Protokoll der Sitzung vom 15.06.2016

Handwerksbetriebe, Gewerbebetriebe, kleinere Hotels und Sportanlagen erlaubt.

(Glocke)

(Vizepräsidentin Antje Möller)

(unterbrechend) : Frau Stöver, einen Moment bitte. Ich versuche Ihnen gerade ein bisschen mehr Raum und Interesse für Ihre Debatte zu verschaffen.

(Beifall bei Jörg Hamann CDU)

Es gibt sehr viele Murmelrunden hier und vielleicht können wir das einmal einstellen.

Also Herr Kienscherf ist da sehr massiv. Offensichtlich kennt er die Pläne des Senats und er begrüßt sie auch.

(Dirk Kienscherf SPD: Ich kenne nur Kitas und Sporteinrichtungen!)

Die Koalitionsfraktionen haben einen Zusatzantrag gestellt und daraus wird dieses auch sehr deutlich. Aber es ist nicht immer richtig, vermeintlich alte Zöpfe abzuschneiden. Der damalige Plangeber der Baustufenpläne hat aus gutem Grund die besonders geschützten Wohngebiete vom Wohnen nach Polizeiverordnung abgegrenzt. – Nun geht Herr Kienscherf, das ist aber schade. – Dieses heute auch noch sinnvolle Anliegen sollte der Senat respektieren. Stadtplanerische Ziele auf Biegen und Brechen durchzusetzen, ist kein Umgang mit diesen wertvollen Quartieren.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Absicht, das bewährte Baustufenplanrecht zu verändern, übergeht der rot-grüne Senat zudem ganz klar die Kompetenzen und Zuständigkeiten der Bezirke. Die Regierungsfraktionen benennen es in ihrem eilends zurechtgezimmerten Zusatzantrag auch selbst: Das Wissen um die lokalen Eigenarten und den Bürgerwillen haben die Bezirke. Richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und GRÜNEN, das sehen wir genauso.

(Dirk Kienscherf SPD: Da haben wir schon etwas gemeinsam!)

Aber im selben Atemzug sagen Sie, sobald es allgemein gesprochen um das gesamtstädtische Interesse gehe, könne man die Bezirke einfach entmündigen. Mit solchen hohlen Floskeln geht es natürlich immer und nach Belieben. Das nennt man wiederum Regieren nach Gutsherrenart und das sogar an den eigenen Genossen vorbei.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Das hatten wir schon!)

Scheinheilig ist auch die Begründung im Zusatzantrag der Regierungsfraktionen: Demzufolge wolle man mit dem Verfahren zur Änderung des Planrechts die Bezirke entlasten, damit sie sich mehr auf Wohnungsbaupläne konzentrieren können. Scheinheilig ist das.

(Dirk Kienscherf SPD: Nein!)

Erst wird sich standhaft geweigert, die Bezirke personell besser auszustatten,

(Dirk Kienscherf SPD: Das machen wir doch!)

damit sie dem verstärkten Wohnungsbau Herr werden, und dann heißt es in Ihrem Antrag, man wolle den Bezirken die Kompetenzen wegnehmen, da bei diesen die Ressourcen nicht ausreichen würden. Scheinheilig hoch drei nenne ich das.

(Beifall bei der CDU)

Entscheidungen müssen dort gefällt werden, wo die Kompetenzen und das Wissen um die Eigenarten sind; das nennt man Subsidiarität. Ich kann Sie nur dazu aufrufen, lieber die Bezirke personell besser auszustatten, statt sie in ihren Kompetenzen zu beschneiden.

Eine Teiländerung der Baustufenpläne in reines Wohnen berührt aber auch das Eigentum der Bürger. Es berührt auch ihr Vertrauen. Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind das, was sich der Bürger von der Regierung wünscht. Tiefgreifende Veränderungen in die Eigentumsrechte sollten sehr gut begründet werden. Fragt man den Senat jedoch nach dem Anlass und nach der Begründung für diese geplanten Änderungen, weicht er erst einmal aus. Dazu kam erst keine Aussage und dann sagte er, die Baustufenpläne sollten effizienter und moderner gestaltet werden, eben alte Zöpfe abschneiden. Aber nachdem der Senat nicht so richtig mit der Sprache herausrücken wollte, ist der Zusatzantrag der Koalition nun wirklich entlarvend. Flüchtlingsunterkünfte sollen dort gebaut werden, und jeder Hamburger, der eins und eins zusammenrechnen kann, dachte sofort an den vor Gericht gescheiterten Plan des Senats, an den Sophienterrassen ein Flüchtlingsheim zu errichten. Grund für das Scheitern: Es handelt sich hierbei um ein besonders geschütztes Wohngebiet.

(Beifall bei Jörg Hamann CDU – Uwe Loh- mann SPD: Genau!)

Koalition und Senat akzeptieren Gerichtsurteile nicht und suchen Wege, diese zu umgehen. Damit verlieren Senat und Koalitionsfraktion massiv an Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Der Senat will sich die notwendige Beinfreiheit für seine rücksichtslose und visionslose Stadtplanung verschaffen und dabei steht der Bürger halt nur im Wege. Die Abkehr vom Bürger versuchen die Regierungsfraktionen wieder mit einem welken Feigenblatt zu versehen. In Ihrem Zusatzantrag fordern Sie, dass in dem Verfahren zur Änderung des Planrechts der Baustufenpläne eine öffentliche Plandiskussion pro Bezirk veranstaltet wird. Das war nicht immer so, denn der rot-grüne Senat wollte diese Bürgerbeteiligung in einer zentralen Veranstaltung durchführen, obwohl offensichtlich bezirkliche Belange betroffen waren. Die traurige Bilanz von rot-grüner

Bürgernähe: In jedem Bezirk darf jetzt noch einmal diskutiert werden, bevor der Senat die besonders geschützten Wohngebiete plattmacht. Ich kann Sie nur auffordern – auch Frau Senatorin, vielleicht erklären Sie sich noch einmal dazu –, Ihren Ansatz noch einmal zu überdenken. Regieren nach Gutsherrenart will in Hamburg niemand. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Von der SPD-Fraktion bekommt nun Herr Lohmann das Wort.

Tja, tja.

(Ksenija Bekeris SPD: Ja, tja, genau!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Stöver, Sie haben das mit den alten Zöpfen angesprochen. Man muss schon ganz schön tief in die Historie gehen, denn die Baupolizeiverordnung wurde im Jahr 1938 erlassen. Dann kann man ein Stück weitergehen, erst oder vielleicht schon 1960 wurde das Planrecht bundesweit einheitlich geregelt, 1962 folgte die erste Baunutzungsverordnung. Seither wurden nur noch reine Wohngebiete oder allgemeine Wohngebiete nach Paragraf 4 Baubenutzungsverordnung ausgewiesen.

Ziel der Senatsinitiative ist es, das alte Baustufenplanrecht, und das ist ja nun wirklich sehr alt, an die aktuelle Baunutzungsverordnung anzupassen. Dabei geht es lediglich um eine Änderung der zusätzlichen Nutzungen in den Wohngebieten. Alle übrigen Regelungen, insbesondere der baulichen Nutzung und zur Bauweise, bleiben unverändert. Wer sich an den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts orientiert und die Ermöglichung von zum Beispiel Kitas, auch größeren Kitas, kleineren Läden, Handwerksbetrieben, die immerhin Arbeitsplätze bringen, und Sportanlagen, die dem Bedarf der Anwohner in dem Gebiet dienen müssen, sowie Pflegeheimen und natürlich auch Flüchtlingsunterkünften als nicht vertretbare tiefgreifende Veränderung der betroffenen Wohngebiete betrachtet, der verkennt die Notwendigkeiten einer modernen Stadtgesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Hamburg ist eine Millionenmetropole und eine stetig wachsende Stadt. Stadtteile ändern sich in ihrer Altersstruktur und da wird dann einmal zusätzlich eine auch größere Kita benötigt oder die Menschen werden älter und benötigen eine Senioreneinrichtung. Lange Planverfahren in Othmarschen zur Genehmigung einer Kita oder die Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse – Sie haben es angesprochen – sind Beispiele, wie zäh derartige Nutzungsänderungen innerhalb eines dicht besiedelten Gebietes einer Millionenmetropole im 21. Jahrhundert sein können.

Sie behaupten in Ihrem Antrag, und das haben Sie eben auch so schön dargestellt, dass der Senat die Beteiligung der Bezirke aushebelt. Natürlich sind die Bezirke auch weiterhin für die Aufstellung von Bebauungsplänen zuständig. Das ist auch richtig so, denn die Bezirke wissen am besten, wie es lokal aussieht, und sie stellen den lokalen Bezug zum Bürgerwillen dar. Nur Bauvorhaben von gesamtstädtischem Interesse und stadtweiter Bedeutung können von der BSW angegangen werden. Alle sieben Bezirksämter hatten ausreichend Zeit, sich zu den geplanten Änderungen zu äußern. Keines der sieben Bezirksämter hat Einwände gegen das vorgeschlagene Verfahren erhoben.

(Jörg Hamann CDU: Das ist keine Überra- schung!)

Das haben Sie eben ein bisschen anders dargestellt. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen hat vor der Einleitung der Änderungsverfahren mit allen Stadtplanungsabteilungen der Bezirksämter die Verfahren erörtert und natürlich wird alles gemäß den Verfahrensvorschriften des Baugesetzbuches durchgeführt. Das Bebauungsplanverfahren erfolgt unter Beteiligung der Fachbehörden, der Bezirksämter, der Kommission für Stadtentwicklung, der bezirklichen Gremien und der Öffentlichkeit. Alle Beteiligungsinstrumente werden also in vollem Umfang umgesetzt.

Lassen Sie mich zum Thema Bürgerbeteiligung noch etwas sagen. Sie kommen in Ihrem Antrag einmal wieder schön damit um die Ecke, der Senat möchte den Bürgerwillen umgehen und versucht die Bürgerbeteiligung auszuschalten.

(Jörg Hamann CDU: So ist das!)

Einfach zwei Punkte zum Thema Bürgerbeteiligung. An vielen Stellen in dieser Stadt ist man kurz davor oder hat sich schon mit Initiativen wie in Neugraben darüber geeinigt, wie es mit den Wohnungen für Flüchtlinge in den Stadtteilen aussehen soll. Gestern, das haben wir eben in der Debatte gehört, wurde sich mit der Initiative Guter Ganztag geeinigt. Bürgerbeteiligung wird von SPD und GRÜNEN sehr ernst genommen und ist bei SPD und GRÜNEN in sehr guten Händen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke und Farid Müller, beide GRÜNE)

Und dann wird es schon geradezu lächerlich, wenn Sie in Ihrem Antrag von Aushebeln sprechen.

(Birgit Stöver CDU und Dennis Thering CDU: Das ist lächerlich!)

Ich zitiere, weil es so schön passt, zu einem wesentlichen Teilbereich, warum man das eigentlich ändern muss, aus dem "Alster-Anzeiger" – Zitatanfang –:

"Die besonders geschützten Wohngebiete machen gerade einmal 1,6 Prozent des

(Birgit Stöver)

Hamburger Stadtgebietes aus. Aber auch diese Gebiete, in denen Bürger mit hohem Bildungsgrad leben, müssen ihren Beitrag leisten."

Ich bin immer noch im Zitat.

"Alle fordern vom Senat die Etablierung von kleinen Einrichtungen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sein sollen, damit Integration gelingen kann. Wer diese Forderung stellt, kann die besonders geschützten Wohngebiete nicht ausnehmen. Und da wäre man wieder bei dem Thema der Rechtsangleichung."

Zitatende.