Protokoll der Sitzung vom 02.06.2010

(Beifall bei der CDU und der GAL und ver- einzelt bei der SPD)

Angesichts dessen ist eines jedoch bemerkenswert: Sie alle können heute in den großen Tageszeitungen lesen, dass kleinere Klassen doch sowieso kämen und darüber doch gar nicht abgestimmt werden würde. Das stimmt zum Teil, ist

wiederum aber nicht die ganze Wahrheit, denn sollten die Gegner der Primarschule erfolgreich sein, werden wir die Klassen 5 und 6 nicht verkleinern können. Es ist doch unsinnig, an einem Gymnasium in der 5. Klasse mit 19 Schülerinnen und Schülern zu starten und zwei Jahre später wieder auf eine Klassenfrequenz von 28 zu gehen. Falls die Gegner gewinnen, wird die Konsequenz sein, dass Hamburg keine 970 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer einstellt, sondern 354 Lehrer dann nicht eingestellt werden und der Hamburger Haushalt mit 18,25 Millionen Euro weniger belastet wird, und das Jahr für Jahr.

Man kann über die Krise denken, was man will, aber in der Krise zu entscheiden, der Staat solle bei der Bildung unserer Kinder sparen, das ist die falsche Entscheidung. Wenn wir mehr Geld in die Bildung unserer Kinder stecken sollen, kommt es auf diesen Volksentscheid an; das muss einmal ganz deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL und ver- einzelt bei der SPD)

Diese Schulreform wird auch im Baubereich Kosten verursachen und auch da gilt: Man soll den wirklichen Grund für diese Mehrkosten benennen; denn erstaunlicherweise liest man in der Zeitung auch, man solle sich die Mehrkosten im Baubereich für die Primarschule doch sparen und lieber die Klassen verkleinern. Darauf kann man doch nur zwei Sachen sagen: Wie viel kleiner sollen die Klassen denn noch werden? Von so kleinen Klassen, wie wir sie jetzt in Hamburg einführen, wagen andere Bundesländer noch nicht einmal zu träumen. Zum anderen entsteht der größere Teil des Baubedarfs, weil wir kleinere Klassen einführen und deshalb mehr Räume brauchen.

Ich komme zum Schluss. Lassen Sie uns gemeinsam für bessere und gerechtere Schulen streiten, damit unsere Kinder ohne Ausnahme das erhalten, was sie brauchen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort bekommt Herr Freistedt.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Tue Gutes und rede darüber. Dieser Leitgedanke könnte auch über unsere finanziellen Planungen für den Fachbereich Bildung und Schule stehen, denn Hamburg erlebt, wie wir gerade gehört haben, die größte Investition in den Schulbereich der letzten Jahrzehnte und ist mit dieser geplanten Finanzausstattung für Hamburger Schülerinnen und Schüler ein überzeugendes Vorbild in Deutschland.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dies entspricht auch den Zielen der Bundesrepublik und der Bundeskanzlerin, die vor knapp einem Jahr die Bildungsrepublik ausgerufen hat. Wenn der jetzige Senat trotz Wirtschaftskrise – ich wage zu sagen, wegen der Wirtschaftskrise – auch hohe Investitionen vornimmt, dann beruhen diese Einzelmaßnahmen und Zahlen auf dem Umstand, dass wir grundlegend in Hamburg das Bildungssystem zukunftssicher, leistungsfähig und sozial ausgewogen gestalten müssen. Über die Inhalte haben wir in diesem Hohen Haus schon häufig debattiert, gelegentlich auch gestritten. Jetzt, wo es um die Umsetzung in den nächsten Jahren geht, begrüßen wir die neuen Haushaltsansätze der Schulbehörde.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Es ist richtig, dass wir den Mehrbedarf im Schulbereich bereitstellen und dieses auch mit dem neuen Modell der Primarschule, der Stadtteilschule, mit der Sicherung und Vertiefung gymnasialer Bildung sowie mit den pädagogischen Prinzipien des individuellen Lernens und der besseren und erweiterten Integration beziehungsweise Inklusion verbinden. Für das Wohl und die Zukunft unserer Kinder geben wir in schwieriger Zeit dringend notwendig gewordenes Geld frei. Für Betriebskosten – lassen Sie mich das erwähnen – werden ansteigend von 22 Millionen Euro bis 2016 74 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, davon allein im Jahr 2016 zum Beispiel 46 Millionen Euro für den bürgerschaftlichen Kompromiss, den wir im März getroffen haben. Für dieses Jahr werden die zusätzlichen Mittel dem Sondervermögen Konjunkturstabilisierungsfonds Hamburg entnommen. Die weiteren Mehrkosten werden im Rahmen des laufenden Verfahrens zur Haushaltsaufstellung berücksichtigt.

Der Investitionsbereich wird circa 200 Millionen Euro umfassen; es sind hauptsächlich Um- und Anbauten von Klassenräumen und Fachräumen, die dem Unterricht in der Primarschule dienen. Dabei achtet die Behörde besonders darauf, dass notwendige Flächen auch in bestehenden Gebäuden wirtschaftlich genutzt werden. Bis zum Jahr 2016 werden wir annähernd – mein Kollege Kerstan hat davon gesprochen – 1 000 zusätzliche Lehrerstellen schaffen. Diese dienen dem notwendigen Ziel, Klassen zu verkleinern, den Ganztagsschulbetrieb zu unterstützen sowie die Arbeitsbedingungen der Lehrerschaft zu verbessern.

Meine Damen und Herren in der Bürgerschaft! Wir haben einen wegweisenden, einen mutigen, aber auch notwendigen Schritt getan, um unsere Schülerinnen und Schüler in Hamburg, ob groß oder klein, zu fördern. Wir als Politiker sind gefordert, unsere schulpolitischen Entscheidungen finanziell abzusichern, und wir sind gefordert, Rechenschaft darüber abzulegen. Wir begrüßen das breite Band

(Jens Kerstan)

gemeinsamer Entscheidungen in der Bürgerschaft und unterstützen den bildungspolitischen Weg der Regierungsfraktionen CDU und GAL. Der Erste Bürgermeister Ole von Beust sowie die Schulsenatorin Christa Goetsch gehen verantwortungsvoll mit den bildungspolitischen Herausforderungen unserer Zeit und unserer Stadt um. Sie können sich auf unsere Unterstützung verlassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rechtzeitig vor dem Volksentscheid wird für alle klar, dass es das Parlament ernst meint mit den vereinbarten Schulverbesserungen. In den nächsten sechs Jahren werden jedes Jahr über 160 zusätzliche Lehrer eingestellt. 2016 wird Hamburg dann 970 Lehrerinnen und Lehrer mehr als heute haben und das ist auf jeden Fall richtig so.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN und vereinzelt bei der CDU)

Das ist auch deshalb richtig, weil CDU und FDP gern dabei vergessen, dass sie in den letzten Jahren Lehrerstellen abgebaut haben, und zwar nicht zu knapp. Hamburg hat heute noch immer weniger Lehrer, als der letzte SPD-Senat 2001 übergeben hat. Es heißt so schön: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Übertragen auf die Schulen sage ich: Nur Schüler aus bildungsengagierten Elternhäusern können sich schlechte Schulen leisten; sie lernen auch so genug. Wer zu Hause dagegen keine Unterstützung erhält, der braucht eine hervorragende Schule. Wer also mehr für Chancengleichheit und mehr für bessere Bildung tun will, der muss für kleinere Klassen, besseren Unterricht und besser qualifizierte Lehrer sorgen. Wir haben das im Schulgesetz durchgesetzt und darauf sind wir auch ein Stück weit stolz.

(Beifall bei der SPD)

Qualifizierte Lehrer, ausreichend Räume, Qualitätstests für die Primarschule, das war alles versprochen, aber es stand nirgends. Die SPD hat durchgesetzt, dass diese Versprechen endlich verbindlich im Schulgesetz festgeschrieben sind. Kleinere Klassen sind heute der Hit bei jeder Diskussionsveranstaltung über die Schulreform. Ich will nur daran erinnern, dass es eigentlich anders geplant war und erst die SPD diese Verkleinerung durchgesetzt hat. Der Erfolg ist jetzt erkennbar. 2010 beginnen die ersten Klassen mit einer durchschnittlichen Größe von 20,7 Schülerinnen und Schülern pro Klasse, über ganz Hamburg gerechnet; das ist wirklich ein großer Erfolg. Außerdem wird das Elternwahlrecht beibehalten – was ursprünglich auch nicht geplant war –, Oberstufen für die Stadtteil

schulen wurden von der SPD durchgesetzt, natürlich ist auch Schluss mit der Belastung durch das Büchergeld und erwähnenswert ist obendrein die Zeitplanung mit Augenmaß. Die Primarschule kommt in zwei Stufen, je nach Entwicklung vor Ort. Die SPD hat dafür gesorgt, dass eine gut gemeinte Reform – das erkennen wir an – jetzt auch gut gemacht wird, und deshalb sind wir für die entsprechenden Änderungen.

(Beifall bei der SPD)

Das alles kostet auch etwas und viele sagen jetzt, Hamburg habe das Geld nicht, was ja stimmt. Aber es ist trotzdem kein Argument, denn jedes Jahr verlassen dreieinhalbtausend Schülerinnen und Schüler als Schulverlierer Hamburgs Schulen. Wenn sie danach auch noch in der Arbeitswelt scheitern, dann kosten sie den Steuerzahler, den Staat im Laufe ihres Lebens sicherlich eine halbe bis 1 Million Euro. Wenn man das mit der Schulreform vergleicht und auf diese sogenannten Risikoschüler umrechnet, gibt die Schulreform für jeden dieser Schüler 21 000 Euro aus. Fazit ist: Gute Bildung kostet zwar Geld, aber schlechte Bildung kostet noch viel mehr Geld und auch deshalb haben wir die Reform entsprechend nachgebessert.

(Beifall bei der SPD)

Mehr Lehrerstellen schaffen eine Voraussetzung für eine bessere Schule, aber dabei sollten wir nicht stehenbleiben.

Erstens: Wir brauchen Schulen, die Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler übernehmen. Zu oft haben Schulen – gleich, welcher Schulform – in der Vergangenheit unbequeme Schüler abgeschult, umgeschult oder ohne Abschluss entlassen.

Zweitens: Wir müssen die Chance des gemeinsamen Lernens auch ergreifen und dafür brauchen wir drittens einen besseren Unterricht. Dass gemeinsames Lernen eine Chance bietet, ist in diesem Haus unumstritten. Ich sage dies noch einmal in Richtung all derer, die das bezweifeln. Es nützt ganz klar sowohl den benachteiligten als auch den besonders leistungsstarken Schülern. Es ist eine gute Sache, allen Schülern eine bessere Bildung zu verschaffen, aber wir brauchen dazu einen anderen Unterricht. An der Stelle will ich auch klar sagen, dass hier noch viel zu tun ist. Geld in das System zu geben ist der Anfang, aber man muss es dann auch sinnvoll einsetzen.

(Wolfgang Beuß CDU: Richtig!)

Wir haben uns gerade mit der Schulinspektion beschäftigt und sie zeigt deutlich, dass es Disziplinprobleme, langweiligen Unterricht, schlecht vorbereitete Lehrer und Unterforderung an zu vielen Schulen gibt. Das neue Schulgesetz verspricht Fortbildung und Teamarbeit der Lehrer. Das ist gut und steht immerhin schon auf dem Papier, doch

(Marino Freistedt)

die Anhörungen im Schulausschuss zeigen auch, dass bisher herzlich wenig passiert. Wir haben zum Beispiel einen Schul-TÜV, aber weder eine TÜV-Plakette – um im Bild zu bleiben – noch eine Reparaturwerkstatt. Wenn eine Schule schlecht abschneidet, gibt es nicht einmal einen Maßstab, um das klar zu benennen, und erst recht keine entsprechenden Maßnahmen. Deshalb sagen wir, dass wir diese Reform jetzt auch weiterführen müssen. Wir brauchen endlich eine sich selbst tragende Qualitätsoffensive für eine bessere Schule, für einen besseren Unterricht.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss.

Wenn wir Millionen in die Hand nehmen, um die Schulen zu verbessern, dann sind wir es den Steuerzahlern und erst recht den Schülerinnen und Schülern schuldig, dafür zu sorgen, dass das Geld auch etwas nützt. Also lasst uns handeln, wir haben lange genug gewartet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

"Die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Wissenschaft sind geringer, als wir uns das leisten können."

Das ist ein bekanntes Zitat vom alten Bundespräsidenten Johannes Rau. Jetzt sind wir in der Krise und überall wird die Frage gestellt, was wir uns überhaupt noch leisten können. Dabei sind sich Politiker und Bildungswissenschaftler jeglicher Couleur einig, dass bei Bildung und Forschung nicht gespart werden darf. Es wird allerdings immer so getan, als würden jetzt die Bildungsausgaben überproportional in die Höhe getrieben. Davon kann überhaupt keine Rede sein, wie die Zahlen deutlich zeigen. Die Bildungsausgaben in Deutschland sind prozentual zum Bruttoinlandsprodukt, zum Beispiel im Jahre 2008, dem Jahr, als die Wirtschaft noch satte Gewinne einfuhr, im Verhältnis zum Vorjahr weiter gesunken. Im internationalen Vergleich der Bildungsausgaben der OECDStaaten liegt Deutschland konstant auf einem der hinteren Plätze. Im OECD-Durchschnitt liegen die Ausgaben für Bildung bei 5,7 Prozent vom BIP und Deutschland lag 2006 mit 4,8 Prozent nur noch vor Irland, Spanien und der Slowakei. Nach neuesten Zahlen wenden die europäischen Staaten durchschnittlich 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung auf. Deutschland landet mit 3,9 Prozent auf Platz 14 von 15 EU-Staaten; dahinter folgt nur noch Griechenland mit 2,3 Prozent. In absoluten Zahlen erhöhten sich zwar die Bildungsausgaben,

aber der Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist in den fetten Jahren sogar noch gesunken.

(Wolfgang Beuß CDU: Frau Heyenn, spre- chen Sie doch mal zur Sache!)

Bildung ist in der Bundesrepublik Ländersache und hier ergeben sich nochmals bemerkenswerte Unterschiede. So lagen die Ausgaben in Hessen und Hamburg 2006 mit je 2 Prozent des BIP deutlich hinter denen von zum Beispiel Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen, die 4 bis 4,5 Prozent des BIP investierten. Das muss man einmal unter dem Aspekt, dass Hamburg die Stadt der Millionäre ist, betrachten; das ist eigentlich doppelt schlimm. Statistiken zeigen, dass die Schülerzahlen in Hamburg von den Neunzigerjahren bis heute gestiegen sind. Aber die Anzahl der Lehrkräfte hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten – darauf hat Herr Rabe hingewiesen –, was zu einer noch einmal verschlechterten Schüler-Lehrer-Relation führte, nämlich zur Streichung von Förderunterricht, die Doppelbesetzung in der Klassenführung fiel häufig weg, die Fortbildung wurde zurückgefahren und größere Klassen waren die Folge. Diese Entwicklung ist Ausdruck davon, dass die staatlichen Ausgaben für Schule und für den Bildungsbereich insgesamt bei steigendem Bedarf seit Mitte der Neunzigerjahre stagnieren beziehungsweise sogar rückläufig waren.

Nun hat der Senat nicht nur eine neue Schulreform auf den Weg gebracht, sondern nach intensiven Verhandlungen, auch mit der Opposition, ein Finanzierungskonzept für die Schulen vorgelegt. Andere reden von Kürzungen im Bildungsbereich, die Freie und Hansestadt Hamburg investiert laut der Behörde für Schule und Berufsbildung massiv in ihre Schulen für bessere Chancen der jüngeren Generation.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist ja auch rich- tig!)

Regen Sie sich nicht auf, Herr Beuß.

Wir von der LINKEN begrüßen das, meinen aber auch, dass hier zwei Dinge zusammenkommen. Erstens hatte Hamburg einen großen Nachholbedarf. Die GEW hat die ganzen Jahre über immer wieder darauf hingewiesen, dass 1 000 Lehrer an den Hamburger Schulen fehlen. Zweitens kann das Schulwesen nur verbessert werden mit strukturellen, pädagogischen und zusätzlichen finanziellen Mitteln. Deshalb war dieser Schritt überfällig und nur konsequent. Ihn als vorbildlich oder historisch zu bezeichnen, das halten wir für ein bisschen hoch gegriffen, Herr Kerstan.