Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich habe Ihnen gerade die Verkehrsunfallzahlen genannt und wir wissen, wie viele Unfälle durch erhöhte Geschwindigkeit verursacht werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL)

Ich bleibe bei den Hoffnungsträgerinnen und -trägern der SPD. Frau Timmermann hat sich in der letzten Legislaturperiode auch mit dem Thema auseinandergesetzt, und eigentlich müsste die SPD schon sehr eindeutig wissen, dass sie dafür ist, die Geschwindigkeiten zu reduzieren. Die meisten von Ihnen werden auch einmal im Auto oder im Bus unterwegs sein und festgestellt haben, dass, wenn jemand Tempo 50 fährt, er in dieser Stadt immer ein Verkehrshindernis ist. Tempo 60 zu fahren, wo 50 gefahren werden darf, und 70 zu fahren, wo 60 erlaubt ist, ist bei vielen eine Art Kavaliersdelikt. Ich frage jetzt nicht, wer von Ihnen schon einmal einen Bußgeldbescheid bekommen hat, aber ich glaube, dass viele teilweise erschrocken sind, wenn sie merken, dass sie im Verkehrsfluss eine viel zu hohe Geschwindigkeit erreicht haben.

Das muss aufhören. Deswegen sind wir dafür, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Das hat nicht nur Sicherheitsaspekte, es hat auch Umweltaspekte.

Können wir auch die Redelautstärke reduzieren, Frau Präsidentin? Ich höre mich selbst kaum noch.

(Dennis Gladiator CDU: Dann können Sie sich ja wieder hinsetzen!)

Offenbar können alle mitreden bei dem Thema. Ich habe vorhin schon dieses Herumstehen in den Ecken und an der Wand angesprochen. Vielleicht können alle, die keine akuten Rückenprobleme haben, sich wieder ihren Plätzen nähern und die Gespräche einstellen, Herr Grote, Frau Dobusch. Frau Dobusch, Sie haben die Möglichkeit, sich auch außerhalb des Plenarsaals zu unterhalten. – Frau Sudmann, bitte fahren Sie fort.

– Vielen Dank. Ich zitiere jetzt sehr gerne Herrn Wersich, der sagt, er habe ein Herz für die Randständigen. Aber auch die Randständigen mögen den Mund ein bisschen mehr schließen.

Wir waren beim Thema Geschwindigkeit reduzieren. Die SPD scheint auch Sympathie für meinen Antrag zu haben, nur dummerweise scheint Ihre Sympathie immer dann aufzuhören, wenn Sie einfach nur Ja sagen müssten. Deswegen haben Sie wieder einmal einen Änderungsantrag geschrieben, der natürlich nicht so weitreichend ist wie unser Antrag. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf – wir sind im zweiten Jahr der SPD-Regierung –, dass Sie langsam ein bisschen mutiger werden. Von daher bin ich zwar enttäuscht, dass Sie unseren Antrag ablehnen werden, aber immerhin werden Sie einen kleinen Prüfauftrag beschließen, und vielleicht sind wir am Ende alle etwas schlauer. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Frau Koeppen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Unfallopfer in Hamburg ist eines zu viel und wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Hamburgs Straßen sicherer werden. Von der LINKEN kommt nun der erste Ansatz dazu: Temporeduzierung, begründet mit den Zahlen der Verkehrsunfall-Bilanz 2011. So schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass ein beträchtlicher Teil der Unfälle auf überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache zurückzuführen sei, nach Ihrer Aussage 30 Prozent. Sie sollten bei der Interpretation der Zahlen für 2011 aber nicht Äpfel und Birnen in einen Topf werfen. Bei der Vorstellung der Verkehrsunfallzahlen wurden die Unfallursachen – zu geringer Sicherheitsabstand, verantwortlich für 16,2 Prozent und Geschwindigkeit, verantwortlich für 13,8 Prozent dieser Unfälle – addiert und ergeben so die von Ihnen genannten 30 Prozent. Unter dem Oberbegriff Geschwindigkeit verbirgt sich dann aber nicht nur die Überschreitung, sondern auch die Unterschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Das eben bei Frau Sudmann Gesagte gilt ebenso für die Rednerin Koeppen. – Fahren Sie bitte fort.

Ein Vorschlag von Ihnen ist nun, die auf einigen Hauptstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde wieder auf 50 Kilometer pro Stunde herabzusetzen. Jede Aussage muss aber mit handfesten Fakten hinterlegt werden, und eine Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Timmermann aus der letzten Legislaturperiode hat ergeben, dass die Unfallzahlen auf den Tempo60-Straßen überhaupt nicht erhöht sind.

(Heike Sudmann)

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Daher müssen wir diese Unfallzahlen erneut abfordern – und das tun wir mit unserem Antrag –, um zu sehen, ob und wo mit welchen Maßnahmen die Sicherheit erhöht werden kann. Die Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit ist aber nicht das Allheilmittel der Unfallvermeidung. 26,1 Prozent der Unfälle in Hamburg werden durch Fehler beim Einfahren, Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren verursacht. In der Tat – und da geben wir Ihnen recht – bietet die Unfallbilanz 2011 eine gute Grundlage, um über die Sicherheit auf Hamburgs Straßen nachzudenken.

Einen enormen Anstieg um 10,3 Prozent gab es bei der Unfallursache Alkohol. Diese Unfälle hätten vermieden werden können, wenn Alkohol genau wie Drogen im Straßenverkehr verboten wäre. Die SPD unterstützt daher die Bundesratsinitiative zur 0,0-Promille-Grenze, die Michael Neumann einbringen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Satz: Wir haben diesen Zusatzantrag formuliert, mit dem wir die Grundlagen für weitere Maßnahmen abfordern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr Hesse das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Auch die CDU-Bürgerschaftsfraktion nimmt die Unfallzahlen ernst und diesen Bericht als Anlass, genau zu schauen, wie wir die Unfallzahlen senken können. Für Ihren Antrag, liebe Frau Sudmann, haben wir trotzdem keine Sympathie, weil wir glauben, dass er in die falsche Richtung geht. Es ist ein Antrag, Frau Sudmann, der politisch motiviert geschrieben ist, der stigmatisiert und mit dem Finger auf die Autofahrer zeigt und sagt, da sind die Schuldigen. Es ist ein Antrag, der sich nicht mit Ursachenforschung beschäftigt. Das grenzt nahtlos an Ihren Beitrag zur Elektromobilität an, wo Sie den E-Volkstrabbi für alle gefordert und auch schon mit dem Finger auf alle Autofahrer in unserer Stadt gezeigt haben. Das ist der falsche Weg und das ist kein Weg, den die CDU mitgeht.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU hat tatsächlich während ihrer Regierungsverantwortung auf einigen Straßen Tempo 60 eingeführt. Wir haben das sehr bewusst gemacht, und zwar nicht flächendeckend, sondern wir haben sehr genau darauf geachtet, auf welchen Straßen das möglich ist. Die Innenbehörde hat genau geprüft, nach welchen Kriterien Tempo 60 eingeführt werden kann. Außerdem haben wir natürlich auch

das, was Frau Koeppen eben andeutete, getan: Wir haben darauf geachtet, wie sich die Unfallzahlen auf diesen Straßen entwickeln und welche Auswirkungen die Tempo-60-Regelungen haben. Ich habe mit der Drucksache 19/5136 in der letzten Legislaturperiode selber eine Anfrage gestellt, die sich mit den Unfallzahlen auf der Alten Landstraße beschäftigt hat, und Frau Timmermann – das ist erwähnt worden – hat sich auch mit dem Thema beschäftigt.

Die CDU-Fraktion hat nichts gegen den SPD-Antrag; wir können immer wieder weiter evaluieren und prüfen – und das sollten wir auch tun –, ob sich die Unfallzahlen auf solchen Straßen verändern. Sollte das der Fall sein, dann trägt die CDUFraktion selbstverständlich auch entsprechende Änderungen mit. Aber sollte sich herausstellen, dass das nicht der Fall ist, dann sollten wir nicht aus ideologischen Gründen von Tempo 60 auf Tempo 50 zurückgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zum SPD-Antrag. Wir haben keine Probleme damit, die Unfallzahlen in den Tempo-60-Straßen zu evaluieren, wir haben auch keine Probleme damit zu prüfen, inwieweit sich die Lärm- und Feinstaubemissionen dort verändert haben. Ich glaube nur, dass das sehr schwer festzustellen sein wird. Nach meiner Kenntnis und nach allem, was wir in den vergangenen zehn Jahren im Verkehrsausschuss zu diesem Thema diskutiert haben, waren die Emissionswerte immer dann gut, wenn wir einen fließenden Verkehr hatten. Das war auch ein umweltpolitischer Ansatz, den wir als CDU-Fraktion immer vertreten haben, darauf zu achten, dass der Verkehr in unserer Stadt fließt, denn dann haben wir auch weniger Emissionen. Autos, die im Stau oder an der Ampel stehen, verursachen mehr Emissionen als Autos, die durchgehend fahren.

(Heike Sudmann DIE LINKE: In dieser Stadt fährt niemand durchgehend, auch Sie nicht!)

Insofern glaube ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das auch die Antwort auf Ihre Frage 2 sein wird.

Sie fordern vom Senat unter Punkt 3 Ihres Petitums einen Bericht über die Tempo-30-Zonen. Diesem Bericht können wir – gemeinsam mit den Grünen hatten wir in der letzten Legislaturperiode gefordert, diese Zonen auszudehnen – gerne zustimmen. Ich möchte Sie aber an dieser Stelle auf die Drucksache 20/3849 hinweisen, eine Schriftliche Kleine Anfrage von mir aus der letzten Woche. Die Antwort darauf dürfte Ihnen sozusagen den Punkt 3 ersparen. Wir werden ihm trotzdem zustimmen und damit Ihrem Antrag in Gänze, denn auch wir finden es richtig, erst zu prüfen und dann zu entscheiden, und nicht, wie DIE LINKE es tut, vorab zu verurteilen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

(Martina Koeppen)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man darf schon die Fakten zum Anlass nehmen, einen Antrag zu stellen, wie ihn DIE LINKE eingebracht hat. Er ist in allen Punkten richtig. Und die Fakten sprechen eine relativ klare und, gemessen an der öffentlichen Diskussion, auch eine überraschende Sprache. Wenn in der Unfallstatistik der Polizei neun Unfallursachen als Hauptursachen für Unfälle mit Personenschäden aufgezählt werden, dann lohnt es sich, diese Unfallursachen genau anzuschauen. An allererster Stelle stehen mit 26 Prozent Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr, an zweiter Stelle mit 16 Prozent ein ungenügender Sicherheitsabstand und an dritter Stelle mit knapp 14 Prozent überhöhte Geschwindigkeit. Und da finde ich es schon legitim, diese drei Unfallursachen auch im Zusammenhang zu betrachten. Ein zu geringer Sicherheitsabstand heißt ja nichts anderes, als dass der Autofahrer, der hinten fährt, schneller fahren möchte als der, der vor ihm fährt; der vordere hält sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, der andere möchte das aber nicht. Das heißt, die Raserei drückt sich natürlich auch in zu geringem Sicherheitsabstand aus.

(Beifall bei Antje Möller GAL und der LIN- KEN – Arno Münster SPD: Das ist doch 'ne Unterstellung, mehr ist das doch nicht!)

Das gilt auch für das Thema Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass der Verkehr, der Vorfahrt hat, schneller ist als erlaubt, sodass Kreuzungssituationen das Einfädeln nicht mehr ermöglichen, auch wenn der Fehler formal beim einbiegenden Verkehrsteilnehmer liegt. Das Thema Tempo hat deswegen eine überragende Bedeutung, und ich glaube nicht, dass man zu nennenswert hohen Zahlen kommt, wenn man die Unfallzahlen aufgrund zu geringer Geschwindigkeit getrennt auswertet. Diese Ursache wird sicher nicht zu vielen Unfällen mit Personenschäden führen.

Deswegen ist es auch interessant, darauf zu schauen, was am Ende der neun Ursachen steht. Da steht an achter Stelle mit 4,4 Prozent das Nichtbeachten der Verkehrsregelung durch Lichtzeichen – ich persönlich beobachte häufig im Straßenverkehr, dass über rote Ampeln gefahren wird, das ist bei Weitem keine so bedeutende Unfallursache, wie ich es angenommen habe – und an letzter Stelle, gestiegen auf niedrigem Niveau, mit 3,4 Prozent Alkoholeinfluss. Das muss man sich vor Augen halten, wenn man sich Gedanken darüber macht, was man dafür tun kann, damit wir weniger Unfälle haben.

Nun haben wir einen zuständigen Senator, der zwei Initiativen angekündigt hat, nämlich erstens einen Einsatz für ein absolutes Alkoholverbot und zweitens einen Einsatz für regelmäßige ärztliche Untersuchungen in allen Altersgruppen. Diese zwei

Forderungen haben drei Sachen gemeinsam: Erstens sind sie beide richtig, zweitens rangieren sie bei den Unfallursachen weit unten und drittens sind es Bundesratsinitiativen, das heißt, man muss erst einmal selber nichts machen. Das steht dann schon in einem echten Missverhältnis zu den Themen, bei denen man selber etwas machen könnte, und da ist eben das Thema Tempo mit allen Facetten ein wichtiges Thema.

Ich glaube, dass es richtig ist, von den Tempo60-Strecken in der Stadt wieder wegzukommen, aber ich glaube nicht, dass das zahlenmäßig entscheidend ist. Die Forderung ist richtig und deshalb unterstützen wir sie, aber wahrscheinlich würden sich die Effekte aus vielen Gründen nicht messen lassen. Umso wichtiger ist es, auch andere Fragen im Blick zu behalten. Warum weiten wir nicht konsequent die Kontrollen von Geschwindigkeitsverstößen aus? Das ist eine Maßnahme, die sich mindestens kostenneutral darstellen lässt. Ein zweiter Punkt ist ganz klar – das ist positiv genannt worden – die Ausweitung der Tempo-30-Zonen. Das haben wir in der letzten Wahlperiode betrieben, es wird weiterbetrieben, das ist gut so. Aber man fragt sich natürlich, warum eigentlich Maßnahmen, die nicht nur über Kontrollen arbeiten sollen, sondern darüber, dass der Straßenraum eine niedrigere Geschwindigkeit suggeriert, plötzlich nicht mehr fortgeführt werden. Dazu gehören die Programme zu "Shared Space" und Kreisverkehre, Maßnahmen, die wirklich sehr gut geeignet sind, dort, wo nicht in einem angemessenen Tempo gefahren wird, Verkehre zu verlangsamen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Die Frage stellt sich, warum das Thema Tempo nicht konsequent angegangen wird. Da hat die SPD wirklich mehr zu tun als die Umsetzung der drei Punkte, die in dem Antrag stehen. Die sind richtig, aber läppisch. Deswegen werden wir ihm auch zustimmen, meinen aber gleichwohl, dass man sich wesentlich weitgehender mit diesen Fragen auseinandersetzen müsste.

(Beifall bei der GAL)

Sodann hat Herr Dr. Schinnenburg das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Sudmann, ich habe Verständnis für Ihren Antrag. Solange ich Sie hier erlebe – jetzt also seit einem Jahr –, habe ich den Eindruck, dass Sie vor allem ein Ziel haben: In Hamburg soll kein Auto schneller fahren können als Sie mit Ihrem Fahrrad.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das ist subjektiv absolut verständlich. In diese Linie passt dann auch der Antrag, also Verständnis

ja, aber inhaltlich falsch. Es wurde schon gesagt, dass überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache ein Problem ist. Das hat aber nichts mit dem angeordneten Tempolimit zu tun, sondern damit, dass das angeordnete Limit überschritten wurde.

Die beste Abhilfe wäre ein besserer Verwaltungsvollzug. Einige von Ihnen werden die Antwort auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen gelesen haben. Die Hälfte aller festen Blitzer steht nicht an Unfallschwerpunkten, sondern da, wo man gut abkassieren kann, nämlich an vier- oder sechsspurigen Straßen. Da ist auch keine Kita in der Nähe, nichts dergleichen. Die Hamburger Blitzer stehen an der falschen Stelle. Sie gehören dahin, wo Unfallschwerpunkte sind, vor Kitas, Schulen und Seniorenheime und nicht dahin, wo der Staat viel kassieren kann. Die Verwaltung setzt – unter dem alten Senat ebenso wie unter dem neuen – völlig falsch an.