Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 3/932 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, Drucksache 3/1005, in Verbindung mit b) Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der PDS und SPD – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Psychischkrankengesetzes, Drucksache 3/1057.
Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (2. PsychKGÄndG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 3/1005 –
Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Psychischkrankengesetzes (2. PsychKGÄndG) (Erste Lesung) – Drucksache 3/1057 –
Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Herr König. Bitte sehr, Herr König.
graph 63 und 64 Strafgesetzbuch verurteilten Straftätern hat auf erhebliche Mängel in der inneren Organisation der Forensischen Psychiatrie in Ueckermünde und in der Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen, dem Träger der Einrichtung, dem Sozialministerium, dem Justizministerium und dem Innenministerium, deutlich werden lassen. Die Mängel sind in Ueckermünde aufgetreten, das muss hier deutlich gesagt werden, und nicht in der Stralsunder Einrichtung. Dort gibt es keine vergleichbaren Vorkommnisse. So ist auch der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zu verstehen. Er ist keine Gängelung des Personals, sondern schafft genau diesem mehr Freiraum und vor allem Sicherheit in der Gestaltung ihrer täglichen Arbeit.
Zur Erinnerung: Man mag es kaum glauben, musste es aber zur Kenntnis nehmen. Innerhalb von sechs Wochen konnten vier Straftäter aus der Forensischen Klinik in Ueckermünde ausbrechen. Sie waren wegen Persönlichkeitsstörungen oder Suchtproblemen dort eingewiesen. Sie nutzten eklatante Sicherheitsmängel in der geschlossenen Anstalt zu Ausbrüchen. Alarmanlagen und Videoüberwachungen funktionierten nur teilweise, die Aufsicht wurde eher lax gehandhabt. Die Straftäter aber waren dort untergebracht, weil sie eine Gefahr für Leib und Leben ihrer Mitmenschen und ihrer selbst sind. Von einer singulären Panne kann nach den Vorfällen in Ueckermünde keine Rede mehr sein.
Meine Damen und Herren! Offensichtlich haben die zuständigen Behörden, in diesem Fall das Sozialministerium, aber auch die Klinik den Ausbruch im Oktober 1999 auf die leichte Schulter genommen. Dazu kamen Abstimmungsprobleme bei der Fahndung und Kompetenzgerangel darüber, wer denn eigentlich für die Sicherheit derartiger Einrichtungen zuständig und verantwortlich ist.
Nun, aus der Forensischen Psychiatrie in Ueckermünde brechen keine Taschen- und Ladendiebe aus. Es ist daher schon erstaunlich, wie hier von den Verantwortlichen politische Verantwortung wahrgenommen oder, besser gesagt, nicht wahrgenommen wurde, wie mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Lande umgegangen wird.
Meine Damen und Herren! Nicht umsonst haben Richter entschieden, die beiden Herren Meyer und Wesenburg vor Antritt ihrer eigentlichen Haftstrafe zur Suchttherapie in den Maßregelvollzug einzuweisen. Beide sind, salopp gesagt, nicht ganz Herr ihrer Sinne. Unter Druck – und der kann ja durch Fahndungsmaßnahmen der Polizei durchaus entstehen – verschärft sich die Gefährlichkeit solcher Täter noch. Eine Gefahr für die Bevölkerung ist nicht ausgeschlossen, wie die Geiselnahme durch die Ausbrecher Zander und Ziegler im Oktober leider zeigte. Man mag solche Fälle gar nicht zu Ende denken.
Meine Damen und Herren! Auch in Zukunft und trotz vermeintlich ausreichender Sicherheitssysteme wird es wohl hier und da immer mal zu Ausbrüchen kommen. Sie werden im Allgemeinen provoziert durch Nachlässigkeit einzelner, aber auch durch amtlichen Tiefschlaf.
Es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, dass zwar die neue Klinik in Ueckermünde nach dem ersten Ausbruch einem Sicherheitscheck unterzogen wurde, die ältere Außenstelle im Ortsteil Berndshof jedoch nicht. Ich
hoffe, dass das Sozialministerium mittlerweile so einen Sicherheitscheck auf alle Einrichtungen in unserem Bundesland ausgedehnt hat.
Das Sozialministerium hat mittlerweile reagiert. Unter der Überschrift „Bevölkerung hat Anspruch auf Sicherheit“ hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge am 15.12.1999 ein 10-Punkte-Sicherheitspaket vorgelegt. Dieses Maßnahmepaket enthält Maßnahmen, die die technische Überwachung der Forensischen Klinik in Ueckermünde verbessern sollen, Maßnahmen, die den organisatorischen Ablauf unter dem Aspekt der Erhöhung der Sicherheit in der Einrichtung verändern, und es enthält im Punkt 10 eine Ankündigung über eine Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, kurz PsychKG.
Meine Damen und Herren! Mit der Einbindung des verdachtsunabhängigen Durchsuchungsaspektes in das Gesetz werden dem Träger solcher Anstalten und der Aufsichtsbehörde konkrete Gestaltungsmöglichkeiten in die Hand gegeben, in diesem Bereich einrichtungsbezogen vernünftig tätig zu werden. Die verdachtsunabhängigen Kontrollmöglichkeiten stärken einerseits den Vollzugsgedanken im Maßregelvollzug, ohne dabei die Persönlichkeitsrechte der Insassen gravierend einzuschränken oder gar die Therapieziele zu gefährden. Das ist ein Abwägungsprozess, der aber, so glaube ich, im Hinblick auf ein verantwortungsvolles Umgehen mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Bundesland gewisse Einschränkungen der Rechte der Insassen von forensischen Einrichtungen vertretbar erscheinen lässt.
Meine Damen und Herren! Die Änderung des Paragraphen 40 soll künftig die Durchsuchung von Besuchern als Regelfall festschreiben. Diese Durchsuchung soll in einem ersten Schritt durch technische Hilfsmittel bei den Besuchern und Insassen erfolgen. Entsteht durch diese technischen Hilfsmittel ein begründeter Verdacht, dass unerlaubte Gegenstände in den Maßregelvollzug eingebracht werden sollen, dann hat der Besucher diesen Verdacht auszuräumen. Tut er das nicht, muss er die Anstalt verlassen und wird der Einrichtung verwiesen.
In der Sache besteht also Konsens zwischen den Auffassungen der Sozialministerin, den der Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Das ist durchaus erwähnenswert, denn es ist ja in der Regel nicht der Fall und in letzter Zeit auch äußerst selten vorgekommen. Auch bei den Koalitionsfraktionen ist seit der Landtagssitzung im Dezember Bewegung in die Angelegenheit Novellierung des PsychKG gekommen. Auf Drucksache 3/1057 haben die Koalitionsfraktionen einen eigenen Gesetzentwurf zum PsychKG zur heutigen Landtagssitzung vorgelegt.
Aus Opportunitätsgründen ist das vielleicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie Schwierigkeiten haben, einem fundierten CDUAntrag, wie in der Dezembersitzung, Ihre Zustimmung zu geben,
und daher einen eigenen Entwurf vorlegen wollen. Nur, es herrscht Handlungsdruck, wie die jüngsten Vorkommnisse in Ueckermünde zeigen. Ich erinnere nur an die Vorwürfe im Zusammenhang mit Drogenbesitz, Drogenkonsum, -beschaffung und möglicherweise auch erpresserischen Handlungen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wir hätten in dieser Sache, wo ja vom Grundsatz her ein gleiches Anliegen angepeilt wird, einen erheblichen Schritt weiter sein können. Daher bitte ich Sie, stimmen Sie der Überweisung des vorliegenden Antrages der CDU-Fraktion in den Sozialausschuss zu. Es herrscht Handlungsdruck im Interesse des Sicherheitsgefühls der Menschen in unserem Bundesland und auch, damit Überschriften wie die vom 14. Dezember in einer der auflagenstärksten Zeitungen „Bitte nicht stören, wir brechen gerade aus“ nicht mehr geschrieben werden müssen.
Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der PDS und SPD hat die Abgeordnete Frau Koburger von der PDSFraktion. Bitte sehr, Frau Koburger.
Nur ein Wort zu Herrn Dr. König: Zur Fundiertheit Ihres Gesetzentwurfes wird sich dann noch mal Herr Koplin detailliert äußern. Also das stelle ich heftigst in Frage.
Aus uns bekannten Veranlassungen ist es also dringend geboten, das PsychKG auf den Prüfstand zu stellen und die erforderlichen Änderungen vorzunehmen. Mir wäre es lieber, wenn wir mit der heutigen Gesetzesänderung landesrechtliche Rahmenbedingungen für neueste therapeutische Ansätze und Anforderungen der forensischen Psychiatrie auf den Weg bringen könnten, anstatt sich vordergründig mit den Sicherheitsvorkehrungen zu befassen.
Im November/Dezember letzten Jahres haben sich der Sozialausschuss des Landtages und das Plenum intensiv mit den Ursachen und Schlussfolgerungen der Entweichungen von vier Patienten aus zwei Einrichtungen der Forensischen Klinik Ueckermünde befasst. In der Sozialausschusssitzung am 01.12.1999 hatte die Sozialministerin neben den Informationen zur Schwachstellenanalyse und den Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auch auf die erforderlichen Änderungen des Psychischkrankengesetzes hingewiesen. Ähnlich hatten wir das in der Landtagssitzung im Dezember formuliert.
Mit Unterstützung von Rechtsexperten des Sozialministeriums konnte der heute vorgelegte Gesetzentwurf erarbeitet werden. Ausgangspunkt für die notwendigen Änderungen waren für die Koalitionsfraktionen die Ergebnisse der Schwachstellenanalyse:
1. Die Übertragung der Aufgaben für den Maßregelvollzug muss exakt für alle möglichen Trägerformen ausgewiesen werden.
2. Die Aufgaben selbst, also Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Durchführung des Maßregelvollzuges, Einhaltung der Krankenhaushygiene, Befugnisse der Aufsicht führenden Stellen, erfordern konkrete Aussagen.
4. Neuregelung zur Durchführung von Kontrollen innerhalb der Einrichtungen, also im Wohn- und Schlafbereich der Patienten
5. Neuregelung zur Durchführung der Besuchsregelung sowie der Überwachung von Postsendungen und Telefonaten
Die Schwierigkeit bei der Erarbeitung des Änderungsgesetzes bestand jedoch darin, einerseits dem Ziel der Unterbringung psychisch kranker Straftäter, also Besserung und Heilung sowie Resozialisation, und andererseits dem berechtigten Sicherheitsinteresse zu entsprechen. Inwieweit uns das gelungen ist, wird sich aus der Anhörung ergeben, die zum 23. Februar bereits einberufen wurde.
Im geltenden Gesetz sind im Paragraphen 37 „Unterbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung“ derweil alle Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erfasst, einschließlich der Art und Weise der Aufgabenübertragung. Dieser Paragraph ist jetzt so gefasst, dass die Aufgabe nicht automatisch an sie übergeht, sondern vom Sozialministerium an die Träger übertragen wird. Noch nicht mit einbezogen wurde bisher die im Bau befindliche Forensische Klinik der Universität Rostock. Hierzu bedarf es unter Bezugnahme des Landeshochschulgesetzes noch entsprechender Regelungen, die wir vorgenommen haben, damit bei Inbetriebnahme der Einrichtung nicht noch einmal eine Gesetzesänderung erfolgen muss. Die Bezugnahme auf das Landeshochschulgesetz ist deshalb geboten, da die zusätzliche Aufgabenerteilung nur durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Einvernehmen mit dem Sozialministerium erfolgen kann.
Klar definiert sind die Aufsichtsaufgaben für die Landkreise und kreisfreien Städte, hier die Gesundheitsämter, und die Aufgaben, die durch das Sozialministerium zu leisten sind. Die Erfahrungen des letzten Jahres haben bewiesen, dass die Landkreise mit der Überwachung der sicherheitstechnischen Ausstattung und der inneren Organisation der Einrichtung überfordert sind. Diese Aufsichtsaufgaben sind durch das Sozialministerium unter möglicher Inanspruchnahme von sachkundiger Beratung und Hilfe durch das LKA zu erbringen.
Nach dem vorliegenden Änderungsgesetz obliegt den betreffenden Landkreisen und kreisfreien Städten, sprich den Gesundheitsämtern, die Aufsicht über die auf den Einzelfall bezogene Umsetzung des therapeutischen Konzepts, die Bearbeitung etwaiger Patientenbeschwerden sowie der Krankenhaushygiene.
Mit der neu gefassten Abgrenzung der Aufsichtsaufgaben zwischen den Gesundheitsämtern und dem Sozialministerium wird zugleich unter Bezugnahme auf das Landesverwaltungsverfahrensgesetz der Gegenstand, also Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit, der Aufsicht definiert.
Meine Damen und Herren! Die Änderungen der Paragraphen 39 „Durchsuchungen“ und 40 „Einschränkung des Besuchsrechts“, jetzt „Weitere Einschränkungen“, sind in der Ausgestaltung wesentlich schwieriger. Im bestehenden Gesetz basieren die dortigen Festlegungen und Einschränkungen auf einem „begründeten Verdacht“.
Die Auswertung der Ereignisse des letzten Jahres haben jedoch gezeigt, dass die bestehende Gesetzeslage Elemente enthält, die sich begünstigend auf das Entweichen auswirken konnten.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll dies ausgeschlossen werden. Wir haben versucht, die Regelungen so auszugestalten, dass der Zweck der Unterbringung einerseits und die Sicherheit der Patienten, des Personals und der Besucherinnen und Besucher andererseits gewährleistet werden können. Geregelt wurde die Möglichkeit einer Durchsuchung von Wohn- und Schlafräumen ohne begründeten Verdacht sowie der Einzug von gefährlichen Gegenständen. Auf die Regelung, welche elektronischen oder technischen Hilfsmittel dabei benutzt werden sollen, haben wir verzichtet. Dies muss von den Verantwortlichen entsprechend den Umständen des Einzelfalls ausgewählt werden. Um möglichen willkürlichen Maßnahmen, ohne das von vornherein zu unterstellen, vorbeugend entgegenwirken zu können, ist geregelt, dass solche Maßnahmen nur durch die ärztliche Leitung angeordnet werden dürfen.