Protokoll der Sitzung vom 16.06.2016

Helfen Sie auch mit, neue Flächen in dieser Stadt zu finden. Wir brauchen mehr Flächen. Deswegen geht es nicht darum, immer nur herumzumäkeln, sondern es sind neue Wege in der Wohnungspolitik zu gehen, und das wollen wir mit unserem Hamburger Effizienzwohnungsbau.

(Beifall bei der SPD)

Diese Reflexe nach dem Motto, man könne günstigen Wohnungsbau in Hamburg nur dann realisieren, wenn es weniger Auflagen zum Klimaschutz gebe, sind Blödsinn. Das haben viele Untersuchungen bewiesen. Wir kennen auch andere Städte, wie München oder Berlin, in denen das funktioniert. Mit Klimaschutz, mit nachhaltigem, effizienten Wohnungsbau kann man Wohnungsmieten in Höhe von 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter hinbekommen. Das muss unser Ziel sein.

Deswegen sage ich: Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten. Das wird kein leichtes Vorhaben sein, aber ein Vorhaben, das dazu führt, dass breite Schichten der Bevölkerung endlich eine Neubauwohnung bekommen. Von daher appelliere ich an Sie: Helfen Sie mit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Stöver von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kienscherf, eine engagierte Rede? Ihre Fraktion war offensichtlich nicht so überzeugt, jedenfalls

(Dirk Kienscherf)

nicht so enthusiastisch, wie es sonst der Fall war beim Applaus. Ehrlich gesagt hätte ich von Ihnen etwas deutlich Konkreteres erwartet.

(Jörg Hamann CDU: Er hat doch nichts!)

Nun haben Sie im Antrag geschrieben, "Hamburger Effizienzwohnungsbau", und ich habe gedacht, wow, was für ein Wort. Dann ist im Text auch noch die Rede vom "kostenoptimierten Effizienzwohnungsbau". Offensichtlich suchen SPD und GRÜNE nach wie vor nach innovativen Konzepten für bezahlbaren Wohnungsbau. Das ist folgerichtig und das müssen wir alle gemeinsam angehen. Aber lassen Sie mich meine Einschätzung gleich vorwegnehmen. Der sogenannte kostenoptimierte Wohnungsbau ist nicht das innovative Konzept, das trägt. Das ist keine Lösung für Hamburg. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie müssen weitersuchen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das ein Teil des Bündnisses für das Wohnen ist, dann muss ich dazu sagen, dass wir eh schon das Gefühl hatten, dass das Bündnis für das Wohnen auf tönernen Füßen steht. Damit bestätigen Sie dieses nur noch. Das ist ein Bündnis für das Wohnen light, hinter dem die Player, die es notwendig machen, in Hamburg Wohnungsbau zu schaffen, überhaupt nicht stehen. Hunderttausende Wohnungen sind nicht vertreten durch das Bündnis für das Wohnen.

(Beifall bei der CDU)

Hilfsangebote und Unterstützungsangebote, die Architektenkammer gehört mit dazu, aber auch der VNW, gibt es überall. Darüber sollten wir noch einmal im Ausschuss reden. Ich habe eben schon beschlossen,

(Milan Pein SPD: Ach, das haben Sie be- schlossen?)

dass auch wir unseren Antrag an den Ausschuss überweisen wollen. Frau Präsidentin, wir beantragen die Überweisung unseres Antrages an den Ausschuss.

Aber ich möchte auch gern etwas auf Ihren Antrag eingehen. Dem Antrag merkt man sehr deutlich an, dass er eine Zusammenfassung, ein Potpourri von allen Maßnahmen und Forderungen von SPD und GRÜNEN ist. Diese Forderungen und Maßnahmen sind einfach nicht miteinander kompatibel. Das ist kein ausgewogenes Ganzes, sondern nur eine Zusammenstellung von Tatsachen.

Auf der einen Seite wollen Sie die Bauwirtschaft zwingen, für 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter Wohnungen herzustellen. Auf der anderen Seite steigern Sie die Baukosten mit Gründach und mit überzogenen energetischen Standards, die noch über das gesetzliche Maß hinausgehen sollen, wirklich immens. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Die resultierende Wohnungsform in Ihrem Antrag beschreibt dann also eventuell so etwas wie Holzplattenbau mit Gründach. Ihr Bürgermeister sagt dazu Systembau. Frau Senatorin, vielleicht können Sie in Vertretung von Herrn Scholz noch einmal erläutern, was Sie eigentlich unter Systembau verstehen. Solchen Wohnungsbau will in Hamburg keiner.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Milan Pein SPD: So ein Quatsch!)

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass die Anforderungen und Maßstäbe an die Bauwirtschaft dermaßen überzogen, realitätsfern und in der Konsequenz eine Gefahr für die Architektur und den Städtebau der Stadt sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Diskussion dieses Antrags bei uns in der Fraktion hat die CDU auf den Plan gerufen. Wir haben einfach einen Zusatzantrag erstellt. Wir haben die für die Bauwirtschaft schädlichen Elemente der GRÜNEN herausgestrichen und die durchaus brauchbaren Ansätze der SPD genommen und in einen Zusatzantrag gegossen. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie müssten eigentlich unseren Antrag zur Überweisung auf jeden Fall als Diskussionsgrundlage an den Ausschuss überweisen. Sie müssten auch einmal darüber nachdenken, ob die Forderung Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der Koalition wirklich das Richtige für die Wohnungsbauwirtschaft ist. Denn der Ansatz ist per se richtig. In dem wichtigen Segment der Wohnungen mit der Nettokaltmiete in Höhe von 8 bis 9 Euro müssen Anreize dafür geschaffen werden, dass hier vermehrt gebaut wird. Wir haben schon den sozialen Wohnungsbau, der auch erster Förderweg genannt wird. Und der zweite Förderweg, den es ja schon gibt, ist das Segment in Höhe von 8 bis 9 Euro. In diesem Segment liegen die Mieten bei 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter. Dieser Förderweg wird im Moment unzureichend genutzt. Das heißt, da müssen wir ran. Wir fordern in unserem Zusatzantrag, die Anpassung aller bestehenden Fördermaßnahmen im Wohnungsbau an die aktuelle Baukostenentwicklung vorzunehmen. Dazu gehören auch Elemente, die im SPD-Antrag enthalten sind, nämlich die Anpassung der Verfahren und Vergabe städtischer Baugrundstücke, die Anpassung der Bauplanungsabläufe – das hat Herr Kienscherf alles schon genannt – mit dem Ziel der zeitlichen Verkürzung sowie die Verkürzung der Baugenehmigungsabläufe.

Wenn der Senat es mit der Umsetzung der Bearbeitung von mehr Bauanträgen ernst meint, muss er allerdings erst einmal mehr Personal in den entsprechenden Fachämtern in den Bezirksämtern aufstocken,

(Dirk Kienscherf SPD: Machen wir doch!)

so wie es die CDU seit Monaten in ihrem Antrag fordert.

(Beifall bei der CDU)

Wir plädieren weiterhin dafür, dass das Instrument des zweiten Förderwegs attraktiver gestaltet wird, sodass Investoren bereit sind, vermehrt Wohnungen in diesem Preissegment zu erstellen. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit die Erhöhung einer Einkommensgrenze im zweiten Förderweg zum Erfolg führen kann.

Hinsichtlich der energetischen Standards – das habe ich schon ausgeführt – ist die CDU dafür, keine Forderungen über das gesetzliche Maß hinaus an die Bauwirtschaft zu stellen. Alles andere ist in unseren Augen maßlos und behindert den Wohnungsbau unnötig. Für eine wirksame Baukostensenkung ist es uns im Gegenteil wichtig, über die Einrichtung einer Öffnungsklausel für Ballungszentren und Stadtstaaten nachzudenken, um die Senkung energetischer Standards übergangsweise zu erwirken.

Wir sind, denke ich, in guter Gesellschaft. Die Architektenkammer hat heute prominent im "Hamburger Abendblatt" kundgetan, dass sie in Sorge ist. Auch andere Hamburger Player unterstützen das. Ich wiederhole noch einmal, dass Holzplattenbauweise mit Gründach in Hamburg keiner will. Lassen Sie es nicht zu, dass der Wohnungsbau zulasten von Architektur und Städtebau geht.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Duge von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Stöver, leider habe ich das bestätigt bekommen, was ich nach dem Antrag schon befürchtet hatte, dass nämlich die Stadtentwicklungspolitik der CDU von Hilflosigkeit gekennzeichnet ist. Sie wissen nicht weiter. Sie machen keine eigenen Vorschläge, sondern hängen sich an den Sachen auf, die bisher da sind, und ignorieren dabei, dass in der Stadt sich eine Entwicklung anbahnt, in der eine Schere entsteht zwischen den preiswerten Wohnungen, die wir im geförderten Wohnungsbau auf 3 000 aufstocken, und den Wohnungsbaukosten im frei finanzierten Wohnungsbau mit Kaltmieten in Höhe von 12, 13, 14 und noch mehr Euro pro Quadratmeter. Das nur auf die energetischen Standards zu schieben ist ein völliger Fehlgriff. Ich erinnere an den Wohnungsbautag in Berlin, wo der Chef des Bundeskanzleramts, Herr Altmaier, speziell darauf eingegangen ist. Er sagt, die energetische Frage sei eine klimapolitische Frage, die für die Zukunft sehr wichtig ist.

Wenn wir uns einmal vergegenwärtigen, was wir in letzter Zeit hier erlebt haben, beispielsweise Stark

regenereignisse, Windhosen, die Dächer abgedeckt haben, dann sind das die Folgen des Klimawandels. Und Sie fordern, keine Gründächer zu machen. Ihnen ist gar nicht bewusst, dass Gründächer gerade in einer Stadt, in der wir zunehmend Verdichtungen haben, bis zu 50 Prozent der Regenwassermengen abhalten und notwendig sind in einer Stadt, in der zunehmend mit solchen Regenereignissen zu rechnen ist. Sie gehen an der Realität vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, dass der Antrag, der hier eingebracht worden ist, sehr innovativ ist,

(Jörg Hamann CDU: Was ist denn daran in- novativ? Wenn Sie das für neu halten, ha- ben Sie keine Ahnung!)

indem eine dritte Säule mit 8 bis 9 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter errichtet wird und die Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die längst in anderen Produktbereichen ergriffen werden.

Typisierung und Standardisierung sind, wie Herr Kienscherf richtig sagte, kein Teufelszeug, sondern ein Weg, um Planungszeiten zu verkürzen, Genehmigungspraxis zu beschleunigen und nicht zuletzt auch die Realisierung. Die Logistik wird vereinfacht, Leer- und Rüstzeiten und damit letztlich auch Kostentreiber werden abgebaut.

(Jörg Hamann CDU: Erzählen Sie mal was Substanzielles!)

Um das etwas zu belegen – Herr Hamann, hören Sie gut zu –, greife ich auf eine hochinteressante Untersuchung der BSW aus dem Jahre 2013 zurück. Auf Grundlage der Daten der Investitionsund Förderbank wurden die Baukosten untersucht. Interessanterweise gibt es Firmen, die 2013 den Quadratmeter für 2 000 Euro im KfW-40-Standard herstellen konnten. Es gab aber auch Unternehmen, die den KfW-70-Standard für 3 000 und noch mehr Euro hergestellt haben. Das heißt, es gibt sehr deutliche Unterschiede. Die einen können es und die anderen können es nicht. Wir wollen, dass das mehr können. Es soll ein lernender Prozess sein, der eingeleitet und fortgesetzt wird. Aber für Lernen haben Sie offenbar nicht viel übrig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie sich einmal die Ergebnisse der Baukostenkommission des Bundes vor Augen führen,

(Jörg Hamann CDU: Ja, Herr Lehrer!)

finden Sie im Ergebnis etwas, das zur Reduzierung der Baukosten hervorgehoben wird. Es sind vier Spiegelstriche. Erstens: Gestaltung des Baukörpers, Grundrisse. Das steht auch in unserem Antrag. Zweitens: Konstruktion im Hinblick auf Industrialisierung; das sind die Typisierung, Standardisierung. Drittens: Prozessqualität im Hinblick auf integrierte Planungsprozesse und Optimierung der

(Birgit Stöver)

Bauphase und Lebenszyklusbetrachtung. Wo ist da bitte die energetische Sache als treibendes oder einsparendes Element? Das ist einfach nicht dabei. Es geht an Ihnen selbst vorbei.