Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

Das steht so in der Zeitung, fragen Sie Herrn Schäfer.

Stattdessen verheddern die Sozialdemokraten sich in Prozentzahlen. Olaf Scholz plädiert für 25,1 Prozent und nennt es von Fall zu Fall entweder strategische Mehrheit oder qualifizierte Minderheitenbeteiligung. Daran glaubt nicht einmal der ehemalige Bürgermeister Ortwin Runde. Er sagt, mit 25,1 Prozent könne die Stadt nicht viel anfangen, und verweist auf Asklepios; Recht hat er.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL)

Bedingung für einen Einfluss wäre nämlich die Zustimmung von Vattenfall und E.ON Hanse. Was von der Verlässlichkeit dieser Vertragspartner zu halten ist, zeigt, dass die Endschaftsregelung, also die Offenlegung über Ausmaß und aktuellen Zustand der Netze, vor Gericht eingeklagt werden muss. Ortwin Runde favorisiert eine garantierte Mehrheit, die er bei 50,1 Prozent ausmacht. Er glaubt, darüber bestimmenden Einfluss über die

Netze zu erhalten; da irrt er. Auch mit einem städtischen Anteil von 71 Prozent bei der HEW hat das nicht geklappt.

Es gibt einen weiteren Sozialdemokraten, der sich immer einmal wieder zu Wort meldet:

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt!)

Henning Voscherau. Er hat auf den letzten Metern das Volksbegehren unterschrieben mit dem Hinweis, dass die SPD in der Vergangenheit Fehler gemacht habe und er eigentlich immer schon dafür gewesen sei, dass die Energienetze in die öffentliche Hand gehören. Und was sagt die mit absoluter Mehrheit ausgestattete SPD-Fraktion dazu? Nichts. Dafür äußert sich der Fraktionsvorsitzende, Herr Dressel. Er sagt, die Befürworter wollten die Rücklagen der Stadtentwässerung verfrühstücken.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Erkundigen Sie sich mal bei Herrn Kerstan!)

Er sagt weiter, die Rücklagen seien von den Gebührenzahlern für Investitionen und Modernisierungen der Sielnetze vorgesehen. Herr Dressel, falls es Ihnen noch nicht bewusst ist: HAMBURG WASSER ist nicht privatisiert worden, das konnte noch verhindert werden. Das bedeutet aber, dass alle Hamburgerinnen und Hamburger die Gebührenzahler sind. Genau die haben sich am Volksbegehren "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" beteiligt und es mit einer satten Mehrheit ausgestattet.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der GAL – Dirk Kienscherf SPD: Aber Sie können das Geld dafür verwenden!)

Das bedeutet, die Gebührenzahler befürworten eine Übernahme der Netze durch HAMBURG WASSER. Herr Dressel, Ihr Argument ist vorgeschoben. Auch das Argument, die Arbeitsplätze seien gefährdet, stimmt nicht und das wissen Sie.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Warum sind dann die Betriebsräte dagegen?)

Bei "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" heißt es ausdrücklich, ich zitiere:

"Die bei Vattenfall und E.ON Hanse Beschäftigten sind bei der Rekommunalisierung zu den gültigen Tarifbedingungen und bei Erhalt aller Arbeitsplätze zu übernehmen."

Das dritte Argument, die 100-prozentige Übernahme sei nicht bezahlbar, weil der Betrag sich auf 2 Milliarden Euro belaufe, ist auch falsch. Mit Ihren Schätzungen treiben Sie den Preis in die Höhe. Zeitwert oder Ertragswert, das ist die Streitfrage. Damit der Zeitwert nicht ermittelt werden kann, geben die Energiekonzerne bewusst keine Auskunft.

Wie absurd es ist, die Ablösung auf einen Ertragswert zu gründen, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen, das unser Bundestagsabgeordneter

Jan van Aken gerne heranzieht. Wenn Sie einen gebrauchten Mercedes für 10 000 Euro kaufen können, zahlen Sie als Taxiunternehmer doch nicht freiwillig 20 000 Euro, weil der Ertragswert höher ist. Wir fordern Bürgermeister Olaf Scholz auf, das Volksbegehren ernst zu nehmen, sich mit der Initiative an einen Tisch zu setzen und seinen Widerstand gegen die Rekommunalisierung der Netze endgültig aufzugeben.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Das Wort erhält Frau Dr. Schaal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt niemanden in der Stadt, der noch irgendeinen Zweifel daran hätte, dass das Volksbegehren ein Erfolg wird.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Doch die Unterschriften werden morgen erst abgegeben und dann wird der Erfolg verkündet. Innerhalb eines Monats nach der Eintragungsfrist stellt der Senat dann fest, ob das Volksbegehren die notwendige Zahl der Unterschriften hat. Auch daran kann man keinen Zweifel mehr hegen. Danach kann dann die Bürgerschaft das Anliegen des Begehrens erörtern. Dann befinden wir uns in der Situation, dass sich zwei Positionen gegenüberstehen, einerseits die Position des Volksbegehrens, das eine komplette Übernahme der Netze vorsieht, um die Energieversorgung der Stadt sozialverträglich, klimafreundlich und bezahlbar zu gestalten und andererseits die Position der SPD. Auch wir als SPD wollen eine Energieversorgung, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist, sicher und klimafreundlich gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Übereinstimmung besteht hinsichtlich der Arbeitnehmerschaft. Beide Seiten wollen die sozialen Standards und die Arbeitsplätze der Belegschaft erhalten. Hinsichtlich der Zielsetzung besteht offenbar weitgehend Übereinstimmung zwischen Initiative und der SPD, nicht aber über den Weg dorthin. Der Bürgermeister will das Ziel mit einer mindestens 25,1-prozentigen Beteiligung an den Netzen über eine städtische Netzgesellschaft erreichen und das Erreichen der Zielsetzung und weiterer Bedingungen durch einen zusätzlichen Konsortialvertrag mit den Netzbetreibern festzurren.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das hilft auch ganz viel!)

Ob das geht, ist zwischen der SPD, dem Bürgermeister und der Initiative strittig. Die nächsten Monate werden im Sinne eines Faktenchecks zeigen, was die Vor- und Nachteile, Voraussetzungen und Bedingungen einer Umsetzung der verschiedenen

(Dora Heyenn)

Modelle sind. Dazu brauchen alle Beteiligten noch eine Menge Informationen und Input zur Bewertung der Netze, deren Kaufpreise sowie deren Betriebskosten und auch ihrer Erträge und nicht zuletzt der Finanzierungsmöglichkeiten des jeweiligen Modells. Es geht nämlich nicht um Kleingeld. Das sieht auch die Initiative so, wenn ich das richtig verstanden habe.

Die Bürgerschaft hatte den Senat bereits vor Start des Volksbegehrens aufgefordert, ein Konzept für den Erwerb eines 25,1-prozentigen Anteils an den Netzen zu erarbeiten. Dabei soll das Geschäft haushaltsneutral sein. Wir als SPD-Fraktion wollen aber auf keinen Fall, dass dabei eine Lösung herauskommt, die dazu führt, dass ein späterer möglicher Volksentscheid ins Leere läuft. Wir nehmen die Volksgesetzgebung ernst, denn wir haben auch dafür gesorgt, dass sie bindend ist.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Die SPD-Fraktion hat in ihrem Ersuchen an den Senat deutlich gemacht, dass Partner eines künftigen Gemeinschaftsunternehmens das städtische Ziel unterstützen müssen, eine Energiewende herbeizuführen und den Klimaschutz zu verbessern. Eine Energiewende wird zurzeit in Berlin parlamentarisch vorbereitet und voraussichtlich Anfang Juli beschlossen werden. Große Energiekonzerne drohen jetzt damit, Klage dagegen zu erheben. Für mich kommt kein Partner für eine Hamburger Netzgesellschaft infrage, der eine durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Energiewende nicht akzeptiert und den Atomausstieg samt Abschaltung der Altmeiler wie Brunsbüttel

(Beifall bei Anja Hajduk GAL)

und dem Pannenreaktor Krümmel vor deutschen Gerichten oder etwa vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank aushebelt und zu Fall bringt.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN)

Eine Energiewende würde nämlich so verhindert werden. Wir haben uns hier wiederholt für die Umkehr in der Energiepolitik eingesetzt und dabei muss es bleiben. Seite an Seite mit denen, die die Energiewende verhindern, das kann es nicht geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun Herr Dr. Scheuerl.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Experte für Volksentscheide!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Heyenn, Sie haben etwas getan, was im Volksmund gemeinhin so betrachtet wird, als dass es Unglück bringt. Sie haben nämlich einen Glückwunsch ausgesprochen noch vor dem glückbringenden Ereignis.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sind aber- gläubisch!)

Wo stehen wir? Wir wissen aus Kreisen der Sammler, das Volksbegehren "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ", gemeinhin auch "UHUN" genannt, hat am Dienstag rund brutto, ich betone brutto, 70 000 Unterschriften beisammen gehabt. Es werden heute sicherlich noch welche dazukommen. Das heißt, die Initiative landet brutto bei vielleicht 80 000 Unterschriften.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da spricht der Experte!)

Gesammelt wurde bei Touristen und Nicht-Hamburgern. Der Landesabstimmungsleiter wird die Unterschriften in den Bezirksstellen prüfen lassen und wir werden in einigen Wochen wissen, ob knapp 65 000 Unterschriften wirksam sind oder ob die Zahl darunter liegt.

Entscheidend ist, dass es trotz parteilicher Unterstützung durch DIE LINKE, durch die Grünen, durch "Campact" und andere nur gelungen ist, ich betone nur, etwa 65 000 Hamburger zu einer Unterschrift zu bewegen, und das mit der irreführenden Überschrift: "Für eine Energiewende in Hamburg".

(Heike Sudmann DIE LINKE: Tut Ihnen das leid, Herr Scheuerl?)

Es ist praktisch völlig ausgeschlossen, dass bei einem Volksentscheid das Quorum auch nur ansatzweise erreicht wird, denn wir wissen aus allen früheren Volksentscheiden,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Wovon reden Sie eigentlich?)

dass die Quote von einem Volksbegehren hin zum Volksentscheid noch einmal um 50 bis 60 Prozent gesteigert wird. Das heißt, bei einer sachlichen Information landet der Volksentscheid über dieses Volksbegehren am Ende, wenn er denn nächstes Jahr durchgeführt wird, irgendwo bei 150 000, 160 000 Unterschriften und geht damit ins Leere.