Protokoll der Sitzung vom 16.06.2016

Großstadtpolitik, liebe CDU, geht wirklich anders. Bei Ihnen herrscht Stillstand. Sie wollen weiterhin alte Zöpfe pflegen, wie wir gestern ausdrücklich von Ihnen gehört haben. Ihre Verkehrspolitik, Fahrradpolitik, Klimapolitik, Mietenpolitik ist zurückgewandt. Alles ist bei Ihnen stehen geblieben. Erst gestern haben wir gehört, dass Sie 80 Jahre altes Baurecht weiterhin aufrechterhalten wollen. Das ist unmöglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Liebe CDU, jung, dynamisch und weiblich, also das kann man nun wirklich nicht sagen und Sie müssen sich einmal überlegen, ob das wirklich zu Ihnen passt. Ich glaube, Sie sollten einmal andere Attribute hinzufügen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen, dass unser Antrag innovativ ist; auf das sind Sie nicht gekommen. Ich glaube, es ist der richtige Weg, den wir gehen. Es ist der richtige Weg, um bezahlbaren Wohnungsbau und Klimapolitik zusammen und nicht getrennt und gegeneinander zu denken. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wer den Antrag liest, wird denken, wie schön, endlich kann günstig gebaut werden – ein Ziel, an dem schon lange gearbeitet wird und das bisher nicht erreicht wurde. Wenn Sie den Antrag ein bisschen genauer lesen, merken Sie aber, dass eines der Hauptziele in der Wohnungspolitik, das ab und zu auch von Rot-Grün beschworen wird, komplett fehlt. Was wir in Hamburg brauchen, ist die langfristige Sicherung günstiger Mieten und darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich wundere mich, wie Sie mit den Stellungnahmen, die es gibt, umgehen. Es muss Sie doch sehr stutzig machen, dass der Verband der norddeutschen Wohnungswirtschaft Ihre Initiative begrüßt – die wollen ja auch bauen – und dass die Architektenkammer, die ja mit Menschen bestückt ist, die auch bauen, sagt: Leute, lasst uns doch erst einmal in Ruhe diskutieren. Und dann schafft Herr Kienscherf es zu sagen, das sei interessengeleitet. Das ist total interessant. Die Architektinnen und Ar

chitekten sind total interessengeleitet, wollen Geld verdienen,

(André Trepoll CDU: Skandal!)

aber der Verband der norddeutschen Wohnungswirtschaft, die Immobilienunternehmen, die wollen das nicht. Herr Kienscherf, das ist wirklich ein bisschen naiv, oder?

(Beifall bei der LINKEN und bei Jörg Ha- mann CDU und Dr. Joachim Körner AfD)

Sie müssten dann einmal darstellen, wie es eigentlich überhaupt gehen soll. Sie sagen selbst in Ihrem Antrag – das wird auch von allen Expertinnen und Experten bestätigt –, dass es in Hamburg zurzeit nicht möglich ist, unter 12 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter zu bauen. Sie sagen jetzt, Sie schafften etwas tolles Neues, Sie bauten für 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter. Da wären wir sofort an Ihrer Seite. Aber Sie wissen, dass das nur mit öffentlicher Förderung geht. Jetzt behaupten Sie, das ohne öffentliche Förderung zu machen.

(Milan Pein SPD: Es gibt Unternehmen, die das schaffen!)

Gäbe es Unternehmen, die das schaffen können, könnten die schon lange bauen. Dann müssten Sie diesen Unternehmen jetzt nicht noch die Grundstücke schenken, denn darum geht es doch.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie beschreiben nämlich nicht, wie das gehen soll. Also einerseits behaupten Sie in Ihrem Antrag, man könne nicht unter 12 Euro bauen. Da können Sie sich noch so sehr aufregen, Herr Pein. Dann sagen Sie gleichzeitig, Sie wollten den Unternehmen entgegenkommen, indem man ein bisschen bei den Grundstückspreisen agiert. Was heißt denn das? Sie bekommen Grundstücke jetzt zum halben Preis, Sie verschenken die Grundstücke, Sie verschenken das öffentliche Eigentum dieser Stadt. Das werden Sie mit uns LINKEN nie hinbekommen.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das will ja auch keiner!)

Dann, Herr Kienscherf, noch einmal eine Definition: Sie sprachen davon, die breiten Schichten der Bevölkerung in Hamburg erreichen zu wollen, indem Sie eben nicht im öffentlich geförderten Wohnungsbau bauen. Ich frage mich, wie breit Ihre Schicht noch sein kann, wenn wir alle wissen, dass die Einkommen von 51 Prozent, mehr als der Hälfte aller Hamburger Haushalte, so gering sind, dass sie einen Anspruch auf den ersten und zweiten Förderweg hätten. Da kann Ihre Schicht bei Weitem nicht mehr so breit sein. Bauen Sie doch erst einmal für die Menschen, die das dringend brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

(Olaf Duge)

Sie sprechen in Ihrem Antrag immer davon, wie man Kostenminderung erreichen kann. Ja, eine Kostenminderung ist möglich, wenn Sie alle Expertinnen und Experten gemeinsam an den Tisch holen, sowohl die Architektinnen und Architekten, sowohl die Immobilienwirtschaft, dann kann man gucken. Ob eine Typisierung oder eine Standardisierung der richtige Weg ist, wage ich arg zu bezweifeln. Schon jetzt höre ich von vielen Stellen in dieser Stadt, wo es um die sogenannten Expresswohnungsbauten geht. Da ist ja eine Begründung, man konnte es auch auf Bildern sehen, die sogar vielleicht vom Senat veröffentlicht wurden, seht einmal, so wird es aussehen. Da haben Sie bestehende Blöcke aus Hamburg genommen und haben gesagt, genau das bauen wir noch einmal. Wenn uns jetzt Herr Kienscherf auch noch sagt, wenn Hotels das können, warum machen wir das nicht auch, dann frage ich Sie: Wenn Sie vor einem Hotel stehen, können Sie mir dann sagen, in welcher Stadt Sie gerade sind?

(Dirk Kienscherf SPD: Blödsinn, die sehen doch alle gleich aus!)

Wollen Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern zumuten, dass der eine sagt, er wohne in Eppendorf, das sieht so aus, und der andere, er wohne in Harburg, das sieht genauso aus? Wir wollen doch vielfältige Quartiere haben. Es gibt ein Stichwort, das nennt sich städtebauliche Identität. Eine Identifizierung der Menschen mit ihren Stadtteilen werden Sie mit dem, was Sie beantragen, überhaupt nicht gewährleisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe heute mit mehreren Architektinnen und Architekten und Stadtplanerinnen und Stadtplanern gesprochen, um noch ein bisschen mehr Fachwissen in diese Debatte einzubringen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, super!)

Sie haben mir auch noch einmal gesagt, es gehe doch nicht darum, was aus Ihrem Antrag förmlich heraussprüht, Bauplätze hin und her zu schieben, sondern darum, Identität zu stiften. Es gehe darum, Quartiere zu schaffen, wo Menschen gern wohnen. Das haben Sie bisher überhaupt nicht beantwortet. Und dann sagen Sie auch noch, man verkürze das Planungsverfahren. Wenn Sie so etwas vorhaben, brauchen Sie doch viel mehr Planung, um vernünftige Quartiere hinzubekommen. Auch in diesem Punkt ist Ihr Antrag völlig schwach.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht schwach sind allerdings Ihre Behauptungen. Sie stellen sehr starke Behauptungen auf. Sie sagen, eine Reduzierung von 40 Prozent der Baukosten sei möglich. Ja, wo denn? Sie schreiben nur, in anderen Städten. Wollten Sie uns nicht die Möglichkeit geben, das zu überprüfen? Sie haben noch nicht einmal ein einziges Beispiel genannt,

wo das möglich ist. Mir haben heute die Expertinnen und Experten gesagt, das sei eine starke Behauptung, da fehle jeglicher Beweis. Dasselbe gilt, wenn Sie jetzt sagen, man könne die größten Energieeinsparungen vornehmen, indem – das schreiben Sie hier noch einmal – nach KfW-40Standard und so weiter gebaut werde. Sie wissen ganz genau, wer einer der größten Energiefresser in Deutschland ist, nämlich der Autoverkehr. Das heißt, wenn Sie einen Städtebau und eine Stadtplanung machen würden, die es wesentlich mehr Menschen ermöglichten, aufs Auto zu verzichten, dann hätten wir eine Energieeinsparung. Das wollen Sie aber auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt habe ich mit Begeisterung gehört, dass Sie, Herr Kienscherf, gesagt haben, Sie wollten neue Wege gehen, an denen wir gemeinsam arbeiten sollten. Ich weiß nicht, ob Sie diese kurze Debatte als eine gemeinsame Arbeit bezeichnen. Wir können im Ausschuss gemeinsam daran arbeiten. Sie können sich im Ausschuss der Diskussion stellen und Sie können dem Vorschlag der Architektenkammer folgen,

(Dirk Kienscherf SPD: Die hat keinen Vor- rang!)

die gesagt hat, sie wolle Sie gern unterstützen und Sie sollten eine öffentliche Anhörung machen. All das verweigern Sie. Sie wollen total neue Sachen einführen, Sie nannten es eine dritte Säule, haben aber Angst vor der Diskussion mit uns im Ausschuss. Das ist wirklich erbärmlich.

(Beifall bei der LINKEN – Jörg Hamann CDU: Genau wie gestern, das kann doch nicht wahr sein!)

Das Wort bekommt Herr Meyer von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! "Hamburg braucht innovative Konzepte für den frei finanzierten und bezahlbaren Wohnungsbau", so lautet nicht nur der Titel des vorliegenden Antrags. Diese Forderung tragen wir Freie Demokraten schon seit vielen Jahren, liebe SPD-Fraktion, an Sie heran. In den letzten Jahren hat meine Fraktion mehrere Vorstöße in diese Richtung gemacht, die allesamt von Ihnen abgebügelt wurden. Nun scheinen Sie endlich die Problematik erfasst zu haben, von verstanden will ich angesichts Ihres Antrags nicht wirklich reden. Denn der vorliegende rot-grüne Antrag ist im Ganzen gesehen ein ziemlicher Unfug. Zwar ist es richtig, das Bauen günstiger zu machen, damit Vermietungen zu günstigen Konditionen möglich sind. Aber das, was dieser Antrag vorschlägt, ist neben der üblichen Selbstbeweihräucherung insgesamt widersprüchlich und einigermaßen welt

(Heike Sudmann)

fremd – Herr Kienscherf hat das ja sehr ausführlich dargestellt. In der Antragserläuterung wird unter anderem festgestellt, dass Anfangsmieten in den frei finanzierten Neubauwohnungen von rund 12 Euro die Regel sind. Nun, das ist wohl richtig. Allerdings sollte man sich auch die Frage stellen, weshalb das so ist. Die Grundstückspreise sind hoch und so verlangt die Freie und Hansestadt Hamburg im Sinne des Steuerzahlers marktgerechte Preise. Da wir vom frei finanzierten Wohnungsbau sprechen, wäre eine Subventionierung der Grundstücke mindestens erklärungsbedürftig. Die Baukosten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, insbesondere aufgrund der energetischen Anforderungen, die gerade hinsichtlich photovoltaischer Nutzung und teilweise höchst bedenklicher Außendämmstoffe langsam irrsinnige Formen annehmen. Die stetige Verschärfung der EnEV trägt ihren Teil dazu bei. In Summe folgen daraus die Herstellungskosten von Neubauwohnungen, die ein Investor durch Vermietung über viele Jahre inklusive Instandhaltung refinanzieren muss, und so kommen die besagten 12 Euro schnell zustande. Wenn Sie diese ernsthaft senken wollen, müssen Sie die überbordenden, kostentreibenden gesetzlichen Anforderungen an das Bauen überprüfen und grundlegend ausmisten. Aber anstatt konkrete Vorschläge zur Senkung der Bau-, Bauneben- und Betriebskosten zu machen, schreiben Sie in Ihren Antrag einfach die Zielzahl 8 bis 9 Euro und fertig. Als Architekt kann ich darüber nur den Kopf schütteln, wenn Sie einerseits niedrige Mieten anstreben und andererseits Gründächer und KfW-40-Standards fordern. Das ist nun wirklich grober Blödsinn und zeugt von einer bemerkenswerten Ahnungslosigkeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Auch Ihre vermeintlich völlig neue Idee der Typisierung und Standardisierung, die seit Jahrzehnten im Baugewerbe, je nach Sinnhaftigkeit allerdings, übliche Praxis ist, ändert an den kostenbeeinflussenden Grundsätzen nichts. Ich kann Ihnen nur raten, unserem Antrag "Wohnkostenrisiken transparent machen", der später kommt, zuzustimmen. Denn angesichts Ihres Antrags ist es dringend erforderlich, dass Senat und Bürgerschaft endlich bewusst wird, welche Auswirkungen Ihre parlamentarischen Vorstöße tatsächlich auf die Mietkosten haben. Die Präsidentin der Architektenkammer Hamburg, Karin Loosen, hat Ihnen gestern in diesem Brief, den Sie alle bekommen und teilweise schon daraus zitiert haben, klipp und klar geschrieben, was Fachleute von Ihrem Effizienzantrag halten. Aber da Expertisen bei Ihnen ja wenig zählen, ignorieren Sie wahrscheinlich auch diese sinnvollen Anregungen der Architektenschaft.

(Beifall bei der FDP)

Nun wollen wir uns Ihren Prüfaufträgen an den Senat natürlich nicht versperren. Prüfen schadet ja nicht, und mit der SAGA GWG und Wohnungswirtschaft auf Modellprojekte hinzuwirken, dürfte ebenfalls unschädlich sein. Wir beantragen deshalb ziffernweise Abstimmung, um die sinnhaften Ansätze Ihres Antrags von den unsinnigen zu trennen. In seiner Gesamtheit ist der Antrag klimaschädlich: viel heiße Luft anstatt sachlicher, zielgerichteter und wirkungsvoller Maßnahmen.

(Beifall bei der FDP)

Dem Zusatzantrag der CDU, der zukunftsweisende und vor allem realistische Vorschläge macht, stimmen wir deshalb zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der grundsätzliche Angang in dieser Thematik, Mietwohnraum zu einem Preis von 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete zu schaffen, ist gut, weil notwendig. In der Tat müssen die Menschen prozentual von ihrem Lohn her gesehen immer mehr Geld aufwenden, um die Miete zahlen zu können, und die Schere geht weiter auseinander.