Protokoll der Sitzung vom 02.03.2016

Als Nächstes erhält das Wort Franziska Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die erste gute Nachricht wurde schon genannt: Die Verlagerung des Bahnhofs bedeutet, dass der zweite Bauabschnitt des neuen Quartiers Mitte Altona kommt und damit 1 900 Wohneinheiten entstehen. Herr Kienscherf, Sie sagten 1 600, es sind 1 900.

(Dirk Kienscherf SPD: Im Ersten!)

Die zweite gute Nachricht ist, dass sich innerhalb der SPD-Fraktion anscheinend ein Sinneswandel

(Dirk Kienscherf)

vollzogen hat, was sich in der Form dieses Antrags widerspiegelt, den wir gern unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Denn noch Ende 2014 hat die SPD es in diesem Hause widerspruchslos hingenommen, dass die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Bezirksversammlung Altona antwortete, dass die Deutsche Bahn AG in ihrem Planungsprozess lediglich eine wirtschaftlich-funktionale Lösung erarbeiten wolle und einen städtebaulichen oder architektonischen Wettbewerb nicht für notwendig erachte. Durch diese Gleichgültigkeit wurden auch die eigenen Genossen in Altona verprellt – Frau Friederichs weiß es noch, sie war damals mit dabei –, die nämlich genau das Gegenteil in der Bezirksversammlung gefordert hatten.

(Martina Friederichs SPD: Wir schaffen ge- nau das, was wir im Bezirk gefordert haben!)

Mehr noch: Sie forderten damals sogar einen ökologischen Bahnhof, aber diese Altonaer Forderung scheint jetzt in der rot-grünen Koalition nicht mehr existent zu sein, jedenfalls geht sie aus dem vorliegenden Antrag nicht hervor.

Wie dem auch sei, mittlerweile scheint Konsens zu herrschen, dass ein Billigbahnhof die schlechteste Variante für die weitere Planung ist. Deshalb ist die Forderung nach einem internationalen Architekturwettbewerb hier nur konsequent. Bei jedem Bauvorhaben des ersten Bauabschnitts in der Mitte Altona ist ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt worden. Ich gehe davon aus, dass der zweite Bauabschnitt in gleicher Weise realisiert wird, denn dies hat sich im ersten bewährt. Und warum sollte das nun bei diesem Bahnhofsthema anders sein?

Genauso wichtig wird es aber auch sein, dass mit der Verlagerung des Fernbahnhofs das gesamte Umfeld als stadtentwicklungspolitisches Projekt begriffen wird, sonst landet der Bahnhof im Niemandsland. Ich glaube, da sind wir uns auch einig. Dabei geht es um die Schaffung einer modernen Infrastruktur in und um den Bahnhof. Die Deutsche Bahn möchte den neuen Bahnhof so einsetzen, dass dieser den Hauptbahnhof entlastet. Es ist also mit steigenden Fahrgastzahlen zu rechnen. Anders als bei der S-Bahn haben diese Fahrgäste hier jedoch längere Aufenthaltszeiten und damit andere Bedürfnisse. Damals waren sich die Antragunterstützer in der Bezirksversammlung Altona einig – und ich finde, darüber sollte auch hier Einigkeit herrschen –, dass bei allen Planungen rund um das Thema Angebote für die Fahrgäste kein weiteres Handelszentrum entstehen soll, das bereits bestehende Zentren in der Umgebung wirtschaftlich schädigen könnte.

Zwingend erforderlich ist neben den infrastrukturellen Maßnahmen aber auch ein umfassendes Konzept für die unterschiedlichen Verkehrswege zum Bahnhof hin. Werden diese nicht in einem verkehr

lichen Gesamtkonzept verankert, verwaist der neue Bahnhof und wird zu keinerlei Entlastung des Hauptbahnhofs führen.

Jetzt aber die spannende und entscheidende Frage am Ende: Es ist immer noch unklar, wer das, was über den Nullachtfünfzehn-Bahnhof hinausgeht, einschließlich der Kosten des Wettbewerbs zahlt und von welcher Summe hier überhaupt die Rede ist. Ich gehe davon aus, dass die Höhe dieser Kosten dem Senat schon bekannt ist, sonst gäbe es jetzt wohl kaum den Antrag der beiden Regierungsfraktionen beziehungsweise hätten sie diesen wahrscheinlich nicht in dieser Form stellen dürfen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Na, na, na!)

Hier fordern wir absolute Kostentransparenz. Bei einem solchen Projekt muss von vornherein gesagt werden, wie hoch die Kosten sind und wer diese Kosten trägt. Ansonsten hat dies nichts mit Transparenz zu tun und der Antrag ist ein Antrag für die Showbühne.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb unterstützen wir auch die Forderung aus dem Zusatzantrag der FDP-Fraktion, eine Kostenund Zeitplanung einzufordern. Ich verstehe, Herr Kienscherf, diesen vorgelegten Antrag der FDP keinesfalls so, dass verlangt würde, dass die Deutsche Bahn davon profitiere und deshalb alles, was on top gehe, selbst zu tragen habe.

Jetzt hat uns um 15 Uhr noch eine Pressemitteilung des Senats erreicht. Das ist schon ganz schön kurzfristig. Es geht dabei um einen Letter of Intent, der bereits Anfang Januar 2016 unterzeichnet worden ist und jetzt kurz vor so einer Debatte veröffentlicht wird. Mit Transparenz oder demokratischer Fairness hat das für mich nicht viel zu tun. Ich habe ihn überflogen und konnte sehen, dass man sich bei den Planungskosten einig ist – die trägt jeder selbst –, dass aber die Gesamtkosten wohl noch kritisch sind. Auch wenn wir alle ein gemeinsames Ziel haben, muss hier wohl noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. – Vielen Dank, und ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP)

Vielen Dank, Frau Grunwaldt. – Als Nächster hat das Wort Olaf Duge von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wichtig, dass wir dieses Thema der Stadtentwicklung hier debattieren, und ich finde es auch richtig, dies dann im Ausschuss weiter zu behandeln. Das hat nichts mit Show zu tun, sondern damit, dort die wichtigen Themen hinein

(Franziska Grunwaldt)

zutragen. Und dies ist eines der wichtigen Themen, weil es – neben der HafenCity und der Mitte Altona – eines der drei letzten großen Projekte der Stadtentwicklung betrifft.

Ich will es aus einer anderen Perspektive betrachten und fange mit dem Bahnhof Diebsteich an. Herr Kienscherf hat es völlig richtig beschrieben: Ich bin froh, dass ich dort nicht so häufig aus- und einsteigen muss. Es ist ein unwirklicher Ort. Auf der einen Seite hat man Gewerbe und den Friedhof und zur anderen Seite hat man auch Gewerbe, dort sind dann die Post und die Metro. Das ist wirklich kein Ort, an dem man sich unbedingt gern aufhalten möchte. Mit der Entscheidung der Deutschen Bahn AG – die wahrlich hat auf sich warten lassen, aber nun endlich doch getroffen worden ist – haben wir die Möglichkeit, an diesem Punkt einen städtebaulichen Impuls zu geben, der auch in den umliegenden Bereichen zu einer attraktiveren Stadtgestaltung führt und der mit einer Identität des Bahnhofs Aufenthaltsqualität schafft. Und deswegen darf dieser Bahnhof auch kein eher gewerblich-technisch-funktionaler Bahnhof werden, sondern er muss Ausstrahlung haben und Identität schaffen. Das ist wichtig, um Aufwertung zu erzeugen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin froh, dass das Ganze jetzt zügiger vorangeht, dass die Anhörungsverfahren in Planung sind und dass die Planung – das haben wir deutlich gemacht – viele Aspekte beinhaltet, die wir generell für wichtig halten. Inklusion, also die freie Zugänglichkeit der Wege der Bahnhöfe, und das leichte Umsteigen sind sehr wichtig. Und es ist auch verkehrstechnisch wichtig. Es ist einmal wichtig, weil wir damit natürlich den öffentlichen Verkehr stärken. Er wird leichter sein, der Hauptbahnhof wird entlastet, er wird schneller werden. Und wir haben eine Kombination von Mobilität vor Ort: Wir planen mit Carsharing, mit Radwegeverbindungen, mit StadtRAD-Stationen und Ähnlichem – ein Mobilitätsmix, der für die Zukunft dieser Stadt wegweisend sein wird und den wir auch an anderer Stelle schon haben.

Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, dass dieser Standort auch deswegen so attraktiv ist, weil wir mit dem Deckel der A 7 hinüber nach Bahrenfeld beziehungsweise nach der Rennbahn, wo wir weiteren Wohnungsbau planen, zu dem wir über den Holstenkamp die Verbindung herstellen können, eine schnelle Anbindung großer Wohngebiete an diesen Fernbahnhof schaffen. Auch das ist eine Qualität, die viele Menschen schätzen. Städtebauliche Entwicklung ist also hier eine Chance, und deswegen brauchen wir ein Vorbehaltsgebiet, das diese städtebauliche Entwicklung sichert und das für uns als Stadt die Planungsmöglichkeiten weiter schafft.

Man kann zusammenfassen: Diese Bahnhofsverlagerung hat einen wunderbaren Nutzen. Sie bietet nämlich auf der anderen Seite die Chance, jetzt genau das, was wir immer wieder geplant haben, die Mitte Altona, zu vollenden, mit Wohnungsbau – der dringend gebraucht wird – in großer Dimension und mit einer Grünverbindung nach Altona hinein. Das hat hohe Qualität. So kommen wir in dieser Verbindung zu etwas, das wir im Weiteren natürlich auch mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen planen wollen. Wir wollen informieren und gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächste erhält das Wort Heike Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kienscherf sprach davon, dass der neue Fernbahnhof Diebsteich attraktiv gemacht werden solle, damit er Fahrgäste gewinne. Wenn Sie einen Fernbahnhof planen müssten und Sie hätten die Auswahl, als Prognose 20 000 Fahrgäste täglich zu erreichen, oder den Fernbahnhof dort zu errichten, wo es täglich 100 000 Fahrgäste gibt, dann würden Sie, glaube ich, alle sagen: Es ist doch völlig logisch, ich gehe dorthin, wo es 100 000 Fahrgäste gibt. Diese 100 000 Fahrgäste hat der Bahnhof Altona an seinem jetzigen Standort. Von daher kann der Diebsteich nicht besser geeignet sein als der jetzige Bahnhof Altona. Wenn Sie sich den Bahnhof Altona anschauen, werden Sie feststellen, dass es dort zwei S-BahnLinien und einen Busbahnhof gibt, und vor allen Dingen, dass der Bahnhof Altona innerstädtisch sehr gut eingebettet ist. Herr Duge hat in seiner Pressemitteilung geschrieben:

"Der Bahnhof […] soll Aufenthalts- und nicht Weglaufqualität haben. Die Menschen sollen sich hier schlichtweg wohl fühlen."

Alles das, Herr Duge, haben Sie am jetzigen Fernbahnhof Altona, und das können Sie nicht wegdiskutieren und versuchen, mit der Stadtentwicklung zu begründen, die wir für die Mitte Altona brauchen, dass der Fernbahnhof Altona weg müsse. Es ist unlauter, wie Sie damit umgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bahn hat die Diskussion deswegen losgetreten, weil sie den Kopfbahnhof in Altona nicht so attraktiv findet. Wenn Sie sich die Bahnhöfe in Deutschland anschauen, werden Sie feststellen, dass es viele Kopfbahnhöfe gibt. Es gibt in München einen Kopfbahnhof, es gibt in Frankfurt einen Kopfbahnhof, es gibt in Leipzig einen Kopfbahnhof, und sie laufen alle gut. In Stuttgart wird er gerade aufgelöst. Stuttgart ist das Desaster, das Sie mahnen und dazu bringen sollte, bei der Bahn genau

(Olaf Duge)

nachzufragen, ob das finanziert ist. Werden sie es finanzieren? Wie wird das laufen? Auch dort also Vorsicht.

Aber der Kopfbahnhof ist nicht das Hauptproblem. Wenn Sie glauben, dass nur die LINKEN oder nur irgendwelche kleinen Initiativen über die Verlagerung meckern, möchte ich Sie auf einen Artikel in der "taz" vom Wochenende hinweisen, in dem Herr Dr. Gottfried Ilgmann, ein Mobilitätsexperte, der die Bundesregierung und die Bahn in Schienenbelangen berät, unter anderem sagt:

"Für die Bahn verspricht ein Fernbahnhof am Diebsteich eine schnelle und preiswerte Lösung. Alternativen wurden öffentlich nie erwogen."

Und genau damit hat er recht. Also schnell und preiswert, denn die Bahn spart sich das Geld, den Altonaer Bahnhof herzurichten, was sie schon lange hätte machen müssen, und die Alternativen sind nie diskutiert worden. Sie haben auch nie als Senat oder als Rot-Grün vor Ort eine Diskussion im Stadtteil geführt.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Lassen Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Kienscherf zu?

Natürlich. Immer.

Seit 15 Jahren fordert der Bezirk die Verlagerung des Bahnhofs. Warum hat denn seit 15 Jahren nicht der eine oder andere einmal gesagt, dass er dies nicht möchte? Das finde ich erstaunlich.

Herr Kienscherf, ich glaube, da ist in den 15 Jahren einiges an Ihnen vorübergegangen. Es gab verschiedene Anträge. Die Bezirksversammlung Altona wird nicht allein von der SPD gestellt, sondern sie besteht aus mehreren Fraktionen. Die LINKEN haben all die Jahre gefordert, dass der Fernbahnhof bleibt. Ich habe mir die Presseberichte ab 2010 angesehen. Dort finden Sie viele Presseartikel, in denen die LINKEN sagen, dieser Fernbahnhof müsse in Altona bleiben. Das mag an Ihnen vorbeigegangen sein, aber die Realität sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt zum Thema Stadtentwicklung. Es steht ganz außer Frage, dass sich die Mitte Altona im zweiten Bauabschnitt wesentlich leichter entwickeln lässt, wenn die Fernbahngleise weg sind. Aber auch dort haben Sie nicht geprüft, was wäre, wenn man die Fernbahngleise erhielte. Wir wissen alle, dass der Viadukt hinfällig ist. Er muss erneuert werden. Es

muss neue Maßnahmen geben, sodass die Quietschkurve weg ist. Und wir wissen auch, dass ein Bauen an einer Fernbahnstrecke möglich ist. Wir haben das in vielen Städten, auch in Hamburg; die Fernbahn läuft mitten durch Hamburg. Deswegen ist auch dort Ihre Argumentation nicht lauter.

Ich komme zu dem Antrag von Rot-Grün. Es ist schon enorm, dass Sie sich noch hinstellen, Herr Kienscherf, und sagen, es sei doch klasse, wir würden ihn nachträglich im Ausschuss beraten. Es ist kein parlamentarischer Vorgang, wie wir ihn uns als Opposition wünschen könnten,