Protokoll der Sitzung vom 21.04.2010

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 30, Bericht des Rechtsund Gleichstellungsausschusses: Haushaltsplan 2009/2010, Einzelplan 2, Verstärkung der Wirtschaftsabteilung bei der Staatsanwaltschaft.

(Dr. Joachim Bischoff)

[Bericht des Rechts- und Gleichstellungsausschusses über die Drucksache 19/4987: Haushaltsplan 2009/2010, Einzelplan 2 Verstärkung der Wirtschaftsabteilung bei der Staatsanwaltschaft (Antrag der Fraktionen der CDU und GAL) – Drs 19/5814 –]

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Erkalp hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg braucht eine starke Wirtschaftsabteilung in der Staatsanwaltschaft, um den Auswirkungen der Wirtschaftskrise angemessen begegnen zu können. Damit diese Abteilung leistungsfähig bleibt, besteht jedoch dringender Handlungsbedarf bei den Neueinstellungen von Wirtschaftsreferenten. Aus diesem Grund haben wir als Koalition einen Antrag auf Verstärkung der Staatsanwaltschaft durch die Schaffung zweier weiterer Wirtschaftsreferentenstellen eingereicht. Diese Abteilung wurde von uns zwar bereits im Jahre 2006 um zwei Stellen erweitert, die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Monate machen jedoch eine weitere Anpassung unabdingbar. Die umfangreichen und komplexen Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise lassen sich nur mit Hilfe dieser Wirtschaftsreferenten strukturiert und zügig durchführen. Gleiches gilt für die Aufklärung der stetig zunehmenden Verstöße gegen nationale, aber auch internationale Rechnungslegungsvorschriften.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Häufig betreffen diese äußerst arbeitsintensiven Verfahren hoch komplexe Sachverhalte, die umfangreiche Recherchen erfordern. In der jüngeren Vergangenheit war es aufgrund der Komplexität der Verfahren fast nur noch in Einzelfällen möglich, die Ermittlungen in umfangreichen und komplexen Wirtschaftsstrafsachen in angemessener Zeit sachgerecht abzuschließen, während andere Verfahren geschoben werden mussten. Gegenwärtig können über 100 Aufträge, die den Wirtschaftsreferenten vorliegen, wegen deren Auslastung mit mehreren komplexen Verfahren nicht bearbeitet werden. Diese unzureichende personelle Besetzung geht zulasten einer effizienten Strafverfolgung.

(Beifall bei der CDU und bei Antje Möller GAL)

Eine Personalverstärkung der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft ist daher mehr als sinnvoll. Im Übrigen profitieren mittelbar auch die Gerichte von dieser Verstärkung, denn je effizienter die Verfahren aufgearbeitet sind, umso weniger Klärungsbedarf beziehungsweise Nachermittlungsaufwand

fällt in der Hauptverhandlung an mit der Folge, dass Gutachteraufträge und damit auch die Kosten hierfür eingespart werden können. Die Wirtschaftsreferate anderer Bundesländer sind im Vergleich zu Hamburg personell überwiegend besser ausgestattet. Eine vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Aufstellung über die Anzahl der bei den Staatsanwaltschaften beschäftigten Wirtschaftsreferenten macht die personellen Defizite der Hamburger Staatsanwaltschaft besonders deutlich.

Aus der Aufstellung geht hervor, dass in Deutschland insgesamt 101,79 Wirtschaftsreferentenstellen vorgesehen sind. Hiervon entfallen 41,84 Stellen insgesamt auf das Land Nordrhein-Westfalen, dabei auf den Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 9,73, auf den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm 17,11 und auf den Oberlandesgerichtsbezirk Köln 15 Stellen. Das Land Berlin verfügt über 13,05 Stellen für Wirtschaftsreferenten, Hamburg hingegen nur über vier Stellen. Hierbei muss überdies auch das Verhältnis der Anzahl der Wirtschaftsreferenten zur Anzahl der von ihnen unterstützten Staatsanwälte in den Steuer-, Wirtschafts, aber auch Korruptionsabteilungen beachtet werden. Eine von der Staatsanwaltschaft Hamburg per 25. Juni 2009 durchgeführte Erhebung verweist Hamburg mit einem Verhältnis von 7,25 auf Platz 19 von 22 befragten Staatsanwaltschaften. Im Vergleich dazu erreichte Mühlhausen mit einem Verhältnis von 1,5 den ersten Platz; dort werden zwölf Dezernenten von acht Wirtschaftsreferenten unterstützt.

Die große Arbeitsbelastung auf der einen Seite sowie die stetig zunehmenden fachlichen Anforderungen im Zuge der voranschreitenden Globalisierung der Wirtschaft und der strafrechtlichen Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf der anderen Seite erfordern zwangsläufig, dass mindestens zwei neue Stellen für Wirtschaftsreferenten bei der Staatsanwaltschaft Hamburg geschaffen werden. Mit insgesamt sechs Wirtschaftsreferenten würde sich die Staatsanwaltschaft Hamburg im Vergleich zu den anderen Schwerpunktstaatsanwaltschaften gerade einmal im Mittelfeld bewegen. Ich bitte Sie daher, diesen Haushaltsantrag der Koalition mit zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Erkalp, wir sind schwer begeistert, was Ihre Fachkenntnisse angeht, und auch, was Sie uns an Zahlenkolonnen und Vergleichsbetrachtungen vorgetragen haben, war wirklich sehr eindrucksvoll.

(Präsident Dr. Lutz Mohaupt)

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE – Jörg Hamann CDU: Nun sagen Sie noch, Sie haben es verstanden! – Vielen Dank, Frau Schneider. Es wäre ganz schön, wenn Sie uns ein wenig von dieser reichen Fachkenntnis gelegentlich auch im Rechtsausschuss angedeihen ließen. (Zurufe von der CDU)

Freuen Sie sich doch einfach über das Lob, das ich Ihnen eben ausgesprochen habe. Es könnte doch auch Ansporn für Sie sein, Ihre Beteiligung im Rechtsausschuss noch ein bisschen auszubauen.

(Zurufe von der CDU – Antje Möller GAL: Und jetzt noch was Inhaltliches!)

Jetzt inhaltlich, genau, Frau Möller, vielen Dank.

Wir finden den Antrag sehr in Ordnung. Wir haben ihm im Ausschuss zugestimmt und wir werden ihm heute auch hier zustimmen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Der ist schon verabschiedet!)

Umso besser.

Trotzdem sage ich Ihnen noch einmal, dass wir für den Antrag sind und ihn voll und ganz unterstützen. Wenn das so einfach wäre, könnten wir auch zügig weitermachen. Aber ich möchte zumindest noch zwei oder drei Punkte ansprechen.

Warum finden auch wir den Antrag richtig? Es geht um die Frage der Waffengleichheit im Bereich der Nadelstreifenkriminalität. Gerade in diesem Bereich muss die Staatsanwaltschaft so aufgestellt sein, dass sie Beschuldigten aus der Finanz- und Wirtschaftssphäre, die sich von gut dotierten Anwälten aus Großkanzleien verteidigen lassen, Paroli bieten kann.

(Heiko Hecht CDU: Keine Angst vor großen Tieren!)

Das gebietet auch die soziale Gerechtigkeit bei der Strafverfolgung.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

Vielen Dank, Herr Müller.

Es stellt sich aber auch die Frage, ob mit diesem Antrag alles Nötige bei der Staatsanwaltschaft getan ist. Wir sagen nein, mitnichten.

(Zuruf von Jörn Frommann CDU)

Die paar folgenden Fragen können Sie gerne hier oder im Rechtsausschuss beantworten. Wo sind eigentlich die 15 Staatsanwälte geblieben, die Herr Kusch versprochen hat, als er 2001 für Ihre Fraktion Justizsenator geworden ist? Sie wollten die Staatsanwaltschaft um 15 Stellen aufstocken und forderten eine Personalaufstockung um 10 Prozent

bei der Staatsanwaltschaft. Bei den Zahlen, die Sie uns im Rechtsausschuss vorgelegt haben, kann ich weder eine Personalaufstockung um 10 Prozent noch 15 zusätzliche Staatsanwälte entdecken. Anscheinend ist das irgendwie daran vorbeigegangen.

Wir reden natürlich auch über die Staatsanwaltschaft insgesamt. Wenn wir sie nur an einer bestimmten Stelle verstärken, gucken die übrigen Staatsanwaltschafen in die Röhre. Mehr als 20 Vakanzen im Bereich der Staatsanwaltschaft stellen einen Höchstwert in Ihrer Regierungszeit dar, der aus unserer Sicht kein gutes Zeichen für eine konsequente Strafverfolgung ist.

(Jörn Frommann CDU: Das hat nur der Be- zirk Mitte!)

Uns geht es neben dem Bereich der Wirtschaftskriminalität auch um viele andere Bereiche, wo wir von der Staatsanwaltschaft erwarten, dass sie ihre Hausaufgaben macht. Ich nenne einmal einen Bereich, der uns immer ganz wichtig ist, nämlich die Bekämpfung der Jugendkriminalität. In Sonntagsreden beschwören Sie und Ihre Politiker auf Bundes- und Länderebene immer wieder, die Strafe müsse der Tat auf dem Fuße folgen. Bei dieser Personalausstattung der Staatsanwaltschaft bleiben das aber nur Sonntagsreden, denn werktags werden Stellen vakant gelassen beziehungsweise gestrichen. So kann es nicht weitergehen und deshalb sind wir sehr für diesen Antrag. Aber wir wollen mit Ihnen auch weiter darüber diskutieren, was getan werden kann, um auch die übrigen Staatsanwaltschaften zu stärken und nicht zu schwächen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie auch meine Kolleginnen und Kollegen schon kundgetan haben, sprachen wir im Ausschuss bereits sehr ausführlich über dieses Thema. Herr Dressel, es ist immer schwierig, wenn einmal etwas Richtiges getan wird, als Opposition noch etwas zu finden, was nicht so gut läuft. Anders kann ich mir Ihre Anmerkungen zur Staatsanwaltschaft nicht erklären.

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich noch sagen, dass wir gerne über Jugendkriminalität, einem zweifellos wichtigen Thema für diese Stadt, reden können; aber wenn Sie sich dabei nur die Staatsanwaltschaft herauspicken, greift das zu kurz. Wie Sie wissen, haben wir gerade bei jugendlichen Straftätern sehr kurze Verfahren mit durchschnittlich 3,6 Monaten, womit wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern sehr gut abschneiden. Jede weitere nennenswerte Verkür

(Dr. Andreas Dressel)

zung in diesem Bereich würde mich am Rechtsstaat zweifeln lassen. Insofern sollten wir über dieses Thema ausführlich ein andermal diskutieren, anstatt es jetzt mit dem schnell dahingesagten Vorwurf, es müsse noch mehr bei der Staatsanwaltschaft getan werden, zu missbrauchen. Das wird der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Nun aber lassen Sie uns zum eigentlichen Thema kommen, zu dem Herr Dressel schon viel Richtiges gesagt hat. Wir wollen die Täter in den Nadelstreifenanzügen nicht schonen, sondern ganz im Gegenteil, auch auf sie sollte die Justiz schnell reagieren können. Das hat sie bisher auch getan, aber die Strafverfahren in diesem Bereich sind komplexer, internationaler und die Herausforderungen für die Staatsanwaltschaft somit größer geworden. Dies wurde uns sehr genau im Rechtsausschuss dargelegt.

Hinsichtlich der zwei neuen Wirtschaftsreferentenstellen, die wir als Bürgerschaft bewilligt haben, sollten wir uns noch einmal die Ergebnisse der Beratung im Rechtsausschuss vergegenwärtigen und auch den anderen Kolleginnen und Kollegen mitteilen, was zurzeit im Bereich der Wirtschaftskriminalität passiert. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass dies der richtige Weg ist. Wir haben es inzwischen nicht nur mit dem Strafgesetzbuch zu tun, sondern auch mit dem Handelsgesetzbuch, mit dem GmbH-Gesetz, mit dem Aktiengesetz. Gerade die Kolleginnen und Kollegen, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss HSH Nordbank sind, wissen, dass wir es mit diversen Rechtsbereichen zu tun haben, wobei sich der Bereich der Wirtschaftsstraftaten für uns Abgeordnete als höchst kompliziert und komplex erweist. Aus diesem Grund ist der Schritt, den wir jetzt getan haben, richtig und signalisiert der Stadt deutlich, dass es keinen Rabatt bei intelligenten Straftatbeständen gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Zur Debatte steht ein Bericht des Rechtsausschusses über einen Antrag, den die Bürgerschaft bereits vor einigen Wochen verabschiedet hat, und zwar einstimmig. Es ist also bereits alles entschieden. Wir erinnern uns, dass der Antrag eigentlich schon damals hätte diskutiert werden sollen. Jedenfalls hatte die CDU dies angemeldet, die Anmeldung aber, wie so oft, zurückgezogen. Dann wurde der Antrag im Ausschuss diskutiert. Wie aus dem Bericht und dem hier Gesagten hervorgeht, herrschte großes Einvernehmen darüber, die Wirtschaftsabteilung bei

der Staatsanwaltschaft zu stärken. Die Argumente sind ausgetauscht.

Heute nun hat die CDU den Bericht zur Debatte angemeldet. Ich frage mich, zu welcher Debatte. Was soll denn zu diesem Thema noch an Debatte stattfinden, das die Umschreibung Austausch von Argumenten verdient? Wie man sieht, treibt man damit die Leute aus dem Haus,

(Viviane Spethmann CDU: Sagen Sie doch mal was Inhaltliches!)