Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Das Ganze ist nicht durchdacht. Sie fangen recht vernünftig an, setzen dann aber viel zu schnell auf Sparoperationen, die im Einzelfall, wie etwa im Sozialbereich, höchst problematisch sind. Die spannende Frage ist natürlich auch, was Sie machen werden, wenn sich die Konjunktur 2010 oder 2011 nicht erholt. Wie wollen Sie dann weitergehen?

Eine weitere Differenz. Wir sagen, dass wir sehr wohl alle Bestandteile des Betriebs- und Investitionshaushaltes auf den Prüfstein stellen müssen. Man kann in einer großen Krise nicht einfach so weiter machen und alles umsetzten, was möglich ist. Man muss beispielsweise gucken, ob die Pferderennbahn wirklich eine Stärkung der Regionalwirtschaft Hamburgs darstellt oder ob der Autobahnbau ein Beitrag zur Kreativwirtschaft in Hamburgs Süden ist. Wir gehen das gern jederzeit Punkt für Punkt mit Ihnen im Ausschuss durch.

Ich teile die Einschätzung von Herrn Tschentscher, dass man auch im Betriebshaushalt noch einiges erwirtschaften kann. Das wäre sicherlich im Einzelnen zu verhandeln. Aber das ist ja gerade einer unserer Kritikpunkte, dass Sie hier einfach Ihr Programm abspulen. Sie sagen zwar immer wieder, die Lage sei ernst, machen aber eine Politik, die dazu führt, dass die Lage noch ernster wird. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Senator Dr. Freytag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben Debatten dieser Art schon öfter geführt und es wird hier ge

(Jens Kerstan)

pflegt aneinander vorbeigeredet. Die Wirtschaftskrise, in der sich die Hansestadt Hamburg als Exportstandort befindet, ist alles andere als das Produkt des Hamburger Senats. Wer das behauptet, hat schlichtweg keine Ahnung. Wir sind Teil der Lebensrealität.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Wir haben die schärfste Rezession seit dem Jahr 1929. Was heißt das? Wir haben in Hamburg im ersten Halbjahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 4,4 Prozent. Die bisher schwerste Krise, die erste Ölkrise, hat Hamburg einen Rückgang von 2,6 Prozent gebracht, wir haben also fast das doppelte Krisenvolumen im Vergleich zur ersten Ölkrise. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Außenwirtschaft Hamburgs. Wir haben dramatische Rückgänge bei den Exporten. Ich nenne Ihnen nur eine Zahl, die Ihnen vielleicht nicht so präsent ist. Wenn man die Flugzeuge ausnimmt, haben wir beim Export einen Rückgang von 20 Prozent. Das ist für einen Exportstandort ganz dramatisch. Nur durch die Flugzeugindustrie bekommen wir ein leichtes Plus, das zeigt die Bedeutung von Airbus und der Lufthansa-Werft in besonderer Weise.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Aber die Wirtschaft insgesamt ist in Hamburg massiv getroffen. Wir haben einen Rückgang der Körperschaftsteuer, der Unternehmensteuer um 87 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wir haben hier einen historischen Tiefstand. Die Gewerbesteuer geht gegenüber 2008 um 23 Prozent zurück, die veranlagten Einkommensteuern um 28,5 Prozent und die Lohnsteuer um 4,7 Prozent. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Hamburger Haushalt, aber auch auf den Bundeshaushalt, weil im föderalen System alle natürlich auch auf Bundesebene Steuerzahler sind.

Auf Bundesebene war zuletzt ein Sozialdemokrat Finanzminister, der mit 86 Milliarden Euro die höchste Verschuldung aller Zeiten im Bund eingehen musste, ohne dass er etwas dafür kann. Dazu schweigen Sie, aber weil hier in Hamburg die CDU und die Grünen regieren, wird uns vorgeworfen, wir hätten Schuld an der Verursachung dieser Wirtschaftskrise. Das ist eine groteske Verzerrung der Realität.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es gibt in Hamburg keine Schattenhaushalte. Da wir eine Konzernbilanz haben, sind alle Verschuldenselemente und alle Investitionselemente offen und transparent ausgewiesen. Es ist schön, dass die SPD, wie wir gerade erfahren haben, im Jahr 1998 erkannt hat, dass die Pensionsrückstellungen ein großes Problem sind. Es ist toll, dass Sie das erkannt haben, aber Sie haben nichts gemacht.

Wir haben das auch erkannt, aber wir haben Pensionsrückstellungen gebildet, damit wir in späteren Jahren diese Gelder auch noch auszahlen können. In Bezug auf Erkenntnis und Handeln unterscheiden sich eben SPD und CDU: Sie erkennen, wir handeln.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Eines darf ich noch einmal sagen: Bei der Kreditaufnahme, die wir wegen der Steuerausfälle in Höhe von 6 Milliarden Euro jetzt eingehen müssen und die wir nicht verschuldet haben, haben wir es durch gutes Haushalten in den Vorjahren immerhin geschafft, 1,7 Milliarden Euro Rücklagen zu bilden. Diese Mittel der Rücklage werden gezielt in den Folgejahren eingesetzt. Wir haben jetzt eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und deshalb können wir diese Nettokreditaufnahme so gestalten. Für die Folgejahre haben wir vorgesorgt und in Form dieser 1,7 Milliarden Euro einen Puffer. Wir haben eben nicht alles ausgegeben, sondern wir haben in den Jahren 2007/2008 ohne Neuverschuldung einen ausgeglichenen Haushalt gehabt und hätten das auch für die Jahre 2009/2010 erreicht, erkennbar am ersten Haushaltsvoranschlag, wenn es diese Krise nicht gegeben hätte.

Was die Haushaltskonsolidierung angeht, so haben wir nicht nur unsere Hausaufgaben gemacht, sondern in den letzten Jahren einen vorbildlichen Haushalt vorgelegt. Dass wir jetzt diese dramatische Krise bewältigen müssen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir eben anders lösen als andere Länder. Wir bauen eine Tilgungsautomatik ein in die 6 Milliarden Euro Staatsverschuldung. Wenn es wieder höhere Steuereinnahmen gibt, wird primär dieser alte Kredit getilgt und die Zinsen dafür verdienen wir komplett jetzt, indem wir sparen. Das ist verantwortungsbewusste Politik zugunsten der Folgehaushalte.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Natürlich macht es keinen Spaß, 1,15 Milliarden Euro einzusparen. Über 1 Milliarde Euro einzusparen, insbesondere im Betriebshaushalt, hat eben nichts zu tun mit dem, was Sie anführen, nämlich die Elbphilharmonie und andere Investitionsprojekte. Der Betriebshaushalt ist etwas ganz anderes, das sind zum Beispiel Personalkosten, das sind viele Zuwendungsbereiche, wo das Sparen wirklich schmerzt. Und da haben wir von Ihnen überhaupt keine Alternative formuliert bekommen. Sie greifen diesen Senat an, dass er ein Konsolidierungsprogramm über 1 Milliarde Euro vorlegt, ohne nennenswerte eigene Alternativen zu haben.

Sie haben gesagt, Sie hätten eine Liste ohne Ende gemacht. Ich habe diese Liste ohne Ende nicht gesehen. Mit der Liste sind Sie am Ende, aber sie ist nicht ohne Ende.

(Senator Dr. Michael Freytag)

(Michael Neumann SPD: Wenn hier einer am Ende ist, dann sind Sie das!)

Und vor allen Dingen wäre dieser Haushalt am Ende, wenn man 1 Milliarde Euro einsparen müsste und keine Vorschläge hätte. Wenn Sie Haushaltskonsolidierung im Munde führen, dann müssen Sie uns bitte konkret sagen, wo im Betriebshaushalt über 1 Milliarde Euro eingespart werden können. Das ist nicht schön, das macht uns keine Freude, aber verantwortungsvolle Haushaltspolitik heißt eben nicht Schönwetterpolitik.

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, die Regierungskoalition funktioniert und wir werden auch in schwieriger Zeit klaren Kurs halten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin! Der Finanzsenator weicht gerne aus in die weite Weltwirtschaft, für die er natürlich nichts kann und für die wir alle nichts können. Aber er sagt eben nichts zu dem Defizit in Höhe von 1,6 Milliarden Euro, das er schon vor der Krise angerichtet und in den Doppelhaushalt eingestellt hat, und das ist das Problem. In der Drucksache – Herr Freytag, wenn Sie einmal diese Seite zitieren würden – gibt es eine Zeile, in der genau das Defizit, das Sie schon vor der Krise angerichtet haben, jetzt unter der großen Ansage Weltwirtschaftskrise klammheimlich ausgeglichen werden soll, damit es keiner merkt. Das ist Ihr eigentliches Problem.

Die Konzernbilanz, die durchaus ein gutes Instrument ist, hat momentan in der Erhebung eine Unschärfe, sodass dieses gute Instrument schon jetzt für politische Rhetorik instrumentalisiert wird, bevor es überhaupt greift. Sie haben im letzten Jahr noch einen großen Gewinn ausgerechnet, der Rechnungshof hat das dann widerlegt und erklärt, wie es tatsächlich ist und einen Verlust in Ihrer Konzernbilanz errechnet. Und auch dazu haben Sie kein Wort gesagt.

Dann haben Sie darauf verwiesen, dass im Jahr 1998 – ich war nicht dabei – ein Vorgängersenat die Pensionslasten als Problem erkannt hat. Und Sie haben dann gehandelt. Sie haben die Ausgabensteigerung im Betriebshaushalt durch strenge Konsolidierung auf 0,7 Prozent begrenzt. Ich will Ihnen sagen, was das heißt. Das bedeutet eine Steigerung von durchschnittlich 54 Millionen Euro – Herr Kerstan, hören Sie zu, Herr Maier, Ihr Vorgänger, wird darauf stolz sein –. Der CDU-Senat hat dann diese Stufen auf 100 Millionen Euro im Jahr erhöht. Und seit Schwarz-Grün regiert, sind diese Stufen Jahr für Jahr auf 250 Millionen Euro erhöht worden. In vier Jahren planen Sie, den Betriebshaushalt um über 1 Milliarde Euro aufzublä

hen. Das ist das Gegenteil von Konsolidierung und so kommen wir nicht zurecht, weder in der Krise noch außerhalb von Krisen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Robert Hei- nemann CDU)

Ich würde hier etwas weniger kritisch auftreten, wenn ich den Eindruck hätte, dass Sie wenigstens im Betriebshaushalt vernünftig agieren. Aber in der letzten Haushaltsausschusssitzung haben Sie uns zwei Drucksachen vorgelegt. In der einen steht, dass 40 neue Stellen im Sondervermögen Schulbau geschaffen werden sollen. Das bedeutet 40 neue Beamte, hochdotiert bis B4, und damit 2 bis 3 Millionen Euro neue Kosten jedes Jahr. Danach kommt die Drucksache der Kulturbehörde, die jedes Jahr zusätzlich 1 Million Euro für die Verwaltung der Kulturbehördenspitze vorsieht.

(Wolfgang Beuß CDU: Sie wiederholen sich!)

Ich wiederhole mich, weil das ein Widerspruch ist, Herr Beuß. Es ist ein Widerspruch zu behaupten, sie hätten die Zeichen der Zeit erkannt, und dann den Betriebshaushalt ohne Ende zu erhöhen. So geht es nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kerstan, wir haben den Unterschied zwischen Betriebshaushalt und Investitionen durchaus verstanden.

(Jens Kerstan GAL: Dann bringen Sie doch mal ein Argument an!)

Zu den Investitionen noch ein weiterer Punkt. Es liegt doch nicht an uns, dass wir bei all Ihren Schattenhaushalten durcheinander kommen und es völlig intransparent ist, wo eigentlich noch investiert wird und wo Kredite aufgenommen werden. Das liegt daran, dass Sie überall – in der HPA, im Schulbau, mittlerweile auch im Hochschulbau, im Sondervermögen Konjunkturstabilisierungsfonds und so weiter – Schattenhaushalte haben. Es liegt an Ihnen und nicht an uns, dass hier keine saubere Rechnung mehr möglich ist.

Bei den Investitionen haben wir folgendes Problem: Sie investieren in Prestigeprojekte, von denen wir alle wissen, dass keiner in der Stadt etwas davon hat. Und wenn wir sagen, lassen Sie uns diese Investitionen streichen, dann sagen Sie, wir müssen jetzt investieren, im Investitionshaushalt zu sparen, sei in der Krise völlig falsch. Wir sagen etwas anderes: Wir brauchen die 1 Milliarde Euro Investitionsmittel, Herr Kerstan, für die richtigen Investitionen, nämlich in Schulen und Hochschulbauten, die Sie jetzt kreditär in Sondervermögen finanzieren wollen. Das ist der Unterschied und diesen Punkt sollten Sie zur Kenntnis nehmen und hier mit uns diskutieren. Sie investieren in die falschen Bereiche und die richtigen und wichtigen Investitionen finanzieren Sie über Kreditaufnahmen, für die wir

(Senator Dr. Michael Freytag)

letztlich in der Zukunft Tilgungen und Zinsen abtragen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Mein vierter Punkt, der von Ihnen nie zur Kenntnis genommen wird: Sie machen – ich nenne die Zahl noch einmal – 1,3 Milliarden Euro Schulden für den Doppelhaushalt 2009/2010, mehr als Sie müssten. Dafür zahlen Sie 60 Millionen Euro Zinsen pro Jahr mehr und das ziehen Sie den Kindern vom Mittagessen ab; peinlich ist diese Haushaltspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Problem ist natürlich bei diesen Haushaltsdebatten, dass immer alles Mögliche durcheinander diskutiert wird. Das macht auch manchmal die Debatte etwas kompliziert. Ich will mir einige Punkte heraussuchen.

Was mich besonders geärgert hat, ist – da denke ich an die Aufforderung von Herrn Heintze, so ein bisschen Schulnoten zu vergeben und dementsprechend versuche ich, diese Frage noch einmal aufzugreifen und beziehe mich auf die Ausführungen von Herrn Kerstan zu einer der zentralen Fragen im Zusammenhang mit Konsolidierung oder Kürzung, wie ich das nennen würde –, dass nämlich nicht im Bereich des Sozialen gekürzt würde, sondern dass es hier nur um eine geringe Sparsumme ginge.

Gestern Abend im Wirtschaftsausschuss, Sie waren auch da, hat Herr Steil ausgeführt, was auf diese Stadt zukommt. Herr Steil hat gesagt, dass er allein im Bereich der Arbeitslosen eine Steigerung von 40 Prozent erwarte, dass der Zuwachs in seinem Bereich schon angekommen sei und er vermute, dass er in den anderen Bereichen noch komme. 40 Prozent mehr Arbeitslose in dieser Stadt

(Ingo Egloff SPD: 20 000 Menschen!)