Protokoll der Sitzung vom 06.11.2014

(Dr. Monika Schaal SPD: Und die anderen Bezirke nicht vergessen!)

Ich werde jetzt keine Synopse aller sieben Bezirke in ihrem Verhalten zu Trinkerräumen darstellen. Wenn Sie das erwarten, dann muss ich Sie leider enttäuschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es richtig, dass das Thema, das die FDP heute

(Dr. Friederike Föcking)

anmeldet, in der parlamentarischen Runde noch einmal diskutiert wird. Wir waren sehr erstaunt über den Antrag. Ich habe ihn verglichen mit einem unserer Haushaltsanträge vor zwei Jahren, und die einzelnen Forderungen decken sich weitgehend. Zum Punkt Trinkerraum komme ich gleich noch einmal, weil wir da vielleicht ein etwas anderes Herangehen haben. Aber ansonsten werden viele Punkte aufgegriffen, die im Gesamtkonzept "Wege aus der Wohnungslosigkeit" angekündigt werden; Herr Lohmann hat es angesprochen. Wir haben in der Tat zu Beginn der Legislaturperiode nicht nur debattiert in den Ausschüssen, sondern dies auch ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Aber, Herr Lohmann, dann muss man sich natürlich an diesem Konzept, das in der Umsetzung so breit getragen ist, auch messen lassen. Ich habe den Eindruck, dass da tatsächlich, weil möglicherweise andere Dinge in den Fokus geraten und dringender gewesen sind, noch wirklicher Handlungsbedarf besteht und ganz schön viel auf der Strecke geblieben ist; die Kolleginnen und Kollegen haben es eben angesprochen.

Ich will drei Zahlen aufgreifen, weil ich wohl nicht noch einmal unterstreichen muss, wo Hilfeangebote fehlen oder wo bestimmte Gruppen – insbesondere Frauen, junge Menschen unter 25 Jahren oder psychisch Kranke – nicht ausreichend im Fokus stehen. Ich spreche dazu ein paar Zahlen an, um deutlich zu machen, dass hier wirklich Druck auf dem Kessel ist und Handlungsbedarf besteht.

Die eine Zahl besagt, dass tatsächlich rund 800 Plätze in der öffentlichen Unterbringung für Wohnungslose fehlen, und da reicht es nicht zu sagen, dass an anderer Stelle auf Hochdruck gearbeitet werde. Wir haben hier die klaren Signale aus den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, aus den Tagesaufenthaltsstätten und den Beratungsstellen, dass wir eine Situation haben, die mehr als bedenklich ist, und da müssen wir etwas tun.

Wir waren alle zusammen als sozialpolitische Sprecherinnen und Sprecher vor einigen Wochen bei der Veranstaltung Bündnis gegen Wohnungsnot; Frau Dr. Föcking hat es angesprochen. Uns ist dort eine interessante Aufgabe gestellt worden, die wir, glaube ich, alle nur unzureichend im Angesicht der Menschen, die dort waren – viele Betroffene, viele Obdachlose –, beantworten sollten, wie nämlich die Zahl der Obdachlosen innerhalb von fünf Jahren halbiert werden kann. Wir haben uns natürlich alle, jeder mit einem anderen Schwerpunkt, auch auf das Gesamtkonzept "Wege aus der Wohnungslosigkeit" berufen. Es wurde uns dann aber zurückgespiegelt – und das finde ich einen interessanten Gedanken –, dass es natürlich in diesem Konzept auch darum gehen muss, klare Zielvorgaben und einen klaren zeitlichen Rahmen zu haben, und beide Punkte fehlen. Da gebe ich dem Bündnis gegen Wohnungsnot recht, wir müssen gemeinsam noch mehr Druck auf die SPD und den

Senat machen, damit hier etwas passiert. Man kann nämlich an anderer Stelle durchaus ganz klare Forderungen und ganz klare Zielvorgaben erheben, wie zum Beispiel die Vorgabe, 6000 Wohnungen im Jahr zu bauen, wie Sie es an jeder Stelle machen. Hier ist die Zielvorgabe da, und die Forderung ist klar. Warum kann man das nicht auch auf diesen Bereich, Halbierung der Zahl der Obdachlosen, übertragen? Diese Zahl 800 sollte man im Hinterkopf haben. Wir fordern hier genauso viel Engagement und eine genauso ehrgeizige Umsetzung der Ziele wie bei der Forderung, 6000 Wohnungen jährlich zu bauen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Friede- rike Föcking CDU)

Dann erleben wir – und das ist die zweite Zahl, auf die ich kurz eingehen möchte –, dass wir einen richtigen Flaschenhals haben in der öffentlichen Unterbringung; auch das haben wir schon häufiger diskutiert. Ich will daran appellieren, dass die Vermittlung in Wohnraum bei allen Wünschen, möglichst breite Beratungs- und Unterstützungsangebote zu haben, allerhöchste Priorität haben sollte. Wir haben in einer aktuellen Großen Anfrage noch einmal eine erschreckende Zahl bekommen, nämlich, dass 14,2 Prozent der 11 787 Menschen – inzwischen sind es weitaus mehr, wenn man die Flüchtlinge dazuzählt –, die in den Unterbringungen leben, dort länger als zehn Jahre leben. Das sind rund 1000 Menschen, und das ist auch eine Perspektive, die so überhaupt nicht funktioniert und bei der dringend Abhilfe geschaffen werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wenn ich mir dann anschaue, wie von 2011 bis August 2014 die Vermittlung in Wohnraum stattgefunden hat, dann sehe ich dort auch stetig abnehmende Zahlen. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass diese Zielgruppe wieder sehr viel stärker in den Fokus genommen werden und sehr viel weiter nach oben auf der politischen Agenda rücken muss. 2011 betrugen die Vermittlungsquoten 1355 Menschen, 2012 waren es 1171, 2013 waren es 1170 und im August 2014 waren es 715 Menschen. Das bedeutet eine stetige Abnahme der Vermittlung in festen Wohnraum, und das ist ein Zustand, den wir so nicht länger akzeptieren.

Noch ein Satz zu den Trinkerräumen, dazu bin ich explizit gefragt worden. Wir haben eben noch einmal in Rücksprache mit unseren GRÜNEN in Hamburg-Mitte die Rückmeldung erhalten, dass auch diese Forderung dort auf dem Weg ist und dass sich im Rahmen des Runden Tisches St. Georg auch weiter mit dem Trinkerraum befasst wird. Wir wollen abwarten, bis die Ergebnisse des Runden Tisches vorliegen und es dort weitere Beschlüsse gibt.

Ansonsten hoffe ich und wünsche mir, dass wir uns im Ausschuss das Gesamtkonzept noch einmal vornehmen und schauen, wie man an der einen oder anderen Stelle deutlich schneller zu Erfolgen kommt, denn wir dürfen es uns nicht erlauben, nicht nur in Anbetracht des wieder vor der Tür stehenden Winters, sondern auch grundsätzlich als eine reiche Stadt wie Hamburg, Menschen auf der Straße leben zu lassen. Es ist unser aller Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es eine Unterbringung gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora Hey- enn DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Fegebank. – Das Wort hat Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben gestern noch einmal ausführlich über das Thema gesprochen. Ich möchte bei Herrn Lohmann anfangen. Sie haben das Konzept gelobt, ein Konzept sollte aber nicht nur auf dem Papier stehen, ein Konzept sollte natürlich auch umgesetzt werden; das ist hierbei das Problem. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie sich loben, weil viele Forderungen und viele Maßnahmen in diesem Konzept in Ihrer Regierungsphase nicht umgesetzt wurden.

Der andere Punkt betrifft Ihre Äußerungen, Hamburg sei ein gutes Beispiel, und dann nennen Sie das Beispiel, nämlich dass das Winternotprogramm 850 Personen umfasse. Darauf kann man eigentlich nicht stolz sein. Stolz könnte man als Stadt dann sein, wenn man es wirklich schafft, die Obdachlosigkeit in der Stadt so zu bekämpfen, dass überhaupt nicht mehr die Notwendigkeit besteht, 850 obdachlose Menschen unterzubringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch der Punkt Tagesaufenthaltsstätte hat mich geärgert, weil bekannt ist, dass die Tagesaufenthaltsstätten seit Jahren überfordert, ausgelastet und unterfinanziert sind, auch aufgrund der EUFreizügigkeit. Seitdem gibt es Menschen, die nach Hamburg kommen, die zwar keinen Anspruch haben, aber es gibt hier einen großen Bedarf. Auch diese Menschen müssen natürlich betreut werden, auch diese Menschen müssen irgendwo aufgefangen werden.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Insofern verstehe ich nicht, dass Sie die Situation der Tagesaufenthaltsstätten loben.

Nun aber zum Antrag. Viele Punkte haben wir schon einmal diskutiert, viele Punkte hatten wir auch schon in unseren Anträgen, nur etwas differenzierter, bezogen zum Beispiel auf das Peti

tum 4. Da habe ich mir auch gewünscht, dass noch einmal genauer erklärt wird, welche Gruppen damit gemeint sind. Das habe ich, ehrlich gesagt, nicht so richtig verstanden.

Ein anderes Problem ist, dass wir keine aktuelle Statistik in der Stadt haben mit Zahlen über die aktuelle Situation der Obdachlosigkeit. Die letzte von 2009 liegt noch auf dem Tisch. Damals lebten 1029 Menschen auf der Straße – wir unterscheiden zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit –, aber heute, 2014, wissen wir nicht, wie viele obdachlose Menschen bei uns auf der Straße leben. Ich denke, es ist notwendig, das aufzählen zu lassen, damit überhaupt gewisse Maßnahmen ergriffen werden können, denn sonst erreicht man viele Menschen nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gestern versucht, noch einmal deutlich zu machen, welche Lösungsvorschläge wir haben, welche Lösungspunkte sehr wichtig sind. Das eine ist die Prävention, weil wir eine steigende Obdachlosigkeit haben. Wir müssen erst einmal schauen, wie wir als Stadt überhaupt die Entstehung von Obdachlosigkeit verhindern. Für uns sind das folgende Maßnahmen: Erstens muss man Zwangsräumungen, die in die Obdachlosigkeit führen, als Stadt sein lassen. Zweitens muss man die Fachstellen für Wohnungsnotfälle so stärken, dass man reagieren kann auf Fälle, bei denen eine Obdachlosigkeit oder ein Verlust der Wohnung drohen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt ist für uns die Reintegration wohnungsloser Menschen in gesicherte Wohnverhältnisse. Ich glaube wirklich fest daran, und das wissen Sie auch, dass, wenn die Stadt es nicht schafft, die Menschen in gesicherte Wohnverhältnisse zu reintegrieren, wir das Problem auf Dauer nicht bekämpfen können. Dafür ist es aber wichtig, dass man jetzt in der Wohnungspolitik etwas umschaukelt. Wir haben gestern noch einmal deutlich gemacht, dass wir mehr Sozialwohnungen brauchen, weil fast jeder zweite Hamburger und jede zweite Hamburgerin einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat. Wenn sich die Wohnungspolitik hier nicht ändert, dann haben wir das Problem auch in 30 Jahren leider nicht im Griff.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher sollte es eher Ihre Aufgabe sein, auf den Kooperationsvertrag mit der SAGA GWG aufmerksam zu machen. Herr Lohmann hat mich gestern korrigiert, 1700 Wohnungen sollen vergeben werden, aber, Herr Lohmann, das ist leider nicht passiert, das Ziel wurde nicht erreicht.

(Uwe Lohmann SPD: Doch, dieses Jahr!)

Dieses Jahr? Aber in den letzten Jahren nicht, Herr Lohmann, in den letzten Jahren ist das nicht passiert. Dieses Jahr war es das erste Mal, dass

(Katharina Fegebank)

dieses Ziel erreicht wurde. Von daher kann man sich dafür leider auch nicht loben.

Wir haben während der Diskussionsveranstaltung, bei der alle Fraktionen viel Kritik bekommen haben, mit der wir uns noch einmal auseinandersetzen müssen, deutlich zu hören bekommen, dass Hamburg bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit viel zu wenig macht.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch Blöd- sinn!)

Ich glaube, die Wohlfahrtsverbände sollten wir wirklich ernst nehmen, denn die wissen doch, wovon sie sprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Das Wort hat Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Özdemir, ich gebe Ihnen recht. Es reicht eben nicht aus, Herr Lohmann, wenn Maßnahmen auf einem Blatt Papier stehen. Das haben wir in der Vergangenheit gesehen, und deswegen genügt es meiner Fraktion nicht, dass im Haushaltsplan-Entwurf für 2015/2016 das Clearinghaus steht. Wir glauben nicht mehr daran, deswegen will meine Fraktion das mit diesem Antrag sicherstellen. Das betrifft auch das Winternotprogramm. Schön und gut, wenn der Containerstandort geplant ist, aber mit diesem Antrag wollen wir eben sicherstellen, dass es ausreichend Plätze im Winternotprogramm gibt. Ich möchte kurz auf Ihre Bemerkung zu den 739 Plätzen eingehen, die ausschließlich für wohnungslose Menschen in der öffentlichen Unterbringung geschaffen werden sollen. Das hat die Bürgerschaft vor einem Jahr beschlossen, und Sie wissen ganz genau – das haben die Wohlfahrtsverbände vor zwei Tagen auch noch einmal gesagt –, dass es eine Warteliste mit 800 Obdachlosen gibt, die einfach nur auf Schlafplätze warten. Ich bin mir sicher, dass, wenn es diese Plätze in der öffentlichen Unterbringung gibt, sie sehr schnell gefüllt sein werden.

Frau Dr. Föcking, zu Ihrem Hinweis auf den Bezirk Hamburg-Mitte. Sie wissen, die Abgeordneten sind unabhängig, und insbesondere gibt es nicht immer und in jedem Fall einen absoluten Gleichklang zwischen Landes- und Kommunalpolitikern. Ich denke, das kennen Sie auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kaesbach. – Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/13414 in der Neufassung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig beschlossen worden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 40, Drucksache 20/13234, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Die Quartiers- und Stadtteilbeiräte absichern und verstetigen!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Die Quartiers- und Stadtteilbeiräte absichern und verstetigen! – Drs 20/13234 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE wünscht es und hat es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sieht es in Hamburg eigentlich mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aus?