Vielleicht noch einmal zu den Auswirkungen in der Praxis. Die betroffenen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen sich jetzt mit dieser Meldepflicht und einer verpflichtenden gesundheitlichen Untersuchung auseinandersetzen. Wir finden das sehr, sehr schwierig. Unserer Ansicht nach tragen diese Maßnahmen zur weiteren Schlechterstellung und eben auch zur Stigmatisierung der Personen, die in diesem Gewerbe tätig sind, bei. Wer sich nicht melden kann, wird in ungeschützte Räume ausweichen und Bußgelder in Kauf nehmen müssen, und eine erzwungene gesundheitliche Untersuchung hat den Beigeschmack von Entwürdigung und Entmündigung, was wir keineswegs unterstützen.
Wir meinen auch, dass Schlechterstellung und Stigmatisierung in Hamburg bereits einen Namen hat, nämlich die Sperrgebietsverordnung. In der ersten Jahreshälfte 2016 sind schon 472 Bußgeldbescheide verteilt worden. Ein Bußgeld liegt beim ersten Mal immer bei 200 Euro und in der Folge meist sogar bei einem höheren Betrag. Sie können sich vorstellen, was für ein finanzieller Druck auf den Frauen und auf den Männern lastet, vor allem, weil sie dieses Geld noch einmal zusätzlich erwirtschaften müssen. Das kann im Sinne der Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation von Prostituierten nicht sein, derentwegen wir ja eigentlich im Ausschuss einstimmig dafür gestimmt haben, dass dieser runde Tisch eingerichtet wird.
Wir werden bei dem Thema nicht lockerlassen und wünschen uns, gerade im Sinne der betroffenen Personen, dass die Konzeption und Umsetzung des runden Tisches nun zügig über die Bühne geht. Aber eines ist uns wichtig dabei, und da kom
me ich noch einmal kurz zurück auf Frau Grunwaldt. Sie haben eben gesagt, dass bei dem Gesetz auf Bundesebene viele Personen, viele Akteure angehört worden seien. Das Problem dabei ist aber, dass deren Vorschläge nicht eingeflossen sind, dass sie nicht berücksichtigt wurden. Unser Wunsch ist – und da werden wir auch hinterher sein –, dass es bei diesem runden Tisch eben nicht nur darum geht, dass Gespräche geführt werden, sondern dass die Lösungsvorschläge, die von den Akteuren kommen, die von den Betroffenen kommen, ernsthaft aufgenommen und gegebenenfalls mit umgesetzt werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Im Juli hat der Deutsche Bundestag das besagte Gesetz zur Regelung des Prostituiertengewerbes verabschiedet. Kernelement ist die hier schon mehrfach zitierte Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe. Die Erteilung dieser Erlaubnis ist an die Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen geknüpft. Ziel dieses Gesetzes war es wohl, Kriminalität und gefährliche Erscheinungsformen in der Prostitution zu verdrängen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Was Frau Grunwaldt hier an Intentionen vorträgt, ist alles sehr ehrenwert, aber wenn man sich dann dieses Bundesgesetz anguckt, dann wird es dem einfach in Gänze nicht gerecht. Gut gemeint ist an dieser Stelle nämlich leider nicht gut gemacht. Es ist höchst zweifelhaft, dass dieses Gesetz der Zwangsprostitution ein Ende setzen kann oder auch nur eine Zurückdrängung erzielt.
Um einige Kernelemente kurz anzusprechen, die schon die Vielzahl der Vorredner angesprochen haben: Eine Konsultation öffentlicher Stellen von Betroffenen in Zwangslagen erfolgt einfach vielfach nicht. Es ist deshalb fraglich, inwiefern die vorgesehenen Beratungsgespräche hier tatsächlich Abhilfe schaffen können. Besonders problematisch ist jedoch auch die neue Meldepflicht – das ist ebenfalls angesprochen worden –, denn sie stärkt nicht das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen, sondern führt stattdessen zu einer erheblichen Stigmatisierung. Viele der Betroffenen verheimlichen aus guten Gründen ihre Tätigkeit gegenüber Kindern, Eltern, Bekannten oder möglicherweise auch einem weiteren Arbeitgeber. Nun werden sie allerdings in ihrer Anonymität eingeschränkt, und das mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Statt massiver Gängelung sollten Beratungsangebote zielgerichtet ausgebaut werden. Zur Evaluation der tatsächlichen Bedarfe kann das Instrument des runden Tisches zweckmäßig sein, denn statt über die Betroffenen kann
In Nordrhein-Westfalen ist der Abschlussbericht des Runden Tisches Prostitution bereits im Jahr 2014 vorgelegt worden; Frau Özdemir ist eben schon ansatzweise darauf eingegangen. Die Bundesregierung hat nämlich die Ergebnisse dieses Berichts beim Prostituiertenschutzgesetz gerade nicht umgesetzt beziehungsweise in wesentlichen Teilen schlichtweg ignoriert. Das sollte im Hinblick auf künftige politische Entscheidungen in diesem Bereich in Hamburg definitiv anders laufen. Die Freien Demokraten werden daher den Punkten 1.1 und 2 der Ausschussempfehlung zustimmen und Punkt 1.2 ablehnen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Prostitution war, ist und bleibt eine heikle Sache in bürgerlichen Gesellschaften. 2002 brachte die rot-grüne Koalition in Berlin ein neues Prostitutionsgesetz auf den Weg, Ausgangspunkt auch der heutigen Diskussion. Eingeführt wurde unter anderem theoretisch eine Krankenversicherung, was durchaus löblich war, aber praktisch kaum genutzt wurde. Insgesamt hat Rot-Grün, das muss man heute so sagen, mit Schlagworten wie Prostitution als normaler Beruf wie jeder andere auch, Enttabuisierung und Entstigmatisierung aber auch eine Büchse der Pandora geöffnet. Plötzlich gab es einen neuen, explodierenden, völlig ungeordneten Riesenmarkt mit immer schrecklicheren Begleiterscheinungen. Prostitution, das zeigte sich jetzt auch in Deutschland, wie es sich auch in anderen Ländern zeigt, ist eben kein Beruf wie jeder andere, wie Lehrer, Zugführer oder Anwalt, er war immer mit Kriminalität verbunden und bleibt es wohl auch, oft mit schlimmem Zwang und barbarischem Vorgehen, Gesundheitsrisiken für Prostituierte und Kunden sind sowieso dabei. Nach dieser kolossalen Marktöffnung durch Rot-Grün entstanden unter anderem geradezu großindustrielle Betriebe in Deutschland. Mit Riesenbordellen mit Tausenden Quadratmetern und europaweitem Marketing kam ein gewaltiger, brutaler Menschenhandel in Schwung, besonders aus Osteuropa. Medien berichteten über organisierten Sextourismus aus der ganzen Welt tief nach Deutschland hinein, nicht nur aus Nachbarländern, auch aus Asien und den USA. Es gab Dokumentationen – ich erinnere eine von n-tv –, in denen gezeigt wurde, was passiert mit internationalem Marketing: Anzeigen wie "Spottbilliger Sechs-Tage-Bordellurlaub in Deutschland", ekelige
Anzeigen wie "Flatrate-Mädchen für 49 Euro". n-tv resümierte: Auf Online-Auktionen können hierzulande Jungfrauen und Schwangere ersteigert werden. All das gehört längst zum deutschen Alltag. Dazu kommt Geldwäsche, Schwarzarbeit, fehlender Arbeitsschutz. Rot-Grün hatte also dem Markt für eine Massenproduktion des Rotlichtmilieus den Weg geebnet, der immer größer und in Teilen immer entsetzlicher wurde. Das war ein schrecklicher Irrweg linker Politik in diesem Land, mit abscheulichen Konsequenzen. So durfte es nicht weitergehen.
Jetzt endlich, im Juli, einigte sich – sehr spät – die Berliner Koalition, diesen entfesselten Moloch wieder etwas zu zügeln, vernünftig zu regulieren, wie Politik bei anderen Märkten mit potenziell schädlichen Begleiterscheinungen und Gefahren das ja auch tut, vom Finanzmarkt bis zu Gaststätten. Zuhältern – neuerdings Betreiber, wie sie von dieser Seite genannt werden – wird Anmeldepflicht auferlegt. Sie müssen Ihre Betriebsstätten der Prostitution – so heißt das jetzt – offiziell anmelden. Durch Zuverlässigkeitsüberprüfungen kommt man so näher an dieses Gewerbe heran und kann es besser überwachen. Es ist eine Überwachung möglich, sodass vollends menschenverachtende Konzepte wie Flatrate et cetera wegfallen können; vielleicht bekommt man es in den Griff. Außerdem müssen Prostituierte selbst sich nicht selbst anmelden, nur ihr Gewerbe anzeigen. Die Daten werden aber gleich anonymisiert, niemand wird so stigmatisiert. Durch verbindliche Behördentermine, die das mit sich bringt, ist eine Zwangssituation nicht mehr ganz so leicht zu verbergen.
Die AfD stimmte dem Antrag der CDU schon im Ausschuss zu, um dieses neue Bundesgesetz von Hamburg aus zu unterstützen und so finanziell und personell die nötigen Mittel beizeiten bereitzustellen. Auch den runden Tisch unterstützten wir. Doch nach Ansicht einer vereinigten Linken in diesem Haus, der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN, diesmal leider auch der FDP, ist das neue Prostituiertenschutzgesetz des Bundes wieder zu sehr Gängelung des Rotlichtmilieus, was die Umsetzung in Hamburg sehr erschwert. Parlamente aber, selbst in Ländern wie Schweden und Norwegen, sehen das vollkommen anders. Sonst eigentlich sehr liberal, bezeichnen sie den deutschen Sonderweg ausdrücklich als Katastrophe; so haben sie es gebrandmarkt im Parlament. Sie haben selbst aus leidvoller Erfahrung im Land dem Sexkaufmarkt erheblich staatliche Fesseln angelegt, weil er allzu oft und allzu schwer schlicht gegen die Menschenwürde verstößt. Sie verweisen auch auf den humanistischen Auftrag bürgerlicher Politik, die Schwächsten zu schützen, die bei einem solchen einmal entfesselten Moloch unter die Räder geraten.
Ich möchte schließen mit den Worten der zuständigen schwedischen Ministerpräsidentin im Parlament, die zur deutschen Praxis sagt, das widerspreche der Menschlichkeit. Und weiter – ich zitiere Frau Margareta Winberg –:
"Eine Gesellschaft, die Prostitution einfach nur als normalen Beruf oder Wirtschaftszweig anerkennt, ist eine zynische Gesellschaft, die den Kampf für die schutzlosesten und verwundbarsten Frauen und Kinder aufgegeben hat."
Wer möchte sich zunächst Ziffer 1.1 der Ausschussempfehlungen anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist Ziffer 1.1 angenommen.
Wer möchte dann Ziffer 1.2 der Empfehlungen folgen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 1.2 wurde angenommen.
Und wer schließt sich Ziffer 2 an? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch Ziffer 2 angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 75, Drucksache 21/5672, Antrag der Fraktion die LINKE: Mietpreisbremse, aber richtig!
[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Mietpreisbremse zeigt erste Wirkung – Mieterinnen und Mieter bei der Anwendung des Gesetzes unterstützen, Evaluierung durchführen – Drs 21/5854 –]
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mietpreisbremse – war da was? Erinnern Sie sich? Ein schöner Name, der geschaffen wurde, ein Name, der suggeriert, dass der Mietenanstieg gebremst wird, also nicht weiter voranschreitet. Zur Erinnerung: Mietpreisbremse heißt,
dass bei einer Weitervermietung einer Wohnung die neue Miete maximal 10 Prozent über dem Mietenspiegel liegen darf. Das wäre in Hamburg eine erfreuliche Entwicklung, wenn die Miete damit unter 9 Euro liegen würde. Aber diese Entwicklung gibt es nicht in Hamburg und auch anderswo nicht, weil nämlich das neue Gesetz dazu gleichzeitig sagt: Wenn die Miete aber schon vorher höher war als 10 Prozent über dem Mietenspiegel, darf sie auch bei der Weitervermietung höher sein. Und das Gesetz sagt auch: Bei neugebauten Wohnungen gibt es gar keine Begrenzung. Aber das hat weder die FDP noch die CDU noch die Wohnungswirtschaft vor einem Jahr davon abgehalten zu sagen: O Gott, o Gott, o Gott, das ist der Untergang unserer Wohnungswirtschaft, wir machen gar keine Gewinne mehr. So deutlich haben sie es nicht gesagt, aber es ist für sie ein ganz schreckliches Instrument. Die SPD hat sich vor Selbstlob überschlagen: Toll, wir machen etwas für die Mieter und Mieterinnen.
Wir als LINKE haben von vornherein gesagt: So, wie diese sogenannte Mietpreisbremse gestaltet ist, wird sie wirkungslos sein. Und was stellen wir fest nach einem Jahr? Die Mietpreisbremse hat nichts gebremst, sie hat nicht gewirkt. Der Mieterverein zu Hamburg hat Ende Juni festgestellt, dass bei circa 40 Prozent der Neu- beziehungsweise Weitervermietungen in Hamburg die Mietpreisbremse nicht beachtet wird. Der Mieterverein schätzt, dass dadurch den Mietern und Mieterinnen ein Schaden in Höhe von 20 Millionen Euro entsteht. Sprich 20 Millionen Euro an Miete nehmen die Vermieter und Vermieterinnen mehr ein, als nach dem Gesetz eigentlich möglich wäre. Das, finden wir, ist ein Unding. Das muss gestoppt werden.
Nun mögen Sie vielleicht sagen: Klar, dass der Mieterverein das sagt. Aber auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat am 1. Juni 2016 eine Studie veröffentlicht, aus der ich gern einen Passus zitiere, der sagt:
"Weder wurde der Mietpreisanstieg gedämpft, noch scheinen ImmobilieneigentümerInnen im derzeitigen Umfeld damit zu rechnen, dass die Regulierung"
"ihre künftigen Ergebnisse substanziell beschneidet. Die Umgehungsmöglichkeiten sind allem Anschein nach so vielfältig, dass sie nicht wirkt."
Genauso ist es. Und genau deswegen sind wir der Meinung, dass diese Mietpreisbremse endlich geschärft werden muss.
Und was macht der Senat? Was weiß der Senat? In einer Schriftlichen Kleinen Anfrage wollten wir wissen, wie viele Rechtsverfahren es aufgrund der Mietpreisbremse gegeben hat. Der Senat hat dazu keine Daten, sondern muss erst einmal eine Umfrage bei den Gerichten starten. Er macht diese Umfrage, und das Ergebnis ist: Es gibt kein einziges Verfahren. Nun könnte man denken, dann sei wohl alles in Butter. Nein, ist es eben nicht. Das Problem ist nämlich: Um so ein Verfahren anzustrengen, müssen Sie als Folgemieter oder Folgemieterin wissen, wie hoch die Vormiete war. Das sagt Ihnen aber keine Vermieterin, kein Vermieter, weil es dazu keine Verpflichtung gibt. Insofern ist das schon einmal die erste Hürde, die sehr schwer zu nehmen ist. Und diese Erkenntnis ist auch bei der SPD bekannt, ist auch bei den GRÜNEN bekannt. Bei der SPD ist es sogar so, dass die Bundestagsfraktion gerade am letzten Wochenende genau das aufgenommen hat, was in unserem Antrag steht. Man höre und staune, die SPD sagt: Wir müssen eine Pflicht aufnehmen für die Vermieterinnen und Vermieter, dass die Vormiete bekannt gegeben wird. Wir müssen, wenn denn ein Verfahren erfolgreich ist, auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass die Miete ab Beginn des Mietvertrags zurückgezahlt wird und nicht erst nach Beschreiten des Rechtswegs. Das sagt Ihre Bundestagsfraktion.
Ich bin mir sicher, auch Sie hier wissen, dass diese Mietpreisbremse überhaupt nicht wirkt. Und trotzdem wollen Sie unserem Antrag nicht zustimmen. Das können Sie weder mir noch irgendeiner Mieterin, irgendeinem Mieter in Hamburg erklären, das zeigt einfach nur, dass Sie nicht bereit sind, für die Mieterinnen und Mieter zu kämpfen.
Wenn ich in Ihrem rot-grünen Zusatzantrag lese, Sie hätten auf Bundestagsebene gerade nicht die Mehrheit dafür, sage ich: Natürlich haben Sie die Mehrheit. Wenn Sie jetzt im Bundestag eine echte Mietpreisbremse beantragen würden, hätten Sie die Stimmen der GRÜNEN, Sie hätten die Stimmen der SPD, Sie hätten die Stimmen der LINKEN, und auch im Bundesrat würden Sie durchkommen. Jetzt erst einmal bis zur nächsten Bundestagswahl abzuwarten, davon haben höchstens Sie etwas mit Ihrer Taktiererei – wobei: das wird sich nächstes Jahr zeigen –; die Mieter und Mieterinnen haben davon überhaupt nichts.
Mit dem Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, kommen genau die Veränderungen in das Gesetz, die fehlen. Es kommt rein, dass die Vormiete von dem Vermieter oder der Vermieterin offengelegt werden muss. Es kommt rein, dass zu viel gezahlte Mieten von Anfang an zurückzuerstatten sind. Es kommt auch rein, worauf Sie in Ihrem Antrag, Herr Kienscherf, einen großen Schwerpunkt gelegt