Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen und wollen unterschiedliche Dinge. Deswegen ist es gut, dass es ergebnisoffen ist. Ich freue mich auf einen konstruktiven Prozess mit Ihnen und bin sehr gespannt, zu welchen Ergebnissen die Kommission letztendlich kommt. – Vielen Dank.

(Befall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nun bekommt Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reform der Lehrer- und Lehrerinnenausbildung ist notwendig. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Auch Ihre Idee, Frau von Treuenfels, eine Expertinnen- und Expertenkommission, wenn wir sie denn schon haben, zur Entwicklung dieser Reform möglichst breit aufzustellen, teilen wir. Allerdings halten wir es für relativ einseitig, welche Expertinnen und Experten Sie in dieser Kommission haben wollen. Wir hätten neben den von Ihnen genannten Verbänden, die sehr wirtschaftlich orientiert sind, zum Beispiel auch gern Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Da haben wir doch die Kammern!)

und Studierende dabei.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr interessant finde ich, dass bis jetzt viel über den Inhalt einer solchen Reform und nicht so viel über Ihren Antrag gesagt worden ist. Und wenn wir schon beim Inhalt der Reform sind, dann haben wir dazu noch ein paar andere Ideen. Grundsätzlich ist Schule ein Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Ausbildung. Wie Frau von Berg bereits gesagt hat, gibt es Herausforderungen, zum Beispiel Ganztag und Inklusion, die in dieser bereits bestehenden Expertinnen- und Expertenkommission diskutiert werden sollen. Das finden wir gut und richtig, dieser Prozess sollte weitergehen. Grundsätzlich ist es aber fraglich, ob

(Dr. Stefanie von Berg)

das in einer Expertinnen- und Expertenkommission besser aufgehoben ist als bei uns Fachpolitikerinnen und -politikern im direkten Austausch mit denjenigen, die in der Schule und in der Wissenschaft arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Grundsätzlich ist diese Reform nötig. Dabei müssen wir bedenken, dass die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung und dann auch die Stellen entsprechend gut ausfinanziert sind. Wir müssen uns auch Gedanken über den Bachelor-Master-Cut machen. Das steht sogar in Ihrem Koalitionsvertrag. Das muss auf jeden Fall in dieser Diskussion berücksichtigt werden, denn sonst erleiden wir letztendlich Schiffbruch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden die Idee, diese Kommission auszuweiten, wie gesagt richtig, aber nicht in der Form, wie Sie es vorgeschlagen haben. Deshalb werden wir dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Wenn Sie eine Überweisung an den Ausschuss haben möchten, können wir dem gern zustimmen; falls nicht, werden wir den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun bekommt Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen! Es war für mich schon etwas befremdlich, dass wir als Parlamentarier erst im Schulausschuss hörten, dass eine fünfköpfige Expertenkommission bereits zweimal zum Thema getagt hatte.

Natürlich würde ich Herrn Senator Rabe, wenn er da wäre, fragen, ob es ihm als Vertreter der Exekutive zustehe, sich eine Expertengruppe nach seinem Gusto zusammenzustellen. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn das wieder auf das Konto Gutsherrenart gebucht wird – leider kennen wir das mittlerweile von der SPD in dieser Stadt zur Genüge. Auch unserem gemeinschaftlichen Konsens, den Schulfrieden zu wahren, ist dieser Weg nicht sonderlich dienlich.

Aber zur Sache selbst: Der Einführung von zwei unterschiedlichen Studiengängen für Grundschulund Stadtteilschulen stimmen wir natürlich zu; das war überfällig. Nur die Zusammensetzung der Reformkommission ist in der Tat reformbedürftig, da hat Frau von Treuenfels recht. Es ist wichtig und schlüssig, dass von Beginn einer Lehrerausbildungsreform an alle an dem schulischen und nachschulischen Weg der Schüler beteiligten Akteure eingebunden werden. Neben der fachlichen Ausbildung müssen die angehenden Lehrer von Be

ginn des Studiums an in den für den Lehrerberuf erforderlichen Verhaltenskompetenzen ausgebildet und gefördert werden. Wer könnte hier bessere Empfehlungen und Impulse für die Ausbildung geben als gestandene Praktiker?

Sicherlich ist es auch der Sache dienlich, wenn bei der Verbandsherkunft der Lehrer paritätisch und umfassend vorgegangen wird und nicht nur die linke Sicht bedient wird, die in der Tradition von Einheitsschule und Kuschelpädagogik steht. Gerade der Deutsche Lehrerverband zum Beispiel zeichnet sich durch einen unideologischen und außerordentlich fachkompetenten Zugang zur Materie aus. Auch die Forderung der FDP nach einer Beteiligung von Vertretern der Handels- und Handwerkskammern in der Reformkommission ist zweckdienlich. Schließlich werden sich hoffentlich viele der Absolventen der Stadtteilschulen auf eine Lehrstelle in Handel und Handwerk bewerben. Schon heute müssen die Betriebe dabei die Versäumnisse der im Vergleich zu Sachsen und Bayern deutlich schlechteren Hamburger Bildungspolitik ausgleichen. Da wäre es mehr als hilfreich, insbesondere im Interesse der Schüler selbst, wenn die Wirtschaft sich mit ihrer Expertise einbringen kann.

Bei der schulischen Bildung im Bereich der ersten und mittleren Abschlüsse geht es jedoch nicht nur um Berufstauglichkeit und berufliche Verwendbarkeit von jungen Menschen für die Wirtschaft, sondern auch um eine Allgemeinbildung, die dem humboldtschen Bildungsideal in den verschiedensten Abstufungen gerecht wird. Dafür ist eine qualitativ hochwertige allgemeine und spezielle fachliche Ausbildung angehender Lehrer unerlässlich. Dieses Wissen kann nur in einem umfangreichen und dennoch vertiefenden Studiengang erworben werden. Eigentlich müssten deshalb neben den Praktikern und den Fachdidaktikern auch Professoren aller relevanten Fachrichtungen an einer Lehrerausbildungsreform mitwirken.

Auch wenn uns dieser Teil im Antrag der Kollegen von der FDP etwas zu kurz kommt, also etwas zu sehr und zu schmal auf die ökonomische Verwertbarkeit der Lerninhalte abgestellt wird, so ist der Antrag als solcher doch richtig. Die AfD-Fraktion wird daher dem Antrag der FDP in der Sache zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt nun die fraktionslose Abgeordnete Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lehrerausbildung ist eigentlich eine Aufgabe der Wissenschaftsbehörde. Das sieht offenkundig Frau Senatorin Fegebank anders, denn von ihr war bisher zu diesem Thema wenig zu hören. Heute habe ich verstanden, warum das so ist. In der Presseerklärung von

(Martin Dolzer)

Herrn Tjarks, "Ein Jahr Rot-Grün", steht als ganz großes Plus für die GRÜNE Fraktion, sie habe es geschafft, Ruhe in die Hochschullandschaft zu bringen. Nun weiß ich, warum sie so ruhig ist.

In einer Pressemitteilung macht der Schulsenator Herr Rabe allerdings in seiner bekannten Art auch gleich eindeutig klar, was das Ergebnis dieser Expertenkommission – beziehungsweise trotz und gerade wegen dieser Expertenkommission – sein soll. Wenn Sie, Frau von Berg, jetzt sagen, dem sei nicht so, dann freue ich mich, dass der Senator etwas dazugelernt hat und es vielleicht doch offen ist. Das werden wir im Auge behalten.

Ein Lehramt an Grundschulen und eines an Stadtteilschulen kann ich überhaupt nicht unterstützen. Wenn jetzt gesagt wird, in einem ersten Schritt solle nur ein Konzept vorgelegt werden, dann wissen wir ganz genau, dass mit Vorlage eines ersten Konzepts bereits Fakten geschaffen werden und es sehr schwer ist, davon wieder wegzukommen. Deshalb begrüße ich den Antrag der FDP, was das Verfahren anbetrifft.

Dass Praktiker einbezogen werden müssen, ist im Grunde auch das Ergebnis der kontroversen Diskussion, die wir im Ausschuss geführt haben; deshalb finde ich das sehr schön. Ich begrüße auch, dass die Lehrergewerkschaften in die Expertenkommission aufgenommen werden sollen – das versteht sich eigentlich von selbst. Warum ein sozialdemokratischer Schulsenator nicht auf diese Idee gekommen ist, ist mir ein Rätsel.

Ich kann der FDP auch darin folgen, dass die Handwerkskammer und die Handelskammer einbezogen werden sollten. Warum allerdings zusätzlich noch die Arbeitgeberverbände dort vertreten sein sollen, vermag ich wirklich nicht nachzuvollziehen.

Frau Hennies hat angeregt, sich einmal die anderen Bundesländer anzusehen. Das tun wir jetzt einmal: In Berlin wurde 2012 eine Expertenkommission Lehrerbildung unter dem PISA-Forscher Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung eingesetzt, und er hat ein gemeinsames Lehramt für Sekundarschulen und Gymnasien empfohlen, das dort jetzt auch umgesetzt wird. Ähnlich ist es in Bremen und auch in Hamburg. Interessant ist es in Schleswig-Holstein, da ist die uns allen bekannte Britta Ernst Kultusministerin. Dort ist ein Stufenlehrer eingeführt worden und dort ist auch die Lehrerausbildung zusammengelegt worden. Ich zitiere dazu einmal aus der "News4teachers":

"Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte die Bildung zu einem Schwerpunkt seiner Regierung erklärt. Nach der Einführung des zweigliedrigen Schulsystems bestehend aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, die

auch zum Abitur führen können, sollte dem auch die Lehrerausbildung folgen."

Und so steht es auch in einem Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung der GRÜNEN:

"Neben den drei Lehrämtern für Grundschulen, Sonderschulen und Berufsschulen sollte es ein Lehramt geben für Sekundarstufe und Sekundarstufe II."

Die FDP sieht darin die Einführung der Einheitsschule und die fürchtet sie wie der Teufel das Weihwasser.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Aber alle zuvor genannten Bundesländer haben genau wie Hamburg das Zweisäulensystem und alle sagen, wenn beide Säulen zum Abitur führen, dann müsse man auch die Lehrerausbildung auf das Niveau der Gymnasialbildung anheben und sich für ein einheitliches Lehramt einsetzen. Und was ebenfalls wichtig ist: Sie müssen auch gleich bezahlt werden. Dann sind es auch gleichwertige Säulen.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Aber genau das will Herr Rabe nicht. Die Begründungen sind folgende: Erstens sei die Gymnasiallehrerausbildung – ich zitiere –

"[…] mit hoher Fachlichkeit verbunden."

Und zweitens sagt er, Stadtteilschullehrer müssten in der Lage sein, mit sehr unterschiedlichen Schülern zurechtzukommen. Erstens stimmt es so nicht, denn auch in den Gymnasien gibt es Heterogenität in zunehmendem Maße, und auch dort ist Fachlichkeit gefordert. Im Koalitionsvertrag liest sich das noch ganz anders, und ich kann nicht sehen, dass das, was jetzt vorgelegt worden ist, eine Umsetzung des Koalitionsvertrags ist. Dort ist nämlich von der größeren Bedeutung der Fachlichkeit und der Fachdidaktik die Rede. Und im "Hamburger Abendblatt" hat Senator Rabe erklärt – ich zitiere –:

"Man darf Pädagogik und Fachlichkeit nicht gegeneinander ausspielen."

Das sollte er dann auch nicht tun, um einer weiteren Spaltung zwischen Stadtteilschule und Gymnasium entgegenzuwirken. Wir brauchen ein gemeinsames Lehramt für Stadtteilschulen und Gymnasien. – Danke schön.

(Beifall bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt nun der fraktionslose Abgeordnete Herr Dr. Flocken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Die

(Dora Heyenn)

pädagogische Wissenschaft und Lehre steht heute dort, wo die medizinische Wissenschaft und Lehre vor den preußischen Reformen stand. Die medizinischen Fakultäten waren damals Elfenbeintürme für Professoren und Studenten ohne Patientenkontakt. Begründung: Die reine Lehre, die galenische Lehre kann nur vertreten, wer nicht in die Niederungen der Praxis hinabsteigen muss. Vor 200 Jahren war dann Schluss damit. Unikliniken entstanden, und Studenten in den klinischen Fächern kann seitdem nur unterrichten, wer auch Patienten behandelt. Flugs entwickelte sich die Medizin in Deutschland und dort, wo es ähnliche Entwicklungen gab, namentlich in England und Frankreich, nicht jedoch in den Ländern, die bei dem mittelalterlichen System blieben.