Hamburg hat sich mit seiner Bewerbung um den ITS-Weltkongress 2021 gegen Städte wie Dubai und Mailand durchgesetzt. Darüber können Sie lachen, aber es ist nun einmal Tatsache. Themenschwerpunkte dieses Weltkongresses 2021 werden unter anderem sein: automatisiertes und vernetztes Fahren,
intelligente Logistik, intelligente Infrastruktur, Mobilitätsdienstleistung oder intelligentes Parken. Hierfür gibt es mehr als einhundert Unterstützungszusagen aus Industrie, Forschung und Verbänden, ein breit aufgestellte Bündnis. Mehr geht nicht.
Wir jedenfalls werden uns freuen, wenn wir unsere internationalen Gäste vom 11. bis 15. Oktober 2021 im neu sanierten CCH in Hamburg begrüßen können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Koeppen: Ohne Worte. Ich habe das Gefühl, Sie leben in irgendeiner anderen Stadt, zumindest nicht in Hamburg. Sie müssen doch auch sehen, dass der Verkehr hier am Boden liegt und die Hamburger weder ein noch aus wissen.
Wir freuen uns darüber, dass der ITS-Weltkongress 2021 in Hamburg ausgerichtet wird; das ist eine gute Geschichte. Wenn der Senat bis dahin dann auch endlich seine Hausaufgaben gemacht hat und endlich aufhört, Hamburg im Verkehrsbereich wie eine Kleinstadt zu behandeln, kann das eine richtig gute Nummer werden. Wir unterstützen Sie gern dabei, dass dieser Kongress zum Erfolg wird.
Aber der Hype, den Sie daraus machen, trägt nicht ewig, Frau Koeppen, das muss ich Ihnen so deutlich sagen. Ein einziger Kongress in vier Jahren wird nicht all die unzähligen Verkehrsprobleme in
Das erste Beispiel: der alltägliche Stauwahnsinn. Jeder Hamburger steht von jeder Stunde Fahrzeit mindestens 20 Minuten im Stau. Das wird von Tag zu Tag schlimmer. Herr Dressel hat es selbst erlebt letzten Mittwoch: Über 60 Verkehrsmeldungen im Radio, da wäre er fast zu spät gekommen zu NDR 90,3; das hätte noch gefehlt. Das hat zum Glück geklappt, wie auch immer Sie das geschafft haben.
Aber von daher sollten Sie wissen, dass das hier ein Riesenproblem ist. Sie sehen, die Staustadt Hamburg ist keine Fantasie der CDU, sondern bittere Realität made in Hamburg, made by SPD und GRÜNE.
Die Antwort des Senats ist offensichtlich ganz einfach: Sie haben einen Baustellenkoordinator eingestellt. Dafür haben Sie gerade einmal eine einzige Stelle geschaffen. Da denkt man, der koordiniere jetzt die Baustellen, aber nein, im Gegenteil, dieser Baustellenkoordinator wurde im Bereich der PR- und Öffentlichkeitsarbeit eingestellt. Dieser PR-Gag ist ein absoluter Hohn für die staugeplagten Hamburgerinnen und Hamburger.
Ähnlich ist es beim zweiten Beispiel, dem Thema Verkehrssicherheit. Die GRÜNEN haben geschrieben: Wir fördern den Radverkehr. Die Verkehrsunfallzahlen sind seit 2011 rasend steigend, und auch in diesem Jahr fährt Hamburg ungebremst auf einen Verkehrsunfallrekord zu. Wenn man die Möglichkeit hat, hierzu einmal Vorschläge zu machen, wie es deutlich besser werden könnte, dann hat man das Gefühl, dieser Senat hat gar kein Interesse, daran etwas zu ändern.
Das ist besonders absurd, weil wir im März dieses Jahres eine Nachrüstungsprämie für Bestands-Lkw für intelligente Assistenzsysteme gefordert haben. Das hat der Senat abgelehnt. Da sieht man, wie wichtig es diesem Senat mit dem Thema Verkehrssicherheit wirklich ist.
Kommen wir zum dritten Beispiel: das Wegdigitalisieren von Existenzen und das Ausblenden menschlicher Psychologie.
Frau Koeppen hat gesagt, wie toll das alles sei mit der Digitalisierung und dass das alles so gut klappe. Sie lassen die Menschen da wirklich im Regen stehen mit den Auswirkungen der Digitalisierung im Verkehrsbereich, zumindest wenn man Ihre
ITS-Strategie etwas genauer nimmt. Nehmen wir beispielsweise einmal den Taxifahrer und seine Familie. Was soll der denn am Ende des Tages denken, wenn er von selbstfahrenden Kleinbussen oder den von Ihnen mit VW und Bahn unterzeichneten Absichtserklärungen hört? Richtig, der bekommt natürlich Existenzängste, das ist gar keine Frage. Deshalb liegt es insbesondere beim Senat.
Wir wollen gern helfen, aufzuklären, die Menschen mitzunehmen und ihnen nicht von oben etwas überzustülpen, sondern zu zeigen, dass die Digitalisierung eine gute Möglichkeit ist, den Verkehr in Hamburg voranzubringen.
Was die Menschen denken, wenn Sie versuchen, ihnen ein X für ein U vorzumachen, haben wir gerade eindrucksvoll bei Ihrem Pilotprojekt firstmover.hamburg in Perfektion gesehen. Sie erinnern sich vielleicht. Von 600 befragten Haushalten haben 15 Haushalte geantwortet: Ja, wir wären bereit, unser Auto unter bestimmten Umständen stehen zu lassen. Was haben Sie daraus gemacht? Einen Riesenhype, ein PR-Tamtam; Sie haben versucht, das am Ende noch als Erfolg zu verkaufen. Das ist wirklich lächerlich. Wenn Sie nicht endlich aufhören mit diesem Selbstbetrug, wird in Hamburg in Sachen Verkehrspolitik nichts besser werden.
Hier zeigt sich, dass die Verkehrswende und die Digitalisierung eben nicht verordnet und von oben mit der Brechstange herbeigeführt werden kann, wie Sie das leider immer wieder tun. Mit der derzeitigen Performance dieses Senats werden wir uns bei dem ITS-Weltkongress 2021 in der kompletten Weltöffentlichkeit bis auf die Knochen blamieren.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal sagen: Der ITS-Weltkongress im Jahr 2021 ist für Hamburgs Messe- und Kongressstandort eine Riesengeschichte, ein Allheilmittel für die gegenwärtigen allgemeinen Missstände der Mobilität in unserer Stadt ist er aber keinesfalls.
Die Lösung für diese Probleme ist auch im 21. Jahrhundert immer noch eine Frage der politischen Entscheidung im Senat und hier in der Hamburgischen Bürgerschaft. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ungefähr 20 Jahren habe ich das erste Mal über die Suchmaschine Google eine Internetseite gesucht; damals war Google noch eine reine Suchmaschine. Man hat sich zu Hause an den Computer gesetzt, an den Computertisch, und hat dort für kurze Zeit gearbeitet. Ich war stolz wie Bolle, dass ich Luftbilder auf CD hatte, auf denen ich mir ganz Deutschland von oben ansehen konnte, und habe mir eine Diskette gekauft, um den HVV-Fahrplan zu Hause zu haben. All das mache ich heute mehrfach täglich auf meinem Smartphone.
Ich erzähle das nicht, um über alte Zeiten zu plaudern; die letzten Jahre zeigen, wie enorm sich die Digitalisierung in unserem Alltag auswirkt, wie sie unseren Alltag verändert und wie wichtig es ist, dass wir uns schon heute damit befassen, wie wir den Alltag von morgen lösen wollen.
Daher ist es genau richtig, dass dieser Senat den ITS-Weltkongress 2021 nach Hamburg geholt hat. 2021 werden in dem neu umgebauten CCH über 10 000 Experten aus der ganzen Welt darüber beraten, wie die Zukunft der Mobilität, wie die Zukunft des öffentlichen Lebens in Hamburg und in den großen Städten aussehen wird. Zu diesem Erfolg der Verantwortlichen im Senat kann ich nur gratulieren. Ich danke für die fundierte Vorbereitung der verschiedenen Modellprojekte, die international auf Anerkennung und Zustimmung gestoßen sind.
Hamburg wird mit dem ITS-Weltkongress für die Weltöffentlichkeit zum Schaufenster nachhaltiger Mobilität. Hier wird die Zukunft der Mobilität modellhaft erlebbar. Diese Mobilität wird vernetzt sein, sie wird automatisiert sein, und sie wird weitgehend emissionsfrei sein.
All diejenigen, die heute sagen, so ein Kongress sei im Grunde nur die Digitalisierung des Staus in Hamburg, haben nicht verstanden, was die Digitalisierung für das öffentliche Leben und für uns alle bedeuten wird. Die Digitalisierung wird das Leben enorm verändern. Die Art der Mobilität, wie wir uns fortbewegen, wird sich verändern. Viele denken bei der Digitalisierung primär an selbstfahrende Autos. Das wird natürlich ein Part sein, aber das ist doch lange nicht alles. Auch der öffentliche Nahverkehr beispielsweise wird sich enorm verändern. Wir werden irgendwann unseren Kindern oder Enkeln erklären müssen, was das eigentlich war damals mit dem Fahrplan. Warum habt ihr Busse leer hei
ße Luft durch die Gegend fahren lassen, wo gar keiner fahren wollte? Warum fuhr kein Bus, wenn jemand fahren wollte?
All das wird sich in Zukunft enorm verändern. Man wird on Demand sagen können: Jetzt brauche ich eine Transportmöglichkeit zur nächsten U-BahnHaltestelle. Dann wird jemand vorbeikommen und einen mitnehmen und vielleicht auch noch andere Leute, die auf dem Weg zur U-Bahn sind. Die Systeme werden intelligent lernen, wo die Mobilitätsbedürfnisse sind. Auch auf dem Land wird man sich wesentlich besser öffentlich fortbewegen können. Das eigene Auto wird immer mehr hintenanstehen und gar nicht mehr notwendig sein, ohne irgendwelche Vernunftgedanken an Umwelt; es wird einfach nicht mehr notwendig sein, ein eigenes Auto zu haben.
Die Frage ist doch heute nicht, ob das geschehen wird, die Frage ist heute, wer diese Entwicklung vorantreiben wird. Werden es die Großen sein wie Facebook, Google oder Microsoft, die primär daran denken, Geld zu verdienen und Daten zu sammeln? Oder begreifen wir auch dann immer noch den öffentlichen Nahverkehr als Daseinsvorsorge, die primär staatliche Aufgabe ist, wo wir uns darum kümmern, natürlich einerseits Stau zu bekämpfen, aber eben auch die Lärmprobleme und die Luftverschmutzung zu beheben und das öffentliche Leben in der Stadt lebenswert zu halten und weiter lebenswerter zu machen?