Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

erste Mal komplett anders, als es in all den früheren Jahrzehnten war. Für den Stadtstaat Hamburg ist es nicht nur ein Ergebnis, mit dem man leben kann, aber weniger Geld hat als vorher, sondern es ist tatsächlich mehr dabei herausgekommen. Ich glaube, aus hamburgischer Perspektive kann man sagen: Gemessen an allen früheren Verhandlungsrunden ist das ein großer Erfolg und eine langfristige Zukunftssicherung für die Stadt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Neu ist auch, dass wir uns das allererste Mal ohne vorheriges Urteil des Bundesverfassungsgerichts geeinigt haben. Nun hat geholfen, dass die Klage der Länder Hessen und Bayern nach Ansicht aller namhaften Juristen ziemlich aussichtslos war, aber letztendlich ist es doch ein Thema, dass es diesmal gelungen ist, eine Verständigung zustande zu bringen zwischen 16 Ländern mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen und der Bundesregierung und dem Bundestag mit jeweils eigenen Vorstellungen in all diesen Fragen. Es ist nicht so leicht zusammenzukommen, weil natürlich jeder mit seiner eigenen Position irgendwie auch recht hat und es trotzdem gelingen muss, dass am Ende 16 plus zwei Ja gesagt haben, damit es zu der Verfassungsänderung auch tatsächlich kommt. Das haben wir hinbekommen, und ich glaube, dass es lohnt, die wesentlichen Verhandlungsergebnisse noch einmal zu beschreiben.

Wir haben erreicht, dass der Solidarpakt, den wir im Zusammenhang mit der deutschen Einheit aufgelegt haben, endgültig 2019 ausläuft und es ein einheitliches bundesdeutsches Finanzierungssystem gibt, das die nach wie vor bestehende Schwäche der ostdeutschen Länder ausgleicht, ohne dass es spezielle Regelungen für die ostdeutschen Länder gibt. Das ist auch im Zusammenhang mit der Vorstellung eines einheitlichen Deutschlands ein sehr wichtiger Fortschritt, und ich glaube, darauf können alle, die daran mitgewirkt haben, gemeinsam stolz sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben sichergestellt, dass die Länder Saarland und Bremen, die so viele Schulden haben, dass sie sich aus ihrer eigenen Kraft nicht mehr helfen können, eine Hilfe bekommen, mit der sie ihre Finanzsituation gut darstellen können. Und wir haben einen Weg gefunden dafür, dass zumindest drei der Zahlerländer – nicht Hamburg, aber Hessen, Bayern und Baden-Württemberg – mehr zahlen, auch in der Zukunft und auch mehr als jetzt, aber dass es nicht so viel mehr sein sollte, wie prognostiziert worden war. Das war – und deshalb sind manche Sprüche etwas sehr schlank –, wenn man das unter den Ländern hätte lösen wollen, nur zulasten der zahlungsschwächeren, ärmeren Länder möglich, oder zulasten eines reichen Stadtstaates. Das muss man wissen, und dann ist es vielleicht etwas zu schnell, wenn man sagt, es sei

(Andrea Oelschläger)

falsch, dass der Bund diesen Anteil, den sich die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg jetzt als Entlastung verschafft haben, trägt und das nicht die übrigen Ländern tun müssen. Ich glaube, das ist ein Beitrag zur Solidarität und genau der richtige Schritt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben erreicht, dass alle Länder besserstehen werden als ohne diesen Finanzausgleich. Das ist wichtig, und zwar sechzehnmal. Aber die eigentliche Botschaft – und die ist viel wichtiger – ist, dass alle Länder ab 2020 in der Lage sein werden, aus eigener Kraft die Aufgaben, die sie haben, zu stemmen, obwohl sie dann die Schuldenbremse beachten müssen und keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Ich finde, das ist die wichtigste Stärkung des Föderalismus, die man bei dieser Gelegenheit schaffen musste, denn es wäre ein dramatischer Zustand gewesen, wenn wir jetzt eine Neuregelung hinbekommen hätten und 2020 kommen die ersten Länder und sagen: Wir brauchen mehr Geld, wir kommen mit dem, was uns zusteht, nicht aus.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für Hamburg ist natürlich zentral, dass die Einwohnerwertung erhalten geblieben ist, die es für die Stadtstaaten gibt und für einige bevölkerungsärmere Länder, im Osten Deutschlands vor allem. Das ist sehr wichtig, weil es fast 1,4 Milliarden Euro sind und weil das ganze System der Steuerzerlegung infrage gestellt wäre, wenn es sie nicht gäbe. Denn sie ist nicht eingeführt worden, weil man uns etwas Gutes tun wollte, sondern weil akzeptiert worden ist, dass die Steuern der 330 000 Einpendler in der Stadt Hamburg, die hier ihr Geld verdienen, zu 100 Prozent an andere Gebietskörperschaften, Gemeinden, Länder oder den Bund abgeführt werden und die Stadt Hamburg davon außer Verwaltungsgebühren nichts nachbehält. Das, glaube ich, gehört zusammen. Und die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg könnten nicht wirtschaftlich überleben, wenn die Einwohnerwertung abgeschafft würde. Dann würde nämlich ein wichtiger Teil ihrer Steuerquellen nicht mehr in unbegrenzter Form zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Einwohnerwertung auch ein Beitrag zur Solidarität mit nicht ganz so finanzstarken Flächenländern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für uns sind die Entscheidungen, die mit der Mehrwertsteuer und der Einwohnerwertung verbunden sind, auch deshalb wichtig, weil sie dynamische Komponenten beinhalten. Die Mehrwertsteuer wird in einem bestimmten Rahmen regelmäßig mehr werden, und wenn wir wachsende Einwohnerzahlen haben, auch relativ zu den übrigen Ländern, wird sich das auch relativ auswirken. Das gilt übri

gens ebenso für den Teil mit der Einwohnerwertung. Wenn die Prognosen eintreffen, die wir für unsere künftige Einwohnerzahl haben, oder die realistischen Vermutungen, dass es viel mehr werden, dann wird das durch die jetzige Regelung auch finanziell unterfüttert sein und wir werden unsere Aufgaben, die wir haben, lösen können. Deshalb ist es aus meiner Sicht eine gute Entscheidung, die wir hier miteinander zustande bekommen haben. Ich glaube, wir können froh darüber sein, dass unsere Zukunft als unabhängiger Stadtstaat mit sehr langer Tradition damit auch gesichert ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein bisschen unbemerkt von allen sind in den letzten Jahren dieser bundesweiten Legislaturperiode manche Entscheidungen getroffen worden, die unsere finanzielle Handlungsfähigkeit verbessert haben. Die Regionalisierungsmittel sind aufgestockt und dynamisiert worden und werden Stück für Stück anders verteilt, sodass wir unsere Verkehrsaufgaben besser lösen können. Wir haben die Entscheidung, dass der Bund das BAföG jetzt ganz trägt, und es hat eine 5 Milliarden Euro Entlastung der Kommunen – Hamburg ist auch eine – bei der Mehrwertsteuer gegeben, wodurch auch zusätzliche Mittel entstehen.

Insgesamt ist die Finanzkraft unserer Stadt durch die verschiedenen Verhandlungsprozesse auf Bundesebene besser geworden. Ich glaube, das ist gelungen, weil wir nicht eitel aufgetreten sind, sondern weil wir gesagt haben, dass wir eine gemeinsame Lösung brauchen, die sechzehnmal funktioniert unter den Ländern und die auch mit dem Bund, und zwar mit Bundesregierung und Bundestag, funktioniert – aus meiner Sicht ein guter Fortschritt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Mi- chael Kruse FDP: Das war die Dankesrun- de!)

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, auch wenn das hier nicht so sorgfältig diskutiert worden ist, was völlig in Ordnung ist. Über die Bundesauftragsverwaltung für die Fernstraßen muss man nicht so aufgeregt sein,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ach!)

denn ehrlicherweise war es, wie Sie gesagt haben, immer eine Bundesauftragsverwaltung. Das war immer Bundesplanung, Bundesautobahn und Bundesgeld.

(Dennis Thering CDU: Da kommen wir spä- ter noch zu! Aber dann sind Sie wahrschein- lich schon weg!)

Das Einzige, was wir uns ab 2020 ersparen werden, sind die Planungskosten, die gewissermaßen der Bund trägt. Dazu möchte ich an dieser Stelle das Versprechen loswerden, dass wir nicht mit der

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Planung unserer Verkehrsinfrastruktur bis 2020 warten,

(Dennis Thering CDU: Ganz neue Töne!)

sondern wir machen weiter, damit der Bund dann mit großer Priorität die Hamburger Projekte realisieren kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Glocke)

Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?

Ja.

Werden Sie an dieser Stelle auch das Versprechen geben, dass der Hamburger Senat sich gegen sämtliche ÖPP-Projekte im Rahmen des Bundesautobahnbaus ausspricht?

Erster Bürgermeister Olaf Scholz (fortfahrend): Ich will das Versprechen geben, dass ich dafür sorgen werde, dass morgen im Bundestag und am Freitag im Bundesrat die vielen Privatisierungsbremsen beschlossen werden, die dort für das Grundgesetz vorgesehen sind. Es gibt in Hamburg ÖPP-Projekte auf Autobahnen, und die laufen ganz gut.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist ein weiterer Fortschritt, den wir dort erzielt haben.

Ich will zusammenfassend noch einmal sagen: Für Hamburg ist das eine gute Entwicklung. Wir können unsere Zukunft jetzt vernünftig planen und wir müssen es jetzt nutzen: durch Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur – zwei neue S-Bahnlinien, eine komplett neue S-Bahn –, in Autobahnen, in Bundeseisenbahninfrastrukturen, in den Wohnungsbau, in gebührenfreie Krippen und Kitas, Milliarden für Schulen und Hochschulen und ihre Gebäudeinfrastruktur, und für den Ausbau von Wissenschaft und Forschung. Da gibt es also viel zu tun. Das können wir jetzt und das werden wir auch. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Arndt von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich gehöre zu den Dutzenden Angemeldeten, die noch ein Wort zu der Politik sagen wollen. Ich denke, Politik soll und muss gestalten. Sie darf nicht nur verwalten. Sie muss und soll uns nicht nur durch Krisen

zeiten manövrieren oder kurzfristig reagieren, sondern langfristig denken, auch jenseits von Legislaturperioden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gerade wenn der Weg zur Lösung mühsam ist und viele Beteiligte in einem Boot sitzen beziehungsweise in ein Boot geholt werden müssen, bedarf es politischer Klugheit, Durchhaltevermögens und eines langen Atems. All dies hat Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bewiesen und so politische Handlungsfähigkeit demonstriert. Ein politisches Meisterstück hat es die Direktorin des NDR Landesfunkhauses Hamburg, Sabine Rossbach, genannt, und es ist wahrlich ein Meisterstück, dass der Bürgermeister vollbracht hat. Er hat sich gegenüber dem Finanzminister durchgesetzt, ohne diesen zu übertrumpfen. Er hat alle Ministerpräsidenten überzeugt, sich für eine gemeinsame Lösung der Bundesländer einzusetzen, für ein solidarisches Miteinander.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Also statt regionaler Freistaats- beziehungsweise Kleinstaaterei, statt eines Deals à la Donald Trumps America First – oder soll ich sagen: à la Seehofers Bayern First? – hat er im Sinne unseres föderalistischen Staatsverständnisses und somit auch ganz im Sinne des Grundgesetzes und seiner Gründerväter gehandelt.

Sie wissen genau, welche immensen Aufgaben wir zu schultern haben. Sie wissen, vor welchen Herausforderungen wir auch als wohl reiche Stadt Hamburg stehen. Hier geht es weder um die Option, angeblich frei verfügbares Geld freizügig verteilen zu können, noch um angeblich anstehenden Privatisierungen Vorschub zu leisten; jeder kennt die Aufgaben und die damit verbundenen Ausgaben. Es wäre anständig, realistisch und auch etwas demütiger zu sein. Ich erinnere in Stichworten: der notwendige Ausbau und die Sanierung der Schulen, der ÖPNV, der notwendige Sozialwohnungsbau. Wer nach Entlastung ruft, sollte unmittelbar die Leistungen nennen, die dann wegfallen können.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Also frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was ist hier nicht zu verstehen? Welchen kompromissfähigen Vorschlag hätten Sie denn gern geliefert? Ich frage Sie: Welcher kompromissfähige Vorschlag ist vom Bund gekommen, der uns einen anderen Lösungsweg als den von Olaf Scholz hätte bieten können? Ich weiß von keinem.

Ich jedenfalls sehe, dass der Aufgaben noch viele sind und dass es noch genügend Schulden gibt, die es abzutragen gilt. Und ich sehe und verstehe, dass unser Bürgermeister einer tragfähigen, langfristigen und verbindlichen Lösung den Weg geeb

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

net hat. Also sage ich mit Achtung und Respekt: Chapeau, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)