Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schwieger. – Das Wort hat Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema bearbeiten wir heute in extenso, ich werde also darauf verzichten, Ihnen eine weitere Rede dazu vorzulesen. Ich werde versuchen, Ihnen ein paar Gedanken zu präsentieren.

In gewisser Weise ist heute ein Tag der Déjà-vuAnträge.

(Finn-Ole Ritter FDP: Tag der Arbeit!)

Ich hatte dieses Déjà-vu bei der FDP, und bei den LINKEN habe ich es auch. Den Antrag kenne ich, wir haben ihn, glaube ich, 2012 in dieser Form schon einmal gesehen. Er war damals falsch, er ist auch heute falsch, und wir werden ihm selbstverständlich nicht zustimmen. Das ist aber für Sie, meine Damen und Herren von der SPD, überhaupt kein Grund, sich zu freuen. Es ist deshalb kein Grund, sich zu freuen, weil die Situation natürlich – und da haben Sie recht, Frau Heyenn – ernst ist. Sie ist so ernst, dass man sich mit ihr auseinandersetzen muss. Jeder Jugendliche, der trotz eines allgemeinbildenden Abschlusses, der zur Aufnahme einer dualen Berufsausbildung qualifiziert, nicht in eine Ausbildung kommt, ist einer zu viel, und es sind im Moment eine ganze Menge zu viel. Wenn angesichts der Quoten, wie sie derzeit beim Berufsübergang erreicht werden, einer von uns 2008/2009 eine Rede gehalten hätte, wie Sie es getan haben, Herr Schwieger, dann hätten Sie ihn in der Luft zerrissen.

(Jan-Hinrich Fock SPD: Wir sind doch erst am Anfang! Mein Gott!)

Diese Selbstzufriedenheit mit dieser schlechten Umsetzung, die Sie heute zur Schau gestellt haben – schämen Sie sich. Ich habe es Ihnen letztens schon einmal gesagt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und dann fand ich sehr spannend – ich will es Ihnen nicht vorenthalten –, dass das ein zentrales Reformvorhaben des Senats ist. Wenn ich mir einmal überlege, wer die gesamte Vorarbeit zu diesem zentralen Reformvorhaben gemacht hat, dann war das sicherlich nicht die SPD, sondern es war Schwarz-Grün und wir alle gemeinsam Anfang 2011. Leider, Herr Senator – das muss man Ihnen tatsächlich vorwerfen –, ist das mit der Umsetzung bisher noch nicht richtig gelungen. Sie haben es vorhin bei einem Ihrer Redebeiträge selber eingeräumt.

Die Jugendberufsagentur ist eine sinnvolle Einrichtung, aber sie ist natürlich kein Reparaturbetrieb für die Schule. Es ist nicht so, dass wir alle darauf warten könnten, dass die Jugendberufsagentur, wenn sie denn einmal anfängt, richtig zu arbeiten – und darauf warten wir im Moment noch, wir sind da erst ganz am Anfang –, alle Probleme beseitigen wird und die Fehler, die an den Schulen gemacht werden, dort allesamt repariert werden. Das wäre eine völlige Überforderung dieser an sich auch von uns sehr begrüßten Institution. Das Problem ist ein anderes, dass Sie nämlich mit Ihrer Berufs- und Studienorientierung – und da sind wir wieder bei den Schulen, genauer den Stadtteilschulen – nie so richtig vorangekommen sind. Das haben Sie heute tatsächlich selber eingeräumt. Richtig verpflichtend geht es erst jetzt im Sommer 2014 los. Wenn ich mir überlege, dass das Problem seit 2008 intensiv diskutiert wird und es in 2011 einen gemeinsamen Beschluss gab, dann zeigt die Umsetzung in 2014, dass Sie sich eine Menge Zeit gelassen haben. Das hat viel zu lange gedauert. Da haben wir tatsächlich ein Umsetzungsproblem, und da müssen Sie ran, Herr Senator. Es geht dabei im Wesentlichen wieder um das Thema Differenzierung. Da würde ich dann doch noch einmal Frau von Treuenfels beispringen wollen: Transparenz ist auch in diesem Bereich sehr wichtig. Dass Sie die Ergebnisse von KESS 12 und KESS 13 immer noch nicht auf den Tisch legen und sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, die Daten zu veröffentlichen, ist in diesem Zusammenhang alles andere als hilfreich.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Bemerkung: Das mit den Wohnheimen für Auszubildende haben Sie irgendwie auch nicht auf die Reihe bekommen. Es hat Jahre gedauert, weil Sie sich intern nicht einig werden konnten. Dabei wäre das eine wichtige Maßnahme gewesen, um die Situation der Auszubildenden in unserer Stadt wirklich zu verbessern. Schade, dass Sie auch das nicht auf die Reihe bekommen haben.

Trotzdem finde ich diesen Antrag aktionistisch – das ist nun wiederum an die Adresse der LINKEN gesagt –, und Aktionismus ist hier falsch am Platz.

(Jens-Peter Schwieger)

Wir haben gemeinsam viele vernünftige Sachen auf den Weg gebracht, die jetzt vernünftig umgesetzt werden müssen. Die Zeit dafür läuft, Ihre Uhr läuft, Herr Senator. Aber bevor man jetzt aktionistisch irgendwelche zusätzlichen dirigistischen Maßnahmen fordert, sollten wir das erst einmal gemeinsam machen, und dann kann man über weitere Maßnahmen nachdenken. Hamburg ist hier an sich auf einem guten Weg, nur muss das jetzt konsequent umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Das Wort hat nun Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wirklich ein Déjàvu. Die eigentliche Debatte haben wir schon in der Aktuellen Stunde geführt. Ich möchte aber dennoch kurz erläutern, wie wir zu dem Antrag stehen, und auch, wie wir unser Abstimmungsverhalten hergeleitet haben.

Was das Petitum 1 anbelangt, so sehen wir in der Tat Handlungsbedarf. Ich könnte jetzt, wie die Kollegen aus der SPD-Fraktion, auch ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, ich bin auch Berufsschullehrerin. Es ist tatsächlich so, dass der erste Schulabschluss, früher Hauptschulabschluss genannt, noch nicht automatisch die Berufsreife bescheinigt. Das ist in der Tat ein Beschluss, den die SPD noch nicht umgesetzt hat. Deswegen finde ich es richtig, dass die LINKEN noch einmal darauf hinweisen und auf Umsetzung drängen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das zweite Petitum ist zwar im Prinzip und vom Ansatz her richtig, allerdings – und das haben wir heute auch in unserer Pressemitteilung gesagt – haben wir noch keine Zahlen vorliegen. Sollte sich die Vermutung der LINKEN bestätigen, dass nicht alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die berufsreif sind und eine Ausbildung angehen wollen, auch einen Ausbildungsplatz bekommen, dann werden wir Ihnen gern beispringen. Im Moment sieht es für uns aber noch nicht so aus, denn wir haben keine konkreten Zahlen. Sie haben selber noch zwei Anfragen eingereicht, um in Erfahrung zu bringen, wie viele Ausbildungsplätze es wirklich im Hamburger Ausbildungsmodell gibt und ob die tatsächlich nachgefragt wurden. Wir brauchen jetzt noch ein paar Tage, bis die Zahlen vorliegen. Wenn es so sein sollte, dass da ein Mangel besteht, dann kritisieren wir das auch. Im Moment sieht es aber für uns noch nicht so aus, und deswegen finden wir es kritisch, dem Senat an dieser Stelle bereits so stark in die Parade zu fahren; wir warten hier noch ab. Wir werden trotzdem dem Petitum im Prinzip zustimmen, weil der Ansatz richtig ist.

Was das Petitum 3 anbelangt, sind wir auch absolut der Auffassung, dass die Nahtlosigkeitsregelung selbstverständlich auch für diese Jugendlichen gelten muss.

Petitum 4 – das haben wir heute in der Aktuellen Stunde schon gehabt – sehen wir tatsächlich auch kritisch. Das kann in Einzelfällen – Herr Rose hat es ausgeführt – wie bei der Altenpflege sehr sinnvoll sein, aber flächendeckend lehnen wir GRÜNEN eine Ausbildungsplatzumlage ab.

Zum SPD-Antrag: Er tut niemandem weh, er ist Papier, aber mehr ist er auch nicht. Er ist nicht falsch, und deswegen stimmen wir ihm zu, aber wir glauben nicht, dass er irgendetwas bewirken wird. Ablehnen können wir ihn auch nicht, aber er tut niemandem weh.

Ich würde gerne zum Abschluss noch eine generelle Bemerkung machen. Wir tun so, als ob alle Jugendlichen sofort und nahtlos in die duale Ausbildung kommen müssten. Wir GRÜNEN möchten einfach noch einmal sagen, dass es auch Wege links und rechts der Berufsausbildung gibt. Wer gerne in eine duale Berufsausbildung möchte, der soll das auch können, und es ist unsere Aufgabe als Staat, dafür zu sorgen. Aber es gibt auch noch andere individuelle Wege, es kann sein, dass sich jemand für ein FSJ oder für ein freiwilliges ökologisches Jahr entscheidet, vielleicht einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren möchte oder tatsächlich die Schullaufbahn weiter verfolgen möchte und vielleicht auch einfach einmal andere Dinge tun möchte, die bunten Blumen links und rechts des Weges pflücken. Daher sind wir GRÜNEN nach wie vor für individuelle Lebens- und Berufsbiografien und nicht nur für ein letztendlich auch neoliberales "Von der Schule in die Ausbildung und links und rechts gibt's nicht". – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. von Berg. – Das Wort hat jetzt Frau von Treuenfels von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Wir haben diese Debatte heute schon in der Aktuellen Stunde geführt und das Für und Wider einer Ausbildungsabgabe besprochen. Ehrlich gesagt kann ich den Schulsenator nur weitgehend auffordern – das ist mein Part, den ich heute zu diesem Thema beisteuern möchte –, die Stadtteilschulen in Sachen Berufsberatung zu unterstützen und das, was er uns heute hier versprochen hat, die Verzahnung zur Wirtschaft weiter auszubauen, auch wirklich umzusetzen, denn das ist aus meiner Sicht schulpolitisch das A und O. Hier kommen die Jugendlichen das erste Mal mit der Wirtschaft in Berührung und kommen in eine Ausbildung, und das ist für mich das Wichtigste.

(Karin Prien)

Der Rest ist heute schon gesagt worden, deswegen werde ich dazu nichts mehr sagen. Wie wir votieren, das hat Herr Kluth heute schon genau begründet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau von Treuenfels. – Das Wort hat Frau Heyenn von der Links-Fraktion.

Dass ich noch einmal reden muss, daran hat Herr Schwieger Schuld.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Ich ertrage es mit Würde, Frau Heyenn! – Präsidentin Ca- rola Veit übernimmt den Vorsitz.)

Herr Schwieger, Sie haben uns immer noch nicht erklären können, was eine begründete Berufswahlentscheidung ist. Woran misst man das eigentlich? Das hätte ich gerne gewusst. Dann haben Sie das BIBB erwähnt, und das kann ich Ihnen nun leider nicht ersparen. In Ihrem Antrag steht folgender Absatz:

"Die Differenz zwischen unbesetzten Ausbildungsplätzen und unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern ist nur zum Teil ein quantitatives Problem, denn die beruflichen Wünsche und schulischen Abschlüsse der jungen Menschen decken sich oft nicht mit den angebotenen Ausbildungsberufen und Anforderungen. Die wesentliche Aufgabe besteht daher darin, Angebot und Nachfrage der Ausbildungsplätze nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zur Deckung zu bringen […]".

Damit schieben Sie natürlich den Schwarzen Peter den Jugendlichen zu, und die objektiven Gründe werden die subjektive Schuld. Nun haben Sie das BIBB zitiert, und das tue ich jetzt auch. Das BIBB hat eine Analyse des Ausbildungsstellenmarkts 2013 vorgenommen. Sie haben vom BIBB 2012 gesprochen, Herr Kluth hat heute auch davon gesprochen und ich habe den Ausbildungsmarktbericht 2013. In diesem Bericht unterteilt das BIBB den ganzen Markt in vier Regionen. Die erste Region sind die Regionen ohne Probleme. Fazit von BIBB: Hamburg gehört nicht dazu. Die zweite Region sind die Regionen mit Besetzungsproblemen. In ihnen gibt es wenige erfolglose Bewerberinnen und Bewerber, aber viele unbesetzte Ausbildungsplätze. Fazit von BIBB: Hamburg gehört nicht dazu. Die dritte Region sind die mit den Passungsproblemen; davon ist neulich auch schon gesprochen worden. In ihnen gibt es viele erfolglose Bewerberinnen und Bewerber und viele unbesetzte Ausbildungsplätze. Und was sagt das BIBB? Hamburg gehört nicht dazu, auch wenn Sie in Ihrem Antrag uns etwas anderes weismachen wollen. Dass es keine Passungsprobleme gibt, erkennt

man auch daran, dass Ende September letzten Jahres nur 6 Prozent aller Ausbildungsplätze nicht besetzt waren, das heißt, dass die Jugendlichen quasi alles genommen haben, was ihnen in Hamburg angeboten wurde. Und die vierte Region sind die Regionen mit den Versorgungsproblemen laut BIBB. In ihnen gibt es viele erfolglose Bewerberinnen und Bewerber und nur wenige unbesetzte Ausbildungsplätze. Da sagt das BIBB, Hamburg gehöre zu dieser Region mit den Versorgungsproblemen und sei sogar führend bei den Versorgungsproblemen. Dazu führt das BIBB eindeutig aus – ich zitiere –:

"Die höchsten Anteile erfolgloser Ausbildungsstellenbewerber […] wurden 2013 in den Ländern Hamburg (28,7 %), Niedersachsen (19,4 %), Schleswig-Holstein (19,2 %) und Bremen (18,6 %) gemessen."

Deutlicher geht es wirklich nicht, und es muss etwas getan werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hier muss einmal ein bisschen aufgeklärt werden, was wir eigentlich tun, da scheint einiges nicht angekommen zu sein. Zur Frage qualifizierter Berufswahlentscheidung haben wir fünfmal erklärt, was sich dahinter verbirgt. Dahinter verbirgt sich der Versuch der Schulen, mit jeweils einem Berufsorientierungslehrer an jeder Stadtteilschule dafür zu sorgen, dass am Ende von Klasse 9 eine Entscheidung des Jugendlichen für eine Berufsfamilie fällt, damit die ganze Klasse 10 zur Ausbildungsplatzsuche zur Verfügung steht. Dahinter verbirgt sich nicht das, was Sie zu konstruieren versuchen. Dahinter verbirgt sich nicht, den Eindruck zu erwecken, einige Jugendliche seien geeignet oder nicht. Dahinter verbirgt sich das genaue Gegenteil: Jeder Jugendliche soll sich in einer Berufsfamilie auskennen und über die minimalen fünf Berufe endlich hinauskommen. Er soll nicht nur Mechatroniker oder Bürokauffrau werden, sondern er soll die ganze Berufswahlpalette von 340 Berufen mit seinem Lehrer zumindest einmal durchgescannt haben; darum geht es.

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir mindestens fünfmal erklärt, aber ich erkläre es gerne ein sechstes Mal, damit es sitzt. Wir haben diesen Unsinn, wenn ich das so sagen darf, zwischen Ratsuchenden und Ausbildungsplatzsuchenden abgeschafft. Genau dieses System haben wir abgeschafft bei der Agentur für Arbeit in Hamburg. Es werden alle Jugendlichen gezählt, egal, ob dieses schreckliche Wort der Berufsreife im Spiel ist oder nicht. Darum geht es

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

nicht, hier herrscht klareTransparenz bei der Statistik. Jeder Jugendliche, der die Schule verlässt, egal wie gut er ist und was die Agentur von ihm hält, ist in der Statistik drin. Das gibt es sonst nirgendwo. Ob Sie es glauben oder nicht, das ist Ihr Problem, so ist es aber.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Mehmet Yil- diz DIE LINKE)

Herr Yildiz, wir haben es Ihnen auch schon fünfmal erklärt.

Ich wollte gerne klarstellen, dass sich dahinter keine Verschleierung verbirgt, sondern maximale Transparenz, die es in keinem anderen Bundesland gibt.