Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

(Beifall bei der LINKEN)

Es werden mehrere Gesetze zusammengepackt und gemeinsam verabschiedet, und schon gestern auf der Pressekonferenz hat man gesehen, dass allein in diesem einen Bereich der Bund-LänderBeziehung kaum noch jemand verstehen konnte, was dort eigentlich alles gemeinsam vereinbart worden ist. Das halte ich für einen Rückschritt für die demokratische Diskussion. Wir müssen in der Lage sein, so etwas zumindest im Nachhinein hier noch einmal diskutieren zu können.

Es gibt verschiedene sehr kritische Kommentare, unter anderem einen von – er wird wahrscheinlich von uns allen ein bisschen geschätzt – Herrn

(Farid Müller)

Prantl. Er hat in der "Süddeutschen Zeitung" deutlich dargestellt, dass die Solidarität der Länder dadurch geschwächt wird. Das stimmt. Dadurch, dass wir mehr Geld vom Bund bekommen, ist die Solidarität im Länderfinanzausgleich geschwächt in ihrem Mechanismus. Das genauer zu diskutieren, verlange ich. Zumindest sollten wir das hier im Parlament nachholen – notfalls auch im Verfassungsausschuss –, weil es schon einer der wichtigen Momente ist, das Parlament und die gemeinsame Diskussion dort hier zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein dritter Punkt – Herr Dressel hat es schon angesprochen –: Wir bekommen in den nächsten Jahren konsequent mehr Geld für diese Stadt zur Verfügung. Dementsprechend gibt es keinen Grund mehr für den Sparhaushalt, den Sie in wichtigen Bereichen immer noch durchsetzen. Die Steigerungen in einzelnen Bereichen, gerade dem sozialen Bereich oder der Wissenschaft,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Flüchtlinge!)

sind geringer als der Ausgleich der Preissteigerungen. Dementsprechend wird der Haushalt in allen wichtigen Bereichen systematisch kleiner. Diese Art von Sparhaushalt könnte damit nun eigentlich ein Ende finden und wir könnten dort eine vernünftige Grundlage schaffen, gerade für die sozialen Projekte in dieser Stadt, gerade für so etwas wie die Bürgerhäuser, die Ihnen doch eigentlich am Herzen liegen. Denen immer noch Sparhaushalte und Kürzungspolitik vorzuhalten geht aufgrund dieser Grundlagen nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben damit die finanziellen Möglichkeiten. Wir haben eine Niedrigzinspolitik, bei der es vernünftig ist, gerade in sozialen Bereichen zu investieren; natürlich auch in den anderen Bereichen. Ich verlange von Ihnen, dass Sie das einführen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Suding von der FDP-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Einen eigenartigen Zeitpunkt hat sich der Bürgermeister für seine gestrige Pressekonferenz ausgesucht, in der er den anwesenden Medienvertretern stolz über die geplante Einigung bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen berichtete. Eigenartig deshalb, weil die erforderlichen parlamentarischen Abstimmungen noch gar nicht stattgefunden haben. Der Haushaltsausschuss des Bundestags berät zur Stunde über das sehr umfangreiche Gesetzespaket, morgen soll es dann im Plenum des Bundestags beraten werden, und wenn dort die für das Grundgesetz notwendigen Zweidrittelmehrheiten erreicht werden, geht es am

Freitag in den Bundesrat, und in diesem Prozess kann es durchaus noch zu Veränderungen an der Vorlage kommen.

(Glocke)

Frau Suding, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Dressel?

Ist der Kollegin Suding bekannt, dass am Dienstag eine Senatssitzung ist, in der immer das Stimmverhalten für eine Bundesratssitzung am Freitag, also dann diesen Freitag, festgelegt wird und man darüber vielleicht eine Mitteilung machen könnte?

Das ist mir bekannt. Es hat aber mit diesem Fall, da das auf Bundesebene entschieden wird, recht wenig zu tun.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ach nee! Freitag ist Bundesratssitzung! – Zurufe von der SPD)

Plausibel wäre es aus meiner Sicht gewesen, diese Pressekonferenz, die nun gestern stattgefunden hat, in der nächsten Woche anzusetzen. Ein Blick auf die Tagesordnung der Bürgerschaft aber zeigt, dass die SPD heute – und eben nicht in zwei Wochen – das erste Anmelderecht für die Aktuelle Stunde hat, und die Chance, dass sich Olaf Scholz für seinen Verhandlungserfolg zu bester Sendezeit von den Regierungsfraktionen feiern lässt, wäre dann natürlich verstrichen, und das wollte man nicht.

(Beifall bei der FDP – Dr. Monika Schaal SPD: Sind Sie eigentlich neidisch, oder was?)

Insofern war auch die Frage eines Hörfunkjournalisten in der gestrigen Pressekonferenz mehr als berechtigt. Er wollte nämlich wissen – vermutlich, weil der Bürgermeister mehrfach ungefragt darauf hingewiesen hatte, dass er sich bisher weder in Interviews öffentlich noch in journalistischen Hintergrundrunden zu seinem großartigen Erfolg geäußert habe –, ob sich der Bürgermeister ausreichend wertgeschätzt fühlt. Das scheint angesichts der heutigen Themenanmeldungen der SPD offensichtlich nicht der Fall zu sein, das kann man auch an den vielen Dankesaufforderungen von RotGrün an das Parlament deutlich sehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. An- jes Tjarks GRÜNE: Was ist denn das für ei- ne Küchenpsychologie!)

Nun aber zur Sache, und da fange ich gern mit ein paar lobenden Worten an. Der geplante Länderfi

(Norbert Hackbusch)

nanzausgleich wird durch das nun nicht mehr zwei-, sondern nur noch einstufige Verfahren zur Verteilung der Umsatzsteuer mit Zu- und Abschlägen, die je nach der Finanzkraft der Länder gewährt werden, einfacher und transparenter. Das ist gut. Die Einwohnerveredelung – darüber haben wir schon gesprochen – bleibt für Hamburg und die anderen beiden Stadtstaaten erhalten. Auch das ist wichtig. So weit, so gut.

Aber Neuordnung hat eben auch ihren stolzen Preis und die Kosten trägt der Steuerzahler. Der Bürgermeister hat gestern zwar immer wieder die Solidarität zwischen den Ländern betont, richtig ist aber, dass die Länder künftig untereinander weniger an Ausgleich leisten. Künftig werden über die Länder 16,1 Milliarden Euro untereinander verteilt, das sind 2,3 Milliarden Euro weniger als der Status quo, und das Delta – plus noch ordentlich etwas oben drauf – wird vom Bund übernommen. Der Bund muss künftig statt 10 Milliarden Euro 14 Milliarden Euro zahlen, also immerhin 4 Milliarden Euro zusätzlich. Insoweit ist die von Olaf Scholz so viel beschworene Solidarität zwischen den Ländern eher Makulatur und wird in Wahrheit mit diesen zusätzlichen Milliarden des Bundes erkauft. Für den Bürger ist das ein Linke-Tasche-rechteTasche-Spiel. Hier ist es allerdings so, dass für den Finanzausgleich aus der linken Tasche mehr herausgenommen wird, als in die rechte Tasche hineinkommt. Der Steuerzahler zahlt also drauf, denn ihm ist es natürlich absolut egal, ob seine Steuergelder ans Land oder an den Bund fließen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Wieso zahlt der Steuerzahler drauf?)

Hamburg soll also ab 2020 durch die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 176 Millionen Euro mehr haben, jährlich und dynamisch aufwachsend. Vor dem Hintergrund sprudelnder Steuereinnahmen, die die Steuerschätzung uns erst vor ein paar Tagen wieder prognostiziert hat, und angesichts der Mehreinnahmen, die Hamburg durch die Neuregelung des Finanzausgleichs zu erwarten hat, ist deshalb völlig unverständlich, dass sich der rot-grüne Senat weiter die Taschen vollmachen will

(Dr. Monika Schaal SPD: Na, nun hört's aber mal auf! – Kazim Abaci SPD: Frau Su- ding!)

und eine millionenschwere Müllgebühr – tatsächlich in Millionenhöhe: 27 Millionen Euro – einführen will. Das ist wirklich ein eiskalter Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der FDP)

Darüber werden wir hoffentlich gleich noch in der Aktuellen Stunde sprechen können, wenn die SPD heute nicht wieder Dutzende von Rednern ins Rennen schickt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir sind so vie- le!)

mit dem Ziel, dass das zweite Thema dann wegen Zeitablaufs nicht mehr behandelt werden kann.

(Zurufe)

Es gibt aber noch ein paar Punkte, die wir vermissen. Es fehlt nach wie vor ein Anreiz für die Länder, aus eigener Kraft die Haushalte zu sanieren. Wir haben uns mehr Steuerautonomie für die Länder gewünscht. Ebenso sind die Anreize für Haushaltsdisziplin auf der Ausgabenseite sowie Anreize für wirtschaftliche und infrastrukturelle Anstrengungen zur Förderung der Einnahmenseite nach wie vor zu gering. Deshalb mein Fazit: Viel Lärm um Nichts. Lassen Sie uns doch jetzt lieber über die für Hamburger und Hamburgerinnen wichtigen Themen sprechen und bald zum nächsten Thema kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zweifelsohne besteht die Notwendigkeit der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs. Die aktuelle Regelung läuft Ende 2019 aus. Die Geberländer monierten seit Jahren die fehlenden Anreize für die Nehmerländer, ihre Finanzen auf Vordermann zu bringen. Bayern und Hessen hatten sogar Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Auf der anderen Seite schreitet die Angleichung der Lebensverhältnisse bei allen nach wie vor bestehenden Ungleichheiten voran. Die Finanzkraft der Länder gleicht sich, wenn auch sehr vorsichtig, an. Nichts läuft also schlecht; ohne einen weiteren Ausgleich der Finanzkraftunterschiede sind ansatzweise bundesweit gleichwertige Lebensbedingungen allerdings nicht sicherzustellen. Aber das ist Verfassungsauftrag.

Der neue bundesstaatliche Finanzausgleich erreicht verschiedene Zielvorgaben: Er gibt weiterhin einen Ausgleich für schwächere Länder, gleichzeitig wird kein Land schlechtergestellt als zuvor, Bayern und Hessen können ihre Verfassungsklage zurückziehen. Sogar der Bundesfinanzminister gesteht aber offen ein, dass es nicht gelungen sei, das Gesamtsystem transparenter, gerechter und systematisch sauberer zu gestalten. Darüber hinaus sind eigentlich gewünschte Anreize für die schwächeren Länder, aus eigener Kraft ihre Haushalte zu sanieren, unterwegs bereits auf der Strecke geblieben. Das neue System ist nicht der eigentlich angestrebte große Wurf.

Im Ergebnis zeigen sich die Länder zufrieden, weil sie jedenfalls nicht schlechtergestellt werden als mit der alten Regelung. Damit alle gleich gut oder

(Katja Suding)

bessergestellt werden, muss ein starker Finanzierungsanteil über den vertikalen Ausgleich vom Bund geleistet werden. Und da kommt mein Hauptkritikpunkt ins Spiel. Bei aller Freude darüber, dass nun die Länder ihre Aufgaben weiter erfüllen werden können: Der Bund lässt sich die finanziellen Zuschüsse teuer bezahlen. Die Länder müssen dem Bund Kompetenzen überschreiben, die noch vor wenigen Jahren nie zur Verhandlungsmasse geworden wären. Hans Eichel ist – zu Recht, wie ich finde – mit entsprechenden Vorhaben seinerzeit gescheitert. Die Älteren unter uns erinnern sich, dass er von einer Bundessteuerverwaltung träumte. Dagegen regte sich erheblicher Widerstand. Im Jahr 2017 gibt es derlei Widerstand aus den Ländern kaum noch. Auf dem Basar der Möglichkeiten hat Wolfgang Schäuble kräftig zugeschlagen. Folgende Beispiele mögen als Illustration dienen: ein Weisungsrecht für die Finanzverwaltung – nur eine Mehrheit der Länder kann Weisungen stoppen; die Abschaffung der Bundesauftragsverwaltung bei Autobahnen – der Bund erhält hier jetzt die volle Kontrolle über Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung. Der Bund kann Verbesserungen in der kommunalen Infrastruktur einfacher als vorher mitfinanzieren, zum Beispiel also in den Schulbau investieren – vordergründig gut für die Kommunen und Länder, aber auch ein Druckmittel und eine Erhöhung der Abhängigkeit.

Die vorliegende Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen wirkt wie das Ergebnis eines fragwürdigen Kuhhandels. Nicht alles ist schlecht, aber am Ende bleibt doch festzustellen: Die Chancen für einen großen Wurf, eine sachgerechte Systemerneuerung, wurden verpasst, und das bei immerhin 13 zur Verabschiedung anstehenden Grundgesetzänderungen. Es bleibt die Frage: Wer, wenn nicht eine Große Koalition, hätte denn die Gelegenheit für eine umfassende Reform gehabt? Und als großer Wermutstropfen geben die Länder dauerhaft Kompetenzen an den Bund ab. Das föderale System in Deutschland wird damit weiter geschwächt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt der Erste Bürgermeister Olaf Scholz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die jeweilige Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehung ist für die Stadt Hamburg immer eine dramatische Frage gewesen. Das war über viele Jahrzehnte der Fall, und wenn wir auf die letzten Verhandlungsrunden zurückschauen und uns erinnern, was für parlamentarische Debatten lange im Vorfeld der jeweiligen Kompromisse dazu stattgefunden haben, wie viel Berichterstattung es dazu gegeben hat, dann ist es diesmal ziemlich ruhig verlaufen. Das ist aber auch gut so, denn das Ergebnis ist das

erste Mal komplett anders, als es in all den früheren Jahrzehnten war. Für den Stadtstaat Hamburg ist es nicht nur ein Ergebnis, mit dem man leben kann, aber weniger Geld hat als vorher, sondern es ist tatsächlich mehr dabei herausgekommen. Ich glaube, aus hamburgischer Perspektive kann man sagen: Gemessen an allen früheren Verhandlungsrunden ist das ein großer Erfolg und eine langfristige Zukunftssicherung für die Stadt.