Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

(Beifall bei der GAL und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Herr Kienscherf, bitte.

Es ist alles gesagt, ich fasse mich ganz kurz. Herr Hesse, wenn Sie genau zugehört haben, dann habe ich vorhin etwas zur

Elbquerung gesagt und damit zur A 20. Es ist schon erstaunlich, dass Frau Suding die ganze Zeit kritisiert, dieser Koalitionsvertrag bedeute einen Ausstieg aus der A 20, Herr Wersich, Ihr Kollege, unterstützt das Ganze und dann gehen Sie hier nach vorne und sagen: Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Gut ist, dass die Bundesautobahnen bisher immer vom Bund geplant und realisiert worden sind. Widersprüchlicher kann doch eine Fraktion hier vorne gar nicht agieren, als Sie das in diesem Fall getan haben.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es ganz richtig, dass Realismus in Kiel eingezogen ist. Es ist das benannt worden, was richtig und wichtig ist, und es sind viele wichtige Verkehrsprojekte auch für Hamburg benannt worden wie die S4, der Bereich Kaltenkirchen, aber auch die Fehmarnbeltquerung. Darüber hinaus ist auch deutlich gemacht worden, dass man beim Thema Bürgerbeteiligung und bei dem entsprechenden Beteiligungsforum, das man da schaffen möchte, andere Wege gehen will. Wir Sozialdemokraten sind für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung und wir würden uns wünschen, dass Sie das auch sind.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wersich, Herr Scholz hat 2001 mit dafür gesorgt, dass die Metropolregion so groß geworden ist, wie sie bis dahin noch gar nicht war. Die Sozialdemokraten, aber auch Teile der CDU haben sich in den letzten Jahren so verhalten, dass diese Zusammenarbeit verbessert worden ist, und wir sind wirklich alle gehalten in diesem Haus, dass wir da fortsetzen und nicht, wie Sie, Herr Wersich und Frau Suding, nun irgendwelche Ängste schüren. Die muss es nicht geben, es ist ein Koalitionsvertrag – man muss sich allerdings auch einmal die Mühe machen, ihn sich durchzulesen –, der sehr ausgewogen ist und der alle drei Koalitionäre stattfinden lässt. Es ist ein guter Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein, aber auch ein guter Koalitionsvertrag für die norddeutsche Zusammenarbeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Hesse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kienscherf, Realismus ist, dass der Bund Autobahnen plant, baut und auch umsetzt. Realismus ist aber auch, dass er es nicht gegen ein Bundesland machen kann, wenn es das politisch nicht will. Und Schleswig-Holstein hat in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass sie keinen Weiterbau der A 20 wollen.

(Anja Hajduk)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Bis 2017!)

Natürlich stimmt es, ich habe den Koalitionsvertrag doch hier.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die haben sich auf das verständigt, was bis 2017 machbar ist!)

Insofern erzählen Sie doch keinen Quark, das kann jeder hier nachlesen. Man braucht im Internet nur nachzusehen, was dort steht, und wir können das gerne gleich auch bilateral klären.

(Beifall bei der CDU)

Realismus ist auch, dass der Bundesverkehrswegeplan unter CDU und FDP das erste Mal zusammengestutzt wurde und man geguckt hat, welche Projekte zu finanzieren sind und welche nicht. Realismus ist auch, dass er immer noch überfinanziert ist und Projekte darin stehen, die wir nicht realisieren können. Deswegen hat auch das Bundesverkehrsministerium heute angekündigt, die Öffentlichkeit am Bundesverkehrswegeplan 2015 zu beteiligen und eine realistische und finanzierbare Bundesverkehrswegeplanung zu machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das fällt Ihnen ja spät ein!)

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen, lieber Kollege Dressel. Es war Ihr Verkehrsminister, der diesen Bundesverkehrswegeplan so aufgepumpt hat und der jedem versprochen hat, dass er sein Projekt realisiere. Dass Sie es jetzt auf diese Koalition schieben, das ist zu billig.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Insofern werden wir auch sehr schnell dazu kommen – wir sind hier Hamburger Abgeordnete und Frau Hajduk weiß das auch sehr genau aus ihrer Verantwortung als Verkehrssenatorin – zu überlegen, lieber Herr Senator, was für unsere Freie und Hansestadt Hamburg wirklich wichtige Projekte sind. Da ist die Hafenquerspange, die hier schon einige Male erwähnt wurde, die von Frau Hajduk und ihrer Behörde auch mitgeplant wurde und die ganz andere Nutzerzahlen hat, da ist die von Ihrer Kammer damals auch geplante und gewünschte östliche Elbquerung, die wir voranbringen müssen. Es geht um Hamburger Interessen und darum, Hafeninteressen zu gewährleisten. Und wenn die Schleswig-Holsteiner nicht wollen – das ist der politische Wille, lieber Kollege Dressel und lieber Kollege Kienscherf –, dann muss Senator Horch nach Schleswig-Holstein gehen und sagen, dass wir dann die Hafenquerspange und auch die östliche Elbquerung im Bundesverkehrswegeplan voranbringen wollen. Das sind Hamburger Interessen und das erwarte ich von diesem Senat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Gut, dass Sie nicht an der Regierung sind!)

Gibt es weitere Wortmeldungen zum ersten Thema? – Wenn das nicht der Fall ist, dann kommen wir zum zweiten, dritten und fünften Thema, angemeldet von den Fraktionen DIE LINKE, SPD und GAL:

Hamburg steht auf gegen Nazis – Polizeieinsatz in der Kritik

Hamburg bekennt Farbe – Eindrucksvolles Zeichen für Demokratie, Toleranz und Vielfalt

Veranstaltungen und Demonstrationen gegen Nazis: Welches Resümee zieht die Stadt?

Das Wort wünscht Frau Schneider und sie hat es.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Viele Tausend Menschen haben am 2. Juni ein Zeichen gegen Nazis gesetzt mit der Demonstration des Hamburger Bündnisses gegen rechts vom Gerhart-Hauptmann-Platz zum Gänsemarkt, mit der Kundgebung auf dem Rathausmarkt und mit Kundgebungen und friedlichen Sitzblockaden in Wandsbek. Das waren eindrucksvolle Manifestationen, die den paar Hundert marschierenden Nazis deutlich machten: Für euren Hass, für eure Parolen und für eure Angriffe auf anders Aussehende, anders Lebende und anders Denkende gibt es keine Toleranz, kein Wegsehen, keinen Platz.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der GAL und der FDP)

Trotz dieses eindrucksvollen Protestes gibt es kein gemeinsames Resümee, sondern Auseinandersetzungen, und es gibt unseres Erachtens vieles zu klären. Der Streit geht nicht um die Frage der Gewalt. Nicht nur alle Fraktionen in diesem Haus, auch alle Veranstalter der Protestaktionen am 2. Juni, so auch das "Hamburger Bündnis gegen Rechts", das nach der Großdemonstration in der Innenstadt die Menschenblockaden in Wandsbek organisiert hat, haben sich klar und deutlich für friedlichen Protest und friedlichen Widerstand ausgesprochen. Dass es zu Gewalt in Wandsbek gekommen ist, will ich nicht bestreiten, obwohl ich Äußerungen wie "ein ganzer Stadtteil sei in Schutt und Asche gelegt worden" oder "in Wandsbek sei ein überwiegend rechter und linker Mob auf der Straße gewesen", als unverantwortlich, unwahr und politisch motiviert zurückweise, Herr Lenders.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

(Klaus-Peter Hesse)

Aber es ist wahr: Es gab Gewaltszenen, es gab nicht nur brennende Müllcontainer in einer Wohnstraße, sondern es gab auch Leute, die Autos von Anwohnerinnen und Anwohnern umgeworfen und in einem Fall in Brand gesetzt haben mit Schäden für weitere Autos. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Die wirklich wichtige strittige Frage ist eine andere: Ist es legitim, sich mit Aktionen des zivilen Ungehorsams und des friedlichen Widerstandes den Nazis in den Weg zu stellen und so ihren Marsch zu verhindern, wenn schon dieser Marsch nicht verboten wurde? Genau das haben Tausende Menschen in Wandsbek versucht – entschieden, couragiert und friedlich. DIE LINKE hat diese friedlichen Blockadeaktionen unterstützt und sich daran beteiligt. Wir wissen aus der Geschichte, zu welchen Verbrechen die Nazis fähig sind, und die, die da marschiert sind, bekennen sich mehr oder weniger unumwunden zu dieser Geschichte. Aber nicht nur die geschichtlichen Erfahrungen begründen das Recht auf Widerstand, sondern auch die antisemitischen, islamophoben, rassistischen und demokratiefeindlichen Hassparolen der heutigen Nazis, die Erfahrungen der Pogrome in den Neunzigerjahren – Rostock-Lichtenhagen und Mölln jähren sich in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal –, die Erfahrungen der NSU-Mordserie, die überdeutlich gemacht hat, dass es immer welche gibt, die die rassistischen Hassparolen in die Tat umsetzen, die Erfahrungen von über 180 Tötungsdelikten mit rechtsextremem Hintergrund seit 1990 und die Erfahrungen tagtäglicher Übergriffe auf Migrantinnen und Migranten oder Andersdenkende. Erst vor zwei Nächten wurde das Büro eines linken Abgeordneten in Gera mit einem Sprengsatz, und das ist eine neue Eskalation, verwüstet.

Das SPD-Plakat beziehungsweise die Postkarte – ich halte sie einmal hoch – hat das Recht auf Gegenwehr, ja auf Widerstand sehr gut zum Ausdruck gebracht. Dieses Recht haben am 2. Juni Tausende Menschen in Wandsbek friedlich wahrgenommen. Über viele Fragen der Situation in Wandsbek am 2. Juni und des Polizeieinsatzes werden wir uns bei der Sondersitzung des Innenausschusses am 21. Juni heftig streiten. Es gibt inzwischen auch eine sehr kritische öffentliche Berichterstattung über offensichtliche Polizeiübergriffe und ihre schlimmen Folgen. Das werden wir im Einzelnen aufzuarbeiten haben.

Hier möchte ich aber kritisieren, dass die Polizei dem Naziaufmarsch den Weg gebahnt hat. Es war eine richtige Entscheidung, auf die ursprüngliche Route zu verzichten, weil dort zu viele Leute waren. Es war und ist mir aber völlig unverständlich, dass die Polizei dann die Nazis nicht auf kürzestem Weg zum nächsten Bahnhof gebracht hat, sondern dass sie eine Route durch ein kleines Wohngebiet mit engen Straßen durchgesetzt hat, vorbei am Bahnhof Hasselbrook statt direkt hinein.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits schwerer Landfriedensbruch aus dem Marsch der Nazis heraus verübt worden, gleich am Anfang, ungefähr um 15:30 Uhr. Sie können es in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage, die heute gekommen ist, nachlesen. Außerdem war völlig klar, dass sich auf dieser Route Tausende Gegendemonstranten versammeln würden beziehungsweise schon versammelt hatten. So kam es, wie es nicht hätte kommen dürfen. Die Polizei hat den Nazis den Weg frei geräumt und die Versammlungen der Nazigegner mit Gewalt, in einigen Fällen auch mit unverhältnismäßiger Gewalt, aufgelöst. Es wird vieles im Einzelnen aufzuarbeiten sein, aber das war ein zentraler Fehler.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Wir fordern, dass sich der Innensenator, der Polizeipräsident und die Polizeiführung dieser Kritik stellen, damit sich solche Ereignisse nicht wiederholen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist guter Brauch in diesem Haus, nach solchen sehr schwierigen Einsatzlagen, zu denen es Diskussionen gibt, einen Innenausschuss einzuberufen und eine Befassung zu ermöglichen. Das ist auch zwischen den Fraktionen vereinbart und findet in der nächsten Woche statt. Daher ist es nicht in Ordnung, wenn wir schon jetzt Vorverurteilungen in die eine oder andere Richtung aussprechen,

(Olaf Ohlsen CDU: Richtig!)

denn das sollte miteinander in Ruhe geklärt werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Eher sollten wir am Anfang noch einmal den Dank an alle Beteiligten aussprechen, und das schließt alle mit ein, diejenigen, die auf dem Rathausmarkt demonstriert haben, die, die friedlich in Wandsbek und anderswo demonstriert haben, und auch die Polizistinnen und Polizisten, die sich nicht haben aussuchen können, hier das Grundgesetz zu verteidigen. Sie haben nicht die Nazis verteidigt, sondern die Versammlungsfreiheit des Grundgesetzes. Sie haben auch etwas riskiert, es hat auch dort Verletzte gegeben und beim Dank an alle Beteiligten gehört auch der Dank an die Polizistinnen und Polizisten ausgesprochen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

(Christiane Schneider)

Am heutigen Tage sollten wir – die Aufarbeitung steht noch aus – ein bisschen dieses gemeinsame Bündnis für den 2. Juni in den Vordergrund rücken. Dass wir ein eindrucksvolles Zeichen mit über 10 000 Bürgerinnen und Bürgern auf dem Rathausmarkt, aber auch anderswo gesetzt haben, ist ein großer Schatz, den wir auch über den 2. Juni hinaus in eine Zeit bewahren müssen, wo vielleicht diese Themen nicht mehr so präsent sind, weil es keinen Naziaufmarsch gibt, der in Hamburg unterwegs ist, wo wir aber auch dafür sorgen müssen, dass dieses breite demokratische Zeichen weiter wirkt. Deshalb sollte dieses Bündnis in dieser Breite auch weiter erhalten bleiben,

(Beifall bei der SPD und der CDU)