(Dr. Andreas Dressel SPD: Ich weiß nicht, ob das so gut gewesen wäre! Wollen Sie den Abbau der Atomkraftwerke bezahlen?)
Frau Schaal, Sie können nicht behaupten, dass die Hamburger dem Energiedeal zugestimmt haben, denn Sie haben sie gar nicht gefragt.
Sie berufen sich in der Retrospektive immer auf Ihr tolles Wahlergebnis, aber das ist zwei Jahre her, und das werden Sie nie wieder bekommen. Die Hamburger haben die Nase voll.
Auch ein Senat mit absoluter Mehrheit – selbst wenn Sie es bisher noch nicht gemerkt haben – kann irren, und die Wählerinnen und Wähler werden die Kungelei mit den Konzernen beenden.
Der Volksentscheid zur 100-prozentigen Übernahme der Energienetze, die Initiative UNSER HAMBURG – UNSER NETZ, wird dann die Verhältnisse wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Aber was mich wirklich erschüttert, Herr Dressel, ist Folgendes: Wir haben in unendlichen Runden im Plenum, im Ausschuss, in Anhörungen immer wieder aus der Opposition nachgefragt, ob Sie es verantworten können, dass Sie mit diesem Deal Fakten schaffen, bevor nach einem erfolgreichen Volksbegehren ein Volksentscheid stattfindet. Sie haben immer, bis hin zum Bürgermeister, erklärt, dass dies nicht der Fall sei, Sie würden keine Fakten schaffen und selbstverständlich würde – Volksentscheide sind Gott sei Dank verbindlich in Hamburg – alles auf null gestellt,
es würden höchstens ein paar Anwaltskosten anfallen; das steht so in x Protokollen. Was Sie heute gesagt haben, ist ein ganz klarer Wortbruch.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Jan Quast SPD: Sie haben nicht zugehört!)
Jetzt drohen Sie mit jahrelangen Verhandlungen, mit jahrelangen Prozessen. Dazu habe ich ein Déjà-vu. Wie war das eigentlich bei den GRÜNEN? Erst war das Kohle mit Beust und dann war es das Kohlekraftwerk mit Ole von Beust. Damals wurde auch gesagt, man könne das aus rechtlichen Gründen nicht machen. Wenn Sie die Hamburgerinnen und Hamburger beim Volksentscheid mit Aussagen unter Druck setzen wollen wie, dass das alles gar nicht gehe und viel zu teuer und nicht zu bezahlen sei, dann ist das ein ganz klarer Wortbruch. Dann haben Sie Fakten geschaffen, obwohl es nicht in Ordnung ist, das nach einem Volksbegehren zu tun. Wir werden mit Sicherheit dagegen arbeiten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zwei Minuten werden reichen, weil ich Frau Heyenn einfach noch einmal an die Drucksache 20/2949 erinnern möchte, wo auf Seite 5 unten rechts unter dem Punkt Rückabwicklung steht:
"Die HGV hat ein Rückabwicklungsrecht hinsichtlich der entsprechenden Beteiligung bei Annahme des Volksentscheides 'Unser Hamburg – Unser Netz' […]."
So geht es dann entsprechend weiter. Das heißt, was wir versprochen und zugesagt haben, war immer, dass es eine Rückabwicklung der Verträge gibt.
Nur haben Sie dann leider nicht automatisch 100 Prozent Netzanteile, sondern fangen bei null an und müssen mit den Versorgern vermutlich sehr lange verhandeln. Vermutlich werden Sie sich viele Jahre vor Gericht über den Preis streiten müssen – stimmt, Sie wollen nicht Verantwortung übernehmen, das sollen dann andere machen.
Das heißt, dass dann über viele, viele Jahre bis zum Bundesgerichtshof, bis zum Bundesverfassungsgericht prozessiert werden muss – das ist ein Teil der Wahrheit. Wenn man für 100 Prozent wirbt, dann muss man wissen, was in dieser Black Box ist, und das heißt Energiewende zum Sankt-Nimmerleins-Tag. – Vielen Dank.
Wir kommen zu den Debatten. Aufgerufen ist Tagesordnungspunkt 47, Drucksache 20/5845, Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg – Metropole der Chancen Auf die eigenen Stärken setzen – Hamburg braucht einen Jahreswirtschaftsbericht.
[Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg – Metropole der Chancen Auf die eigenen Stärken setzen – Hamburg braucht einen Jahreswirtschaftsbericht – Drs 20/5845 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die See wird rauer für Hamburg als Wirtschaftsstandort und auch für die Hamburger Unternehmen. Im Wettbewerb der Metropolen gilt es, unsere Position als Hafen-, Industrie- und Innovationsstandort täglich aufs Neue zu behaupten und mittelfristig und langfristig durch kluge Weichenstellungen zu sichern und auszubauen. Hamburg ist hier auf einem guten Weg, aber natürlich, wie insbesondere die vergangenen Wochen gezeigt haben, auch vor Rückschlägen nicht gefeit. Deshalb ist eine möglichst flexible Anpassung der
Wettbewerbsbedingungen etwa für den Hafen, aber auch für Industrie und Mittelstand in unserer Stadt von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die heute vom Wirtschaftssenator angekündigte Senkung der Anlaufkosten für Großschiffe im Hamburger Hafen.
Die besten Wettbewerbsbedingungen aber können nur fruchten, wenn die entsprechenden Stärken unserer Stadt, unterlegt mit den Wirtschaftsdaten, auch weltweit zielgruppenorientiert vermarktet werden. Der Standort Hamburg sollte hierzu im Sinne eines Serviceangebots für Investoren und kluge Köpfe im In- und Ausland jährlich und fortlaufend über seine Stärken und sein Entwicklungspotenzial im Rahmen eines Jahreswirtschaftsberichts für unsere Stadt werben und berichten. Dies haben andere längst für sich entdeckt. So stellt sich zum Beispiel München, eine außerordentlich erfolgreiche Metropolregion in Deutschland, seit zehn Jahren mit einem solchen Jahreswirtschaftsbericht in deutscher und englischer Sprache in der Welt vor, und selbstverständlich steht dieser Bericht auch online weltweit zur Verfügung.
Potenzielle Investoren und Führungskräfte, Fachkräfte aus aller Welt haben die Möglichkeit, sich auf den rund 80 Seiten über die wirtschaftliche Entwicklung dieser Metropole zu unterrichten und sich über Zahlen insbesondere zum Arbeitsmarkt, zur Branchenentwicklung, zu den öffentlichen Finanzen und dem Immobilienmarkt, aber auch über das Städteranking und die Entwicklung der dortigen Metropolregion zu informieren. Auch das Land NRW hat dieses Instrument inzwischen entdeckt, ebenso – dieses Jahr erstmalig – das Land Thüringen. International machen Städte wie New York, Madrid und London ebenfalls Gebrauch von einem solchen Bericht.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, auch in der Abarbeitung von Großen Anfragen durch den Senat, dass es in Hamburg oft an aussagekräftigem Zahlen- und Datenmaterial fehlt.
Aber Sie sind doch jetzt an der Regierung, das wollten Sie doch unbedingt, Herr Kienscherf. Dann tun Sie es doch jetzt auch einmal.
Ein erfolgreiches Standortmarketing und eine fundierte Beurteilung der wirtschaftlichen Situation sind ohne ein solches Datenmaterial, aber auch ohne ein Kompendium, in dem dieses Datenmaterial zusammengefasst ist, kaum zu leisten. Außer unter Marketinggesichtspunkten bietet sich ein umfassender Jahreswirtschaftsbericht aber auch als Kontrollinstrument zur Überwachung und Steuerung wirtschaftlicher Weichenstellungen in unserer Stadt an.
Meine Damen und Herren! Für Bürgerschaft und Senat wäre es ein sehr wichtiges Instrument und eine gute Grundlage, um positive Trends, aber auch Fehlentwicklungen umfassend zu beurteilen. Transparenz ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit und wird von Bürgern und Unternehmen erwartet, und wir sind dabei mit dem Transparenzgesetz ein gutes Stück vorangegangen. Ein Jahreswirtschaftsbericht wäre ein wichtiger weiterer Schritt im Hinblick auf mehr Transparenz.
Lassen Sie uns gemeinsam als serviceorientierte Stadt für internationale und nationale Investoren, aber auch für unsere Bürger, für Fachkräfte und Führungskräfte aus dem In- und Ausland ein solches Kompendium schaffen und dort die relevanten Wirtschaftsdaten unserer Stadt zusammenfassen, um in Zukunft eine bessere Grundlage für eine bessere Wirtschaftspolitik in Hamburg zu haben. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Würden wir uns heute in den Haushaltsberatungen befinden und die Fortschreibung des Hamburger Wirtschaftsberichts beschließen wollen, so würde die CDU vermutlich, und zwar zu Recht, halt rufen und einen recht passablen Vorschlag zum Thema Bürokratieabbau in Hamburg machen, nämlich die sofortige Einstellung des Jahreswirtschaftsberichts und damit verbunden einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Ich wäre zu meinem Fraktionsvorsitzenden gelaufen und hätte gesagt, lieber Andreas, das ist ausnahmsweise und zugebenermaßen einmal ein richtig guter Anstoß, das machen wir jetzt so. Soweit die Theorie, in der Praxis, liebe CDU, enttäuschen Sie uns. Einerseits sprechen Sie vom Vorziehen der Schuldenbremse und Aufgabenkritik, andererseits von beträchtlichen bürokratischen Strukturen, ohne die Frage zu beantworten, welchen Mehrwert ein solcher Bericht mit sich bringt. Sie benennen als Zielgruppen zum einen – ich habe den Antrag durchgelesen – den Herausgeber selbst, also wahrscheinlich die BWVI oder den Senat, jeden Bürger dieser Stadt, die Politik, also uns, und die
Wirtschaft sowie – das steht dort – potenziell Interessierte, die sich für die Stadt interessieren. Der Begriff Investor wird also nicht einmal in diesem Antrag genannt, aber nur im Hinblick auf jene Zielgruppe, nämlich auf potenzielle Investoren, wäre ein solches Konvolut zu rechtfertigen. Ist es aber nicht, Wirtschaftsförderung funktioniert anders. Die Förderung des Wirtschaftsstandorts und der Unternehmen wird in Hamburg unmittelbar praktiziert. Mit der HWF, Hamburg Marketing und Hamburg@work, um nur drei Akteure zu nennen, haben wir eigene und hocheffiziente, erfolgreiche städtische Institutionen, die die Entscheider im direkten Gespräch von den Vorteilen Hamburgs überzeugen.
Die Ansiedlung der Siemens-Wind-Zentrale, Division Wind Power, sei nur ein Beispiel von vielen. Das ist mustergültiges Standortmarketing, hier im Hinblick auf das Cluster Erneuerbare Energien.