Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich müssen wir in Zeiten terroristischer Bedrohung auch das Instrumentarium der Gefahrenabwehr auf den Prüfstand stellen, um zu schauen, was notwendig ist und was rechtlich möglich ist. Aber es gibt das Gebot der Rechtsstaatlichkeit, und da sage ich: Beide Anträge werden diesem Gebot der Rechtsstaatlichkeit nicht gerecht.
sondern eine 2004 von der Arbeitsgruppe "Kripo" der LKAs und des BKA beschlossene Definition, und die lautet:
"Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des §100a Strafprozessordnung (StPO), begehen wird."
Das ist keine rechtliche, sondern ein polizeiliche Definition, und den Unterschied sollten Sie kennen, Herr Lenders.
Eine ähnliche Definition ist jetzt im Entwurf zum BKA-Gesetz aufgenommen. Das heißt, im polizeilichen Sinn ist ein Gefährder jemand, von dem eine Gefahr ausgeht, vor allem eine terroristische. Aber: Dabei ist nicht zu übersehen, dass jemand gemeint ist, gegen den es keine gerichtsfesten Beweise gibt, den man daher nicht anklagen kann und nicht verurteilen kann – sonst käme er nämlich in Untersuchungshaft – und der deshalb nach dem bisherigen Rechtsverständnis unschuldig ist. Damit werden polizeiliche Maßnahmen nicht nur ins Vorfeld von Straftaten verlegt, sondern in das Vorfeld des Vorfeldes, und zwar auf der Grundlage eines Verdachts, gegen den sich der Betroffene noch nicht einmal wehren kann.
Von Vorbeugehaft spricht die AfD in ihrem Antrag. Das klingt irgendwie gut, nach dem Motto "Vorbeugen ist besser als heilen". Aber auch Vorbeugehaft ist eine Freiheitsentziehung und dafür sieht das Grundgesetz zu Recht hohe Hürden vor.
Zweitens: Im bayerischen Entwurf, auf den die AfD abhebt, ist nicht einmal von einer konkreten Gefahr als Voraussetzung für Ingewahrsamnahme die Rede. Im Zweifelsfall soll bereits eine drohende Gefahr genügen. Das wird dann auch nicht durch den richterlichen Vorbehalt ausgebügelt, denn dem Richter, der über die Ingewahrsamnahme beziehungsweise über die Fortdauer der Haft und natürlich über die Wahrung der Verhältnismäßigkeit entscheiden muss, werden keine konkreten Kriterien an die Hand gegeben.
Drittens: Wie soll es eigentlich zu einem Ende der Präventivhaft, oder wie Sie sagen, der Vorbeugehaft, kommen, wenn es keinen konkreten, nachprüfbaren Vorwurf gibt und wenn deshalb gar nicht festgestellt werden kann, ob der Vorwurf noch da ist und der Betreffende weiter in Haft zu halten ist oder ob er ausgeräumt ist? Er kann ihn ja gar nicht ausräumen, weil er eben nicht nachprüfbar ist. Wie also soll es zu einem Ende der Haft kommen? Das wendet zum Beispiel der Richterbund ein.
Viertens: Es gibt eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs, der genau festlegt, wann jemand in Präventivhaft genommen werden kann. Es müssen die konkrete Tat, die droht, der Ort, der Zeitpunkt genannt werden. Davon findet sich bei Ihnen kein Wort. Sie fordern etwas, was dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zuwiderläuft und wir werden deshalb beide Anträge ablehnen und auch nicht für die Überweisung stimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden heute auf Grundlage zweier Anträge – eines Antrags der CDU und eines Antrags der AfD – über ein Problem, was uns in diesen Zeiten der größeren Gefahrenlage, wie wir sie nun einmal haben, durchaus beschäftigen kann, wie ich finde, Frau Möller. Und ich wehre mich einfach dagegen, mich nur, weil ein Antrag von der AfD kommt, nicht mit dem Problem zu befassen.
Wir haben einfach die Situation, dass die zulässige Höchstdauer des polizeilichen Vorbeugegewahrsams in Hamburg vergleichsweise kurz ist, und die Frage, ob das für die heutige Bedrohungslage wirklich ausreichend ist, ist durchaus eine Frage, die man stellen kann. Es wurde schon der Blick auf die anderen Bundesländern gerichtet; Bayern will das völlig unbegrenzt machen. Wir sind dagegen. Wir werden auch den beiden Anträgen, die hier vorliegen, nicht zustimmen, um Ihnen das ganz deutlich zu sagen. Wir halten nur diese grundsätzlich angesprochene Problematik in den Anträgen für durchaus wert, in den dazugehörigen Ausschüssen besprochen zu werden. Es gibt in Hamburg angesichts der latenten Sicherheitslage grundsätzlich Handlungsbedarf auch bezüglich dieser Frage.
Eine völlig unbegrenzte Regelung, wie in Bayern geplant, muss aus rechtsstaatlichen Gründen mit so hohen Hürden für den Einzelfall versehen werden, dass sie für die Behörden kaum sinnvoll und rechtssicher anwendbar wäre. Sie ist also abzulehnen.
Damit kommen wir dann auch schon zum Knackpunkt einer zu schaffenden rechtlichen Neuregelung, der notwendigen Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzung. Wenn die Behörden für eine derart grundrechtsrelevante Maßnahme über einen längeren Zeitraum ermächtigt werden, muss in einem Rechtsstaat auch der Anspruch an die tatsächlichen Voraussetzungen höher werden. Damit hätte ein Betroffener nämlich auch faktisch angemessene Möglichkeiten, gegen die Maßnahmen mit Rechtsmitteln vorzugehen. All das muss bedacht werden. Hier haben uns die Polizeirechtsurteile des Oberverwaltungsgerichts Hamburg zu den Gefahrengebieten und vor allem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz die diesbezüglichen rechtsstaatlichen Defizite auch in den Sicherheitspaketen nach 9/11 deutlich aufgezeigt.
Wir würden es durchaus begrüßen, wenn der Senat uns hier einen auf die jetzige Situation zugeschnittenen, überzeugenden neuen Gesetzentwurf vorlegen würde. Wir würden es ebenso begrüßen
ich habe es schon gesagt –, wenn die Koalitionsfraktionen nicht nur die Opposition kleingeistig nennen, sondern sich auch einmal großgeistig zeigen und eine solche Auseinandersetzung in den Ausschussberatungen zulassen würden.
Das scheint uns angesichts der latenten Gefahrenlage für ein so wichtiges Thema hilfreich und notwendig und entspricht dem, was wir uns hier als Parlamentarier vornehmen sollten, anstatt damit polemisch umzugehen und es davon abhängig zu machen, von wem ein Antrag gestellt wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Jarchow. – Es hat sich noch gemeldet Herr Gladiator von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort für 1.09 Minuten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Möller, ich möchte auf Sie eingehen, weil das, was Sie gesagt haben, geradezu unanständig war.
Wenn Sie unseren Antrag gelesen und verstanden hätten, dann hätten Sie verstanden, dass unser Antrag das Ziel hat, alle Menschen in Deutschland – alle, egal, ob sie hier geboren sind, zu uns gezogen sind oder nur als Gast und Tourist hier sind; alle Menschen in Deutschland – vor Terroranschlägen zu schützen, und zwar völlig egal, ob diese von einem Ausländer oder von einem Deutschen begangen werden; das ist den Opfern dann auch sehr egal. Wir wollen also alle Menschen in Deutschland schützen und dafür den Präventivgewahrsam ausweiten, der übrigens mit Untersuchungshaft in der Tat nichts zu tun hat.
Und das wird nicht nach Stimmungslage entschieden, Frau Möller, sondern eine richterliche Entscheidung ist Voraussetzung. Und unsere Richter, auch wenn ich häufig genug Kritik an Urteilen habe, urteilen nicht nach Stimmung und Empfindung. So viel Vertrauen habe ich in unseren Rechtsstaat. Schade, dass Sie das nicht haben.
Vielen Dank, Herr Gladiator. – Es liegen noch Wortmeldungen vor. Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion erhält das Wort.
ja, das will ich dann doch nicht auf mir sitzen lassen –: Wir haben diese Präventivhaft, und die gilt für zehn Tage.
Es gibt keinen Anlass, keinen Beispielsfall. Die Notwendigkeit für die Verlängerung steht im Raum, und Sie tun so, als wenn diese Notwendigkeit durch irgendetwas belegt ist. Dem folgen wir eindeutig nicht.