Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

die sich dann mit diesem Thema beschäftigen. Andere Punkte haben Sie wieder aus unserem gemeinsamen Konzept mit der GAL übernommen. Also Ihr Antrag erscheint uns insgesamt nicht zustimmenswert.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wo leben Sie ei- gentlich?)

Positiv möchte ich zum Schluss hervorheben, dass aufgrund des Antrags von GAL und CDU erstmals nicht nur die Problematik der Wohnbevölkerung in den Fokus gerückt wurde, sondern auch die Problematik der Kleingewerbetreibenden.

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Dann sind wir uns ja einig!)

Dieser Verdrängungsprozess betrifft nicht nur die Wohnbevölkerung, sondern selbstverständlich auch die Kleingewerbetreibenden. Auch in diesem

Bereich werden wir zusammen mit der Behörde für entsprechende Schritte und Maßnahmen sorgen müssen; das ist ein Novum. Insofern gehen wir hier den richtigen Weg mit den richtigen Schritten und wir würden uns freuen, wenn wir für unseren Antrag eine entsprechende breite Unterstützung in der Stadt finden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und GAL)

Das Wort bekommt Herr Grote.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit in einer Reihe innerstädtischer Stadtteile erhebliche Aufwertungsprozesse – das ist in den verschiedenen Anträgen beschrieben worden – und resultierend daraus einen starken Druck auf langjährige örtliche Wohnbevölkerungen. Wir sprechen insbesondere über die Stadtteile St. Pauli, Sternschanze, St. Georg, Ottensen, Eimsbüttel-Süd, Altona-Altstadt, aber auch andere. Das alles sind Stadtteile, in denen wir überwiegend in den Achtziger- und Neunzigerjahren städtebauliche Sanierungsverfahren durchgeführt haben, weil es zu dem Zeitpunkt erhebliche Missstände gab, die sich negativ auf die Lebensverhältnisse und Lebensumstände dort ausgewirkt haben.

Diese Sanierungsverfahren waren ein Erfolg und ich glaube, niemand möchte die Situation der Achtzigerjahre in diesen Stadtteilen wiederhaben.

(Jörg Hamann CDU: Doch, die Linkspartei!)

Aber wir erleben jetzt eben auch eine Kehrseite dieser Entwicklungen. Es sind dort nämlich nicht nur gewisse Veränderungen in der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aufgetreten, mit denen man vielleicht auch rechnen konnte, sondern wir haben eine so nicht erwartete neue Dimension von Veränderungen, eine massive Entmischung und eine Verdrängung von Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen.

Wenn man sich beispielhaft den Stadtteil St. Pauli anschaut, wo in den letzten viereinhalb Jahren die Durchschnittsmiete bei Neuvermietung von 7,31 Euro auf 10,22 Euro angestiegen ist, dann ist das eine Steigerung um fast 40 Prozent. Wenn man sich dann anschaut, dass in derselben Zeit 16 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes neu vermietet worden sind, dann ist klar, dass bei ungebremstem Fortgang dieser Entwicklung in ungefähr 10 Jahren von der Mischung der Wohnbevölkerung in diesen Stadtteilen nichts mehr übrig ist. Das ist eine Situation, die wir nicht wollen und die niemand von uns wollen kann.

Wir können insbesondere nicht wollen, dass die Menschen, für die wir die Sanierungsverfahren eingeleitet und mit denen wir sie auch durchgeführt haben, nun zu Opfern dieser Entwicklungen wer

den und sich das Leben in ihren eigenen Stadtteilen nicht mehr leisten können. Es geht insofern um einen Verlust von Heimat für die Menschen, die davon betroffen sind, aber es geht auch für die Stadtteile um einen Verlust von Identität.

Die innerstädtischen Wohnquartiere sind geprägt von einer stark gemischten Wohnbevölkerung mit völlig unterschiedlichem sozialem Hintergrund, unterschiedlichen Einkommenssituationen, Kulturen und Lebensentwürfen. Die Vielfalt, die Toleranz und die gegenseitige Akzeptanz im Zusammenleben in diesen Stadtteilen schafft eine besondere und wertvolle Integrationskraft, schafft großstädtisches Lebensgefühl und Lebensqualität. Diese Stadtteile prägen das Gesicht einer modernen liberalen Großstadtgesellschaft entscheidend mit und das ist etwas, das wir in Hamburg nicht verlieren dürfen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Deswegen ist es unsere Aufgabe, soweit wie möglich gemeinsam dafür zu kämpfen, dass Vielfalt und Charakter in diesen Quartieren erhalten bleiben. Es geht eben auch ein Stück weit um die Frage, in welcher Stadt wir zukünftig leben wollen, ob wir in einer Stadt leben wollen, in der man die Mischung und die Vielfalt von Großstadtgesellschaft in den einzelnen Stadtquartieren auch noch erleben kann, oder in einer Stadt, in der sich die Bevölkerung nach Einkommensgruppen getrennt über das Stadtgebiet verteilt. Das kann man nicht wollen. Wir dürfen deshalb die Menschen in diesen Quartieren, die von Verdrängung betroffen sind, nicht im Regen stehen lassen, sondern müssen ihnen einen Schutzschirm gegen Verdrängung zur Verfügung stellen und das ist der Vorschlag, den wir hier machen.

Dann haben wir den Antrag von CDU und GAL. Herr Hamann, wenn man Sie so reden hört, dann hat man das Gefühl, Sie hätten das Problem soeben erst auf die politische Tagesordnung gebracht und durch Ihren Antrag wären alle Überlegungen überhaupt erst ins Rollen gekommen. Ich möchte einmal daran erinnern, dass Sie hier vor Kurzem noch ein 80-seitiges Papier Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) eingebracht haben. Der Senat versteht kein einziges Wort von diesen Problemen und wir wünschen und erwarten natürlich schon, dass wir das Gespräch darüber in der Debatte im Ausschuss führen, die dazu noch kommt. Dieser Antrag beziehungsweise dieses Konzept, dessen Sie sich jetzt rühmen, ist relativ mager. Es ist keineswegs so, dass dort ein echtes Maßnahmenpaket vorgestellt wird, sondern es soll geprüft und erwogen und dann mit unbestimmtem Zeithorizont irgendetwas berichtet werden. Entschlossenes Umsteuern sieht anders aus als das, was Sie hier vorstellen.

(Jörg Hamann)

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Joachim Bi- schoff DIE LINKE)

Die einzelnen Punkte sind punktuell, fragmentarisch und auch ein bisschen zusammenhanglos. Wenn Sie das Ganze als Hamburger Konzept bezeichnen, dann nehmen Sie den Mund vielleicht doch ein bisschen zu voll. Wir wollen hoffen, dass uns in Hamburg noch ein bisschen mehr dazu einfällt, sonst sind wir am Ende statt bei einem Hamburger Konzept doch nur bei schwarz-grüner Konzeptlosigkeit, und das wollen wir lieber nicht.

Wir wissen natürlich, dass der Antrag auch deswegen noch relativ unbestimmt ist, weil Sie in Wahrheit in der Koalition völlig unterschiedliche Auffassungen haben. Die CDU hat in den ganzen letzten Jahren und auch in allen aktuellen Äußerungen dort überhaupt keinen Handlungsbedarf gesehen. Wenn man mit Vertretern der CDU in irgendwelchen Diskussionsrunden saß, hieß es bisher immer, dass diese Aufwertungen ganz normale immobilienwirtschaftliche Vorgänge seien, das sei eben Marktgeschehen und da solle sich der Staat besser heraushalten. Sie haben bei jeder Gelegenheit erzählt, dass Sie soziale Erhaltungsverordnungen ablehnen.

Ich habe das Protokoll über die Debatte vom 4. November 2009. Da haben wir unter anderem auch schon über das Gängeviertel gesprochen und Herr Voet van Vormizeele hat dazwischengerufen, als es um soziale Erhaltungsverordnungen ging:

"Vollkommen unnützes Instrumentarium!"

Und heute stellen Sie sich hin und sagen, das müssten wir dringend einmal prüfen, soziale Erhaltungsverordnungen wären das Hamburger Konzept und Sie hätten sich das ausgedacht. Das stellt die Dinge ein bisschen auf den Kopf, aber besser spät als nie. Es ist nicht so, dass wir das jetzt anschieben, sondern in Wahrheit ist das im Bezirk Hamburg-Mitte, der wesentlich von diesen Entwicklungen betroffen ist, schon vor einem Jahr für St. Georg und vor einem halben Jahr für St. Pauli auf den Weg gebracht worden. Übrigens wurde das damals auch von der Linksfraktion mit Kommentierungen begleitet wie: Das ist eine super Idee, darauf wären wir auch gerne gekommen. Also erfunden haben Sie das Thema auch nicht.

Die positive Vorprüfung aus dem Bezirk liegt schon seit ein paar Monaten in der BSU auf dem Tisch und wir sind sehr gespannt, wie Sie sich dazu verhalten. Jedenfalls werden Sie sich mit Ihren Erwägungen und Prüfungen nicht lange über Wasser halten können, sondern da wird demnächst eine Entscheidung anstehen und ich bin sehr gespannt, wie schlagkräftig das Hamburger Konzept dort wirkt.

Sie haben sich positiv auf unseren Antrag bezogen, das finde ich gut. Ich bin auf eine konstruktive

Diskussion über die einzelnen Punkte im Ausschuss gespannt und Sie werden an den Handlungsansätzen, die im Antrag stehen, nicht vorbeikommen, wenn Sie das Problem ernsthaft angehen wollen. Wir brauchen ein kontinuierliches Sozialmonitoring in den Stadtteilen und nicht eine zu einem bestimmten Zeitpunkt angestellte Untersuchung, die immer nur eine Momentaufnahme sein kann.

Wichtige andere Punkte sind die Miet- und Wohnungsbaupolitik der SAGA. Auch um den Ankauf von Belegungsbindungen gerade in den Stadtteilen, in denen die Sozialwohnungsbestände stark abschmelzen, werden Sie nicht herumkommen. Wir müssen alle Instrumente und nicht nur einige selektive, die Sie in Ihrem Antrag benennen, in die Hand nehmen, um wirklich etwas zu bewegen. Es ist schon viel Zeit vergangen und daran, ob wir das hinbekommen, werden wir erkennen können, ob uns ein echtes Gegensteuern gelingt oder ob es sich nur um Rhetorik handelt, wie wir sie heute hier gehört haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Becker.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Herr Grote, im Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung steht natürlich nichts über Gentrifizierung, weil es dort um die Förderung von benachteiligten Quartieren geht.

(Beifall bei Hans Lafrenz CDU)

Um die handelt es sich nicht und deshalb hat das auch nichts miteinander zu tun. Das ist ein eigenes Spielfeld und wird deswegen auch gesondert behandelt.

(Andy Grote SPD: Nein, das gehört da rein!)

Bevor ich auf die vier vorliegenden Drucksachen eingehe, möchte ich ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. Durch die Besetzung im Gängeviertel und die Initiative der Künstler wurde eine Bewegung in Gang gesetzt, die eine Diskussion in der ganzen Stadt ausgelöst hat, die gut und auch wichtig ist und in etwa zum Thema hat, welche Stadt wir uns eigentlich wünschen. Da ist das Thema Gentrifizierung auch ein wichtiger Teil und ich möchte einmal aus unserer Sicht sagen, wie wir das grundsätzlich verstehen. Gentrifizierung ist ein Stadtentwicklungsthema und Quartiere entwickeln sich. Entwicklung heißt auch Veränderung. Das heißt nicht, dass wir in der Politik die Aufgabe haben, Entwicklungen zu verhindern. Wir können sie nicht verhindern, auch weil Generationen aufwachsen, die eigene kulturelle Ausdrucksmöglichkeiten entfalten. Quartiere verändern sich auch dadurch, dass junge Leute dort hinziehen und eine Kultur,

(Andy Grote)

einen Kiez gründen, der einen eigenen Ausdruck hat, und dann kommen andere Menschen dazu, die das ganz chic finden. Sie gründen Läden, sind dort beruflich tätig oder wohnen vielleicht da, sie sind Künstler, Fotografen, Kreative und so entsteht Aufwertungsdruck.

Dann haben wir die Situation wie in der Schanze und in St. Georg, wo der ersten Generation nicht gefällt, was die zweite Generation macht. Das heißt also, dass der Konflikt zunächst einmal ein Konflikt innerhalb eines Quartiers ist. Er äußert sich insoweit, dass das Problem quasi an die Politik herangetragen und gesagt wird, ihr müsst uns helfen, wir wollen diese Art von Veränderung nicht, die Veränderung geht uns zu schnell. Dazu müssen wir Position beziehen und diese Position haben wir in unserem Antrag, auf den ich gleich noch kommen werde, festgehalten. Wir sind der Meinung, dass wir die Bestandsmieter davor schützen müssen, vertrieben zu werden. Ein Schutz vor Gentrifizierung, vor Aufwertung ist notwendig, damit die Menschen, die dort leben, nicht durch äußere Entwicklungen gezwungen werden, ihre Wohnungen aufzugeben. Unsere Aufgabe als Politik ist es, den gesunden Mix in den Quartieren aufrechtzuerhalten. Alles andere könnte man in zentralistischen Staaten machen, die ohne eine gewisse Gewaltenteilung und Gesetzgebung solche Veränderungen erlassen können. Dies ist wichtig, um einmal eine klare Abgrenzung zu treffen, was die Aufgabe von Politik und von Stadtentwicklung ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben uns dem Thema genähert, indem wir uns schon seit einiger Zeit von Experten haben beraten lassen, die in den Quartieren arbeiten, die auch wissenschaftlich tätig sind und sich in den Bezirken professionell mit dem Thema befassen. Wir haben sie nach ihren Vorschlägen gefragt, welche Maßnahmen wir denn ergreifen können, um solche Entwicklungen in solchen aufgewerteten Quartieren verträglich zu gestalten. Das Ergebnis ist in den Antrag eingeflossen, den die Koalitionsfraktionen hier einbringen. Das umfasst Prüfung und auch Umsetzung von sozialen Erhaltungsverordnungen, Ausübung von Vorkaufsrechten bei spekulativen Verkäufen, den Umgang mit Treuhandvermögen, dass man sich langjährige soziale Absicherung vertraglich zusichern lässt, und andere Punkte. Sie haben sie alle gelesen, ich brauche sie jetzt nicht noch einmal aufzuzählen. Das sind die wirksamen Instrumente. Mit diesem Antrag geben wir der Behörde alle Möglichkeiten, zu prüfen und die sinnvollen Maßnahmen auch umzusetzen.

Die SPD hat einen Antrag eingebracht, den wir sehr konstruktiv finden, in dem einige Dinge stehen, die wir gut finden, und andere Dinge, die wir nicht so gut finden. Wir sollten es der Diskussion

im Ausschuss überlassen, inwieweit wir in weiteren Gesprächen zu Lösungen kommen.

Für den Antrag der LINKEN hätte ich eine andere Überschrift gewählt, ich hätte ihn eher "Wünsche an den Weihnachtsmann" genannt.

(Beifall bei Andreas Waldowsky GAL und der CDU)

Sie haben da ein bisschen Brainstorming betrieben und alles zusammengeschrieben. Sie vermitteln für mich den Eindruck – deswegen habe ich diese einleitende Bemerkung gemacht –, dass Sie im Prinzip diese Quartiere in ihrem Status quo festfrieren und dafür unheimlich viel Geld ausgeben wollen. Das kann es einfach nicht sein, das ist ein völlig verkehrter Ansatz. Dem können wir uns nicht anschließen und deshalb werden wir uns auch diesem Antrag nicht anschließen und ihn selbstverständlich ablehnen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Große Anfrage fand ich sehr wertvoll und interessant. Es sind viele Daten enthalten, die auch sehr aussagekräftig sind. Eines finde ich jedoch erstaunlich: Wir sind hier im Hamburg des Jahres 2009 und reden auch über Hamburg 2009, aber wenn ich Herrn Dr. Bischoff vorhin gehört habe, der von katastrophalen Ausmaßen gesprochen hat, dann muss ich mich fragen, ob wir uns auf dieselbe Anfrage und dieselben Daten beziehen. Da habe ich das Gefühl, Herr Dr. Bischoff hat nicht über Hamburg geredet, sondern über eine andere Stadt.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Vielleicht über andere Bevölkerungsteile!)

Nein, ich rede über die Daten, die in dieser Großen Anfrage erhoben worden sind.