Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Die Hauptschule haben wir gestern abgeschafft. Unser Ziel ist, weniger ohne Abschluss und immer mehr mit immer höheren Abschlüssen. Wenn wir das als Voraussetzung nehmen, dann haben wir mit Sicherheit etwas sehr Wichtiges getan, was Armutsrisiken vermeidet. Das ist auch etwas, was wir als Stadt konkret gestalten können. Wir reden immer gern einmal über Bundesthemen. Das passt dann auch ganz gut. Sie sind auch immer gern an solchen Debatten interessiert. Dann wird das Thema irgendwie ins Landesparlament runtergebrochen, sodass es passt. Aber was wir als Hamburger tun können, um Armut zu verhindern, das tun wir auch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL – Michael Neumann SPD: Dann kön- nen Sie Ihre Rede ja beenden!)

Sehr wichtig sind aber auch Infrastruktur, Hafen, Luftfahrt. Das sind auch Dinge, die den Menschen helfen. Wir brauchen Arbeitsplätze in Hamburg.

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)

Das ist zunächst einmal die Voraussetzung. Wenn wir ein überdurchschnittliches Wachstum haben, dann ist das der Erfolg einer vernünftigen Politik, die auch bei den Menschen ankommt. Solange DIE LINKE nichts zu sagen hat, haben wir auch gute Chancen, dass das in Hamburg so bleibt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Sie fordern in Ihrem Antrag ein Gutachten. Die Ermächtigungsgrundlage ist dann Paragraf 28 Absatz 2 aus dem Sozialgesetzbuch. Die ist bundesweit gegeben, in Hamburg nicht. Deshalb ist zunächst einmal die Frage, ob überhaupt ein Gutachten und wer, wie und was.

(Michael Neumann SPD: Herr Präsident, ich bin doch dafür, dass man Reden zu Proto- koll geben kann! Ich habe meine Meinung geändert!)

Das sind alles Fragezeichen. Bayern hat es, andere Bundesländer nicht, auch nicht SPD- oder LINKS-regierte. Das ist die Ausgangslage. Man kann zwar alles Mögliche beschließen und dann gucken, was daraus wird, aber da gefällt mir der Beschluss des Bundesrates sehr viel besser, wo gebeten wurde, die Grundlage des SGB XII und des SGB II neu zu berechnen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Kinderbedarfe. Das ist ein Beschluss der 844. Sitzung. Die fand am 23. Mai statt. Insofern sehe ich auch Ihre Forderung nach der Bundesratsinitiative als erfüllt an. Nur haben Sie das vielleicht nicht so richtig mitbekommen.

Warum aber keine SGB-XII-Erhöhung in Hamburg? Das SGB ist eben unterschiedlich. Wir haben dort 24 000 Personen und 200 000 im SGB II. Nur, den Bereich regelt der Bund. Insofern haben wir dann die Situation: Gleiche Ausgangslage, unterschiedliche Leistungen. Das erscheint mir auch von der Systematik her wenig sinnvoll.

Das Thema als solches, das wir analysieren, ist uns durchaus wichtig. Deswegen sind wir auch mit einer Überweisung einverstanden, sodass wir das dann noch einmal im Fachausschuss genauer erörtern können, wobei ich ausdrücklich auf eine Fachdiskussion hoffe und nicht auf irgendwelchen dumpfen Sozialpopulismus, der wieder vorgetragen wird. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Ganz große Rede! – Zurufe von der LINKEN: Unverschämt!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kienscherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Herr von Frankenberg, Fachdiskussionen und inhaltliche Diskussionen würden

wir natürlich gern im Ausschuss führen, aber wir würden sie auch gern vor dem Plenum führen. Das, was Sie hier zu einem großen Teil abgelassen haben – so muss man es einfach einmal titulieren –, hat mit den Anträgen, die hier vorliegen, überhaupt nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich weiß nicht, aber vielleicht können Sie mir das gleich noch einmal erklären, Sie haben ja noch einmal die Gelegenheit, weil wir heute sehr viele Redeminuten Zeit haben, was das Büchergeld mit Menschen zu tun hat, die unter Altersarmut leben, denn das sind ja die Menschen, die vom SGB-XIIRegelsatz betroffen sind. Was haben die Menschen von der Primarschule, die voll erwerbsgemindert sind? Was haben die Menschen von Studiengebühren oder vom wirtschaftlichen Aufschwung, wenn sie letztendlich durch eigene Arbeit und eigene Kraft an diesem Aufschwung gar nicht mehr teilhaben können. Das verstehe ich nicht so richtig, Herr von Frankenberg. Ich finde, Sie sollten sich nachher noch einmal hier hinstellen und das dem Plenum erläutern.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht um Folgendes. Herr Joithe-von Krosigk, ich hätte mir gewünscht, dass sich DIE LINKE erst einmal bei der SPD bedankt, dass diese solch einen schönen Antrag eingebracht hat. Sie haben eine Woche später einen fast wortgleichen eingereicht. Der Ehrlichkeit halber hätten Sie das einmal machen können. Sie haben es nicht, aber das macht nichts.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Vielleicht haben Sie ja bei uns abgeschrieben!)

Letztendlich geht es darum, dass wir alle gemeinsam etwas bewegen. Es geht um 23 000 Menschen im SGB-XII-Bereich und es geht darum festzustellen, wo wir als Hamburg handeln können und wo nicht.

(Jörn Frommann CDU: Richtig!)

Da finde ich es ein bisschen merkwürdig, wie der damalige Staatsrat und heutige Senator mit bestimmten Dingen umgeht. Wenn der Bundesrat irgendetwas beschließt, was durchaus sinnvoll ist, dann ist es so, dass Sie jetzt der Erste sind, der bundesweit schreit und sagt, das sei aufgrund einer Hamburger Initiative zustande gekommen. Wenn es darum geht, die Regelsätze zu erhöhen, dann kommen Sie am 30. Juni mit einer Pressemitteilung heraus und sagen, die Regelsätze würden leicht erhöht und das fuße alles auf einer Bundesregelung. Der eine oder andere Leser könnte denken, das sei alles bundeseinheitlich geregelt, da könne der arme Wersich gar nicht anders, selbst wenn er wollte. Aber wenn man dann auf Ihrer et

(Egbert von Frankenberg)

was unübersichtlichen Internetseite weiterforscht, dann findet man auch die entsprechende Regelsatzverordnung, wo ganz deutlich wird, dass es im Gegensatz zum Hartz-IV-Bereich im SGB-XII-Bereich sehr wohl die Länder sind, die die Regelsätze bestimmen. Sie sind dafür zuständig und verantwortlich,

(Jörn Frommann CDU: Im Rahmen!)

dass die Menschen in dieser Stadt weiterhin nur noch 351 Euro bekommen und das muss man den Leuten einmal ganz offen und deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

In dieser Verordnung steht – und so hat es Herr Joithe-von Krosigk in seiner ausführlichen Darstellung auch mit aufgenommen – auch drin, dass letztendlich die Länder frei sind, zwar nicht frei bei den Bewertungskriterien, dass sie aber frei sind, sehr wohl für ihren Bereich, für ihre Region eine eigene Untersuchung vorzunehmen. Wir alle wissen, dass die Lebenshaltungskosten in Hamburg ganz andere sind als im Umland, als in Flensburg, als in Lüneburg oder irgendwo in Uelzen. Das, was wir fordern, Herr von Frankenberg, nennen Sie jetzt dumpfen Populismus. Aber wir fordern, dass wir dem, was wir an Handlungsspielräumen haben, auch nachkommen, dass wir über das Thema Armut, dass wir über die Lebensumstände der Menschen, die nur über ein niedriges Einkommen in dieser Stadt verfügen, in dieser Gesellschaft, in dieser Stadt offen diskutieren.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Wenn man dann zu dem Ergebnis kommt, dass nur 2 oder 3 Euro mehr angemessen seien oder vielleicht auch nicht, dann haben wir aber offen darüber diskutiert. Aber diese offene Diskussion wollen Sie nicht führen, aber wir sagen, dass wir über Armut diskutieren müssen. Wir wollen über diese Regelsätze diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deswegen unsere Forderung: Diskutieren Sie darüber mit uns, geben Sie das in Auftrag. Der Landkreis München hat das getan und alle gemeinsam waren dort der Auffassung, dass es richtig und gut ist, sich genau anzuschauen, wie diese Menschen dort leben und wie die Leistungsempfänger, die im Gegensatz zu Hartz-IV-Empfängern nicht wieder in Arbeit kommen können, mit diesen Lebensbedingungen zurecht kommen.

Und da verknüpfen wir als Sozialdemokraten auch ein bisschen Hoffnung Richtung GAL. Die GALFraktion hat sich immer dafür ausgesprochen – gerade im Bereich Soziales –, dass wir zu mehr Transparenz kommen. Wir haben dieses Thema im letzten Jahr schon einmal diskutiert beziehungsweise beraten. Damals – das war allerdings, das

muss ich zugeben, vor dem 24. Februar dieses Jahres – war auch die GAL-Fraktion der Ansicht, dass man offen und transparent über dieses Thema sprechen muss. Ich bin gespannt, Frau Kollegin Gücli, ob Sie auch in diesem Bereich von Ihrer ursprünglichen Meinung abweichen werden oder ob Sie uns und die Menschen in dieser Stadt nicht im Stich lassen und uns entsprechend unterstützen. Das wird für Sie eine Nagelprobe sein und wir werden Sie daran messen.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite, Herr von Frankenberg, ist das Thema Kinderwarenkorb. Da ist es in der Tat so, dass wir auf der Bundesebene mit unseren Bundestagsabgeordneten sehr offen und kritisch darüber diskutiert haben, dass es aus unserer Sicht nicht unbedingt den tatsächlichen Bedarf für Kinder widerspiegelt, wenn man einen gewissen Prozentsatz von diesem Eckregelsatz nimmt. Wir können Sie nur ermutigen, mit uns gemeinsam auf Bundesratsebene tätig zu werden, damit wir es schaffen, diesem tatsächlichen Bedarf entsprechen zu können. Insgesamt halten wir fest: Wir wollen keinen Populismus, wie uns das von Herrn von Frankenberg vorgeworfen wird. Herr von Frankenberg, wir wünschen uns alle, dass Sie sich beim nächsten Mal etwas besser vorbereiten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Es ist zum Teil unerträglich und einfach nicht mehr zumutbar,

(Michael Neumann SPD: Nicht nur zum Teil, es ist immer unerträglich!)

dass Sie irgendwelche Plattitüden ablassen, selbst wenn es um Anträge geht, die nur zum Ziel haben, dass man über das Thema in ernsthafter Weise diskutiert. Es stehen gar keine Forderungen dahinter, Regelsätze um 40 oder 50 Euro anzuheben. Aber dass Sie dann damit kommen, wenn es um Menschen geht, die eben nicht mehr arbeiten können, und dann sagen, die würden irgendwie vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren. Ich finde, ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit können wir von Ihnen verlangen. Wir hoffen, dass wir im Ausschuss gemeinsam mit Ihnen ernsthaft über dieses Thema diskutieren können. Wir sind es diesen Menschen schuldig, die an Altersarmut leiden, und denjenigen, die voll erwerbsgemindert sind. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich. Stellen Sie sich einer ernsthaften Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Güclü.

(Dirk Kienscherf)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht, bevor ich beginne: Herr Kienscherf, ich heiße immer noch Güclü, nicht Gücli, aber das ist egal. Es wäre schön, wenn Sie das inzwischen könnten.

Ich finde es erstaunlich: Wir haben heute wieder eine Debatte, wie sie eigentlich zu erwarten war. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mich endlich einmal überraschen – gerade Sie, Herr Kienscherf, von der SPD –, indem Sie einmal mit einem konstruktiven Antrag kommen, in dem Sie nicht nur fordern und sich mit der Linkspartei überbieten, sondern in dem Sie auch einmal konstruktive Vorschläge machen und Lösungen zeigen, wie das gehen soll.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Zu Ihrer internen Diskussion – auch uns ist das aufgefallen –, wer nun von wem abgeschrieben hat: Festzustellen bleibt, dass die Anträge fast wortgleich sind. Ob das nun bei der SPD war, weil sie früher eingereicht hat, ist eine Frage, die erst einmal nicht interessiert. Aber, ich glaube, die Quelle ist als gemeinsame Quelle durchaus erkennbar. Beide Fraktionen beantragen, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Ich will vieles von dem nicht wiederholen. Sie haben zum Teil auch richtige Sachen gesagt. Aber es geht vor allem um die Überprüfung der Regelsätze nach dem SGB XII und um eine rückwirkende Anpassung zum 1. Juli. Wir finden, dass das ein sehr wichtiges Thema ist, und wir möchten über dieses Thema mit Ihnen diskutieren. Das ist auch der Grund, warum wir beide Anträge an den Ausschuss überweisen werden. Ich glaube, Herr Kienscherf, das zeigt, wie absurd Ihr Vorwurf ist, wir und der Senat wollten nicht reden, denn sonst würden wir die Anträge nicht überweisen. Wir freuen uns auf die fachliche Diskussion mit Ihnen, in der wir aber mehr erwarten als nur ein populistisches Herumgeschlage im Sinne von "Wir wollen und wir fordern."

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wie ist die Situation? Die Zahl wurde mehrfach genannt und ich will Sie auch nicht mit Zahlen totschlagen. Wir reden von rund 24 000 Menschen in dieser Stadt, die Transferleistungen beziehen müssen, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbsarbeit sichern können. Ein geringer Anteil davon sind Kinder unter 18 Jahren. Es hat in Hamburg wie in fast allen Ländern mit Ausnahme von München – das ist auch schon erwähnt worden – eine Anpassung um den Rentenwert gegeben. München ist einen anderen Weg gegangen, das ist auch richtig. Ich sage sehr deutlich: Auch wir sind der Auffassung, dass die Regelsätze auf den Prüfstand gehören. Dafür haben wir uns auf Bundesebene eingesetzt. Wir haben mehrere Anträge eingebracht und zuletzt wurde im Ausschuss für Soziales und Arbeit auf Bundesebene dazu eine Anhörung gemacht. Ich glaube, auch die Links

partei hatte dazu einen Antrag eingebracht. Dort wurde deutlich, dass die Regelsätze unzureichend sind, gerade angesichts der aktuellen Preisentwicklung.