Wer möchte also nun dem gemeinsamen Antrag der SPD-Fraktion und der GRÜNEN Fraktion aus Drucksache 21/11853 seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit wurde diesem Antrag zugestimmt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 40, Antrag der SPD-Fraktion und GRÜNEN Fraktion: Laschen ist Hafenarbeit.
Die CDU-Fraktion möchte diese Drucksache an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.
Wer möchte diesem Überweisungswunsch folgen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wer möchte dem gemeinsamen Antrag von SPDFraktion und GRÜNEN Fraktion aus Drucksache 21/11852 nun seine Zustimmung geben? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag angenommen worden.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 43, Antrag der CDU-Fraktion: Das Konzept "Fördern statt Sitzenbleiben" reicht nicht aus – Jede Schulform muss ihrer Verantwortung gerecht werden.
[Antrag der CDU-Fraktion: Das Konzept "Fördern statt Sitzenbleiben" reicht nicht aus – Jede Schulform muss ihrer Verantwortung gerecht werden – Drs 21/11855 –]
Meine Damen und Herren! Es beginnt eine neue Debatte. – Die Fraktionen der CDU und der AfD möchten diese Drucksache an den Schulausschuss überweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Schule lernt man lesen, schreiben und rechnen. Das ist die Grundvoraussetzung; das ist das Mindeste. Wir können uns heute in der Bildungsgesellschaft gar nicht mehr vorstellen, dass jemand diese Grundlagen nicht beherrscht. Doch genau dieses Unvorstellbare trifft auf 20 Prozent unserer Hamburger Grundschüler zu. Der vierte Hamburger Bildungsbericht sagt aus, dass 20 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler mit Abschluss der Klasse 4 nicht die Mindestanforderungen in Mathematik und Lesen einhalten können; 20 Prozent. Was läuft da schief? Diese 20 Prozent Schüler, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, sind Ergebnis einer verfehlten Schulpolitik von SPD und GRÜNEN. Diese Kinder bleiben auf der Strecke. Das ist kein haltbarer Zustand.
(unterbrechend) : Frau Stöver, einen Moment bitte. Ich würde gern für etwas mehr Konzentration hier im Raum und vor allem für etwas weniger Gespräche auf der Senatsbank sorgen. Danke schön. – Bitte fahren Sie fort.
Bei SPD und GRÜNEN steht das Motto "Fördern statt Sitzenbleiben" im Vordergrund. Das ist etwas, das ich als Gleichmacherei betiteln würde. Dabei weiß jeder: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wie sollen die weiterführenden Schulen diese Leistungsdefizite dieser Schülerinnen und Schüler ausbügeln, wenn dies nicht schon in der Grundschule gelungen ist? Die Verantwortung für den Erwerb von Basiskompetenzen wird also von der Grundschule einfach auf die weiterführenden Schulen verschoben. Damit kommen diese Kinder dann vom Regen in die Traufe. Das ist nicht hinnehmbar.
Die Lehrer der Stadtteilschulen und Gymnasien haben nämlich nicht nur die Aufgabe, unterschiedliche Grundschulniveaus, die es offensichtlich bekanntermaßen in der Region gibt, zusammenzuführen, nein, sie müssen auch die 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit den unzureichenden Lernständen so fördern, dass sie vielleicht das noch aufholen können, was sie in der Grundschule versäumt haben.
Sie merken selbst, das ist eine kaum lösbare Aufgabe, die der Lehrerschaft hier aufgebrummt wird. Das Lerndefizit der betroffenen Schüler wird nicht kleiner, nein, es wird immer größer.
(unterbrechend) : Frau Stöver, entschuldigen Sie bitte noch einmal. Ich sehe hier mehrere Gruppen, die sich zum Zwecke des Gesprächs, würde ich einmal sagen, zusammengefunden haben. Das würde ich gern beenden. Danke schön. – Bitte fahren Sie fort.
Was ich persönlich allerdings tatsächlich noch viel schlimmer finde: Für diese betroffenen Schülerinnen und Schüler beginnt ein nahezu aussichtsloser Wettlauf, der zu Frust, Schulangst und zu aggressiver Verweigerung führen kann. Ein Teufelskreis entsteht. Dieser Teufelskreis wäre für die Schüler vielfach zu durchbrechen, nicht als Patentlösung, aber wäre vielfach zu durchbrechen, wenn sie einfach ein Schuljahr wiederholen dürften. Denn Fördern und Wiederholen einer Klasse schließen einander doch nicht aus, im Gegenteil: Viele Schulen sprechen sich mittlerweile für die Wiedereinführung von Klassenwiederholungen aus. Wiederholungen, die fachlich und pädagogisch begründet sind und für die ein Votum in der Zeugniskonferenz vorliegt, müssen wieder möglich sein. Schülerinnen und Schüler kämen so endlich zu ehrlichen schulischen Erfolgserlebnissen.
Senator Rabe, ich fordere Sie auf – das Konzept "Fördern statt Sitzenbleiben" ist in der bisherigen Form gescheitert –, ermöglichen Sie endlich, dass die Schülerinnen und Schüler wieder freiwillig wiederholen können, natürlich mit einem Votum der Klassenkonferenz.
Wir haben hierzu den entsprechenden Antrag gestellt, denn wir meinen, Defizite müssen frühzeitig aufgedeckt werden. Wir haben viele Fördermaßnahmen, die evaluiert werden müssen. Wir müssen aber auch die Lernstandserhebung in den Grundschulen dazu nutzen, um möglichst frühzeitig Defizite zu erkennen und von Klasse 1 an zu kompensieren. Freiwillige Klassenwiederholungen müssen wieder möglich sein. Zeit ist nämlich ein sehr geeignetes Mittel und, wie ich finde, ein sehr kinderfreundliches Mittel, um Nachholbedarfe beim Lernen, vor allem in der Grundschule, auszubügeln. Ziel muss es sein, dass am Ende der Klasse 4 wenigstens 95 Prozent der Kinder die Mindeststandards nach KERMIT 4 erreichen. Erst dann haben die Kinder eine reelle Chance, an der
Freiwillige Klassenwiederholungen, denke ich aber auch, sind in der Sekundarstufe 1 an Stadtteilschule und Gymnasium möglich. Hierfür müsste man Paragraf 45 des Hamburgischen Schulgesetzes entsprechend ändern. Es ist doch Zeit, dass wir wieder pädagogische Maßstäbe zur Messlatte unserer Bildungspolitik machen, und nicht vermeintlich sozial motivierter Gesellschaftsutopien. Daran orientiert sich auch unser heutiger Antrag und ich bitte um Ihre Unterstützung.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will als Erstes Frau Stöver noch einmal sagen, dass in der Tat pädagogische Maßstäbe in der hamburgischen Schulpolitik die Messlatte all dessen sind, was wir machen. Ich will das auch mit ein paar Punkten begründen.
Ich glaube, man kann nicht behaupten, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler ungetestet durch ihr Schul- und Vorschulleben gehen. Wer das behauptet, hat viele Pressekonferenzen des Schulsenators, viele Erhebungen, die es in dieser Frage gibt, vermutlich nicht durchgelesen. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir natürlich schon bei den Viereinhalbjährigen darauf gucken, wo Defizite sind und wie man diese beheben kann. Es gibt in vielen Bereichen eine additive Sprachförderung, die durch ein regelmäßiges Monitoring begleitet wird. Dadurch können wir frühzeitig Defizite erkennen. Es gibt Lernerfolgskontrollen. Es gibt Lernausgangslagenerhebungen – darauf haben Sie ja auch hingewiesen. Auch diese dienen dazu, dass wir frühzeitige Defizite erkennen. Dafür gibt es dann, wenn das belegt ist, Lerngruppen. Es gibt kleine Gruppen, die immer weniger als fünf Schülerinnen und Schüler haben. Deutsch und Mathematik sind in diesen Bereichen die häufigsten Fächer; da ist der Nachholbedarf sicherlich am größten.
Ich will noch einmal auf einen Satz, den Sie am Anfang Ihrer Debatte gesagt haben, hinweisen. Das ist in der Tat keine Gleichmacherei, sondern Förderung für diejenigen, die es in dieser Phase ihres Lernlebens am meisten brauchen.
Wir sind der Meinung, dass frühzeitige Lernförderung immer effektiver ist als das Wiederholen einer Klasse. Es gibt unglaublich viele Studien, die belegen, dass Sitzenbleiben den Lernerfolg nicht verbessert. Deshalb sage ich, dass Hamburg in dieser Frage hier richtig handelt. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es natürlich immer Einzelfälle gibt,
bei denen Kinder durch Krankheiten und viele andere Dinge über längere Zeit eine Klasse nicht besuchen können. Dort ist selbstverständlich eine Wiederholung sinnvoll. Die wird in der Tat auch genehmigt. Ich glaube, das Konzept, das wir verfolgen, ist das richtige. Deshalb sind wir auch gegen Ihren Antrag.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Tatsächlich liest sich der CDU-Antrag wie ein Plädoyer für das Sitzenbleiben. Dazu muss ich klar sagen, dass wir als GRÜNE dafür nicht zur Verfügung stehen.
Und es ist auch keine Gleichmacherei, nein, im Gegenteil: Was ich hinter dem Antrag wahrnehme, ist die Haltung, dass Kinder im Gleichschritt lernen und sich im Gleichschritt auch alle gemeinsam voranbewegen und ihre Kompetenzentwicklung gleichmäßig verläuft. Das ist einfach ein pädagogischer Trugschluss und die Politik tut recht daran, dem so zu begegnen, wie wir das hier in Hamburg machen.
Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass Sitzenbleiben – und das belegen zahlreiche Studien, nicht zuletzt die Hattie-Studie, die Frau Stöver vorhin zitiert hat – vielleicht kurzfristig, aber nicht langfristig einen Erfolg bringt. Langfristig bringt nur das individuelle Fördern einen Erfolg, das Hinschauen, das Herausnehmen aus den Klassen in Fördergruppen, das Arbeiten an den individuellen Problemen, also genau und exakt das, was wir hier mit einer guten Rückmeldung von ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen machen. Wir gehen hier den richtigen Weg.
Ich möchte auch noch einmal sagen, dass Sie die Funktion von KERMIT hier falsch verwenden. KERMIT ist kein Lernstandsüberprüfungsinstrument am Ende der Klasse 4, wo dann entschieden wird, kann weiter, kann nicht weiter. KERMIT hat die Funktion, den Lehrerinnen und Lehrern einen Spiegel vorzuhalten: Wie läuft es in ihrer Klasse, wie entwickeln sich die Kinder, wie sind sie im Kompetenzverlauf insgesamt? Aber es ist immer nur ein Ausschnitt. Es ist ein einzelner Tag, den KERMIT beleuchtet. Viel wichtiger – Pädagoginnen und Pädagogen können gut damit umgehen – ist die Gesamtschau auf das Kind, das, was auch meine Kollegin Frau Duden schon ausgeführt hat.
Also die einzelne Mitarbeit im Unterricht, wie das Kind in schriftlichen Leistungskontrollen abschneidet, wie die gesamte Kompetenzentwicklung verläuft, wie sich das Kind im Gespräch verhält. Darauf gucken Pädagoginnen und Pädagogen sehr genau und können damit auch viel besser den Lernstand eines Kindes am Ende der Grundschule einschätzen. KERMIT hat diese Funktion nicht.
Ich möchte aber noch einmal auf das eigentliche Problem kommen, denn tatsächlich muss man einfach auch sagen, dass zu viele Kinder am Ende der Klasse 4 die Mindeststandards nicht erreichen. Das eigentliche Problem liegt nicht in der mangelnden Qualität der Grundschule. Das eigentliche Problem beginnt viel früher. Viele Kinder kommen mit einem Lernrückstand von bis zu drei Jahren in der Grundschule an. Ich finde nicht, dass die richtige Antwort ist, die Kinder drei Jahre lang sitzenbleiben zu lassen, bis sie endlich vielleicht die Mindeststandards erreichen.
Erstens ist die richtige Antwort – und das machen wir hier ja schon seit Jahren –, die frühkindliche Bildung stark zu stellen, damit diese Lernrückstände gar nicht erst entstehen, denn diese entstehen im Elternhaus. Das ist das eine, unterstützt von Elternarbeit und auch innovativen Formen, wie zum Beispiel Bildungshäusern. Und das andere ist, dass wir uns die Langstrecke angucken. Das heißt, zu gucken, was am Ende der Klasse 10 herauskommt. Darauf müssen wir tatsächlich unser Augenmerk legen, dass dort die Mindeststandards erreicht werden, aber nicht, indem die Kinder so lange in der Grundschule bleiben, bis sie dann vielleicht die Hürde zur weiterführenden Schule schaffen. Von daher lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.