Herr Kienscherf, jetzt haben Sie das Thema doch künstlich verlängert. Jetzt müssen wir alle noch einmal etwas dazu sagen.
Damit wir uns richtig verstehen, Herr Kienscherf: Wir haben nichts gegen die Ansiedlung von Einzelhandel an dieser Stelle; das haben wir nie gesagt. Das ist grundsätzlich völlig in Ordnung. Deswegen ist die Diskussion, ob das nun ein geschlossenes oder ein halb offenes Dach ist und so weiter, relativ unerheblich. Entscheidend sind die gewaltigen Flächen, die dort entstehen, und das ist natürlich eine Konkurrenzsituation zur Innenstadt, auch wenn Sie das nicht hören wollen, Herr Duge. Insofern ist die Frage der Anbindung essenziell. Wir haben das in der Tat schon im Ausschuss diskutiert und diskutieren es vielleicht auch noch einmal mit Expertise. Aber die Anbindung dieser beiden Zentren – das eine ist schon da, das andere entsteht – ist immens wichtig. Zwischen beiden verläuft nun einmal, wie Sie alle wissen, die Willy-Brandt-Straße. Sie ist, wenn man so will, eine Verkehrsschneise, die es irgendwie zu überwinden gilt. Dafür gibt es nicht so viele Möglichkeiten. Deswegen muss man über Tunnellösungen nachdenken, auch wenn das teure und langfristige Vorhaben sind. Aber man muss sich schon die Mühe machen.
Noch einmal zu den Stadträumen. Sie versuchen das alles so ein bisschen herunterzuspielen, als sei das – Herr Duge hat es vorhin auch gesagt – mit diesem Überseequartier und dem großen Center und den Glasdächern alles gar nicht so schlimm. Letztlich überbauen Sie dort einen Straßenraum, nämlich die Achse der San-FranciscoStraße in Richtung Elbe. Das sind auch Sichtachsen, das sind städtebauliche Achsen, das sind Stadträume. Auch Sie, Herr Kienscherf, wissen, dass das wichtige Elemente sind, die man normalerweise auch beachtet. Nun haben Sie einen Investor, der Ihnen wahrscheinlich vorgeschrieben hat, dass das Ding nur gebaut werden könne, wenn die Mall noch ein bisschen vergrößert werde, und dazu brauche man den Straßenraum. Dem haben Sie zugestimmt. Das ist schon eine ziemliche Beeinträchtigung der öffentlichen Räume, und ich weiß nicht, warum Sie darüber so lax hinweggehen.
Letzter Punkt, der Vergleich mit dem AEZ: Das stammt in der Tat aus einer anderen Zeit. Da haben Sie recht, Herr Kienscherf. Das wurde viel früher, ich glaube, Ende der Siebzigerjahre gebaut und hat viele Stellplätze, die alle ausgelastet sind. Das ist der entscheidende Punkt. Es gibt dort zwar
auch eine S-Bahn-Anbindung, aber Sie tun so, als bewege sich niemand mehr mit dem Auto fort. Wenn wir an Elektromobilität denken, hoffen wir ja auch, dass es in Zukunft möglich sein wird, sich individuell fortzubewegen und nicht zwingend mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, wenn das aus irgendwelchen persönlichen Gründen nicht der richtige Weg ist.
Insofern bin ich auf Ihre Argumente gespannt, die Sie im Ausschuss noch einmal vorbringen werden, aber bisher fand ich sie nicht sehr überzeugend. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kienscherf, ich fand Ihr Plädoyer für die inhabergeführten Geschäfte gut. Genau das vermisse ich zunehmend auch, denn sie sterben weg. Wenn das Überseequartier eröffnet, werde ich hingehen und die inhabergeführten Geschäfte zählen.
Sie fordern immer Ehrlichkeit in der Diskussion und im Umgang miteinander. Dann nennen Sie doch einmal die notwendigen Besucherzahlen, die das Überseequartier benötigt, um wirklich existieren zu können. Die Zahl derer, die mit dem Auto kommen, kennen Sie aufgrund dieser Prognose anscheinend schon genau. Aber wie viele Leute kommen dorthin, um einzukaufen? Das wissen wir noch nicht.
Und noch etwas in puncto Ehrlichkeit: Die Anfrage, die Herr Erkalp gestellt hat, haben Sie damit beantwortet, das Erdgeschoss sei für Sie ein sehr wichtiges Ding, das Erdgeschoss werde nicht klimatisiert. Sie sprechen explizit vom Erdgeschoss. Wie ist es denn mit dem Warftgeschoss? Das klammern Sie schön aus und sagen, es sei noch nicht fertig geplant. So viel zum Thema Ehrlichkeit in dieser Diskussion.
Fest steht auf jeden Fall, dass die zulässige Geschossanzahl erhöht wurde. Dadurch kommt es zu einer verstärkten Verschattung der umliegenden Gebäude. Die Sichtachsen, die eine Blickbeziehung zur Elbe haben sollten, werden verbaut. Die Nutzfläche wurde deutlich erhöht. Die Verkehrsbelastung wird erheblich zunehmen. Das alles ficht
die Koalition nicht an. Denn dort entsteht ja kein Einkaufszentrum, so die Koalitionslogik. Deswegen kann man so tun, als sei nichts passiert, und dem Investorwillen weiterhin bedingungslos ein Zugeständnis nach dem anderen machen. Meine Befürchtung ist: Wenn das Überseequartier vielleicht nicht so einschlägt, wie es soll, dann könnten auch weitere Opfer gebracht werden, zum Beispiel – wir haben es heute schon gehört – die Sonntagsöffnungszeit. Sie behaupten in derselben Drucksache, der Anfrage von Herrn Erkalp, dass Sie davon nicht abrücken werden. Aber bei der Betrachtung des bisherigen Verlaufs dieses Projektes ist das ungefähr so glaubwürdig wie die Behauptung von Herrn Kerstan, Neuwerk nicht entvölkern zu wollen.
Da sich die Koalition auch nicht mit der notwendigen und radikalen Umgestaltung der Wegebeziehungen zwischen der Innenstadt und dem Überseequartier über die Willy-Brandt-Straße befassen will, entsteht dort also ein von der Innenstadt abgeschotteter monolithischer Mischnutzungspalast. Die dem Masterplan zugrundeliegende Absicht, dort einmal etwas Besonderes zu errichten mit einer besonderen Einkaufskultur, mit einer besonderen Einzelhandelsstruktur, wird jetzt durch Beliebigkeit ersetzt, durch Massenware. Nicht kleckern, klotzen lautet jetzt die Devise. Meine Befürchtung ist, dass der Klotz der Innenstadt genügend schadet und es dort zu einer Verschlechterung des Angebots kommt, es aber für das Überseequartier dennoch nicht reichen wird und eines Tages sich dort eine Mischung aus abgegriffenem TUI-Reisebüro-Charme und Rudis Resterampe breitmachen wird. Statt Gewinner gibt es nur Verlierer.
Dieses Thema wird und muss uns noch oft beschäftigen, und ich bin gespannt auf die Ausschusssitzung. – Danke.
Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, und wir kommen zur Abstimmung.
Wer möchte also die Drucksache 21/8034 an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist sie einstimmig überwiesen worden.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 28, Drucksache 21/8470, Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Verpflichtende Abbiegeassistenten für Lastkraftwagen.
[Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Verpflichtende Abbiegeassistenten für Lastkraftwagen – Drs 21/8470 –]
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Verkehrspolitik führen wir ja gern hitzige Diskussionen. Da geht es um Stau, da geht es um Parkplätze, da geht es um Radverkehr. Bei all diesen Diskussionen sollten wir eines meiner Meinung nach nicht aus den Augen verlieren: Bei der Verkehrspolitik muss es politisch immer noch zentral um Verkehrssicherheit gehen.
Deswegen gibt es auch eine sogenannte Vision Zero, also eine Vision im Straßenverkehr, bei der Benutzung von Straßen- und Verkehrsmitteln das Ziel zu erreichen, dass niemand getötet oder schwer verletzt wird. Wenn man sich den Verkehr in ganz Deutschland anguckt, dann ist es leider so, dass wir von dieser Vision Zero noch sehr weit entfernt sind. Zwar hat sich die Situation der Verkehrstoten, die ungefähr in den Siebzigerjahren auf dem Höhepunkt war, mittlerweile sehr verbessert, doch allein in Hamburg gab es 2016 immer noch über 68 000 Unfälle im Straßenverkehr, 9 830 Menschen wurden verletzt, 830 davon schwer und 29 wurden sogar getötet. Gerade die Entwicklung der Verkehrsunfälle mit Lkw muss uns beunruhigen. 2016 stieg in Hamburg die Zahl der Lkw-Unfälle weiter an: 53 Menschen wurden schwer verletzt und 11 getötet. Allein im vergangenen Jahr wurden 65 Menschen bei Unfällen mit abbiegenden oder kreuzenden Lkws verletzt und einer leider auch getötet. All diese Zahlen zeigen, dass wir bei dem Thema Verkehrssicherheit nicht nachlassen dürfen. Es ist weiterhin ein wichtiges Thema und steht deswegen ganz oben auf der rotgrünen Agenda in Hamburg.
Es gibt leider nicht die eine Lösung, damit alles perfekt ist, sondern eine Vielzahl von kleinen Kombinationen und Maßnahmen muss dazu führen, den Straßenverkehr sicherer zu machen. Dazu zählt unter anderem die Verlagerung des Radverkehrs auf die Fahrbahn,
um den Radverkehr sichtbar zu machen. Darüber haben wir hier schon oft diskutiert. Dazu gehört auch, die Geschwindigkeit vor Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen zu reduzieren, so wie es die neue Straßenverkehrsordnung jetzt auch vorsieht. Und dazu zählt auch, bei
den Lkw sogenannte Fahrerassistenzsysteme einzubauen. Das sind Antiblockiersysteme. Das sind sogenannte Fahrstabilitätsregelsysteme, Notbremsassistenten, Spurverlasserwarner. Das alles ist zurzeit für neu zugelassene Lkw schon verpflichtend. Nicht verpflichtend sind sogenannte Abbiegeassistenzsysteme. Dabei sind genau diese Abbiegevorgänge eine Unfallart, die gerade zwischen Radfahrern und Lkw leider sehr oft vorkommt. Solche Systeme könnten dazu führen, diese Unfälle künftig zu vermeiden.
Bei der Internationalen Automobilausstellung im September vergangenen Jahres wurde erstmals ein serienreifes Assistenzsystem dieser Art vorgestellt. Es ist radargeschützt und umfasst im Grunde den gesamten Gefahrenbereich rechts und links eines Lkws, den sogenannten toten Winkel, es warnt mit einem akustischen oder optischen Signal, wenn sich dort eine Person aufhält, und leitet im Zweifel sogar den Bremsvorgang ein. Die Unfallforschung der Versicherer hat errechnet, dass ungefähr 60 Prozent der Unfälle mit einem solchen System vermieden werden können. Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Deswegen wollen wir mit unserem Antrag, der heute zur Debatte und zur Abstimmung steht, die Debatte über diese verpflichtenden Assistenzsysteme intensivieren. Wir wissen, dass wir das nicht in Hamburg beschließen können. Das muss in letzter Instanz auf europäischer Ebene geregelt werden. Aber wir glauben, dass der Vorsitz Hamburgs in der Verkehrsministerkonferenz ein guter Anlass ist, um dieses Thema wieder einmal auf die politische und verkehrspolitische Agenda zu setzen und voranzubringen. So können wir uns für mehr Sicherheit im Straßenverkehr einsetzen. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 2016 gab es in Hamburg 68 Verkehrsunfälle durch Fehler beim Abbiegen, an denen Lkw und Fahrräder beteiligt waren, und das sind 68 zu viel. Auch in der bundesweiten Unfallstatistik sind Abbiegeunfälle die häufigsten und verletzungsträchtigsten Unfallarten, an denen Lkw beteiligt waren. Nun sieht die derzeitige Rechtslage seit Anfang 2000 zwar vor, neu zugelassene Lkw zwingend mit sechs Außenspiegeln auszustatten, um den sogenannten toten Winkel vollständig zu erfassen. Das setzt allerdings voraus, dass die Spiegel ordnungsgemäß angebracht, ausgerichtet und nicht verschmutzt sind. Die 68 Unfälle im Jahr 2016 lassen aber ver
muten, dass dies nicht immer der Fall war, denn bei allen Unfällen wurde der Lkw-Führer als Mitverursacher festgestellt. Das Abbiegen im Straßenverkehr gehört für Lkw-Fahrer zu den unangenehmsten Aufgaben. Sie müssen nicht nur seitlich auf Radfahrer oder Fußgänger, sondern gleichzeitig auf Ampelbeschilderung und Gegenverkehr achten. Abhilfe könnte da die sogenannte Abbiegeassistenz schaffen.
Mittlerweile bieten die Hersteller entweder dieses System als Kameramonitor oder als Radarsystem an. Bei beiden Systemen wird der Fahrer mit einem optischen und/oder akustischen System gewarnt. Dieses System würde nicht nur das Abbiegen erleichtern, auch der Spurwechsel würde dadurch vereinfacht. Der Abbiegeassistent muss daher für alle neu zugelassenen Lkw verpflichtend sein.
Erneute Prüfanträge, wie von der CDU heute gefordert – wir haben ja nachher noch den CDU-Antrag zur Abstimmung –, bringen uns daher kein Stück weiter und verhindern keinen einzigen Unfall.