ländern, aber auch international in den USA und weltweit investiert wurden. Damit ist es gelungen, diese Krise abzuwenden. Wir sind immer noch in einer schweren Wirtschaftskrise, der schlimmsten, in der wir jemals sein werden. In der Tat war die schlimmste Krise bisher ein Minus von 0,9 Prozent, wir werden in diesem Jahr ein Minus von 6 Prozent haben. Das heißt, es kommen schlimme Zeiten auf uns zu, aber so dramatische und so katastrophale Zeiten wie in den Dreißigerjahren sind von der Politik abgewendet worden und das ist eine gute Botschaft, nicht nur für Hamburg, sondern auch für Deutschland und die ganze Welt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Aber diese Maßnahmen haben auch ihren Preis. Niemand sollte auf die Idee kommen, nur, weil die Krise im Moment noch nicht so spürbar ist, wie man es befürchtet hat, jetzt darüber zu reden, dass dieser Preis zu hoch sei, den man gezahlt hat. Wir haben in der Tat in der Krise die Ausgaben erhöht und wenn jetzt die Steuereinnahmen wegbrechen, dann steht die Entscheidung an, was man macht. Die Erholung, die wir gerade erleben, wäre in dem Moment sofort vorbei, wenn in einer Situation der wirtschaftlichen Investitionshemmung der Staat anfangen würde, die Steuereinnahmen einzusparen. Deshalb ist es nicht nur richtig, sondern letztendlich wirklich der einzig verantwortbare Weg in diesen Jahren, 2009 und 2010, in denen die Krise am stärksten ist, die wegbrechenden Steuereinnahmen durch Schulden auszugleichen. Das würden wir uns anders wünschen, aber die Konsequenzen wären dramatisch, wenn wir einen anderen Weg gehen würden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wenn Sie einmal nach Japan schauen, das 1990 in einer ähnlichen Situation eine Spekulationsblase an den Aktien- und Immobilienmärkten hatte, die dann eingebrochen ist. Was hat die japanische Regierung damals getan? Sie hat gesagt, sie mache keine Konjunkturprogramme und hat angefangen, in der Krise zu sparen. Sie hat angefangen, die Zinsen zu erhöhen in dem Moment, in dem die Wirtschaft sich gerade ein bisschen stabilisiert hat

te, und was war die Folge? Die Folge war, dass Japan jetzt, 19 Jahre später, immer noch schlechter dasteht als damals. Der Nikkei-Index lag damals bei 39 000 Punkten, er ist jetzt bei 10 500. Die Arbeitslosigkeit lag damals in Japan bei weniger als 1 Prozent, sie ist jetzt, für japanische Verhältnisse, auf Rekordniveau, bei 5,7 Prozent. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Damit hat man keine Verschuldung verhindert, denn in den Folgejahren, um diese dauerhafte Krise zu bekämpfen, hat der japanische Staat sich verschuldet und steht jetzt bei 200 Prozent Staatsverschuldung, verglichen zum Bruttoinlandsprodukt.

Sie haben gesagt, Herr Tschentscher, der Hamburger Senat müsse jetzt anfangen zu sparen, das wäre die Perspektive für Hamburg, auch für Deutschland. Ich kann nicht glauben, dass Sie das ernst meinen und kann das wirklich nur als Oppositionsgeklingel mitten in einer der schwersten Krisen verstehen und ich bedaure es, dass Sie diesen einfachen Weg als Oppositionspartei angesichts so schwerer Zeiten im Moment gehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ihr einziges Argument besteht darin – ich möchte gern erläutern, warum das so ist –, dass wir in diesem Jahr in der Tat mehr Schulden aufnehmen als Steuern wegbrechen. Das ist so, weil in diesen beiden Jahren die Steuereinnahmen so deutlich wegbrechen, dass wir dann, wenn die Krise vorbei ist, mit einer geringeren Verschuldung gar nicht mehr das Defizit ausgleichen könnten, weil dort die Grenze der Investitionen wäre. Das würde bedeuten, dass wir ab den Jahren 2011/2012 Milliardenbeträge einsparen müssten.

Die Krise ist noch nicht vorbei im Jahr 2010 – ich komme zum Schluss –, sondern sie wird mindestens bis zu den Jahren 2012/2013 gehen und in dieser Zeit brechen 6 Milliarden Euro Steuern weg und wir nehmen 6 Milliarden Euro Schulden auf. Sie haben eine zu kurze Perspektive, wir haben die längerfristige Perspektive, um diesen Haushalt zu stabilisieren

(Michael Neumann SPD: Wachsen mit Weit- sicht!)

und um einen Absturz in Hamburg zu verhindern, und das ist verantwortungsbewusst. Kurz vor den Wahlen werden wir anfangen, die Zinsen aus dem Haushalt zu erbringen und Sie werden sich noch wundern, was das für Einsparmaßnahmen sein müssen. Von unterschiedlichen Vorstellungen …

(Glocke)

Herr Abgeordneter, wir haben über Schluss unterschiedliche Vorstellungen.

– Ich bringe den Satz zu Ende.

… über Konsolidierungspolitik kann hier nicht die Rede sein. Wir werden verantwortungsbewusst mit dem Haushalt, aber auch mit der Hamburger Wirtschaft und der Beschäftigung umgehen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Bischoff.

(Michael Neumann SPD: Das hätte ich nie gedacht, dass ich mich auf Herrn Bischoff freue, nachdem die GAL geredet hat!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, Sie machen jetzt wieder Ihre übliche Schwarz-Weiß-Malerei. Dass Sie als Koalition sagen, das Haushaltsloch sei so groß, dass man nicht dagegen ansparen könne, ist in der Tat für Sie ein großer Fortschritt. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie das beispielsweise in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen ist, dann ist es eben so. Man kann auch in dieser Situation versuchen, gegen die dramatische Krise mit Haushaltssperre und einer Aufgabenkritik der öffentlichen Haushalte vorzugehen. Dieses kann, das ist mehrfach ausgeführt worden, bei dieser schweren Krise überhaupt nicht der Fall sein, das heißt, man kann sich aus dieser Krise nicht heraussparen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE und bei Farid Müller GAL)

Aber Sie machen nur den ersten Schritt, man kann die Krise auch nicht aussitzen; das haben Sie eben noch einmal sehr deutlich gemacht. Ihre Perspektive ist, dass 2011 alles vorbei sei, dann geben Sie noch einen Spielraum und fangen 2015 an zu konsolidieren, im Hintergrund immer dieses sehr untaugliche Instrument der Schuldenbremse, das Sie gerade demonstriert haben. Wir werden noch darüber reden, ob Sie wirklich diesen Fahrplan einhalten können. Ihr großer Fehler ist, dass Sie glauben, die Krise aussitzen zu können. In der Drucksache, die wir noch besprechen werden, sagen Sie zu Recht, dass die Weltwirtschaft und die deutsche Wirtschaft sich derzeit in der tiefsten Rezession seit der großen Depression, seit der Gründung der Bundesrepublik befinden. Auf diese historisch einmalige, unvorhersehbare Finanz- und Wirtschaftskrise konnten sich Bund, Länder und Gemeinden in ihren Haushaltsplanungen nicht einstellen. Ich teile zwar nicht Ihr Lob auf die Finanzpolitik und das, was wir da gesehen haben, aber dies ist so gravierend, dass man es nicht antizipieren konnte.

Daraus muss aber der zweite Schritt erfolgen. Sie müssen aktiv etwas gegen die Krise unternehmen,

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

das muss bundesweit, in Europa und auch in der Regionalökonomie passieren. Sie gehen passiv an diese Krise heran und das wird uns schwer vor die Füße fallen. Deshalb haben Sie alles, was die Opposition – unterschiedlich, aber doch in der Richtung identisch – in den Haushaltsberatungen vorgebracht hat, weggewischt. Wir haben Ihnen bereits im März gesagt, dass dieser vorgelegte Haushalt das Papier nicht wert sei, auf dem er steht, weil die Krise schon erkennbar war. Das viel größere Problem für uns ist, dass Sie es jetzt auch wieder aussitzen. Sie müssten eigentlich jetzt den zweiten Schritt machen, um in Hamburg die Regionalökonomie auf neue Strukturen einzustellen,

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

denn der Weg, der sich daran anschließt, ist verdammt hart.

Wir gehen natürlich mit Ihnen konform, dass, nachdem die schwersten Abstürze eingedämmt sind, auch über Konsolidierung und Finanzierung eines Strukturprogramms gesprochen werden muss. Das kann man nicht bei der bisherigen Steuerstruktur, das werden Sie nicht schaffen, sondern wir müssen, Herr Tschentscher hat das gesagt, darüber nachdenken, wie man für diese öffentlichen Aufgaben eine andere Finanzausstattung bekommt. Dazu gehört die Wiedererhebung der Vermögensteuer, dazu gehört einiges an Umsteuerung und Besteuerung auf den Finanzmärkten und dazu gehören auch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, denn sonst bekommen Sie diese Verselbstständigung des Finanzsektors nicht in den Griff. Das gehört auch zu Ihrer Politik des Aussitzens, nicht einmal die Boni-Frage bekommen Sie geregelt, geschweige denn, dass Sie aus dieser Krise strukturelle Schlussfolgerungen ziehen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Alsdann gebe ich das Wort Senator Dr. Freytag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg steht vor den schwersten Steuereinbrüchen seiner Geschichte; die Ursachen sind hier detailliert geschildert worden. Noch nie gab es einen Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt in Deutschland von 6 Prozent, wir haben 6 Milliarden Euro Steuerausfälle in Hamburg allein bis 2013 zu befürchten. Der Haushaltsplan 2009/2010, den wir unter ganz anderen Vorzeichen eingebracht hatten, muss jetzt entscheidend geändert werden.

Ich will noch einmal an eines erinnern: Wir haben den Haushaltsplan 2009/2010 vor der Krise ohne einen Cent Neuverschuldung aufgestellt.

(Wilfried Buss SPD: Eine völlig neue Bot- schaft!)

Auch die Folgehaushalte in der mittelfristigen Finanzplanung wären ohne einen Cent Neuverschuldung ausgekommen. Das haben wir erreicht, nachdem über viele Jahrzehnte in Hamburg die Schuldenspirale, und zwar auch ohne Wirtschaftskrise, in unverantwortlicher Weise nach oben getrieben worden ist. Ich darf noch einmal an die Fakten erinnern: Von 1970 bis zum Jahr 2000

(Zurufe von der SPD)

hat sich die Staatsverschuldung in Hamburg verzehnfacht. Von 1970 an hat sich die Staatsverschuldung alle zehn Jahre verdoppelt. Wir haben es geschafft, im Jahr 2007/2008 erstmals diese Neuverschuldungsspirale anzuhalten und keinen Cent neue Schulden mehr zu machen, keine Zinsen aufnehmen zu müssen für neue Schulden. Das war eine große Haushaltskonsolidierungsleistung, die uns jetzt auch in der Krise hilft.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan und Antje Möller, beide GAL)

Woher sollen wir das Geld nehmen? Es gibt grundsätzlich drei Wege, dieser Krise Herr zu werden, wenn Sie in eine solche Situation kommen, dass Sie statt null Neuverschuldung jetzt auf einmal eine erhebliche Neuverschuldung aufnehmen müssen.

Der erste Weg wäre ein radikales Sparprogramm. Davon – ich begrüße es auch, dass die Opposition unsere Auffassung teilt – würde ich dringend abraten, denn in einer Konjunkturkrise, in der Unternehmen und Arbeitsplätze besonders dramatisch auf dem Spiel stehen, wäre es tödlich, wenn man mit einem Sparprogramm auch noch Investitionen zurückfährt. Das würde die Arbeitslosigkeit und das Elend der Unternehmen verschärfen; genau das werden wir nicht tun. Im Gegenteil, wir werden unsere Investitionen sogar noch ausweiten und zusammen mit dem Konjunkturprogramm des Bundes haben wir dies auch getan. Wir wollen nämlich gezielt die Krise durchstehen, indem wir die Unternehmen stärken, Arbeitsplätze sichern und nicht das Gegenteil tun. Deshalb ist der Finanzplan an dieser Stelle auch nicht zu ändern.

Die andere Alternative wäre gewesen, massive Privatisierungen vorzunehmen.

(Michael Neumann SPD: Es ist doch nichts mehr da!)

Das haben sozialdemokratische Senate gemacht, große öffentliche Unternehmen zu privatisieren.