Danach, also 2015, waren es auch zwei. Zudem müssen Sie dazu sagen, dass von diesen elf getöteten Radfahrern acht deswegen getötet wurden, weil sie von kreuzenden oder abbiegenden Autos übersehen worden sind. Genau deswegen macht man eine Radverkehrspolitik, bei der man Schutzstreifen und Radfahrstreifen zur Straße hat, damit man den Radverkehr sicherer macht und die Menschen in unserer Stadt vernünftig durch den Verkehr kommen. Herr Thering, das haben Sie einfach noch nicht begriffen. Deswegen machen wir das. – Vielen Dank.
Wir setzen unsere Debatten fort, und dazu rufe ich Punkt 71 unserer Tagesordnung auf, Drucksache 21/5648, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburg sagt Nein zu CETA und TTIP.
Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Frau Präsidentin! Die Handelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, CETA und TTIP, werden beide verhandelt beziehungsweise liegen vor. CETA liegt seit September 2014 ausverhandelt vor und muss nur noch ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Bei diesem Abkommen und dem derzeit noch in Verhandlungen befindlichen Handelsabkommen mit den USA, TTIP, geht es nicht um den Abbau von Zöllen, sondern um die sogenannte Harmonisierung beziehungsweise Angleichung von sogenannten nicht tarifären Handelshemmnissen zwischen den Staaten. Das sind Gesetze, Verordnungen, Umwelt- und Sozialstandards, Gesundheits- und Verbraucherschutzregeln sowie technische Normen.
Durch diesen Angleichungsprozess ist die Absenkung der jeweiligen Standards absehbar, denn die geplanten Regelungen verfolgen das Ziel, das höchste Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau zu garantieren.
Gegen CETA und TTIP hat sich deshalb in den letzten Jahren und insbesondere auch in den letzten Monaten aus gutem Grund in weiten Teilen der europäischen Gesellschaften immer mehr Widerstand formiert. Es gab europaweit und auch in der Bundesrepublik Demonstrationen mit zum Teil mehr als 200 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. In der EU haben mehrere Millionen Menschen auf den Straßen gegen diese Abkommen demonstriert. Aus Gewerkschaften, Kirchen, Umweltschutzorganisationen, diversen NGOs und von vielen engagierten Menschen wird die gleiche Kritik formuliert. CETA und TTIP sind ein Anschlag auf die Demokratie, auf die Rechte der Menschen, auf lang erkämpfte Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte, auf weite Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und auf die Umwelt.
Diese Abkommen sind Teile von neoliberalen Deregulierungsprozessen, durch die immer weitgehender die Macht von demokratisch legitimierten Gremien ausgehebelt wird und werden soll. Aber die Menschen wollen keine Welt, die immer weitgehender im Sinne der großen Konzerne gestaltet wird, sondern eine Welt, in der die Menschenwürde und Demokratie im Mittelpunkt der Gesellschaftsgestaltung stehen.
Genau aus diesen Gründen dürfen CETA und TTIP nicht verabschiedet werden. Genau deshalb fordern wir mit unserem Antrag die Bürgerschaft auf zu entscheiden, dass Hamburg sich im Bundesrat gegen die Ratifizierung von CETA und die Weiterverhandlung von TTIP stellen soll.
Eine Mehrheit der bundesdeutschen und europäischen Bevölkerung spricht sich Umfragen zufolge auch gegen TTIP aus. Das haben weitere politische Akteure und auch weite Teile der SPD mittlerweile erkannt. Aufgrund der momentanen Nichtdurchsetzbarkeit von TTIP wurde deshalb offenbar die Strategie ausgegeben, zumindest das weniger bekannte Abkommen CETA mit Kanada mit aller Macht und mit allen Mitteln durchzusetzen. Aber anders als oft behauptet und von Sigmar Gabriel erst jüngst wieder formuliert, ist CETA ebenfalls kein gutes Abkommen. Es beinhaltet nämlich die
gleichen negativen Aspekte und wird die gleichen negativen Auswirkungen haben wie TTIP und muss deshalb verhindert und nicht ratifiziert werden.
CETA wäre zudem ohnehin TTIP durch die Hintertür, denn mehr als 90 Prozent der großen US-amerikanischen Unternehmen haben eine Dependance in Kanada und können über die Dependance all das, was ich gleich konkret schildern werde, einfordern. Genau deshalb darf dieses Abkommen nicht ratifiziert werden. Die EU-Kommission versuchte in jüngster Zeit getreu ihrem Motto, unbequeme und von Mehrheiten der europäischen Bevölkerung abgelehnte Maßnahmen möglichst unbemerkt und autokratisch durchzusetzen, CETA ohne die vorgesehenen demokratischen Abstimmungen durch die Parlamente zu ratifizieren beziehungsweise in Kraft zu setzen. Erst nach massivem öffentlichen Druck wurde davon abgesehen.
Die negativen Auswirkungen dieser Abkommen auf Hamburg sind absehbar. Ich will nur einige konkret benennen. Investor-Staat-Klagen werden finanzkräftigen Unternehmen – denn dafür braucht man mindestens 8 Millionen Euro oder das Äquivalent in Dollar – die Möglichkeit geben, jenseits der regulären juristischen Strukturen Klagen zu erheben und so Gesetzesvorhaben zu verhindern, bevor sie überhaupt auf den Weg gebracht werden können. Da sind wir dagegen. Genauso sind wir gegen die sogenannte regulatorische Kooperation. In CETA steht ein Abschnitt, durch den umgesetzt werden soll, dass ein Expertengremium – und in diesem Gremium werden hauptsächlich Vertreterinnen und Vertreter der großen Konzerne sitzen – Angelegenheiten präjudizierend vorentscheidet, bevor sich die Parlamente damit beschäftigen. Genau das wollen wir nicht.
Diese Abkommen werden ein Angriff auf die öffentliche Daseinsvorsorge sein, durch diese Abkommen werden Umweltstandards ausgehebelt und Fracking wird ebenfalls möglich gemacht werden. Wir können diese gefährlichen Abkommen gemeinsam stoppen, und Hamburg muss seinen Anteil dazu leisten. Deshalb fordere ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, stimmen Sie einmal mit Ihrem Gewissen ab und nicht par ordre du mufti. Das wäre ein schönes Signal. – Danke.
Herr Dolzer, die letzte Bemerkung war ein bisschen entwürdigend gegenüber der Freiheit der Abgeordneten. Jeder Abgeordnete stimmt hier, glaube ich, nach eigener Entscheidung ab. – Als Nächstes erhält das Wort Herr Schmidt von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Freihandelsabkommen ist in der Bürgerschaft in der Vergangenheit bereits öfter debattiert worden. Es ist gut und richtig, dass wir uns mit dem Pro und Kontra auseinandersetzen. Eine Welthandelsmetropole wie Hamburg sollte im internationalen Handel immer die Chancen sehen und ausloten, wie Hamburg, die Wirtschaft unserer Stadt und vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger davon profitieren.
Unser Senat hat sich bereits öfter zu der hohen Bedeutung für die Stadt, die Wirtschaft und den Handel geäußert. Dieser Senat bereitet den Boden für neue Chancen, und er ergreift jeden Tag diese Chancen aufs Neue. Wir alle wissen, dass TTIP und CETA sehr umstritten sind. Die Kritik wird massiv geäußert und muss in jedem Fall sehr ernst genommen werden. Viele Bürgerinnen und Bürger und viele Organisationen bringen sich in die Diskussion über die künftige EU-Handelspolitik ein. Ihr öffentliches Engagement ist ein Statement für einen fairen Handel, dies teilt die SPD.
Aus unserer Sicht ist klar, dass bei sämtlichen Freihandelsabkommen europäische Standards gewahrt bleiben. Die SPD hat hier immer klare Leitlinien in ihren Beschlüssen genannt. Und auch Hamburg setzt sich sehr aktiv für die Verankerung europäischer Werte im Welthandel ein. Dies macht der Bürgermeister auf seinen Reisen immer wieder deutlich; fragen Sie einmal die Delegationsteilnehmer. Für die SPD gilt: Schutzansprüche für Verbraucher, Umwelt, Gesundheit und öffentliche Daseinsvorsorge stehen nicht zur Disposition.
Der Antrag der LINKEN und auch die Rede, die wir eben gehört haben, vermischen wie so oft Argumente und Positionen zu TTIP und CETA, obwohl es sich um verschiedene Verträge und vor allem um verschiedene Phasen der Verhandlung handelt. Bei TTIP gibt es noch kein Verhandlungsergebnis, bei CETA schon. Lassen Sie mich deshalb einige Punkte zu CETA nennen, insbesondere auch die, die Herr Dolzer eben genannt hat. Die LINKE behauptet, CETA regele, dass ein Investor einen Staat verklagen kann, wenn durch ein Gesetz der Verlust erwarteter Gewinne droht. In der offiziellen Übersetzung, die zu dem CETA-Vertrag vorliegt, heißt es allerdings in Punkt 8 – ich zitiere –:
"Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei – auch durch Änderung ihrer Gesetze – Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt
oder die Erwartung eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartung, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß dar."
Ferner sieht CETA erstmals die Einrichtung eines öffentlich-rechtlich organisierten Investitionsgerichtshofs vor. Damit wird das alte ISDS-System mit privaten Schiedsgerichten überwunden. Auch hier behauptet der Antrag der LINKEN etwas anderes. DIE LINKE behauptet zudem, dass CETA die Parlamente schwächen würde, dabei heißt es in Punkt 8.9 wörtlich:
"[…] bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen Sittlichkeit, des Sozial- oder Verbraucherschutzes oder der Förderung des Schutzes der kulturellen Vielfalt in ihrem jeweiligen Gebiet regelnd tätig zu werden."
Dann wird behauptet, dass die öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert werden soll. Dabei heißt es auch hier wörtlich:
"Durch das CETA werden die Staaten und die EU nicht dazu gezwungen oder angehalten, öffentliche Dienstleistungen wie die Wasserversorgung, Gesundheitsleistung, soziale Dienstleistungen oder das Bildungswesen zu privatisieren oder zu deregulieren."
Ich könnte noch weitermachen, aber die wenigen Beispiele sollten reichen, um zu zeigen, dass DIE LINKE mit den Befürchtungen in fataler Weise spielt
Ich kann verstehen, dass Ihnen die Wahrheit an dieser Stelle wehtut und Sie mit Zwischenrufen agieren, aber Kanada ist in sehr vielen Bereichen ein sehr progressiver Staat. Kanada zählt zu den ältesten und engsten Partnern der Europäischen Union. Es bestehen 36 bilaterale Abkommen zwischen der EU und Kanada, und wir sind mit Kanada durch insgesamt 110 Abkommen verbunden.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dolzer?