Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

Vielleicht bekommen wir jetzt eine Antwort. Sie sind schon zum dritten Mal nach vorn gegangen und wir alle fragen uns, nachdem die CDU-Fraktion zugestimmt hat, dass das Thema heute auf die Tagesordnung kommt, nachdem wir einen klaren Antrag gestellt haben auf eine Rücküberweisung an den Ausschuss, was eigentlich der Grund dafür ist, dass die SPD, nachdem sie so viel Druck gemacht hat, dass wir heute abstimmen sollen, jetzt einen Vertagungsantrag gestellt hat? Sie sind dreimal vorn gewesen und haben es uns noch nicht erklärt.

Ganz einfach: Es ist unser schlichtes Misstrauen dem gegenüber, wie Sie sich verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In politischen Debatten ist es weder Juristen noch Nicht-Juristen zu empfehlen, im Einzelnen aus Gesetzen oder Entscheidungen von Gerichten zu zitieren, sondern in politischen Debatten sollte man erklären, was ein Gericht bewirken wollte mit einer Entscheidung. Das liegt bei beiden Entscheidungen auf der Hand, nämlich eine Verhinderung von Wettbewerbsverzerrung. Und überlegen Sie sich, ob es nicht tatsächlich schon auf der Hand liegt, dass der nächste Wirt klagt.

Die Frage bei all dieser Expertenhuberei, die eben deutlich wurde, ist, warum wir nicht eine richtige Expertenanhörung machen, um uns schlau zu machen. Diese Frage bleibt in der Tat offen.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann und Katharina Wolff, beide CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu dem Thema? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der FDP-Fraktion:

Neue Mitte Altona: Der Senat plant ins Blaue

Herr Dr. Duwe, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wurde vorhin zwischen den Zeilen ein wenig kritisiert, dass es andere, wichtigere Themen gäbe. Das gebe ich auch zu, aber es gibt noch ein wichtiges Thema, nämlich die Neue Mitte Altona, weil gerade dieses Projekt stadtentwicklungspolitisch sehr bedeutsam ist. Wir haben gerade vor wenigen Tagen Einblick in den Masterplan nehmen können. Es gibt auch die Berichte zu den vorbereitenden Untersuchungen zu diesem Thema. Da geplant ist, gleich nach der Sommerpause diesen Masterplan in der Bürgerschaft zu behandeln beziehungsweise zu verabschieden, möchte ich auf einige wichtige Punkte eingehen, die vielleicht in der Zwischenzeit noch geändert werden könnten oder sollten.

(Dirk Kienscherf SPD: Das sollten wir aber im Ausschuss beraten!)

Das können wir natürlich machen und noch viele andere Dinge im Ausschuss beraten, die zur Aktuellen Stunde angemeldet sind.

Wenn man sich die Untersuchungen und den Masterplan anschaut, dann sieht man, dass es ein Solitär-Vorschlag ist. Es ist wenig zu erkennen, was die Abstimmung mit der Deutschen Bahn angeht. Es wird weitergeplant, ohne eine Abstimmung vorzusehen, beziehungsweise wenn man so

weiterplant wie bisher, wird man Tatsachen schaffen, die vielleicht dann in ein bis zwei Jahren nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Wenn ich zitiere aus diesem Punkt, dann wird für die Realisierung des Projekts Neue Mitte Altona von einem Zeitraum von mindestens 15 Jahren und einer schrittweisen Umsetzung ausgegangen. Das heißt, das, was im Teilbereich 1 jetzt geplant ist, ist eine solitäre Planung. Man hofft, dass irgendwann in dieser Zeit dann auch das Problem Deutsche Bahn gelöst ist. Das ist eine Hoffnung, aber man setzt Tatsachen, denn man hat in dem Masterplan gleich festgelegt, wo Wohnungen gebaut werden sollen und wo nicht.

Jeder weiß, dass das größte Problem dieses Projekts der Lärmschutz durch den Schienenlärm ist. Wenn ich einmal kurz aus dem Ergebnisbericht der Voruntersuchung zitieren darf:

"Für Wohnnutzungen unmittelbar entlang der Verkehrstrassen müssen besondere architektonische Lösungen entwickelt werden, die zum Beispiel Wohn- und Schlafräume zur lärmabgewandten Seite vorsehen, also in diesen Gebäuderiegeln nach innen."

Das bedeutet, dass es nach außen keine schöne Aussicht gibt, sodass man höchstens das Badezimmer und eventuell noch eine Abstellkammer für die Mikrowelle dort einrichten kann, eine Wohnküche jedenfalls nicht.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Zukunft der Bürgerbeteiligung. Wir haben schon sehr viel Geld in diese Bürgerbeteiligung gesteckt, und es wird wahrscheinlich noch weitergehen. Es wurden sehr viele bis zum Abwinken beteiligt, aber es ist sehr wenig in die Planungen eingegangen. Ich hoffe, dass das in den nächsten Wochen noch passieren wird. Nächste Woche wird es eine weitere Anhörung zu den Untersuchungen geben.

Es gibt weitere Punkte. Die Einbindung des Bezirks Altona scheint mir suboptimal zu sein. Es gibt natürlich außerhalb des Gebiets eine Menge Planungen des Bezirks Altona, die im direkten Zusammenhang liegen und die möglichst parallel und in enger Abstimmung weitergeführt werden sollen. Das ist natürlich im Masterplan nicht so vorgesehen, und es gibt eine Menge weiterer Fragen, die nicht angepackt werden, wie zum Beispiel die Aufteilung, wie viel Prozent öffentlich geförderter Wohnungsbau dort erstellt werden soll, wie viel Wohneigentum et cetera. Wie variabel kann man es noch gestalten, um Baugemeinschaften möglichst eng in diese Planungen mit einzubeziehen?

Das ist alles nicht vorhanden und der Eindruck entsteht, dass jetzt ein Masterplan aus dem Ärmel geschüttelt wird. Es werden noch zwei Anhörungen gemacht und dann wird es durchgezogen. Der einzige Grund, warum das sehr schnell gemacht werden muss, ist, dass wir 1600 Wohneinheiten dort

errichten, und das unter suboptimalen Voraussetzungen.

Ich fasse kurz zusammen. Die Neue Mitte Altona und ihre Planung haben keinen Fahrplan, zumindest keine Abstimmung mit demjenigen Player, der wirklich wichtig ist, nämlich der Deutschen Bahn. Der Zug fährt mit überhöhter Geschwindigkeit los, und wie der Zielbahnhof wirklich heißt, weiß niemand. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Frau Dobusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Duwe, wir haben uns gefragt, warum die FDP dieses Thema angemeldet hat. So ganz hat sich mir das jetzt auch noch nicht erschlossen.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Das Kerngebiet Altona gehört zu den Bereichen in der Stadt, in denen die Mieten derzeit am schnellsten und am stärksten steigen. Diese negativen Entwicklungen samt der damit einhergehenden Verdrängung alteingesessener Bewohnerinnen und Bewohner müssen wir Einhalt gebieten. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum und den brauchen wir schnell. Nun liegen in der Mitte Altona praktischerweise zentrale Flächen brach, die sich ideal zum Wohnungsbau und für andere für Altona typische Nutzungen eignen. Insofern hatten Schwarz-Grün, die sonst auf dem Gebiet Wohnungsbau durch komplette Untätigkeit glänzten, ausnahmsweise einmal den richtigen Riecher und haben entsprechende Planungen auf den Weg gebracht. Viel zu spät aus unserer Sicht, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, wie lange die Spekulationen über die Verlagerung und über die Grundstücke bereits durch die Stadt waberten. Aber immerhin, sie haben es auf den Weg gebracht.

Wir haben in dieser Angelegenheit das dirigistische Verfahren über die Köpfe von Bevölkerung und Bezirk hinweg durchgehend kritisiert und auch sofort nachgebessert, aber das Vorhaben an und für sich immer begrüßt. Im Stadtentwicklungsausschuss werden wir ausführlich den Masterplan Mitte Altona diskutieren mitsamt der Frage, wie eine gute Planung für den ersten Bauabschnitt aussehen kann, und zwar völlig unabhängig davon, wann und ob der Fernbahnhof Altona verlegt wird. Wir haben gerade in dieser Frage von den Bürgerinnen und Bürgern viele Ideen, kritische Anregungen und Hinweise im Rahmen der Beteiligungsverfahren bekommen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir sehr genau darauf achten werden, wie hinreichende Qualität – Stichwort Lärmschutz – für gutes Wohnen gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Die Bahn ist nun mal leider das, was sie ist. In diesem Fall ist suboptimal vielleicht wirklich einmal das richtige Wort, aber dass die sich in Berlin immer noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung zum Thema Verlagerung ja oder nein durchringen konnten, kann nicht dazu führen, dass wir in dieser Stadt nun ähnliche Unentschiedenheit, Unentschlossenheit und Starre entwickeln und uns selbst Denk- und vor allen Dingen Handlungsverbote auferlegen, Herr Duwe. Diese Stadt braucht nach all den Jahren unverantwortlichen Stillstands neuen Wohnungsbau. Den müssen wir massiv voranbringen, den müssen wir schnell voranbringen und auch da, wo gegebenenfalls noch nicht alle Eventualitäten geklärt sind. In Altona wird dort, wo vielfach noch Gleise liegen, ein lebendiger attraktiver neuer Stadtteil entstehen in einem kooperativen Verfahren mit dem Bezirk, unter Beteiligung von vielen Bürgerinnen und Bürgern. Bereits die Realisierung von Entwicklungsabschnitt eins, da bin ich mir sicher, wird zur dringend benötigten Entlastung auf dem Hamburger Wohnungsmarkt beitragen. Jedes andere Vorgehen wäre unverantwortlich gegenüber den Menschen, die in Hamburg günstigen oder zumindest bezahlbaren Wohnraum suchen – und diesen sind wir vordringlich verpflichtet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Roock.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Duwe, auch wir haben in der Fraktion darüber gesprochen – da kann ich Frau Dobusch folgen – und unsere Fantasie bemüht, warum Sie dieses Thema mit der Diktion zum jetzigen Zeitpunkt angemeldet haben. Wir stellten uns die Frage, ob Sie der LINKEN eine Steilvorlage geben und das Projekt weiter verzögern wollen. Wollen Sie die irrsinnigen Forderungen der LINKEN nach 80 Prozent sozialen Wohnungsbaus und Durchführung eines Moratoriums Vorschub leisten? Das kann doch nicht ernsthaft Ihr Bestreben sein.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Thema ist aufgrund der Ernsthaftigkeit hier fehl am Platz, Herr Dr. Duwe, vor allen Dingen eignen sich Fünfminutenbeiträge in der Aktuellen Stunde dafür nicht. In den Ausschüssen ist das Thema zur fachlichen Beratung viel besser aufgehoben. Vielleicht, Frau Dobusch, auch eine Bemerkung zu Ihnen, kennen Sie diese beiden Drucksachen?

(Gabi Dobusch SPD: Aber ja!)

Wenn Sie schon darauf hinweisen, dass alles zu spät erfolgt sei, dann möchte ich die SPD-Fraktion

(Dr. Kurt Duwe)

darauf hinweisen, dass sie in der vorigen Legislaturperiode die Beratung dieser Drucksache 19/8033 verhindert haben. Darin steht genau das Gleiche wie in Ihrer Drucksache 20/2674. Verstehen kann das kein Mensch. Deshalb haben Sie einen Teil zur Verzögerung beigetragen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Unser Ansinnen ist, das Verfahren zu beschleunigen und zumindest im ersten Teil den dringend benötigten Wohnungsbau so schnell wie möglich zu realisieren. Grundlage dafür ist der Masterplan, der sich bewusst in zwei Teile gliedert, um unabhängig von der Entscheidung der Bahn den ersten Teil realisieren zu können. Nach meinen Informationen prüft die Bahn immer noch, ob sie die bestehenden Gleise und Brücken instand setzt, oder ob sie den Fernbahnhof verlagert. Von dieser Kostengegenüberstellung wird die Entscheidung abhängig sein. Wir werden im Herbst in den Ausschüssen über den Masterplan befinden. Wichtig ist, das Verfahren zu beschleunigen, um nicht weitere Risiken des Scheiterns dieses Projekts einzugehen. Dazu gehört insbesondere, die nach Paragraf 165 Baugesetzbuch vorgesehene Abwendungsvereinbarung zügig zum Abschluss zu bringen. Hier ist der Senat gefordert, seine Schularbeiten zu machen. Sollte das nicht gelingen, dann haben wir eine echte Verzögerung, die vom Zeitablauf sehr schwer einzuschätzen ist. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Stadt es bei einer angespannten Haushaltslage realisieren will, die Flächen anzukaufen. Das muss sie aber nach dem 165er-Verfahren tun, wenn die Abwendungsvereinbarungen nicht zustande kommen. Es droht entweder ein finanzielles Desaster oder die Flächen werden über Jahrzehnte brachliegen.

(Jan Quast SPD: Ach, Herr Roock!)

Es wird nichts entwickelt werden, Altona wird keinen neuen Stadtteil bekommen und der Wohnungsbau wird nicht stattfinden. Das liegt nicht in unserem Interesse und wäre schlecht für Hamburg.

(Gabi Dobusch SPD: Malen Sie mal keine Schrecken an die Wand, wir machen das! – Jan Quast SPD: Das macht doch die SPD, machen Sie sich mal keine Sorgen!)

Die SPD macht es eben nicht, Herr Quast, der SPD-Senat eiert herum und kommt mit der Abwendungsvereinbarung nicht zu Potte.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann nur jeden warnen, weiter Sand ins Getriebe zu schütten. Wir wollen eine beschleunigte Entwicklung, aber dazu muss der Senat die Abwendungsvereinbarung so schnell wie möglich mit den Grundeigentümern und Investoren abschließen.