Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Ich freue mich sehr, meinen Antrag noch einmal vorgelesen zu bekommen, ich kannte ihn schon. Ich bin erstaunt, dass wir jetzt wieder die alten Schulideologien herauskramen müssen, noch weniger bin ich darüber erfreut.

(Zurufe aus dem Plenum)

Ich würde sehr gern erst einmal zu Ende sprechen, Sie wissen gar nicht, was ich sagen möchte. Ich finde es erstaunlich, dass Sie zu wissen glauben, was ich denke. Ich meine das schon ernst, wenn ich sage, dass Kinder aus einer Stadtteilschule auch zum Gymnasium wechseln können sollten.

(Dr. Stefanie von Berg)

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das wissen Sie doch ganz genau, dass das nicht passiert!)

Denn wenn die Stadtteilschule so gut ist – das ist sie wahrscheinlich auch, das soll sie auch sein –, dann können die Schüler doch auch leicht auf das Gymnasium wechseln. Es gibt doch Kinder, die gern auf das Gymnasium gehen möchten. Deswegen sind das doch noch keine Eliteschulen. Warum in diesem Haus immer dieser Ideologiekampf durchgezogen werden muss, verstehe ich nicht.

Aber jetzt noch einmal zum Thema. Was mir nämlich wirklich wichtig ist, und deswegen möchte ich gern, dass es hier noch einmal zur Sache geht, ist der Punkt, dass die Kinder, die auf dem Gymnasium sind und in der achten oder neunten Klasse plötzlich schwach werden, möglicherweise die zehnte Klasse nicht schaffen werden. Es geht hier um die Kinder und nicht um Ideologien, das ist der Punkt, der mir persönlich wichtig ist. Ob Sie das glauben oder nicht, es ist so. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Vielen Dank, Frau von Treuenfels.

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung 20/2824 an den Schulausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen.

Wer möchte den Antrag der FDP-Fraktion aus der Drucksache 20/2824 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 77, Drucksache 20/2823, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Keine öffentliche Förderung mehr für Leiharbeit statt gut entlohnter und sicherer Arbeit in Hamburg!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Keine öffentliche Förderung mehr für Leiharbeit statt gut entlohnter und sicherer Arbeit in Hamburg! – Drs 20/2823 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Golke wünscht es und hat es.

Zunächst ein freundliches "Verzeihung" in beide Richtungen, dass ich vorhin die Begrüßung vergessen habe, das möchte ich

hiermit nachholen. Es war der Aufregung geschuldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! "Keine öffentliche Förderung für Leiharbeit statt gut entlohnter und sicherer Arbeit in Hamburg" ist das Thema. Ich will mich dem Thema zunächst von den Zahlen her nähern, es sind die Daten, die die Bundesagentur uns zur Verfügung stellt. Wir haben es im Zeitraum Juni 2010 bis Juni 2011 mit einer Steigerung der in Leiharbeit beschäftigten Menschen um rund 3000 zu tun. Im gleichen Zeitraum gab es einen Anstieg aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um etwa 15 000. Das heißt, rund 20 Prozent aller in diesem Zeitraum geschaffenen Arbeitsverhältnisse waren Leiharbeit. Dazu kommt, das sind Zahlen aus dem Jahr 2010, dass bei regulärer Arbeit ein mittlerer Verdienst von 2702 Euro brutto erzielt werden konnte, der mittlere Wert bei Leiharbeit aber nur bei 1419 Euro lag. Das war, wie Sie sicher anmerken werden, vor Einführung des Mindestlohns in der Leiharbeit, der seit dem 1. Mai 2011 gilt und seit dem 1. Januar 2012 nunmehr bei 7,89 Euro liegt. Das führt dazu, dass unter Anwendung des Mindestlohns aktuell etwa brutto 1250 Euro verdient werden können. Es ist davon auszugehen, dass der Wert der normalen, regulären Beschäftigung nicht erreicht werden kann.

Das Problem sehen nicht nur wir. Senator Scheele hat in seiner Rede am 11. Januar in der HAW gesagt, dass eine Begrenzung der Leiharbeit auf ein vernünftiges Maß ein großer Wurf wäre. Das sieht auch das Arbeitsprogramm des Senats so.

"Die Stadt muss dabei ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Gute Arbeit muss in städtischen Unternehmen so selbstverständlich sein wie bei Zuwendungsempfängern und Unternehmen, die Aufträge von der Stadt erhalten."

Wohlgemerkt, es geht hier um einen Antrag, dass es keine öffentliche Förderung im Rahmen von SGB-II-Leistungen mehr für Leiharbeit geben soll. Weiterhin:

"Der Senat beobachtet mit Sorge die Expansion der Leiharbeit, die zunehmend zu einem Instrument des Lohndumpings und Austauschs von Stammbelegschaften durch geringer entlohnte und schlechter abgesicherte Beschäftigte geworden ist."

So der Senat in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Artus und Bischoff vom 27. September 2011. In selbiger Schriftlichen Kleinen Anfrage äußerte der Senat außerdem:

"Die Anzahl an geförderten Arbeitsplätzen […] werden im Hinblick auf das Merkmal 'Zeit- und Leiharbeit' statistisch nicht erfasst."

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

Mit anderen Worten: Der Senat ist in Sorge, hat aber eigentlich keine Ahnung, wie sehr in Sorge er sein müsste.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben durch die Liberalisierung des Leiharbeitssektors Macht abgegeben an Unternehmen, die das so haben wollten. Macht zu übernehmen bedeutet aber immer, unter anderem Verantwortung zu übernehmen. Dieser Verantwortung werden viele der Zeitarbeitsunternehmen nach wie vor nicht gerecht. Das ist die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in Form der Sozialversicherung durch Zahlung von sinnvollen und vernünftigen Sozialversicherungsbeiträgen, und es ist die Verantwortung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern durch existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen.

Wir befürworten die Überweisung des Antrags an den Ausschuss und freuen uns – auch ich persönlich – auf weitere spannende Diskussionen.

Ich würde gern die Petita im Einzelnen kurz durchgehen. Generell halten wir die Vermittlung und Förderung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern durch das Jobcenter für nicht mehr förderfähig. Dazu kommt, dass bei einer Förderung durch das Jobcenter eine unbefristete Beschäftigung geschaffen werden muss, denn nur unbefristete Beschäftigung schafft langfristige Sicherung. Und Arbeitsverhältnisse mit weniger als 15 Stunden werden nicht gefördert, wenn es eine regelmäßige Wochenarbeitszeit ist. Das hat einen technischen Hintergrund, denn bei weniger als 15 Stunden Arbeit gilt der Mensch im SGB III nach wie vor als arbeitslos. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Golke. – Das Wort hat Herr Schwieger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Schlagzeilen vom Wochenende zeigen es: "So viele Leiharbeiter wie noch nie" und "Leiharbeit in Deutschland auf Rekordhoch" war dort zu lesen. Auf die Zahlen hat Herr Golke hingewiesen, die brauche ich nicht zu wiederholen. Als Arbeitsmarktpolitiker stehe ich diesem Zuwachs sehr zwiespältig gegenüber, zeigt es doch, dass die Auftragsbücher der Unternehmen voll sind und die Firmen versuchen, damit Auftragsspitzen und Personalengpässe abzudecken. Unsere Hoffnung ist natürlich, dass es nicht dabei bleibt, sondern dass auch die Stammbelegschaft und damit unbefristete Beschäftigungen wachsen.

Manch einem Leiharbeiter gelingt dann der Sprung in die reguläre Festanstellung, jedoch sind die Zahlen zu diesem sogenannten Klebeeffekt ernüchternd und nicht so hoch wie erhofft. Das IAB

spricht von nur einem schmalen Steg in feste Beschäftigung, denn nur circa 7 Prozent der Leiharbeiter schaffen überhaupt den Übergang. Zwar hat das IAB auch gesagt, dass Langzeitarbeitslose durch Leiharbeit zurück in Beschäftigung kommen und damit ihre Chancen steigen, in Beschäftigung zu bleiben. Aber die Situation vieler dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist nur als prekär zu bezeichnen. Das heißt, trotz sozialversicherungspflichtigem Beschäftigungsverhältnis, trotz Vollzeitarbeit, trotz Flexibilität und Anpassungsbereitschaft bleiben sie in ihrer Erwerbstätigkeit gefährdet.

Zum Lohn: Trotz Mindestlohn, der seit Jahresanfang gilt, fällt die Vergütung gegenüber der Stammbelegschaft wesentlich niedriger aus. Von "Equal Pay" kann keine Rede sein. Hamburg wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass sich dies ändert.

(Beifall bei der SPD)

Das würde auch den Aufstockern in diesem Bereich helfen.

Zur sehr kurzen Dauer dieser Beschäftigungsverhältnisse: Laut Bundesagentur dauert die Hälfte der Jobs nur drei Monate. Das ist keine gute Lebensperspektive für die betroffenen Menschen. Diese deutlichen Schattenseiten der Leiharbeit rechtfertigen für mich, dass wir uns regelmäßig mit diesem Thema beschäftigen. Der vorliegende Antrag der LINKEN enthält einerseits unstrittige Feststellungen zum Problem der Leiharbeit, aber er macht auch Vorschläge, zu denen einige Bemerkungen nötig sind.

Zum Hamburger Modell: Dabei handelt es sich um Bundesmittel, die dafür eingesetzt werden. Die Einflussmöglichkeiten des Senats sind hier durchaus beschränkt. Ebenso begrenzt sind die Möglichkeiten, Leiharbeit generell von der Förderung auszuschließen. Es stehen rechtliche Bedenken dagegen, denn ein entsprechender Förderausschluss ist im SGB II nicht vorgesehen. Meines Wissens war teilweise sogar ein Ausschluss vorgesehen, musste dann aber zurückgezogen werden. Einige Punkte, die Sie in Ihrem Antrag fordern, sind schon in den Förderrichtlinien zum Hamburger Modell enthalten. Arbeitsverhältnisse unter einem Jahr und unter 15 Stunden wöchentlich werden nicht gefördert, und auch wenn der Arbeitnehmer in den vergangenen vier Jahren bereits mehr als drei Monate bei einem Arbeitgeber beschäftigt war, gilt das Hamburger Modell nicht. Ich finde es sinnvoll, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf Missbräuche und Fehlentwicklungen zu überprüfen. Uns ist das Thema Leiharbeit wichtig.

Außerdem arbeitet der Senat zurzeit an einer Richtlinie zur Bekämpfung der Leiharbeit – Herr Golke hat auf die Rede von Herrn Senator Scheele hingewiesen – in öffentlichen Unternehmen, an de

(Tim Golke)

nen Hamburg beteiligt ist. Dazu hat der Sozialausschuss bereits wichtige Impulse geliefert.

Auch wir stimmen dem Überweisungsantrag der GAL zu und freuen uns auf die Debatte im Sozialausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schwieger. – Das Wort hat Frau Wolff.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich diesen Antrag lese, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich selbst habe, wenn auch nur eine kurze Zeit und aus gutem Grund, in einem Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet und war schockiert, wie dort teilweise mit Menschen umgegangen wird. Wir können es auf keinen Fall gutheißen, wenn Menschen wie Ware behandelt werden, und es macht mich wirklich wütend, dass manche Unternehmen versuchen, Menschen in Zeitarbeit zu halten, nur um daraus Profit zu schlagen. Ich konnte einfach kündigen. Die Menschen, die auf diesen Job angewiesen sind, können sich aber häufig nicht aussuchen, ob sie in Zeitarbeit arbeiten oder nicht.

Aber, liebe Fraktion DIE LINKE, das ist ein ganz anderes Problem als in diesem Antrag beschrieben. Über diese Problematik können wir gern diskutieren und gemeinsam schauen, wie wir dieses Problem in den Griff bekommen. Der Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, ist uns, was die generelle Förderung von Zeitarbeit angeht, schlichtweg zu radikal formuliert.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Oh!)

Hier sieht es so aus, als wäre Zeitarbeit grundsätzlich etwas Schlechtes, und das stimmt so schlichtweg nicht.