Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Ich bin ein großer Freund euphorischer Gefühle, aber bitte keine euphorischen Gefühle bei solchen Gebäuden und keine euphorischen Gefühle bei Olympia, sondern nüchterne Betrachtung.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sollten wir alle uns darüber freuen, dass der Rechnungshof die Zahlen nüchtern geprüft hat, und wir sollten nicht der Art und Weise, in der schon hämisch darüber gesprochen wurde, folgen, sondern die uns vom Rechnungshof dargestellten Beispiele einzeln in den Gremien genauer prüfen.

Aber ich möchte Ihnen schon einmal zwei wichtige Aspekte präsentieren, die wir hier diskutieren sollten. Der eine bezieht sich auf etwas, das ich am Sonnabend im "Spiegel" gelesen habe. Herr Hörmann, Chef des DOSB und vor allen Dingen auch Chef der Bewerbungsgesellschaft,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein! Vorsitzen- der des Aufsichtsrats!)

Vorsitzender der Bewerbungsgesellschaft Hamburg, das ist jedenfalls sein Titel, und dementsprechend ein sehr wichtiger Gesprächspartner für Hamburg, hat gesagt, dass bis zur Abstimmung im November, bis zum Zeitpunkt dieses Referendums alle verlässlichen Zahlen vorliegen werden. Der Rechnungshof sagt Ihnen ganz genau, dass dem nicht so ist, im Gegenteil, er macht deutlich, dass es weder eine abgeschlossene Bedarfsplanung geben wird noch einen belastbaren Finanzrahmen für alle erforderlichen Maßnahmen, insbesondere für die Infrastrukturmaßnahmen, noch ein verbindliches Finanzierungskonzept noch eine angemessene Kosten-Nutzen-Untersuchung. Die Entscheidung im November wird, wenn nicht noch ein Wunder geschieht und sich irgendetwas ändert, nicht ausreichend sein. Das heißt, der Rechnungshof sagt, Herr Hörmann hat nicht recht. Darüber müssen wir genau debattieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Der zweite wichtige Aspekt ist der Gastgebervertrag mit dem IOC. Dazu haben wir in dieser Stadt eine bisher völlig unterbelichtete Diskussion. Die haben wir dadurch, dass – ich zitiere den Rechnungshof direkt –:

"Die sich hieraus ergebende, nahezu vollständige Verlagerung aller Risiken, insbesondere auch der Haftungsrisiken, auf die Freie und Hansestadt Hamburg führt zu einer deutlichen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung."

Das wird noch dadurch verstärkt, dass Hamburg – Zitat weiter –

"nach der bisherigen Vertragsgestaltung des IOC Planungsrisiken und Einflussmaßnahmen ausgesetzt ist, die dazu führen können, dass es bei Infrastruktur- und Durchführungsmaßnahmen zu erheblichen Kostensteigerungen kommt."

Der Rechnungshof hat auch deutlich gesagt – und mehr kann er in dem Zusammenhang nicht machen –, dass nach allem, was ihm vorliege, und auch aufgrund dessen, was das IOC in der vorbereitenden Situation veröffentlicht, wesentliche Veränderungen der bisherigen Vertragsgestaltung nicht erwartet werden können. Das heißt, das Gegenargument des Senats, das müsse man erst einmal abwarten, wird vom Rechnungshof deutlich widerlegt. Diese Stimmen müssen gehört werden.

(André Trepoll)

(Beifall bei der LINKEN)

Boston hat aufgrund dieser Situation seine Bewerbung zurückgezogen, und in Los Angelos wurde diese Frage sehr intensiv diskutiert, aber hier wird gesagt, das kriege man schon hin, das schaffe man schon, die da drüben seien doch Schwächlinge. Nehmen Sie diese Dinge ernst, setzen Sie sich zumindest ernsthaft damit auseinander, solche Dinge kann man nicht einfach beiseiteschieben.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Die Lampe leuchtet schon, Herr Hackbusch.

Ich kann nur sagen: Elbphilharmonie, ick hör dir trapsen.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächste hat sich Frau Timmermann von der SPDFraktion gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einem Punkt, Herr Hackbusch, stimmen wir überein, und zwar darin, dass der Stimme des Rechnungshofs Gehör geschenkt werden muss. Das werden wir, der Senat und die Verwaltung tun, denn wir haben ein großes Interesse daran, mögliche Risiken so früh wie möglich zu erkennen und diesen auch zu begegnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich bedanke mich beim Rechnungshof – Herr Dr. Schulz sitzt dort oben –, ich bedanke mich für Ihre Arbeit. Sie sind Ihrer Aufgabe, die Chancen und Risiken für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Hamburg aufzuzeigen, nachgekommen. Nun geht es aber darum, die von Ihnen genannten Hinweise zu bewerten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Seit der Entscheidung im März wird seitens der zuständigen Stellen und vieler weiterer Akteure die Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele vorbereitet. Weit über 600 Einzelmaßnahmen werden erarbeitet. Die Vorgehensweise dabei ist sorgfältig und stufenweise angelegt, denn auch Planung kostet Geld. Ich bin mir sicher, Herr Hackbusch, Sie und Ihre Fraktion wären die Ersten, die bei einem höheren finanziellen Aufwand, den ich gleich noch ausführen möchte, aufschreien. Diesen höheren finanziellen Aufwand und auch das in der Pressemitteilung des Rechnungshofs beschriebene Dilemma möchte ich Ihnen gleich noch etwas verdeutlichen.

Eine frühzeitige Abstimmung dient der Klarheit darüber, ob Hamburg sich bewerben soll oder nicht.

Eine hohe Zustimmungsrate erhöht unsere Chancen. Im Falle einer Ablehnung wird vermieden, Geld für weitere und dann unnötige Planungen auszugeben. Es geht also darum, ein gutes Maß zwischen finanziellen Aufwendungen für genaue Planungen einerseits und andererseits dem Verzicht auf detaillierte Planungen, da diese hohe finanzielle Aufwendungen mit sich bringen. Der Senat geht mit diesem schwierigen Sachverhalt sehr verantwortungsvoll um. So werden immer wieder Abwägungen vorgenommen, welche Planung zu welchem Zeitpunkt angemessen ist.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Grundlage für all das ist das kostenstabile Bauen. Beispiele wie die Modernisierung des CCH verdeutlichen, dass die Planung der wesentliche Schritt ist und man hierfür finanzielle Aufwendungen betreiben muss, um dann sichere Zahlen und auch ein gutes Fortschreiten des Baus zu haben. Genau in diesem Dilemma bewegen wir uns, und ich glaube, der Senat zeigt, dass er sehr verantwortungsvoll damit umgeht.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE Aufgrund des dargestellten stufenweise differen- zierten Vorgehens spricht für uns nichts dagegen, das Referendum am 29. November durchzuführen. Zudem werden bis zu dem Zeitpunkt der Finanzre- port, auf den Sie nicht eingegangen sind, wie auch das Sport- und Trainingsstättenkonzept, der Masterplan für den Kleinen Grasbrook sowie das Mobilitätskonzept vorliegen und alle Ausschüsse damit befasst sein. Es hat einen breiten Beteili- gungs- und Informationsprozess gegeben. Die Bür- gerinnen und Bürger haben also die Möglichkeit, auf Grundlage einer Vielzahl von Informationen ih- re Entscheidung zu treffen. (Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich möchte auf einen weiteren Aspekt hinweisen, nämlich die Chancen. Wie lassen sich gelebte olympische Werte wie friedliches Miteinander und Toleranz in harter Währung ausdrücken? Wie berechnen wir den Wert von Hamburg als Modellstadt für Inklusion? Wie viel ist ein Sommermärchen 2024 für jeden in unserer Stadt wert? Die vom Rechnungshof angesprochenen Chancen müssen diese Werte zwangsläufig auslassen, denn sie sind nicht exakt zu beziffern – das soll gar keine Kritik sein. Das zieht einen weiteren Aspekt nach sich: Diese Werte zahlen sich erst in den kommenden Jahrzehnten aus. Sie werden vor allem für die kommenden Generationen erlebbar sein. Wenn aber der Rechnungshof schon die Zukunft bis 2024 für zum Teil ungewiss hält, wie sieht es dann erst mit den Folgejahren und -jahrzehnten aus, wo genau diese Werte und Chancen wirksam

(Norbert Hackbusch)

werden? Ein Finanzreport, aber auch ein Rechnungshofbericht kann diese Aspekte nicht abschließend und angemessen darstellen – das ist auch nicht deren Aufgabe. Aber als Politiker ist es unsere Aufgabe, die Zukunft zu gestalten, Chancen zu erkennen und diese auch zu nutzen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Aber dann soll- ten Sie auch aufs Geld achten!)

Daher stimmen Sie mit Ja am 29. November.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Timmermann. – Als Nächster hat Thomas Kreuzmann von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Fraktion DIE LINKE, vom heutigen Tag an gehe ich davon aus, dass Ihrer Anti-Olympia-Kampagne aus zweierlei Sicht die Luft ausgeht, und zwar so, dass die Luft zum 29. November hin nicht nur dünn ist, sondern Sie auch keine Argumente mehr haben – Punkt eins.

(Zurufe von Heike Sudmann und Mehmet Yildiz, beide DIE LINKE)

Mit der heutigen Veröffentlichung des Host-CityVertragsentwurfs vom IOC ist ganz deutlich geworden, auf welche Regularien die Bewerberstädte und die Host-City-Städte sich einlassen müssen. Dankenswerterweise hat der Rechnungshofbericht aufgeworfen, dass das noch eine offene Komponente ist, auf die man sich einlassen müsste. Dabei ist sehr klar definiert, worauf die Bewerberstädte sich einlassen müssen,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Risiko, Risiko, Risiko!)

Risiko? Nein.

nämlich auf Klauseln zur Antidiskriminierung, Klauseln zum Arbeitsrecht und Klauseln zur Medienfreiheit.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das sind Min- deststandards!)

Das sind Dinge, auf die sich die Bewerberstädte in ihrem Bewerbungsverfahren einlassen müssen.

Zum Zweiten steht darin auch ganz deutlich – Frau Sudmann, Sie können gern ans Mikrofon gehen. Ich warte noch auf das Präsidium.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Kreuzmann, das Präsidium ist schon da.

Wunderbar. Ich wartete nur auf die Glocke.

Aber Frau Sudmann steht jetzt am Mikrofon und fragt, ob sie eine Zwischenfrage stellen darf.

Nein. Vielen Dank, Herr Präsident.

Dann fahren Sie bitte fort.

Thomas Kreuzmann CDU (fortfahrend) : Zum Zweiten ist es seit heute vom IOC aus auch ganz klar – und das wird Ihre und zum großen Teil auch die Sorge des Rechnungshofs um die Finanzierung entkräften –, dass 1,7 Milliarden US-Dollar – und jeder, der schnell einen Währungsrechner aufmacht, wird feststellen, dass das 1,5 Milliarden Euro sind – in die Bewerberstadt fließen.