erste rot-grüne Bundesregierung erkannt, dass Wirtschaftswachstum nicht statisch ist und der Arbeitsmarkt eine gewisse Flexibilität benötigt. Manchmal ist ein Blick in die alten Bundestagsprotokolle durchaus interessant. Ein Abgeordneter, der uns einigermaßen bekannt sein dürfte, hat im Jahr 2000 anlässlich des rot-grünen Teilzeit- und Befristungsgesetzes nämlich noch folgende Kernaussage getätigt – ich zitiere –:
"Flexibilität muss für beide Seiten, also sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber gelten."
Nun raten Sie einmal, wer das gesagt hat? Es war Olaf Scholz. Mit diesem Antrag verabschiedet sich Rot-Grün jetzt jedoch von Lebenspraktikabilität und Wirklichkeit.
Sie verteufeln zeitliche Befristung, die nur auf zwei Jahre überhaupt gesetzlich möglich ist. Sie finden es unzumutbar, dass ein Mitarbeiter, wenn er nicht auf eine Stelle passt, nach zwei Jahren wieder gehen soll. Das ist doch fern jeglicher Praktikabilität. Viele Stellen sind so komplex, dass innerhalb der Probezeit von sechs Monaten, über die Sie hier gesprochen haben, gerade erst einmal eine Einarbeitung erfolgen kann, und das lässt nun wirklich keine Bewertung über die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters und die Qualität seiner Arbeitsergebnisse zu.
Wenn man eine Stelle auf zwei Jahre befristet, dann hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, sich innerhalb dieser Stelle zu entwickeln, und es ist überhaupt nicht fatal, wenn man neue Leute einstellt und denen erst einmal die Möglichkeit gibt, sich innerhalb dieses Betriebs zu entwickeln.
Für ein Unternehmen, das einen Mitarbeiter, der seine Aufgaben nicht bewältigt bekommt, jahrelang halten muss, ist genau das eine Zumutung.
Mit diesem Antrag gaukeln Sie soziale Wohltaten von sicheren Arbeitsplätzen vor, ohne den Preis zu erwähnen, den ein überreguliertes gelähmtes Unternehmen im Zweifel bezahlt, nämlich die Insolvenz und den Arbeitsverlust für alle. Im öffentlichen Sektor bedeutet das Ineffizienz, Qualitätsverlust und rote Zahlen. Einziges Ziel Ihrer unbefristeten Jobs ist doch in Wirklichkeit, den öffentlichen Sektor noch weiter mit Personal aufzublähen.
Sehen wir uns einmal das Beispiel f & w fördern und wohnen an. Hier mussten binnen kurzer Zeit eine Vielzahl an Stellen geschaffen werden, weil für die Versorgung von Flüchtlingen in üblicher sozialdemokratischer Manier unbedingt ein Staatsbetrieb einspringen sollte. Doch die aktuellen Entwicklungen und Tendenzen der Zugangszahlen deuten nun darauf hin, dass ein Großteil dieses Personals mittelfristig vermutlich nicht mehr gebraucht werden wird.
Es wäre angesichts der rapide steigenden Verschuldung von f & w fördern und wohnen kontraproduktiv, hier mehrere Hundert Arbeitskräfte zu entfristen, die im Endeffekt mittelfristig nicht mehr gebraucht werden. Wohin das führt, können wir uns denken: Sie fangen dann wieder mit Rekommunalisierungs- und Verstaatlichungsfantasien an, um für dieses Personal irgendwelche neuen Aufgabenbereiche zu erschließen.
Genau so entstehen noch mehr schwarze Löcher im Haushalt. Das grenzt definitiv an griechische Verhältnisse und ist der falsche Weg.
Angesichts Ihrer Personalpolitik entsteht durch diesen Antrag vielmehr der Eindruck, dass auch für Ihre Parteifreunde mit Jobs im öffentlichen Sektor noch ein Arbeitsvertrag auf Lebenszeit herausspringen soll – soziale Wohltaten für den eigenen Dunstkreis fernab von wirtschaftlicher Vernunft.
Hier oben ist die Akustik sicherlich besonders schlecht, aber ich jedenfalls verstehe Frau Dutschke überhaupt nicht mehr.
Nein, das brauchen Sie nicht, Frau Dutschke. Meine Damen und Herren, Frau Dutschke hat das Wort und nur Frau Dutschke.
Werte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, was die Beschäftigungsverhältnisse für Angestellte im öffentlichen Sektor oder bei Zuwendungsempfängern betrifft, so sollten Sie nicht von früheren Entscheidungen abweichen. Sogar Sie waren hier schon deutlich fortschrittsorientierter. Der vorliegende Antrag ist damit nicht nur ein Schritt zurück, sondern eine Rolle rückwärts.
Wir werden den Antrag ablehnen und das gilt selbstverständlich auch für den noch radikalisierenderen Antrag der LINKEN. – Herzlichen Dank.
Ich verstehe jetzt, warum Herr Schinnenburg Sie gestern schon zur AfD-Fraktion gezählt hat. Das kann noch etwas werden, weiter so.
Wir wären sogar bereit, das nächste Mal ein paar höhere Schuhe mitzubringen, dann müssen wir das Mikrofon hier auch nicht dauernd verstellen. Vielen Dank dafür auf jeden Fall.
Beim Thema Befristung ist es ja wirklich so, dass viele Tausend Leute mit ihrem Schicksal an diesen Arbeitsverträgen hängen. Dem müssen wir uns schon noch einmal ernsthaft widmen und die ganze Sache in einem etwas weiteren Rahmen betrachten. In der Marktwirtschaft, wir wissen das, hängt alles mit allem zusammen und es war über Jahre und Jahrzehnte die Politik von Rot-Grün und Gewerkschaften, den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer gesetzlich immer weiter auszubauen und damit die Kündigungsmöglichkeiten für Arbeitgeber immer weiter einzuschränken. Da müssen natürlich gewisse Grenzen erreicht werden, denn dadurch stieg das Risiko für Arbeitgeber immens. Die kurze Probezeit allein lässt nicht beurteilen, wie gut ein Mitarbeiter auf lange Dauer wirklich ist. Wenn er Leistungen auf Dauer nicht erbringt, muss man
kündigen können, sonst funktionieren unsere ganzen Systeme nicht mehr. Aber die Kündigungsmöglichkeiten wurden immer weiter erschwert und verteuert. Wenn jemand erst einmal unbefristet eingestellt ist, kann man sich nur sehr schwer wieder von ihm trennen, wenn er den Anforderungen nicht gerecht wird.
Nicht nur für anspruchsvolle Jobs lässt es sich in sechs Monaten Probezeit schwer beurteilen, ob die Mitarbeiter ihnen auf Dauer gerecht werden. Man wünscht es sich, aber manchmal ist es nicht so. Deshalb wurde die befristete Einstellung gesetzlich bis zu zwei Jahre erlaubt und mehr und mehr zum Ventil – und so müssen wir es diskutieren – für die, was das angeht, etwas geknechteten Arbeitgeber. Auch das muss man in den Blick nehmen, denn die sollen die Arbeitsplätze ja schaffen. Es wurde zum Ventil und zur Chance, Bewerber länger zu testen, um das Risiko einer Einstellung zu mindern. Rot-Grün will das jetzt wieder abschaffen für die Stadt als Arbeitgeber, für alle öffentlichen Unternehmen hier und die Zuwendungsbetriebe der Stadt. In der Großen Anfrage von Rot-Grün hieß es noch: auch alle Unternehmen, die Aufträge von der Stadt erhalten. Da war es also noch weiter geschneidert und man sieht, wohin das führen soll.
Schutz vor Kündigung ist an sich, wer wollte das bestreiten, natürlich sympathisch. Er wird den Erfordernissen eines modernen Arbeitsmarktes, zumal wenn er von Kündigungsschutzregeln geknebelt ist, nicht gerecht. Arbeitgeber stellen dann, dem müssen wir ins Auge sehen, aus Risikogründen sogar weniger Menschen ein. Wir sehen das in Spanien oder in anderen Bereichen, wo dies exzessiv betrieben wurde. Gerade denjenigen, um die wir uns sozialpolitisch kümmern wollen, deren Interesse wir verfolgen wollen – Langzeitarbeitslose, Niedrigqualifizierte, künftig auch Flüchtlinge –, wird die Chance auf Einstellung unter Umständen genommen. Wir sollten ihnen diese Chancen lassen. Es betrifft also Zielgruppen, die wir besonders schützen wollen und für die wir uns einsetzen wollen. Das heißt, wir müssen Kündigungs- und Befristungsregeln gemeinsam diskutieren und zueinander austarieren und nicht einseitig das eine erhöhen oder senken. Wir müssen das Gesamte im Blick haben, wenn wir den Arbeitsmarkt politisch vernünftig regeln wollen. Deswegen wundere ich mich auch über Ihre Einlassung, Herr Wolf. Ludwig Erhard war ja einmal eine Ikone der CDU, der rotiert im Grabe nach dieser Rede. Die habe ich leider überhaupt nicht verstanden.
Aber lassen Sie uns einmal zurückkommen auf Rot-Grün. Was sind denn die Ziele von Rot-Grün? Es geht um kurzfristige soziale Wohltaten, die Sie hier ausschütten, Wohltaten, die, wie wir sagen, keine sind für diejenigen, die wir eigentlich schützen wollen. Zusätzliche Probleme entstehen dadurch, dass die gute Personalauswahl in Verwaltung und öffentlichen Unternehmen weiter behindert wird im Vergleich zu den privaten Unternehmen. Da sollen doch die Personalressourcen gleich austariert werden, daher können Sie nicht im öffentlichen Sektor so einseitig vorgehen. Es gibt auch keinen wirklichen Grund, den Beschäftigten des öffentlichen Sektors scheinbar bessere Verträge zu geben als den privaten Arbeitnehmern. Da gibt es auch so eine Gesamtgerechtigkeitsidee, die wir als Politiker im Auge behalten sollten. Es sei denn, und darin liegt wohl der wahre Grund für den rot-grünen Antrag, es geht darum, hier die klassische Wählerklientel von Rot-Grün zu bedienen, nämlich die Beschäftigten im öffentlichen Sektor und im öffentlichen Dienst sich weiter genehm zu machen mit Steuergeldern, also auf Kosten anderer. Dem stimmen wir nicht zu.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Teilweise gibt es ein intellektuelles Niveau, das nicht mehr zu unterbieten ist. Frau Dutschke, was Sie hier vorgetragen haben, ist Manchester-Liberalismus der übelsten Sorte. Und wenn Sie das noch als Fortschritt bezeichnen, dann frage ich mich, wo wir hier leben.