Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Als politische Forderung sicherlich, aber wenn Sie sich einmal in die Lebenswirklichkeit an der Stelle begeben, möglicherweise auch in die Lebenswirk

(Dr. Jens Wolf)

lichkeit der Arbeit von Fraktionen, wenn ich das einmal vorsichtig sagen darf, dann gelingt es uns nicht immer, so ganz ohne Werkverträge politische Arbeit zu machen. Man vergibt schon einmal den einen oder anderen Auftrag.

(Deniz Celik DIE LINKE: Auch an Leiharbei- ter?)

Das halte ich für völlig jenseits dessen, was in den nächsten Jahren mittelfristig, aber auch wahrscheinlich darüber hinaus möglich ist, gerade weil wir eine große Veränderung auf dem Arbeitsmarkt haben durch eben nicht nur qualifizierte und hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die kommen, sondern auch viele Arbeitskräfte, die noch Qualifizierung brauchen, die für bestimmte Arbeitsmarktsegmente oder für bestimmte Unternehmen eine große Verlockung darstellen, nämlich genau die Errungenschaften der guten Arbeit auch wieder fallen zu lassen. Genau für diesen Bereich ist das einer der schwierigen Punkte. Wir wollen, dass es beim Mindestlohn bleibt. Wir wollen Arbeitsverträge, von denen die Menschen sich und ihre Familien ernähren können. Wir wollen weg von der sachgrundlosen Befristung und im Prinzip natürlich auch weg von der Befristung, selbst wenn sie begründet ist. Das wird nicht einfach so gelingen.

Die Aufgaben, die wir dem Senat da stellen, weisen in die richtige Richtung. Ich denke auch, dass man sich bei dem Bereich Zeitarbeit und Werkverträge, auch im Übrigen bei den befristeten Verträgen, vor allem auf den Missbrauch konzentrieren sollte, statt alles zu verbieten, was nicht dem Standard der unbefristeten Beschäftigung entspricht. Es geht immer um die konkreten Bedingungen und nicht um die pauschalen Verbote. Mit unserem Antrag geben wir eine gute Richtung vor und mit mehr Transparenz werden wir in Zukunft auch da das Steuer gut in der Hand behalten können und immer unterstützend an der Seite des Senats sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Möller. – Das Wort hat Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Möller, ich kann Ihnen sagen, warum wir Leih- und Zeitarbeit prinzipiell ablehnen: Zeit- und Leiharbeit spaltet die Belegschaften und schwächt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Das ist der Grund, warum wir das grundsätzlich und prinzipiell ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Rose, wir freuen uns natürlich, dass Sie diesen Antrag hier eingebracht haben. Es ist nicht so, wie Sie das dargestellt haben. Es ist gut und richtig, dass Sie solch einen Antrag hier einbringen, nur hat es lange gedauert. Sie sind seit 2011 an der Macht. Ich sage trotzdem, besser spät als nie. Wir finden das einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, aber natürlich ist das für uns nicht ausreichend. Deshalb haben wir unseren Zusatzantrag eingereicht,

(Beifall bei der LINKEN)

denn die Erwartung der Beschäftigten und der Gewerkschaften ist, dass das Instrument der sachgrundlosen Befristung in Zukunft gar nicht mehr angewandt wird. Wir tragen diese Position der Gewerkschaften hier ins Parlament.

Wir wollen nicht, dass es nur restriktiv eingesetzt wird, wie Sie das in Ihrem Antrag stehen haben. Oder anders ausgedrückt: In Ihrem Antrag steht, dass der Missbrauch von sachgrundlosen Befristungen begrenzt werden soll. Wir sagen, er soll nicht begrenzt werden, er soll ausnahmslos ohne Wenn und Aber gestoppt werden. Und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher werden wir diese skandalösen Praktiken auch in Zukunft nicht mittragen; sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft. Wir werden uns trotz der Verbesserung in Ihrem Antrag der Stimme enthalten und dafür werben, dass Sie unserem Zusatzantrag zustimmen, weil er weitgehender ist.

Im Einflussbereich der Stadt Hamburg sind über 4 000 Beschäftigte von sachgrundloser Befristung betroffen. Ich finde, das ist nicht hinnehmbar und das ist auch ein Armutszeugnis für diesen Senat.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hätten seit 2011 etwas unternehmen können. Wir sind der Meinung, dass grundlose Befristung ein fundamentaler Angriff auf die Arbeitnehmerrechte ist, weil mit diesem Instrument der Kündigungsschutz ausgehebelt wird und die Beschäftigten diszipliniert und mundtot gemacht werden. Außerdem müssen sie ständig mit der Angst leben, dass sie jederzeit ihren Job verlieren können. Auch deshalb sagen wir in unserem Zusatzantrag, sachgrundlose Befristungen müssen ausnahmslos weg.

Von Befristungen allgemein sind insbesondere Frauen und junge Menschen betroffen. Es ist keine vernünftige Zukunftsplanung für die Betroffenen möglich. Wer befristet beschäftigt ist, weiß, wie schwierig es ist, auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung anzumieten oder einmal einen Kredit bei der Bank aufzunehmen. Deshalb dürfen sachbegründete befristete Beschäftigungen auch nur eingegangen werden, wenn sie absolut unvermeidbar sind.

(Antje Möller)

Und zu Ihnen, Herr Rose: Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass die SPD zusammen mit den GRÜNEN Hamburg zur Stadt der guten Arbeit machen will. Da kann ich nur sagen: Schön, dass Sie aufgewacht sind.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich kann es Ihnen auch erklären.

Seit 2011 werden die Regelungen des Teilzeitund Befristungsgesetzes ausgenutzt und viel zu viele Menschen sind sachgrundlos befristet, obwohl Sie seit 2011 wissen, dass das ein Missstand ist, der behoben werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Antrag ist auch ein Hinterherlaufen in Bezug auf eine Fehlentwicklung, der die SPD – das muss ich leider sagen – jahrelang zugesehen hat. Jetzt kommen Sie ein Jahr vor den Bundestagswahlen und bringen das ein, aber lieber spät als nie. Deshalb habe ich auch am Anfang gesagt, wir finden es gut, dass Sie es überhaupt machen.

Aber schauen wir uns die Zahlen genauer an. In 26 Dienststellen beträgt der Anteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse über 50 Prozent. In weiteren 23 Dienststellen beträgt der Anteil mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen zwischen 40 und 49 Prozent. Bei der Hamburger Hochbahn, den Elbkindern, beim Landesbetrieb Erziehung und Beratung, der Feuerwehr, der BSB und anderen Dienststellen sind mehr als hundert Beschäftigte sachgrundlos befristet. Das ist absolut nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN und bei René Gögge GRÜNE)

Diese Zahlen belegen, wie in bestimmten Bereichen im Einflussbereich des Senats exzessiver Befristungswahn betrieben wurde, und das muss unbedingt unterbunden werden, weil das ein Armutszeugnis ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Aspekt, der in Ihrem Antrag überhaupt nicht vorkommt, ist das Thema Kettenbefristung. Regelmäßig werden Fälle bekannt, bei denen Beschäftigte mit immer neuen befristeten Arbeitsverträgen, die auf sachlichen Gründen basieren, bei ein und demselben Arbeitgeber angestellt sind. Kettenbefristungen verstetigen die unsicheren Perspektiven für die Betroffenen und stellen einen Missbrauch von Sachgrundbefristungen dar. Auch hier besteht unserer Meinung nach absolut dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Hamburg glaubwürdig unter Beweis stellen will, eine Stadt der guten Arbeit werden zu wollen, dann muss auch die demokratische Mitbestimmung in der Verwaltung und in den Betrieben aus

gebaut werden. Daher fordern wir, dass die Personalvertretungen Mitbestimmungsrechte bei den Befristungen erhalten. In NRW ist das im Landespersonalvertretungsgesetz geregelt. Folgen Sie dem Beispiel von NRW und führen Sie die längst überfälligen Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Befristung auch in Hamburg ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die unsägliche Praxis des Outsourcings und der Gründung von Tochterunternehmen zu sprechen kommen, weil es hier um das Thema gute Arbeit geht. Outsourcing ist ein fundamentaler Angriff auf Arbeitnehmerrechte, führt auch zur Spaltung der Belegschaften und schwächt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Outsourcing wird häufig dazu angewendet, um Tarifflucht beziehungsweise eine Absenkung der Tarife anzustreben, und es ist eine Schande, dass die SPD als eine vermeintlich gewerkschaftsorientierte Partei diese Praktiken nicht unterbindet. Zuletzt haben wir bei Asklepios gesehen, dass dieser Senat durch seine Zustimmung zum Outsourcing einiger nichtmedizinischer Bereiche beim Ausverkauf von Arbeitnehmerrechten mitgemacht hat. Zudem duldet dieser Senat die Verletzung des Equal-Pay-Prinzips bei der EVKS.

Ich fordere Sie auf, beenden Sie diese arbeitnehmerfeindlichen Praktiken und sorgen Sie dafür, dass die Ausgliederung von Teilbetrieben wieder rückgängig gemacht und für die Zukunft ein für alle Mal ausgeschlossen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dutschke von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Oh, ich habe keine hohen Schuhe an, ich kann nicht übers Rednerpult gucken.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Rose, Hamburg – Stadt der guten Agitation und Propaganda, mehr ist Ihre Rede nicht gewesen.

(Beifall bei der FDP)

Aber im Gegensatz zu Ihnen will ich hier nicht mit einer arbeitsmarktpolitischen Generaldebatte anfangen,

(Gerhard Lein SPD: Da würden Sie auch verlieren!)

sondern zu diesem Antrag sprechen. Dieser Antrag leitet den Rückfall zu starren Arbeitsmarktmodellen ohne Flexibilität ein. Sie haben genau beschrieben, was Sie unter guter Arbeit verstehen, und das ist alles andere als zukunfts-, gegenwartsund fortschrittsorientiert. Dabei hatte sogar die

(Deniz Celik)

erste rot-grüne Bundesregierung erkannt, dass Wirtschaftswachstum nicht statisch ist und der Arbeitsmarkt eine gewisse Flexibilität benötigt. Manchmal ist ein Blick in die alten Bundestagsprotokolle durchaus interessant. Ein Abgeordneter, der uns einigermaßen bekannt sein dürfte, hat im Jahr 2000 anlässlich des rot-grünen Teilzeit- und Befristungsgesetzes nämlich noch folgende Kernaussage getätigt – ich zitiere –: