Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass wir bei einer gemeinsamen Landesplanung auch Interessenkonflikte haben. Ein Stadtstaat hat andere Interessen als Flächenländer. Wenn wir das nur auf ganz spezifische Probleme fokussieren, dann haben wir immer einen Verlierer und einen Gewinner. Da sollten wir lieber das System Basar anwenden und zusehen, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig besprechen und dann am Ende des Verfahrens für alle das Beste erreichen. Wenn wir uns nur auf einen Problembereich fokussieren und nur zusehen, ob wir in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein Ausgleichsflächen für unsere Gewerbeansiedlungen oder unsere Wohnungsbauprojekte finden, dann kommen wir nicht weiter.

Deshalb sehe ich diesen Antrag nicht als unterstützenswert an. Wir brauchen Politik auf Augenhöhe. Und Planung ist Vorrecht der Politik, dafür brauchen wir kein Amt. Wenn die Politik nicht planen wollte, dann könnten wir gleich nach Hause gehen. Wir müssen planen und dafür brauchen wir kein Amt. Das brauchen wir nur als Ausführungsorgan,

aber nicht als Möglichkeit, unsere Probleme irgendwohin zu schieben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Sudmann.

Wenn ich mir den Plenarsaal ansehe, Herr Roock, haben Sie offensichtlich mit Ihrer superfeurigen Rede alle vom Hocker gerissen und sie sitzen jetzt noch nicht wieder. Das mag aber auch am Thema liegen. Herr Duwe hat es eben schon gesagt: Sie fassen Norddeutschland sehr eng. Er hat zwar Niedersachsen erwähnt, aber eigentlich reden wir da auch von Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Aber Ihre Definition mag anders sein, das sei Ihnen gegönnt.

Ich habe allerdings nicht verstanden, Herr Roock, was Sie eigentlich inhaltlich wollen. Abgesehen davon, dass Sie mehrfach von einem Spitzenkandidaten sprachen – wir haben alle messerscharf geschlossen, Sie meinten den der CDU – und der vielleicht ein wenig beleidigt ist, haben Sie konkret nichts angesprochen, was nicht seit Jahrzehnten läuft. Sie haben nicht über die Metropolregion gesprochen, Sie haben nicht gesagt, dass Ihnen das regionale Entwicklungskonzept von 1994 und dessen Fortschreibung von 2000 nicht reicht, und keine Forderungen für die Zukunft des Konzepts genannt. Ich habe wirklich nicht verstanden, was Sie wollen. Ich bin gespannt, ob wir im Verkehrsausschuss mehr dazu hören; von Ihnen wahrscheinlich nicht. Aber ich wünsche mir, von Senatsseite einmal zu hören, wie denn der aktuelle Stand ist und wie es mit unserer Flächenplanung aussieht. Sie wissen, dass es da ganz viele Anstrengungen gibt, es darf aber nicht so sein, dass Hamburg sagt: Ihr bekommt den Mist und wir die schönen Sachen. Insofern hatte das wenig Substanz, aber vielleicht wird es im Ausschuss besser.

(Beifall bei der LINKEN und bei Andy Grote SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Wer einer Überweisung der Drucksache 20/417 an den Stadtentwicklungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.– Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit beschlossen.

Wir kommen zum Punkt 34 der Tagesordnung, Drucksache 20/423, dem Antrag der SPD-Fraktion: Wirtschaftliche Potenziale der Energiewende für Hamburg.

(Olaf Duge)

[Antrag der SPD-Fraktion: Wirtschaftliche Potenziale der Energiewende für Hamburg – Drs 20/423 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Balcke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat im Jahr 1989 den Auftakt für einen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik gesetzt. Dabei ging es vor allem um den Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Erhöhung der Energieeffizienz, die massiv gefördert wurde und einen Maßstab auch für andere europäische Länder gesetzt hat. 2000/2002 hat es dann den Energiekonsens gegeben und der Ausstieg aus der Atomenergie wurde damals in einem breiten, auch von vielen gesellschaftlichen Gruppen getragenen Konsens durchgesetzt und festgeschrieben. Diese Politik war aus ethischen Gründen ebenso richtig wie wirtschaftlich, sozial und ökologisch vernünftig.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufkündigung durch die CDU/CSU/FDP-Regierung war unnötig, aus unserer Sicht ethisch unverantwortlich und vor allem wirtschaftspolitisch schädlich.

(Beifall bei der SPD)

Sie war ein erschreckendes Beispiel für die Berücksichtigung von Lobbyinteressen, insbesondere der vier großen Stromkonzerne, die als Oligopol über 80 Prozent der Stromnetze verfügen, und hat dazu geführt, dass es nicht nur zu überhöhten Preisen kam, sondern die überhöhten Preise im Energiemarkt festgeschrieben wurden, Wettbewerbsverhinderung stattgefunden hat und die Energiewende blockiert wurde. Heute geht es darum, wieder dezentrale Maßstäbe zu setzen. Der Trend geht eindeutig dahin, Stadtwerke zu stärken und genossenschaftliche Initiativen zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Rückkehr zum Atomausstieg bedarf keiner neuen ethischen Begründung, sondern ist nur die Korrektur einer dramatischen politischen Fehlentscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung. Insofern war die Wahl in Baden-Württemberg im März nicht nur ein gutes Signal, sondern auch ein Zeichen für die in Berlin Regierenden, dass es so nicht weitergeht. Mittlerweile ist ganz plötzlich ein partei- und fraktionsübergreifender Konsens festzustellen.

Heute geht es im Schwerpunkt um die Frage, welche wirtschaftspolitischen Auswirkungen die Energiewende mit sich bringt. Die Potenziale sind vielfach beschrieben worden, ob sie in ihrer Gesamtdimension erkannt sind, ist noch nicht klar. Worum geht es? Eine neue Energiepolitik durchdringt alle

Bereiche der Gesellschaft. Es geht darum, die Wirtschaftsstruktur neu zu definieren, Arbeitsplätze zu sichern und vor allem, neue zu schaffen, und ganz neue Initiativen und Impulse im Hinblick auf Gesundheitswirtschaft und Verkehr zu initiieren. Deutschland muss sich in diesem Wettbewerb international klar positionieren. Ein an Rohstoffen armes Land hat nur die Möglichkeit, in seine Köpfe zu investieren, und es bedarf der Klügsten und Besten in diesem Land, um gerade in diesem prosperierenden Wirtschaftsbereich Akzente für die Zukunft zu setzen.

Mit dem Know-how aus Forschung und Entwicklung geht es darum, innovative Produkte zu entwickeln und in vielen Bereichen und auch Branchen Weltmarktführer zu werden. Dafür bedarf es einer abgestimmten Politik, die Wirtschaftsförderung, eine Ausrichtung des Arbeitsmarktes an aktuellen Erfordernissen, berufliche Bildung sowie Wissenschaft und Forschung miteinander verbindet. Die Ziele sind klar umrissen. Im Jahr 2050 soll der Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden; derzeit beträgt der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung 17 Prozent. Um dieses wahrlich ehrgeizige Ziel zu erreichen, sind massive Investitionen, natürlich nicht nur von staatlicher Seite, sondern vor allem aus der Privatwirtschaft, erforderlich. Und die Politik hat an dieser Stelle die Aufgabe, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen heute zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Deutschland muss jetzt die Dynamik der Investitionen in den Ausbau beschleunigt vorantreiben und alle Formen der erneuerbaren Energie – Solarenergie, Windenergie, Tiefengeothermie, Biomasse und auch Wasserkraft – nutzen.

Hamburg kommt bei den Auswirkungen des damals initiierten Paradigmenwechsels eine ganz besondere Bedeutung zu. Nicht nur vor dem Hintergrund seiner geopolitischen Lage, sondern vor allem vor dem Hintergrund seiner wirtschaftlichen Stärke ist die Freie und Hansestadt Hamburg geradezu prädestiniert dafür, in diesem Zukunftsbereich nicht nur national, sondern auch international Maßstäbe und Akzente zu setzen. Wir verfügen über den Welthafen, das heißt, hervorragende Exportmöglichkeiten, und wir verfügen über eine Wissens- und Technologielandschaft, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Die Voraussetzungen dafür sind also in Hamburg besser als je zuvor.

Allein wird Hamburg die Akzente nicht setzen können. Wir können Initiator sein, wir können steuern und wir müssen die beteiligten Akteure zusammenbringen, um in einer neuen Clusterstruktur etwas zu bewegen. An dieser Stelle sei ganz ausdrücklich gesagt, dass die bisherige Clusterpolitik der Freien und Hansestadt Hamburg richtig war. Dass jetzt das neue Cluster "Erneuerbare Energien Hamburg" hinzukommt, das erst ein gutes halbes

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Jahr alt ist, ist ein weiterer Beleg dafür, dass es eine kluge Entscheidung ist, bestimmte Branchen im Rahmen einer Netzwerkstruktur zu stärken.

Motor der Entwicklung sind aber nicht nur nationale Initiativen – dort steht insbesondere die Metropolregion im Mittelpunkt unseres gemeinsamen Interesses –, sondern auch die Ost- und Nordseeanrainer. Auch da kommt Hamburg eine überregionale und übernationale Bedeutung zu. Gerade die Windkraftanlagenherstellung, auch für den Offshore-Betrieb, ist eine Zukunftsbranche. Vor allem in diesem Bereich haben sich innovative, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen in Hamburg angesiedelt, zum Teil auch Geschäftszentralen, die verdeutlichen, dass die Hamburger Rahmenbedingungen die Voraussetzung für eine prosperierende Branche bieten.

Die wirtschaftliche Bedeutung der erneuerbaren Energien für Hamburg wurde jetzt durch die Clusterinitiative erneut verdeutlicht. Über 4000 Arbeitsplätze und weit über 100 Unternehmen sind mittlerweile entstanden. Es gibt zahlreiche Studien zu dem Thema, unter anderem eine vom HWWI, nach der allein der Offshore-Bereich der Windenergie in Hamburg und Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren Potenzial für 15 000 Arbeitsplätze bietet.

Deutschlandweit verfügt die Branche über circa 360 000 Arbeitskräfte und wird heute in vielen Publikationen als eine der Leitbranchen der Zukunft beschrieben. Es geht um Know-how, qualifiziertes Fachpersonal und wirtschaftlich günstige Rahmenbedingungen, die einen solchen Trend noch beschleunigen können. Dies ist ein Teilbereich, und zwar einer der wichtigen und notwendigen Energiewende, die vor uns liegt. So weit, vermute ich, ist das fraktionsübergreifender Konsens, spätestens seit Anfang März dieses Jahres.

Worum geht es in unserem Antrag? Wir wollen die Kammern, Verbände, Fachhochschulen und Universitäten zusammenbringen und dem norddeutschen und bundesdeutschen Arbeitsmarkt qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Die Energiewende ist das größte Wirtschafts- und Beschäftigungsförderungsprogramm aller Zeiten.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller und Anjes Tjarks, beide GAL)

Dabei geht es darum, den Dreiklang aus Forschung, Entwicklung und Qualifizierung gezielt voranzubringen.

Mit diesem Antrag wollen wir den Startschuss geben für eine langfristig angelegte Strategie im Bereich erneuerbarer Energien. Damit sind erhebliche Beschäftigungspotenziale verbunden und Hamburg kann einer der führenden nicht nur Initiatoren, sondern auch maßgeblichen Spieler in diesem Bereich werden. Die Schritte, die uns wichtig und die im Antrag beschrieben sind, möchte ich Ihnen er

läutern; es sind insgesamt fünf. Sie können gleichzeitig auch als Herausforderung für die Metropolregion und den norddeutschen Raum gesehen werden, darüber hinaus aber auch für den nordeuropäischen Raum.

Wir müssen die klimapolitischen Instrumente und deren Mix optimieren, die Stärkung des Bildungsund Wissenschaftsstandorts langfristig sichern, die Energieforschung intensivieren,

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

die norddeutschen Unternehmensnetzwerke in Clustern weiter stärken – das ist mit dieser Initiative geschehen – und einen anforderungsgerechten Netzausbau sicherstellen.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag demonstrieren wir, dass uns dieses Thema nicht nur wichtig ist, sondern wir auch jährlich einen Bericht darüber haben wollen, inwiefern der Senat diese Initiativen vorantreibt und unterstützt. Wir wollen den Senat auf diesem erfolgreichen Weg begleiten und Hamburg in eine gute Zukunft führen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Anjes Tjarks GAL)

Frau Prien, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Balcke, ich habe Ihre Ausführungen mit sehr großem Interesse gehört und ich finde es toll, dass Sie jetzt die großen Chancen der eingeleiteten Energiewende erkannt haben. Es ist vielleicht ein bisschen spät.

(Andy Grote SPD: Sie haben sie aber auch spät eingeleitet!)

Ich kann Ihnen sehr ans Herz legen, die Fortschreibung des Leitbildes zur "Metropole Hamburg – Wachsende Stadt" aus dem Jahre 2003 nachzulesen. Hier kann man bereits lesen, dass es sinnvoll ist, in Hamburg ein Cluster "Erneuerbare Energien" zu gründen.

(Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Und wieso ist das nicht passiert? Sie hatten doch sieben Jahre Zeit!)

Ich fand im Übrigen Ihre Ausführungen außerordentlich interessant. Mit dem eingebrachten Antrag jedoch, fürchte ich, hatte das Ganze leider recht wenig zu tun.