Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

In diesem Report wurden die Gesamtkosten, die mit dem Hafen zu tun haben, auf 1,3 Milliarden Euro beziffert. Aber die Diskrepanz zwischen diesen 200 Millionen Euro und 1,5 Milliarden Euro ist ein Beispiel dafür, auf was wir abheben. Diese Diskrepanzen müssen geklärt werden, aber sie werden nicht geklärt, und man darf, wie immer, diese Fragen nicht stellen. Dann wird man unterdrückt oder in einzelnen Diskussionen sogar mit der verbalen Keule, wir seien rechtsradikal, mundtot gemacht. Aber in keiner der Diskussionen ist sachlich auf diesen Punkt eingegangen worden.

(Zurufe von der SPD)

Wenn solche Dinge für die Bevölkerung nicht eindeutig geklärt werden, dann bleibt das eine Bauchentscheidung und keine Entscheidung, wie sie sein müsste, nämlich auf Fakten basierend und mit Sachverstand. Bei der Dimension, die wir besprechen – es geht um eine Investition in der Größe des Jahreshaushalts der Hansestadt –, muss es aber eine Sachentscheidung sein. Da wäre es fatal, mit dem nachvollziehbaren Hurra für Olympia loszustürmen und etwas anzufangen, das nachher in einer Katastrophe und vielleicht mit vielen Schulden endet. Das wollen Sie nicht, und das will auch die AfD nicht. Deswegen unsere kritische Position.

Warum dieser 29. November als Referendum? Hören Sie zu, ich stelle nicht das Referendum infrage, das betone ich, sonst wird es gleich wieder herumgedreht. Das Referendum ist natürlich eine klasse Sache, natürlich sollen die Bürger mit einbezogen werden, und das Votum der Bürger soll gelten. Zum Glück, denn die Zeiten von Ole von Beust, in der man Volksabstimmungen einfach negierte, sind vorbei. Und das ist gut so. Aber warum dieser künstliche Druck? Kein Vertrag, kein Gesetz, nichts zwingt uns zu diesem 29. November. Wir hätten uns in aller Ruhe mit den vorliegenden Zahlen befassen können, wir hätten sie prüfen lassen können, wir hätten Experten, die es dazu gibt, zu Rate ziehen können. Aber nein, es musste übers Knie gebrochen werden, jetzt muss die Entscheidung fallen, und das bei diesem Investitionsvolumen.

Hamburg hat noch nie ein so großes Rad gedreht und wird es vermutlich auf lange, lange Zeit nicht wieder. Keiner von Ihnen, die Sie hier sitzen, hat

(Olaf Duge)

jemals so ein Projekt durchgeführt. Keiner von Ihnen hat bisher schon einmal Olympia organisiert. Das muss man doch mit Bedacht machen. In künstlicher Eile passieren nur Fehler. Ein Finanzreport liegt vor, ein Bericht – das sind Worte, aber es ist keine Kosten-Nutzen-Analyse. Viele von Ihnen haben sehr viel mehr Ahnung von Wirtschaft als ich. Niemand von Ihnen würde in seinem Unternehmen ein Projekt beginnen, wenn nicht im Vorwege eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt worden wäre.

(André Trepoll CDU: Und trotzdem sagen Sie Ja!)

Nein, Herr Trepoll. Ich bin ziemlich kommod in meinen Reden, aber jetzt muss ich Ihnen einmal etwas sagen: Sie werfen der LINKEN Unsachlichkeit in ihrer Argumentation vor.

(Zuruf von Michael Kruse FDP)

Nun muss ich Ihnen auch Unsachlichkeit vorwerfen, denn Sie wissen ganz genau, und das wurde deutlich dargestellt, dass wir nichts gegen Olympia haben. Wir haben etwas gegen die Vorgehensweise des Übers-Knie-Brechens.

Deswegen habe ich im Referendum mit Nein zu Olympia gestimmt, weil ich auf dieser Datenlage, auf dieser Faktenbasis nicht mit Ja stimmen kann, aus Verantwortung für diese Stadt und aus Angst vor den Risiken, die uns erwachsen könnten, die nicht ausreichend geprüft worden sind. Nur darum geht es uns. Gegen Olympia mit all dem, was Frau Timmermann und andere ausgeführt haben, mit Paralympics und so weiter, kann niemand sehenden Auges etwas sagen. Das ist doch Quatsch.

(André Trepoll CDU: Also doch Ja!)

Es geht uns darum, dass Sie ein frohes Fest veranstalten könnten mit einem sehr bösen Erwachen, mit einem sehr großen Kater, und das wollen wir vermeiden. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angekommen.

Bevor wir zu den Debatten kommen, noch ein Programmhinweis in eigener Sache. Wir diskutieren nicht nur hier miteinander über Olympia, sondern wir sind gemeinsam in der Stadt unterwegs, um über Olympia zu diskutieren, unter anderem in den Schulen mit unserer "It's Your Choice"-Tour. Es gibt eine Reihe von Medien, die uns bei zahlreichen Terminen begleiten, unter anderem Hamburg 1. Heute Abend um 20.15 Uhr wird zum ersten Mal ein Zusammenschnitt mehrerer solcher Diskussionen zu sehen sein. 20.15 Uhr werden wir vielleicht nicht schaffen, aber die Wiederholung um

22.15 Uhr lege ich Ihnen ans Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir kommen zu unseren Debatten. Tagesordnungspunkt 21, Drucksache 21/1835, Senatsantrag: Weitere Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Vorlage des Entwurfs eines Hamburgischen Gesetzes über die Fortentwicklung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

[Senatsantrag: Weitere Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen Vorlage des Entwurfs eines Hamburgischen Gesetzes über die Fortentwicklung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (HmbFABQG) – Drs 21/1835 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wer wünscht hierzu das Wort? – Herr Schwieger, wünschen Sie das Wort? Dann bekommen Sie es.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch für die energische Nachfrage.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Die Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen ist neben dem Spracherwerb eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Landesanerkennungsgesetz vom Juni 2012 hat Hamburg die EU-Richtlinie vom September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen auf Landesebene umgesetzt. Es ist die Grundlage für den Rechtsanspruch auf Überprüfung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Hamburg. Sie dient der Minderung des Fachkräftemangels in der Bundesrepublik und auf dem Hamburger Arbeitsmarkt. Sie ist Bestandteil der Willkommenskultur für Menschen mit ausländischen Wurzeln, und sie leistet einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

(Beifall bei der SPD)

Der jetzt vom Senat vorgelegte Gesetzentwurf stellt einen weiteren Schritt in diesem Prozess dar. Mit der EU-Richtlinie 2013/55 werden die Verfahren zur Anerkennung von in anderen EU-Mitgliedsstaaten und EWR-Vertragsstaaten erworbenen beruflichen Qualifikationen in reglementierten Berufen angepasst und weiter vereinfacht. Die Mobilität

(Detlef Ehlebracht)

von beruflich Qualifizierten in der Europäischen Union soll damit erhöht werden. Dies findet die volle Unterstützung der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt müssen die Verfahrenserleichterungen im Anerkennungsverfahren auch auf landesrechtlich geregelte Berufe übertragen werden. Es sind Änderungen in verschiedenen Landesgesetzen notwendig. Dies soll in allen Bundesländern vergleichbar gestaltet sein, da es natürlich keine Rolle spielen darf, in welchem Bundesland eine Anerkennung erfolgt ist.

Bei der Senatsvorlage geht es um Folgendes: die Einführung der elektronischen Übermittlung von Anträgen und Unterlagen innerhalb der EU und der europäischen Wirtschaftsräume. Es geht um die Einrichtung eines einheitlichen Ansprechpartners für die Entgegennahme und Weitergabe von Anträgen und Unterlagen. Es geht um die Schaffung einer Grundlage, mit der die Regeln der EU für den europäischen Berufsausweis umgesetzt werden. Es geht um die Eröffnung der Möglichkeit des partiellen Zugangs zu reglementierten Berufen. Durch diese Änderungen werden ein vereinfachter Zugang und schnellere Verfahren ermöglicht. Die Hürden für den Wechsel von einem EU-Land in ein anderes sinken, und die Mobilität erhöht sich.

Aus Sicht der SPD-Fraktion ist die Erleichterung der Anerkennung von Berufsqualifikationen ein wichtiger Beitrag zur Integration, aber auch zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Wir unterstützen deshalb die weitere Verbesserung einer zügigen Integration qualifizierter Fachkräfte auf dem Hamburger Arbeitsmarkt.

Der Hamburger Senat hatte schon frühzeitig die hohe arbeitsmarktpolitische und vor allem integrationspolitische Bedeutung erkannt. Er hat eine unabhängige Beratungsform installiert, die eine intensive und fachlich fundierte Beratung ermöglicht. Mit dieser Zentralen Anlaufstelle Anerkennung besteht eine von den Anerkennungsstellen unabhängige Beratung. Dies wird derzeit über das Bundesprogramm "Integration durch Qualifizierung" und die Freie und Hansestadt Hamburg gefördert.

(Beifall bei der SPD und bei Martin Bill GRÜ- NE)

Die SPD-Fraktion wird für eine weitere Beratung der vorliegenden Senatsdrucksache und somit für eine Überweisung an den Sozialausschuss votieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächster erhält das Wort Herr Dr. Jens Wolf von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer kennt nicht die Beispiele des persischen Zahnarztes, der in Deutschland nicht in seinem Beruf arbeiten kann und deswegen Taxi fährt, oder des Krankenpflegers aus Brasilien, der Treppenhäuser reinigt? Ich selbst habe letztens im Taxi gesessen, und der Taxifahrer erzählte mir glaubhaft, dass er aus Ägypten komme, Elektroingenieur sei und seit Monaten versuche, eine Anerkennung seines Abschlusses zu bekommen, bis zu dem damaligen Datum vergeblich. Wir müssen dafür sorgen, dass solche Fälle zukünftig schneller und effizienter zu klären sind.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen doch, dass in Deutschland der formale Abschluss immer noch mehr wert ist als die vorhandene Kompetenz. Deswegen muss hier, anders als in den Niederlanden, wo dies sehr hemdsärmelig gehandhabt wird, der Gesetzgeber aktiv werden. Und das ist er auf Bundesebene seit 2012. Das war damals die schwarz-gelbe Regierung auf Bundesebene, die einzelnen Bundesländer sind dann sukzessive gefolgt.

Was wir bei der derzeitigen Diskussion über Einwanderung nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist Deutschlands massives demografisches Problem. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden Fachkräfte in den verschiedensten Bereichen fehlen, vor allem in sozialen und altenpflegerischen Berufen, bei der Kinderbetreuung, im Gesundheitswesen, aber auch bei den Ingenieuren. Als Gesellschaft werden wir immer älter, und vielleicht haben wir in einigen Jahren schon nicht mehr die Menschen, die der älter werdenden Gesellschaft helfen. Hier ist der Landesgesetzgeber gefordert, denn pflegerische Berufe fallen in die Landeskompetenz, ebenso wie Lehrer, Architekten und eben die vielbemühten Ingenieure.

Wir müssen das Thema auf unterschiedliche Weise angehen, und ein Element davon ist die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Auch wenn auf der linken Seite dieses Hauses das Thema Flüchtlinge teilweise als eine rein menschliche und soziale Aufgabe angesehen wird – und, nicht zu vergessen, vom Ersten Bürgermeister in seiner großartigen Regierungserklärung als ein Verwaltungsvollzugsproblem dargestellt wurde –, müssen wir doch einmal über die wirtschaftlichen Potenziale reden, die mit der Migration verbunden sind. Wenn Herr Dolzer jetzt aufpassen würde, dann würde er merken,

(Martin Dolzer DIE LINKE: Multitasking!)

dass gerade der Gedanke des Humankapitals verbreitet wird. Das können Sie dann gleich in Ihre Entgegnung einbauen.

Meine Damen und Herren! Menschen, die hierher kommen, dürfen nicht an dieser Hürde scheitern, dass ihr berufliches Wissen und ihre fachliche

(Jens-Peter Schwieger)

Qualifikation hier nicht formal anerkannt werden. Wir Deutschen sind nun einmal sehr formal, und deswegen müssen wir in diesem Bereich handeln.