Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch für uns als Abgeordnete eines Landesparlaments, die sich primär damit befassen, wie wir das Leben unserer Stadt für die Menschen, die hier wohnen, zum Besseren gestalten können, ist Fair Trade ein mehr als wichtiges Thema. Denn ohne ein Volkswirt zu sein, kann ich festhalten, dass Ökonomen wohl selten eine einhellige Auffassung vertreten; dass ein gerecht ausgestalteter Handel grundsätzlich für alle Beteiligten Vorteile mit sich bringt, wird jedoch kaum bezweifelt. Außerdem gilt für uns, dass wir zwar lokal handeln, dabei aber immer die globalen Auswirkungen berücksichtigen wollen. Und diese beiden Aussagen vereinen sich vortrefflich im Bereich Fair Trade.
Denn wissenschaftliche Studien zeigen, dass Fair Trade unerlässlich ist für die nachhaltige Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern. Genau deshalb bin ich auch dankbar für die Einstimmigkeit, mit der wir das Thema Fair Trade in diesem Hause angegangen sind.
Bei uns in Hamburg die Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung, Handel, Konsum, Vergabe- und Beschaffungspolitik noch stärker in den Vordergrund zu stellen, war Gegenstand des bürgerschaftlichen Ersuchens an den Senat vom September letzten Jahres. Und das ist in Hamburg auch auf einen fruchtbaren Boden gefallen, denn bereits seit 2011 trägt Hamburg den Titel einer Fair Trade Stadt und in diesem Jahr wurde dieser Titel für weitere zwei Jahre verlängert.
Bereits heute führen Hunderte Hamburger Geschäfte fair gehandelte Produkte. Diese finden eine sehr begrüßenswerte Verbreitung in der Gastronomie und vielfältige Verwendung in Sozial- und Bildungseinrichtungen.
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frage, eine gerechte Welt führt nicht nur bei uns in den Einzelhandelsgeschäften zu einer Gerechtigkeit, sondern unser Ziel sollte es sein, das über alle Kontinente hinaus zu erstrecken. Ob nun das Vergaberecht der Hebel ist, mit dem wir auch in Afrika und Asien für gerechtere Lebensverhältnisse sorgen, können wir geteilter Auffassung sein. Ich glaube, wir sollten einen Schritt weitergehen. Das ist, meine ich, Aufgabe und Verpflichtung einer Handelsstadt wie Hamburg. Ich denke, wenn man Marktmacht begrenzt und sich in Partnerschaft Verträge anschaut, ob das internationale Standards sind über Umwelt, Grundwasser, Trinkwasser, Nahrungsmittel oder Arbeitsnormen, eröffnet sich die Diskussion, ob wir nicht langfristig – als Beispiel – mit unseren Partnern in Afrika Verträge auf Augenhöhe schließen, in denen wir eben unsere Ideen und unsere Werte, die ja auch in Afrika häufig christlicher Natur sind, gemeinschaftlich in ein Handelsabkommen gießen und sagen: Wir nehmen euch als Partner ernst, und zwar auf Augenhöhe, und spielen keine Marktmacht mehr aus. Fair Trade, keine Frage, machen wir mit. Aber wir sollten den Mut haben, auch aus dieser Stadt heraus diese Diskussion zu führen, und zwar auf Augenhöhe in Partnerschaft.
Kein Kontinent sollte meines Erachtens in unserer Politik so sehr im Fokus stehen wie Afrika. Afrika ist unsere Zukunft und wir entscheiden es die nächsten 10, 15 Jahre, ob es eine gemeinschaftlich gute Zukunft geben wird oder ob sie uns vor Herausforderungen stellt, die wir möglicherweise kaum noch gemeinsam lösen können. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Hamburgerinnen und Hamburger! Lieber Murat Gözay, was du gesagt hast, stimmt an vielen Punkten. Und auch Herr Westenberger, Ihr Wort in Gottes Ohr. Wenn es denn wirklich so ausgelegt wird, wie ich es verstanden habe, dann wäre das etwas sehr Schönes. Aber wir haben ja im Ausschuss über Fair Trade diskutiert und da wurde klar – einer der Experten hat es deutlich gemacht und alle haben es bestätigt –: der UN Treaty, der Vertrag zur nachhaltigen Entwicklung, wird auch bei Fair Trade in vielen Punkten noch immer nicht genügend eingehalten. Es geht um Menschenrechte. Es geht um die Vorgaben der ILO, der International Labour Organisation, also die Arbeitsrechte der Menschen. Auch darauf müssen wir ein
Fair Trade ist eigentlich ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, dass in Fair Trade immer nur kleinteilige, also mikroökonomische Prozesse gefördert werden. Wenn wir aber die Augenhöhe, die Sie benannt haben, Herr Westenberger, wirklich haben wollen, dann müssen wir es ermöglichen, dass die Volkswirtschaften in anderen Kontinenten, in anderen Ländern, eben auch wachsen. Dann dürfen wir nicht gleichzeitig, während wir Fair Trade machen – was wichtig und gut ist und das Bewusstsein schafft – Konferenzen machen wie vor dem G20 zu Afrika, bei dem sechs Länder für 300 Millionen Euro mehr oder weniger genötigt werden, ihre Souveränität schrittweise für eine Marktöffnung aufzugeben. Das ist ein Widerspruch und das ist nicht ganzheitlich gedacht und deshalb müssen wir das Ganze anders angehen und anders denken.
Es darf doch nicht sein, dass sechs Länder ihre Märkte für die Hälfte einer Elbphilharmonie für deutsche Unternehmen öffnen sollen, Augenhöhe dabei aber nicht mehr besteht. Das ist doch mehr als zynisch. Deshalb: Fair Trade gern, auch ausbauen in allen Stadtteilen, aber bitte dann auch keine Waffenexporte und keine Kriege mehr und symmetrische Handelsbeziehungen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg und Fair Trade, dazu möchte ich drei entscheidende Punkte herausgreifen.
Erstens: Eine effektive Umsetzung der FairTrade-Ziele ist nur durch Akzeptanz und erhöhte Nachfrage zu erreichen.
Zweitens: Die Verbreitung von Fair-Trade-Produkten ist eine Angelegenheit der Verbraucher. Auf deren Kaufentscheidungen kommt es an. Wann haben Sie sich das letzte Mal für ein Fair-TradeProdukt entschieden? Diese Entscheidung kann und darf Ihnen der Staat nicht abnehmen.
Drittens: Fair Trade hat seinen Preis. Mit dem Kauf dieser Produkte entscheide ich mich für Mindeststandards, die es bei billigen Konkurrenzprodukten oft nicht geben kann. Ich bin der Überzeugung, dass wir die Einführung eines allgemeingültigen Siegels brauchen. Das hilft den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung und etabliert die Produktpa
lette Fair Trade. Wir Freie Demokraten befürworten die im Europaausschuss angesprochene UN Treaty als Mindeststandards für nachhaltige Entwicklung. Das darf für die Unternehmen selbstverständlich keine unverhältnismäßige Belastung bedeuten, auch nicht durch den bürokratischen Mehraufwand. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Hamburg als Fair Trade Stadt weiter voranzubringen, hört sich gut an. Wer möchte diesem Motto schon widersprechen? Es spricht einiges für den Ansatz und das dahinterstehende Konzept. Ich möchte hier nach all den positiven Worten jedoch auch einige kritische Punkte beleuchten, die in der Praxis das Ganze problematisch machen. Denn hier hat sich ein Wildwuchs an Zertifikaten und Zertifizierungsstellen wie der Fairtrade Foundation entwickelt. Das klingt nicht nur nach Bürokratisierung, nach Vorgaben und Überwachung, genau das ist es auch, und darunter leidet inzwischen in der Praxis der weltweite Fair-Trade-Handel. Mittlerweile zielen die Standards vornehmlich darauf, in die Organisation der Produzenten in den Herstellerländern einzugreifen, um diese zu reglementieren. Dazu gehören etwa Vorgaben für den Aufbau und die Kontrolle der Verwaltung, Berichtspflichten, Vorschriften zu Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Gleichbehandlungsfragen bis hin zur Gewährleistung von Gewerkschaftseinfluss. In den Abnehmerländern andererseits sind die Fair-Trade-Siegel vielfach zu einem Marketingmix verkommen, mit dem sich sogar Großunternehmen, von den Aktivisten eigentlich harsch kritisiert, schmücken. Mehr noch: Fair Trade ist zum Teil auch zu einem Instrument der Umerziehung mutiert. Derartige Tendenzen klangen auch schon bei den Anhörungen im Ausschuss an, als mit Blick auf offenkundig Fair Trade-unwillige Konsumentengruppen, gerade auch mit migrantischem Hintergrund, von Gesetzen gesprochen wurde,
die auf den Weg zu bringen seien, um der Geiz-istGeil-Mentalität hierzulande durch Lenkung von oben entgegenzutreten. Ob wirklich der faire Döner das Gelbe vom Ei ist? Wir plädieren dafür, an die wirklich Wohlhabenden zu appellieren und nicht diejenigen umerziehen zu wollen, die mit ihren finanziellen Mitteln wirklich rechnen müssen. – Vielen Dank.
Sehr verehrtes Präsidium, sehr verehrte Volksvertreter! Wer genießt den fairen Handel am meisten? Erstens der Kunde, der seinen fairen Schlips, sein faires iPhone und sein faires Gewissen streichelt. Zweitens die Zertifizierer, die ihren Trieb zum herablassenden Bevormunden ausleben und dabei untereinander im lebhaften Wettbewerb stehen. Drittens Händler, die gute Gewinne erzielen, solange sie den Aufwand begrenzen, mit dem sie die Illusion unprofessioneller Vertriebsstrukturen aufrechterhalten. Viertens gewiefte Produzenten, die Ausschussware, auf dem regulären Markt unverkäuflich, als fairen Kaffee verkaufen. Fünftens und als Allerletztes ehrliche Produzenten.
Es gibt vier ernsthafte Studien zu der Frage, wie viel vom zusätzlichen Verkaufspreis beim Erzeuger landet. Nur zwei Studien erwähnen überhaupt die Möglichkeit, dass es in Ausnahmefällen mehr als 10 Prozent sein könnten, meist ist von 1 bis 2 Prozent die Rede oder von weniger als null. Das heißt: Menschen mit Tageseinkommen von typischerweise 2 Dollar werden durch die Belastung der Zertifizierung weiter in die Armut getrieben. Dazu die Demütigung, dafür denen hier danken zu dürfen.
Wer leistet am meisten für den fairen Handel? Das sind Sie, verehrte Volksvertreter, und diejenigen, die als Illusionisten am Erstellen dieses Dokuments beteiligt sind. Sie haben mit beiden Händen die Scheuklappen sehr fest gehalten und der Versuchung widerstanden, einen Blick auf das offen zutage liegende Elend zu werfen, erzeugt durch den fairen Handel. Indem Sie nicht wie angemessen von einer erfolgreichen, sondern von einer siegreichen Bewerbung sprechen, gewähren Sie noch einen herzerfrischenden Einblick in Ihre Geisteshaltung.
Ein letztes Wort zu den Migranten. Die lehnen das Konzept aus besserem Wissen und nicht aus Geiz im Allgemeinen ab. – Vielen Dank.
Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen … – Doch, es gibt eine Wortmeldung. Herr Westenberger von der CDU-Fraktion, Sie bekommen das Wort.
Lieber Kollege Flocken, Sie haben einmal wieder Ihre Geisteshaltung offenbart. Denken Sie bitte einmal daran, was es uns als Weltgemeinschaft kostet zuzusehen, wie Trinkwasser ruiniert wird, wie Wälder abgeholzt werden. Wenn – das ist natürlich nicht Ihre Aufgabe, in Ausschüsse zu gehen – ein Kaffeeproduzent mit einem Namen aus
Hamburg uns erzählt, welche Vorteile Fair Trade und fairer Handel innerhalb der Weltgemeinschaft spielt, würden Sie eines Tages vielleicht sehr kritisch auf Ihre Rede schauen. – Vielen Dank.
Nun sehe ich keine weiteren Wortmeldungen und ich stelle fest, dass die vom Europaausschuss empfohlene Kenntnisnahme aus Drucksache 21/11036 erfolgt ist.