Protokoll der Sitzung vom 23.06.2011

(Dr. Eva Gümbel GAL: Was sagt die Senato- rin?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um eine Sache klarzustellen: Die Erklärung, die Frau Stapelfeldt abgegeben hat, die auch zitiert worden ist…

(Zurufe aus dem Plenum)

Nein, aber jetzt wird ein Gegensatz konstruiert zwischen der Senatorin und der Fraktion, der nicht besteht. Es gilt das, was sie gesagt hat. Deshalb muss es nicht immer wieder bekräftigt werden und das teilt auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Das ist so ein bisschen Schwarz-Grün reloaded, aber das Problem ist, dass Sie keine Mehrheit mehr haben. Das ist seit dem 20. Februar vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend weise ich noch einmal darauf hin, dass diese ganzen Horrorszenarien, die Sie an die Wand malen, dann berechtigt wären, wenn wir den FDP-Antrag überweisen und den LINKEN-Antrag beerdigen würden.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das kriegen Sie auch noch hin!)

Das tun wir aber nicht, sondern überweisen beide Anträge, damit wir eine Diskussionsgrundlage im Ausschuss haben, wo wir über Strukturen reden können. Ich habe Beispiele aus dem Verwaltungsbereich der Hochschulen genannt und Sie haben

nichts dazu gesagt. Herr Lenzen will das nicht hören, Sie wollen es auch nicht hören, aber wir wiederholen es noch einmal, damit Sie es verstehen:

(Jens Kerstan GAL: Das hat hiermit gar nichts zu tun!)

10 Millionen Euro für den Verwaltungsbereich der Uni Hamburg, 200 Stellen und 500 000 Euro für den Stab von Herrn Lenzen – offenbar ist das für Sie sakrosankt, für uns als SPD-Fraktion ist es das nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 20/746 und 20/852 an den Wissenschaftsausschuss zu? – Danke schön.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach, die CDU überweist jetzt auch! Das ist ja interessant!)

Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung vollzogen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 36, Drucksache 20/731 in der Neufassung, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bildungspaket nicht auf dem Rücken der Schulsekretariate und der antragsberechtigten Bürger/-innen umsetzen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bildungspaket nicht auf dem Rücken der Schulsekretariate und der antragsberechtigten Bürger/-innen umsetzen – Drs 20/731 (Neufassung) –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/850 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der CDU-Fraktion: Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets – Drs 20/850 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Bildungspaket von Frau von der Leyen ist eine sehr eigenwillige Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils. Das Gericht stellte fest, dass die Regelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern zu niedrig waren. Dieses Bildungspaket ist aber eigentlich auch nur ein Bildungspäckchen, denn wenn alle Berechtigten die Berechtigung auch bekämen, würde man in Hamburg im Durchschnitt auf 50 bis 60 Euro pro antragsberechtigtem Kind kommen. Davon sollen Ausflüge, Klassenfahrten, die Schulbedarfspauschale, die Schülerbeförderung zur nächstgelegenen Schule, die Mittagsverpflegung, Schulsozialar

(Dr. Wieland Schinnenburg)

beit und die sogenannte soziokulturelle Teilhabe, sprich Musikschulen und Sportvereine, finanziert werden.

Das ist lächerlich wenig, zumal wenn man berücksichtigt, dass die Klassenfahrten bisher unbürokratisch schnell über die Schulbüros abgewickelt wurden, und das geht jetzt alles ins Bildungspaket. Es kann nur annähernd funktionieren, wenn viele Eltern gar nicht erst Anträge stellen. Dies scheint sich zu bewahrheiten, dafür sorgt folgender Wirrwarr: Es gibt sechs verschiedene Anträge und drei unterschiedliche Stellen, bei denen die Anträge eingereicht werden müssen. Deswegen haben Gewerkschaften und Sozialverbände dieses Bildungspäckchen auch als Bürokratie-Monster bezeichnet. Senator Rabe und Senator Scheele sprechen hingegen bei sechs Anträgen und drei unterschiedlichen Stellen von unbürokratischer Regelung.

Für Hamburg gibt es drei Probleme. Durch die Zusammenfassung von Bundes- und Landesmitteln

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

ist nicht gewährleistet, dass die Bundesmittel aus dem Bildungspäckchen auch dort ankommen, wofür sie gedacht sind, nämlich bei den Kindern von Hartz-IV-Empfängern. Wir nennen es Zweckentfremdung. Im Ausschuss wurde uns von Senator Rabe vorgerechnet, dass zum Beispiel für die kostenlose Nachhilfe im Programm "Fördern statt Wiederholen" insgesamt 7,8 Millionen Euro in Hamburg zur Verfügung stehen, davon 4,8 Millionen Euro aus der Freien und Hansestadt Hamburg und drei Millionen aus dem Bildungspäckchen. Jetzt muss ein sehr umfangreiches minuziöses Fragebogenwesen errichtet werden, damit am Ende des Jahres festgestellt werden kann, dass diese 3 Millionen Euro auch wirklich nur für Kinder von Hartz-IV-Empfängern ausgegeben worden sind, nämlich nur dafür darf es sein. Wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zweite Problem in Hamburg ist, dass es viel weniger Anträge als antragsberechtigte Eltern gibt, sodass viele Kinder von Hartz-IV-Empfängern letztendlich durch das Bildungspaket oder Bildungspäckchen weniger Bildung, weniger Ausstattung, weniger Kultur und weniger Sport zur Verfügung haben als vorher.

Das dritte Problem ist, dass die verhältnismäßig wenigen Anträge sich auf wenige Schulen in jedem Stadtteil konzentrieren und die Sekretariate dieser Schulen völlig überfordert sind. Und die regulär anfallenden Arbeiten, die dort verrichtet werden müssen, können nicht mehr erledigt werden. Zum Beispiel dauert die Überprüfung von Antragsvoraussetzungen oft Wochen, weil die entsprechenden Bescheide nicht vorliegen. Zusätzliche Arbeit machen auch die Anträge auf HVV-Karten für Schüle

rinnen und Schüler aus Hartz-IV-Familien, denn es muss jedes Mal geprüft werden, ob es nicht eine näher gelegene Schule gäbe, weil das dann wieder geändert werden müsste. Zudem sind die Schulen nicht mehr nur für die Kostenübernahme von Klassenfahrten, sondern auch von Ausflügen zuständig.

Senator Rabe hat im Schulausschuss gesagt, es seien 41 zusätzliche Stellen in den Schulsekretariaten geschaffen worden, und zwar noch von der alten Regierung für die Umsetzung der Primarschule. Doch damit ist die Mehrarbeit in den Sekretariaten keineswegs kompensiert, weil diese Stellen in den Stadtteilschulen nach Größe der Schulen bemessen sind, aber nicht nach Antragsanfall in Sachen Bildungspäckchen, und dies ist ganz unterschiedlich stark verteilt. Auf der Veddel wären zum Beispiel 52 Prozent aller Schüler antragsberechtigt und dagegen 1 Prozent in Groß-Flottbek. Das heißt, dass sich in ganz bestimmten Schulen die Anträge konzentrieren, aber diese 41 Stellen sind gleichmäßig nach Größe verteilt.

Hinzu kommt auch noch, dass diese 41 Stellen im Rahmen des Primarschul-Programms natürlich nicht bei den Gymnasien sind. Ich habe heute mit einem Gymnasium aus dem Nordosten gesprochen, wo es eine sehr hohe Anzahl an Antragsberechtigten und auch an Anträgen gibt, und die haben mir erzählt, dass die Schulbehörde ab dem 1. August 2011 für die Umsetzung des Bildungspäckchens 0,7 Stellen geschaffen habe, aber nur für ein halbes Jahr. Was danach passieren soll, weiß keiner.

Wir haben entsprechend auf die Klagen aus den Schulsekretariaten und den Hilferuf der Schulleiter reagiert und deswegen diesen Antrag gestellt, um deutlich zu machen, dass es auch anders gehen könnte als es jetzt geplant ist. Deshalb schlagen wir eine Hotline vor, wo sich die Betroffenen direkt melden können – die natürlich kostenlos sein muss –, damit nicht, wie in einigen Schulen, 40 bis 50 Anrufe pro Tag dort ankommen und die Schulsekretariate nichts anderes mehr machen können. Es ist mir auch vom Personalrat bestätigt worden, dass das so sei. Wir wollen, dass Stellen in der Behörde geschaffen werden, um die Anträge dort zu bearbeiten, denn es kann nicht sein, dass alles liegenbleibt.

Wenn wir das Bildungspaket betrachten und uns nicht nur die Anträge auf Förderung und Gewährung von Musik- und Sportunterricht angucken, haben wir immer noch einen Großteil an Arbeiten, die aus dem Bildungspäckchen resultieren und in den Schulen zu erledigen sind. Dieses Programm "Fördern statt Wiederholen" bedeutet nämlich, dass 14 000 Schüler eine kostenlose Nachhilfe bekommen, es bedeutet aber auch, dass in jeder Zeugniskonferenz ein Beschluss gefasst werden muss.

Dann muss ein Elterngespräch geführt werden, dann muss eine Lernvereinbarung unterschrieben werden und dann muss der Schulleiter gucken, wo er die Nachhilfe herbekommt. Das heißt, in den Schulen bleibt ohnehin ganz viel Arbeit hängen. Wir wollen, dass sichergestellt wird, dass die Antragsbearbeitung maximal 14 Tage dauert, und wir möchten, weil die Belastung der Schulsekretariate durch die Anträge in Hamburg so ungleich verteilt ist, dass die Behörde erfasst, wo wie viele Anträge anfallen und sich überlegt, wie sie diesen Anfall kompensieren will und mit zusätzlichen Stellen auf Dauer so ausstattet, dass die Schulsekretariate wieder ihre Arbeit machen können wie bisher.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält Herr Lein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg: Wir werden beiden Anträgen nicht zustimmen, weil wir uns erstens damit einer Einschätzung der Lage bei der Umsetzung der Bildungs- und Teilhabepakete anschließen würden, die verzerrt ist und nicht zutrifft, und zweitens den Senat nicht zu Maßnahmen auffordern wollen, die populistischen Charakter haben und in sich nicht schlüssig sind.

(Beifall bei der SPD – Dora Heyenn DIE LIN- KE: Aha, Begründung?)

Dass auf die Schulbüros neue Aufgaben zukommen, ist unstrittig. Ob sie zu einer totalen Überlastung führen, bleibt abzuwarten. Namens der Fraktion der SPD danke ich zunächst einmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulbüros ausdrücklich für ihre Arbeit. Schulbüros und Hausmeisterei sind zentrale Orte für die Gestaltung eines funktionierenden Schulbetriebs und wir haben noch zu unseren Oppositionszeiten eine große Versammlung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulbüros gehabt, wo wir uns berichten ließen und die Sorgen angehört haben. Das ist uns noch in guter Erinnerung, seien Sie dessen versichert. Die Schulbüros haben im Zuge der Schulreform 41 Stellen befristet zugewiesen bekommen. Diese müssten jetzt eigentlich wegfallen, bleiben indes aber bestehen. Ob das vermachte Arbeitszeitvolumen für die neuen Aufgaben ausreicht, muss sich erweisen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Die sind aber an Schulen, die die gar nicht brauchen!)

Diese Verteilung der Stellen ist übrigens nicht in Stein gemeißelt. Wahr ist auch, dass eine Arbeitsplatzbeschreibung der Schulbüromitarbeiter seit Jahren verhandelt wird und in der BSB auf Halde liegt. Die Vorgängerregierungen haben faktisch nichts getan, um zu einem Abschluss zu kommen, was ein völlig unbefriedigender Zustand ist. Es gibt

keine Arbeitsplatzbeschreibungen für Schulsekretariate. Was sind deren Pflichten, was sind deren Aufgaben? Da kann man stochern und mutmaßen, das hat jahrelang in der Schulbehörde gelegen und ist hin- und hergeschoben worden.

(Beifall bei der SPD)

Dass der rührige Vorsitzende des Schulleiterverbandes, Herr Mumm, im "Hamburger Abendblatt" Lobbyarbeit betreibt, ist verständlich. Dass die Links-Fraktion dieses durch Aufnahme in einen parlamentarischen Antrag adelt, ist bedenklich. "Ständig neue Aufgaben, aber keine zusätzlichen Ressourcen", so lässt Herr Mumm sich zitieren.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Ich erinnere einmal an die Zeiten der absoluten Mehrheit der CDU und die Umsetzung der Lehrmittelprivatisierung, die von uns abgelehnt wurde. Das seinerzeitige Aufstocken der Schulbüros ist meiner Kenntnis nach aber nicht wieder zurückgenommen worden, sondern in den Schulen verblieben, als die Lehrmittelprivatisierung glücklicherweise wieder abgeschafft wurde.