Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Wir erinnern uns, dass der Bürgermeister sich in seiner Regierungserklärung vorgenommen hatte, das moderne Hamburg zu schaffen – ich darf zitieren –:

"[…] mit exzellenten Forschungseinrichtungen, die Innovationen zum Alltag machen."

(Christiane Blömeke)

Mehr noch, Hamburg sollte als Umwelthauptstadt fest etabliert werden und – ich zitiere wiederum –:

"[…] So sollten wir z.B. Hamburg als Modellregion für Elektromobilität unbedingt weiterentwickeln."

Damit der Senat dieses auch für uns so wichtige Vorhaben nun wirklich voranbringt, haben wir bereits mit Anfrage vom 31. März 2011 gefragt, ob der Senat gedenke, sich für das neue Programm der zuständigen Bundesministerien für das "Schaufenster Elektromobilität" zu bewerben. Es ging einher mit einer Reduktion der Fördermittel für die acht Modellregionen, zu denen Hamburg gehört. Anfang April vergangenen Jahres hatte man sich darüber noch nicht so recht Gedanken gemacht, ein Konzept gab es auch nicht, aber das kann man nachvollziehen. Man wollte erst einmal abwarten, was es denn für Förderkriterien aus Berlin gibt. Es ging aber leider nichts voran. Dann haben wir im August vergangenen Jahres mit einer Großen Anfrage nachgefragt, welche Anstrengungen der Senat in dieser Hinsicht unternehmen wolle. Erneut hieß es, man denke zwar darüber nach, aber man habe sich noch keine Meinung gebildet, und auch zu derartigen Fragen, ob es vielleicht sinnvoll sei, ein Branchencluster Elektromobilität einzurichten oder einen Technologiepark zur Ansiedlung entsprechender Unternehmen, hatte der Senat sich erst gar keine Gedanken gemacht. Das war verhängnisvoll, wie sich zeigen sollte. Das Ergebnis haben wir alle Anfang April dieses Jahres den Zeitungen entnehmen können. Hamburg ist kein "Schaufenster Elektromobilität" geworden.

(Beifall bei der CDU)

Darüber können wir uns wahrlich nicht freuen, denn Hamburg hatte weiß Gott eine hervorragende Ausgangsposition in diesem Wettbewerb, und das war das Verdienst der Vorgängersenate. Das bestätigt der Senat auch selbst an allen möglichen Stellen. Dieser Ausgang des Wettbewerbs und die Entscheidung der Bundesregierung ist ein derber Rückschlag für die Innovationsfähigkeit unserer Stadt. Für den Senat ist es eine glatte Fünf.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Spät, sehr spät, aber wie so oft halbherzig, hat man sich dann doch noch für die Bewerbung entschieden und sie dann am letzten Tag in Berlin abgegeben. Der Bürgermeister erklärte jedoch einige Tage vorher, dass die Bewerbung nun in der Schlussredaktion sei und man zuversichtlich sei, da auch Erfolg zu haben. Aber worauf gründete sich denn diese Zuversicht? Schaut man sich die Bewerbung und die Förderrichtlinien der zuständigen Ministerien an, dann erkennt man sehr leicht, dass die Hamburger Bewerbung hier nicht standhalten konnte.

Ein besonderes Profil hätte entwickelt werden müssen. Eine Vernetzung wäre erforderlich gewesen, Vernetzung sowohl in regionaler Hinsicht als auch mit starken industriellen Partnern. Intern ist der Senat darauf hingewiesen worden. Was hat man getan? Man hat vertraut auf die eigenen Stärken. Eigene Stärken ausbauen – damit waren wohl die Vorarbeiten der Vorgängersenate gemeint. Und dann wird es schon ziemlich dünn.

Wenn man sich die Förderrichtlinien genau anschaute, konnte man leicht entnehmen, dass es darum ging, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Hamburg und Deutschland im Leitmarkt Elektromobilität ganz vorn steht.

Wie sieht es aus mit den Alleinstellungsmerkmalen der Hamburger Bewerbung? Man findet sie nicht, anders als bei der Bewerbung aus Berlin, die sich zum Beispiel selbstverständlich zur Metropolregion Berlin-Brandenburg verhält, wo es natürlich einen Technologiepark zum Thema Elektromobilität gibt und wo man die Internationalität des Vorhabens hervorgehoben hat. Schauen Sie sich Sachsen und Bayern an, auch dort hat man den überregionalen Bezug gewählt und mit einer starken industriellen Partnerschaft den Sieg und die Nominierung durch die Jury erreicht.

Meine Damen und Herren! Das Ganze ist symptomatisch für die Innovationspolitik des Senats, symptomatisch deshalb, weil es wirklich Hybris ist, wenn man glaubt, man könne sich immer nur auf die eigenen Stärken verlassen. Es ging darum, industrielle und regionale Partner zu suchen, es ging darum, eine international attraktive Bewerbung zu machen, und es ging darum, den Fachkräfte- und Ausbildungsaspekt zu betonen.

Aber das zieht sich wie ein roter Faden durch die Politik des Senats. Schlagworte wie Innovation benutzt man gern, bei der Umsetzung fehlt es jedoch am systemischen Ansatz und auch an der notwendigen Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hinweg.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Sie haben mit dieser Mischung aus Überheblichkeit und Provinzialität der Innovationsfähigkeit unserer Stadt einen Bärendienst erwiesen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat nun Frau Martin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Stunde sollte doch besser lauten: Bundesregierung vergibt große Chance für umfassenden, nach

(Karin Prien)

frageorientierten und ökologischen Ausbau der Elektromobilität.

(Beifall bei der SPD)

Wir hatten wirklich die große Hoffnung und auch mehrfach darüber gesprochen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, für gute Nachrichten aus Berlin sorgen, aber Ihr Einsatz und Ihr Einfluss dort haben anscheinend nicht gereicht. Hamburg wurde leider nicht zum "Schaufenster Elektromobilität" ernannt.

(Dietrich Wersich CDU: Aber das liegt doch an der Bewerbung!)

Hamburg hat mit der Unterstützung und mit der von Ihnen angesprochenen Vernetzung, Frau Prien, von über 100 Partnern eine sehr, sehr gute Bewerbung für das Schaufenster abgegeben. Das Konzept umfasst 77 innovative Projekte in den nachfrageorientierten Clustern Logistik, Luftfahrt, maritime Wirtschaft und erneuerbare Energien sowie die Integration neuer Mobilitätsangebote in die Stadtentwicklung und den ÖPNV.

Warum Hamburg als "Schaufenster" nicht angenommen wurde, ist allerdings bis heute durch das Ministerium nicht mitgeteilt worden, und das ist ein schlechter Stil.

(Erster Vizepräsident Frank Schira über- nimmt den Vorsitz.)

Mit der "Schaufenster"-Förderung sind nun neben der angesprochenen Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ausgerechnet die Großindustrieregionen bedacht worden, die für den Siegeszug der Benzinkutschen stehen. Bayern mit Audi und BMW, Baden-Württemberg mit Porsche und Daimler und Niedersachsen mit VW, Unternehmen übrigens, die bei der Entwicklung von Elektroautos bislang nicht gerade eine Vorreiterrolle einnehmen und im Vergleich zu internationalen Konzernen etwas länger geschlafen haben.

Es stellt sich hier also die Frage, ob es tatsächlich darum ging, innovative Konzepte zu fördern

(Jens Kerstan GAL: Das wussten Sie doch vorher! Das hätten Sie bei Ihrer Bewerbung berücksichtigen müssen! – Birgit Stöver CDU: Sie müssen doch die Ausschreibung gelesen haben, da steht alles drin!)

Herr Kerstan, Sie sind gleich dran, wenn Sie wollen –, oder ob es sich schlicht und ergreifend um ein Subventionsprogramm für die deutsche Autoindustrie handelt.

(Beifall bei der SPD)

Dass die Entscheidung im Kompetenzgerangel der für die Elektromobilität zuständigen vier Bundesministerien auch politisch motiviert ist, trotz Juryaussagen, das spricht für sich, denn der Autofahrerminister Ramsauer hätte sich nie wieder in seinem

Bayern blicken lassen können. Wirtschaftsminister Rösler als ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident musste Niedersachsen bedienen und Bildungsministerin Schavan die Fördergelder nach Baden-Württemberg tragen. Allein Umweltminister Röttgen in NRW ging leer aus, aber vielleicht ist das auch schon ein Vorzeichen auf die bevorstehende Landtagswahl.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Hamburg will ganz klar weiterhin das Wirtschaftszentrum in Sachen Elektromobilität werden, und wir unterstützen den Senat dabei ausdrücklich in seinem Vorgehen. Es wurde in Hamburg seit dem Start der Modellregion im Jahr 2009, die auch weitgehend von allen Fraktionen unterstützt wurde, bereits viel erreicht. Hamburg ist auf diesem Gebiet ganz klarer Vorreiter. In keiner anderen Stadt beispielsweise fahren bereits so viele Elektroautos wie in Hamburg.

Die Absage an das Schaufenster ist bei Weitem nicht das Ende der Elektromobilität als Zukunftschance für Hamburg. Meine Fraktion sieht auch keinen Grund für die Überdramatisierung oder Überbewertung, die gerade von Ihnen, geehrte CDU, versucht wurde.

Fakt ist, dass ein Zwischenziel leider nicht erreicht worden ist. Das ist aber für uns kein Grund, sozusagen vom Gas zu gehen, ganz im Gegenteil, es wird weitergehen. Hamburg wird auch weiterhin eine der Modellregionen Elektromobilität sein und mit den gewonnenen Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Industrie und vor allem aus dem Handwerk die Projekte realisieren, auch wenn der Wegfall der Schaufensterfördergelder zugegebenermaßen die Ausgangslage nicht leichter gemacht hat.

Ein kurzes Wort an den Kollegen Duwe, Sie werden auch gleich dazu sprechen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kosten von 200 000 Euro für die Schaufensterbewerbung keineswegs vergeblich aufgewendet wurden und schon gar keine Steuerverschwendung sind. Eine solche Argumentation ist doch recht populistisch. Lieber Herr Duwe, liebe FDP, wenn Sie so argumentieren, dürfte sich Hamburg grundsätzlich an keinerlei Wettbewerb beteiligen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wenn's gut ge- macht ist, schon!)

Ganz im Gegenteil wurde mit der Schaufensterbewerbung eine wertvolle Grundlagenarbeit für die weitere Entwicklung der E-Mobilität in Hamburg und in der Metropolregion geschaffen, gemeinsam mit der Hamburger Wirtschaft und vielen Verbänden und Institutionen. Hamburg hat jetzt einen sogenannten Masterplan oder, hamburgisch-maritim ausgedrückt, ein Logbuch Elektromobilität für die nächsten Jahre. Unser Ziel ist klar: Wir möchten die E-Mobilität in Hamburg weiter ausbauen, auch wenn wir dazu manchmal Rückschläge von der

Bundesregierung verkraften müssen. Wir machen weiter und wir laden Sie herzlich ein, uns dabei zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke. – Das Wort hat Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Woran lag es, dass der Senat diese Bewerbung versemmelt hat und dieser herbe Rückschlag erzielt wurde? Ein herber Rückschlag ist diese Entscheidung, denn es geht natürlich nicht nur um die öffentlichen Fördergelder, sondern es geht auch um die Frage, in welchen Regionen private Unternehmen investieren werden, die mit bestimmten Projekten vorangehen wollen, die sie zunächst in ausgewählten Städten testen. Das werden natürlich genau diejenigen Regionen sein, die in diesem Wettbewerb erfolgreich sind. Die Antwort besteht darin, dass die Hamburger Bewerbung ohne Kreativität und auch ohne Sachkunde betrieben wurde.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das fängt beim Bürgermeister an. Ich zitiere aus dem "Hamburger Abendblatt" vom 28. Januar dieses Jahres:

"Vision von einem besseren Hamburg"

Da werden die Vorstellungen des Bürgermeisters ausgebreitet, da werden Sie zitiert, Herr Scholz, und da heißt es dann in der Zeitung:

"Beim Thema Elektromobilität, für die Hamburg Modellregion ist, geriet der eher nüchterne Bürgermeister beinahe ins Schwärmen. Er habe früher in einem Haus an der stark befahrenen Stresemannstraße in Altona gewohnt. 'Wir hatten einen schönen Balkon zur Straße, den wir wegen des Lärms nicht benutzen konnten.' In einer Stadt der Zukunft, in der nur elektrogetriebene Autos fahren, wäre das wieder möglich."