Es kann doch nicht sein, dass Sie sich für Ihr Versagen bei den Erstaufnahmen rechtfertigen, zur Eulenkrugstraße, mit Argumenten …
Ich habe zur Eulenkrugstraße und zum Hörgensweg von Ihnen nichts gehört. Da haben Sie ganz bescheiden verhandelt.
Sie haben, Herr Tjarks, Herr Dressel, keine ordentlichen Verhandlungen für diese Stadt geführt, und das wird den Steuerzahler viele Millionen kosten.
Und das bleibt hier so stehen. Das können Sie mit Ihren humanitären Bemühungen im August 2015, die wir schätzen, nicht rechtfertigen. Das wird Ihnen nicht gelingen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht. – Doch, Frau Dutschke von der FDPFraktion, bitte schön.
Wissen Sie, Herr Müller, Sie haben ja nun auch gelesen, was diesem Grundstücksdeal an Prozessen vorangegangen ist. Die Akteneinsicht hat "Panorama" genommen, das ist nicht die Einschätzung von uns.
Dann lesen wir die Geschichte mit den Baukostenzuschüssen. Die Projekte sind nicht ausgeschrieben worden. Der Staatsrat hat im Ausschuss selbst gesagt, der Senat sei auf Investoren zugegangen und habe ihnen diese Projekte angeboten, und im Nachhinein sind dann Baukostenzuschüsse verhandelt worden, die in der Drucksache 21/1838, in der es um Perspektive Wohnen geht, keine Rolle gespielt haben. Sehen Sie sich das einmal genau an. Und dann schauen Sie einmal in die Neubauförderrichtlinie 1. Förderweg. Es gibt dort keinen Baukostenzuschuss für Sonstiges, es gibt dort auch keinen Baukostenzuschuss für die höhere Abnutzung von Wohnraum und Küchen. Wenn das keine Mauschelei ist, dann frage ich Sie, was das sonst ist.
Aber weil Sie ja nun nach konkreten Beispielen gefragt haben, schauen wir einmal in Ihr Controlling und beziehen uns einmal nur auf die Zahlen, die da sind; das bisschen Belegung und was an Kosten entstanden ist, werden auch Sie rechnerisch hinbekommen. Nehmen wir die Schnackenburgallee. Dort schwanken die Kosten für Nahrungsmittel im Monat um 200 Euro pro Person. Wenn Sie die verschiedenen Monate vergleichen – es wird die durchschnittliche Belegung angegeben und Sie können das dividieren –, dann kommen Sie auf Kostenunterschiede von 200 Euro pro Person und Monat. Erklären Sie das doch mal. Wie kann es zu solchen Unterschieden kommen?
Dann schauen wir uns den Standort Schmiedekoppel an. Diese Unterkunft stand Monate leer und ist trotzdem bewacht und gereinigt worden,
für über 500 000 Euro. Warum werden solche Verträge geschlossen, mit denen leer stehende Unterkünfte, übrigens mit einer Personalstärke von zwei bis vier Personen, 500 000 Euro kosten können? Wie Sie das erklären wollen, bin ich gespannt. Für mich riecht das nach schlechten Vertragsverhandlungen.
Wenn Sie Zeit haben, im Ausschuss auf Ihr Controlling einzugehen, habe ich dazu noch jede Menge weiterer Nachfragen, die wir dazu stellen können.
Vielleicht können Sie die dann ja auch beantworten. Ich bin gespannt. Bis jetzt ist es keine formale Drucksache, die an den Ausschuss überwiesen wurde; wir diskutieren im Ausschuss über die Verwendung der Mehrbedarfe und nicht über das Controlling – das übrigens in Gänze immer noch nicht vorliegt. – Danke.
Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht. Dann können wir zum zweiten Thema kommen, angemeldet von der AfD-Fraktion
Das Ergebnis des Erdogan-Referendums erzwingt eine gründliche Neuorientierung auch unserer Hamburger Integrationspolitik
dem Sommer letzten Jahres weder ein Rechtsstaat noch eine Demokratie, sondern ein Willkürstaat und eine Erdogan-Autokratie. Davon zeugen die in die Tausende gehenden rein politisch motivierten willkürlichen Entlassungen von Professoren, Lehrern, Beamten, Journalisten und vielen anderen, die oppositioneller Meinung verdächtigt werden oder als Gülen-Sympathisanten denunziert wurden. Alle Opfer dieser Erdogan-Säuberungen verdienen unsere Solidarität.
Seinen autoritären Machenschaften wollte Erdogan mit dem Referendum ein quasi-plebiszitäres Mäntelchen umhängen. Das ist ihm nur knapp gelungen, weil die Opposition in den Köpfen der Bürger trotz der Repression stark war. Dafür haben die Türken meinen Respekt. Ob es überhaupt gelungen wäre, wenn wir die Wirkungen der Wahlfälschungen und der Wahlbehinderungen und die Stimmen der Auslandstürken abziehen, ist durchaus unsicher.
Letzteres stellt ein besonderes Problem dar. Bei den in Deutschland lebenden Türken haben fast zwei Drittel der Wähler für Erdogans Ermächtigungsgesetz gestimmt. Im Klartext: Sehr viele Türken, die hier in Deutschland die Vorzüge von Rechtsstaat und Demokratie genießen, stimmen dafür, dass ihren Familien und anderen Bürgern in der Türkei diese Rechte und Sicherheiten entzogen werden. Normalerweise sagt man ja, in einer Demokratie bekommt jedes Volk die Regierung, die es verdient. Hier gilt das nicht, denn die hiesigen Türken bekommen die Diktatur nicht selbst, für die sie gestimmt haben, und das allein ist ein starkes Argument gegen doppelte Staatsbürgerschaft.
Das Ergebnis wirft außerdem ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die sich schon länger abzeichnet und die eine Integrationserwartung bisweilen als Illusion erscheinen lässt. Viele Leute in Deutschland – ich auch – haben lange die Vorstellung gehegt, dass Türken, die in der ersten Generation als sogenannte Gastarbeiter kamen, in der zweiten und dritten Generation, weil sie mit uns leben, arbeiten und kommunizieren, sich zunehmend integrieren und ein zugehöriger Teil unserer Gesellschaft werden oder wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Das war in erheblichen Teilen eine Illusion. Sehr viele leben nicht mit uns, sondern neben uns her. Parallelgesellschaften sind das Gegenteil von Integration. Das Erdogan-Ergebnis in Deutschland ist ein Resultat von, so möchte ich es nennen, Parallelgesellschaft im Kopf.
Integration muss man wollen. Das ist nicht nur eine Anforderung an unsere Gesellschaft, sondern auch und vor allem an die Zuwanderer selbst, wenn sie auf Dauer nicht nur Gäste bleiben wollen.
Nicht selten hat man den Eindruck, dass in der dritten Generation etwas schlechter läuft als in der ersten. Geht der Integrationsprozess vielleicht in die falsche Richtung? Das wäre fatal. Wir müssen unsere Vorstellung von Integration auf den Prüfstand stellen und die Prozesse und Probleme grundsätzlich und neu problematisieren. Wir müssen unseren türkischen Mitbürgern deutlich machen, dass wir bezüglich eines Miteinanders auch konkrete Erwartungen an sie haben, dass wir nicht auf Dauer tolerieren wollen, dass sie zwar alle Vorteile der deutschen Gesellschaft konsumieren, aber im Kopf in Anatolien bleiben. Wir wollen, dass sie tolerant und demokratisch werden und echte Bestandteile unserer Gesellschaft. Das kann nur gemeinsam und im Dialog mit den Türken in Deutschland geschehen. Aber bisher haben wir die falschen Gesprächspartner. Verbände und Funktionäre, die aus Ankara ferngesteuert werden, sind ganz sicher die falschen Dialogpartner, weil sie völlig andere Interessen haben und weil sie per se integrationsfeindlich sind; die entsprechenden Worte von Erdogan habe ich noch sehr gut im Ohr. Wir sollten in Hamburg mit den integrationsbereiten Türken direkt reden, also ohne Erdogan-Funktionäre. Vielleicht sollten wir die Hamburger Türken auf demokratische Weise eine Vertretung wählen lassen, die dann unser Gesprächspartner ist. Das würde sicher mehr bringen als das, wie wir es jetzt machen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Ausgang des Referendums ist ein schwerer Schlag für die parlamentarische Demokratie in der Türkei. Das Referendumsergebnis hat aber auch gezeigt, dass Erdogan nicht die Türkei ist. Es hat gezeigt, dass trotz aller Repression nach wie vor eine starke und lebendige Zivilgesellschaft in der Türkei existiert, die unsere volle Solidarität verdient.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)
Bevor ich auf die Einlassungen der AfD eingehe, möchte ich kurz die Faktenlage zum Wahlverhalten der türkischstämmigen Menschen in Deutschland und Hamburg darlegen. In Deutschland leben etwa 3,5 Millionen türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger. Wahlberechtigt sind etwa 1,4 Millionen Türken. Davon haben etwa 48 Prozent ihre Stimme abgegeben. Über 63 Prozent davon haben für Erdogans Verfassungsänderung gestimmt. In Hamburg leben etwa 95 000 türkischstämmige Menschen. Davon sind 62 000 türkische Staatsbürger. Im Zuständigkeitsbereich des türkischen Kon
sulats, das die Metropolregion Hamburg und Schleswig-Holstein umfasst, sind 84 000 Türken wahlberechtigt. Davon haben etwa 40 500 Menschen, also 48 Prozent, von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Mit Ja haben 57 Prozent, mit Nein haben 43 Prozent gestimmt. Bundesweit haben somit etwa 33 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja gestimmt; in Hamburg sind es 27 Prozent.
Es ist auch für mich schwer nachvollziehbar, dass Menschen einerseits die Vorzüge unserer freiheitlichen parlamentarischen Demokratie genießen und hier gern leben, andererseits aber für die Abschaffung der Demokratie in der Türkei stimmen. Ich will diese Ja-Sager keineswegs entschuldigen. Ich möchte aber, dass wir, soweit es geht, eine differenzierte und faktenbezogene Diskussion führen und keine populistischen Kurzschlüsse ziehen.
Es ist mir schleierhaft, wie die AfD, aber nicht nur sie, sondern auch Teile der CDU, die Kausalität zwischen diesem Referendum in der Türkei und der Integrationspolitik in Deutschland beziehungsweise in Hamburg herstellen. Diese neu entfachte Debatte ist fehlgeleitet und rein populistisch.
Erstens gibt es keinen Beleg für das Wahlverhalten deutsch-türkischer Doppelstaatler, das sind etwa 500 000 Menschen in Hamburg. Zweitens gibt es viele Hinweise darauf, dass vor allem die Mehrheit der Wähler, die nur die türkische Staatsbürgerschaft haben, Erdogans Staatsumbau zugestimmt hat. Drittens haben viele für die Verfassungsänderung nicht aus sachlichen Gründen, sondern aufgrund der Unterstützung für Erdogan und aus politischer Überzeugung gestimmt. Viele Deutschtürken sind in einem konservativen Umfeld aufgewachsen, das ihre politische Meinung prägt. Diese Einstellung ist bedauerlich, aber in einer Demokratie zu ertragen. Deutschland erträgt auch eine AfD.
Die Behauptung, der Doppelpass behindere die Integration, ist absurd und bisher nicht belegbar. Es zeigt sich jedoch, dass es viele verschiedene Gründe für das Verhalten der Deutschtürken gibt. Damit müssen wir differenziert umgehen und dürfen daraus keine falschen Schlussfolgerungen ziehen. Die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik darf keine Stimmungsmache, keine Polarisierung, keine Schwarz-Weiß-Malerei sein. Wir müssen uns gegen die Ethnisierung, Spaltung und das Auseinanderdriften der Gesellschaft einsetzen. Daher werden wir unsere Bemühungen zur weiteren Förderung der demokratischen Kultur, des gegenseitigen Respekts und des Zusammenhalts verstärken. – Vielen Dank.