Ich sagte ja eingangs, dass die Landesbauordnung nicht alle Fragen lösen und nicht alle Fragen beantworten kann, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen betreffen. Da geht es um solche Fragen wie nicht abgesenkte Bordsteine, zugeparkte Gehwege, gedankenlos angeordnete Schwellen und Absätze in Gehwegen und innerhalb von Gebäuden, das Problem mit Fahrdiensten für Behinderte, die Möglichkeiten des Reisens in Bahn und Bus und den umfänglichen Bestand bislang nicht barrierefreier Gebäude. Ich möchte, dass wir ein Ziel verfolgen, ein Ziel, das ich so formulieren möchte: Barrierefreies Bauen sollte nicht die Ausnahme sein, sondern es sollte Selbstverständlichkeit,
es sollte Regel in unserem Verständnis und auch in unserem Handeln sein. Deswegen fordere ich mehr Einfühlungsvermögen der Bauherren, der Planer, der Architekten, der öffentlichen Verwaltung. Ich fordere uns alle auf, dieses genau aufzunehmen und hier mehr Sensibilität zu zeigen, um genau diese Teilhabe, von der ich gesprochen habe, zu ermöglichen. Es muss unser gemeinsames Ziel sein und bleiben – und da sehe ich überhaupt keinen Unterschied zwischen den Parteien –, das gesellschaftliche Bewusstsein zu schaffen, Verantwortung und Mitgefühl für Menschen mit Behinderungen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, zu entwickeln. Deswegen meine ich, mit der heute beginnenden parlamentarischen Diskussion über die Novellierung der Landesbauordnung gehen wir einen richtigen Schritt in die richtige Richtung. Ich bin gespannt auf eine interessante parlamentarische Auseinandersetzung und die Beschlussfassung hier im Parlament. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal deutlich, die Weiterentwicklung guter Lebensbedingungen von behinderten und alten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ist ein wichtiges sozialpolitisches Ziel der Sozialdemokraten in unserem Lande. Sozialdemokratische Politik für Menschen mit Behinderungen orientiert sich daher an Kriterien, die die gesellschaftliche Integration dieser Menschen fördern. Deshalb haben wir in unserem Regierungsprogramm auch gesagt, dass wir unter anderem durch gesetzliche Vorschriften das barrierefreie Bauen festschreiben werden. Dieses Ziel vor Augen haben wir mit unserem jetzigen Koalitionspartner, der PDS, vereinbart, die Bauordnung unseres Landes zu ändern, um behindertenfreundliche Lösungen bei Neubauten zu erreichen.
Im Zusammenhang mit dem Paragraphen 52 der Landesbauordnung hat sich in den letzten zwei, drei Jahren einiges getan. Zunächst trug er die Überschrift „Bauliche Maßnahmen für besondere Personengruppen“, ehe er in der Fassung der Landesbauordnung vom 6. Mai 1998 die neue Überschrift „Barrierefreies Bauen“ bekam. Herr Kollege Kreuzer, ich erinnere mich noch genau, dass wir beide damals schon feststellten – Sie in der PDS-Opposition, ich in der Regierungskoalition CDU/SPD –, dass es mit einer neuen Überschrift bei Beibehaltung der Inhalte nicht getan sei,
dass noch erhebliche Unklarheiten bestünden. Auch kann ich mich entsinnen, dass der Bürgerbeauftragte unseres Landes seinerzeit deutliche Verbesserungen in der Landesbauordnung zugunsten von behinderten und älteren Menschen angemahnt hatte. Dies alles wollten und konnten wir nicht ignorieren.
Nebenbei muss ich aber auch feststellen und das auch hier formulieren dürfen und wollen, ich bin aber auch weiterhin der Meinung, Kollege Kreuzer und Kollegin Kleedehn, Paragraph 52 ausgenommen, dass die Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern von 1998 zeitgemäß und auch richtungsweisend in Gesamtdeutschland war. Und wer die Tage mal die Tagesordnungspunkte anderer Landtage in die Hand bekommen hat, hat festgestellt, dass es dort erst jetzt einige Festlegungen, Vorgedanken zu Baufragen gegeben hat, die wir schon lange in der letzten Landesbauordnung fixiert hatten.
Aber wie sagte doch kürzlich die ehemalige Bauministerin Bärbel Kleedehn? Die Zeit ist weitergegangen und es gebe sicherlich auch in der gegenwärtigen gültigen Landesbauordnung neben dem Paragraphen 52 „Barrierefreies Bauen“ noch einiges anderes zu überdenken. Ich sage mal so: Wer jetzt gebaut hat, der weiß davon ein Lied zu singen. Und ich zähle mich dazu, zu den Sängern mit etwas Misston in der heutigen Stimme, aber das passt dann auch zu dem Thema, wenn man sich als Bauherr der Landesbauordnung nähern muss.
Meine Damen und Herren, mit dem nun von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung wird in Mecklenburg-Vorpommern das barrierefreie Bauen weiterentwickelt und damit der grundsätzlich verankerte Gleichberechtigungsanspruch ein Stück weiter verwirklicht. Zu Zeiten der CDU/SPD-Koalition mussten unsere Bemühungen zur Verbesserung der Integration Behinderter leider scheitern. Aber, dem Wähler sei Dank, die Zeit ist weitergegangen, Bärbel Kleedehn, und nun werden wir Wesentliches nachholen.
Die wesentlichen Schwerpunkte unseres Gesetzesvorhabens möchte ich an dieser Stelle aus unserer Sicht noch mal kurz deutlich machen. Der Kollege Kreuzer und auch der Herr Minister haben da ja schon Umfangreicheres dargestellt. Ich will nur mal aus unserer Sicht einige Punkte andeuten.
Barrierefrei werden – anders als bisher – aufgrund verbindlicher gesetzlicher Vorschriften in unserem Land künftig Neubauten sein, die einem allgemeinen Besucherverkehr dienen oder die von Behinderten, alten Menschen oder Personen mit Kleinkindern nicht nur gelegentlich aufgesucht werden. Umfassend barrierefrei sollen künftig auch Förderschulen für Behinderte sein. Bestehende Tagesstätten, Werkstätten und Heime für Behinderte, Altenheime, Altenwohnheime, Altenpflegeheime und Förderschulen für Behinderte, die bisher nur in Teilen oder gar nicht barrierefrei sind, sollen künftig bei der ersten genehmigungspflichtigen Baumaßnahme barrierefrei hergestellt werden. Die Besucherbereiche der etwa 600 Verwaltungs- und Gerichtsgebäude unseres Landes – dazu wurde schon einiges gesagt – sollen bei gelegentlich nicht nur geringfügiger Gebäudeänderung so angepasst werden, dass sie von Behinderten, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern zweckentsprechend genutzt werden können.
Eine letzte Erwähnung soll finden: Um die Zahl behindertenfreundlicher Wohnungen in unseren Städten und Dörfern zu erhöhen, soll künftig beim Neubau von Wohngebäuden mit mehr als drei Obergeschossen eine Wohnung barrierefrei erreichbar sein. Ihre Zugangstüren zu Wohn- und Schlafräumen, zur Küche und zum Sanitärraum müssen eine Durchgangsbreite von mindestens 90 Zentimetern haben, der Sanitärraum muss mindestens sieben Quadratmeter groß sein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf wurde von den Bau- und Sozialexperten der Koalitionsfraktionen unter Einbeziehung externen Sachverstandes seit November letzten Jahres ausführlich beraten. Uns Sozialdemokraten kam es darauf an – und das will ich hier auch ganz deutlich sagen –, realitätsnahe, umsetzungsfähige und finanzierbare Neuregelungen zu finden. Verständliche Maximalforderungen der Interessenverbände konnten jedoch unter diesen Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden. Hierfür bitte ich die Betroffenen um Verständnis, aber auch um Einsicht, denn weitgehende Forderungen nach Barrierefreiheit finden ihre Grenzen dort, wo Aufwendungen für den Einzelnen im Vergleich zu seinen finanziellen Möglichkeiten und seinem Nutzen im Hinblick auf den angestrebten Zweck nicht gerechtfertigt sind. Gleichwohl, denke ich, sind die jetzigen Änderungen, auch gemessen am Maßstab der Verhältnismäßigkeit, geeignet, die Lebenssituation unserer behinderten Mitmenschen deutlich zu verbessern.
Selbstverständlich gehe ich auch davon aus, dass bei einer durchzuführenden Anhörung beziehungsweise einem Expertengespräch – wie auch immer – zur Thematik „Barrierefreies Bauen“ unterschiedliche Betrachtungsweisen, eventuelle Unklarheiten deutlich gemacht und deutlich benannt beziehungsweise, wie der Kollege Kreuzer „kommissarisch“ bemerkte, weitere sachdienliche Hinweise kommen werden.
Meine Damen und Herren, auch in unserer heutigen Zeit ist es bedauerlicherweise immer noch notwendig, die Akzeptanz für mehr barrierefreies Bauen durch gesetzli
che Vorschriften in das Bewusstsein der Beteiligten zu bringen. Ein Beispiel hierfür ist der Bau des Deutschen Bundestages in Berlin. Jeder von Ihnen, denke ich mal, zumindest aus den Fraktionen, wird schon einmal dort gewesen sein. Auch das Hohe Haus sollte barrierefrei gebaut werden. Ein von der Bauverwaltung eingesetzter Berater bezieht sich dabei ausdrücklich auf die über 20 Jahre alte Deutsche Industrie-Norm, die bei Herrn Minister Holter schon mal eine Rolle spielte, 18024 „Bauliche Maßnahmen für behinderte und alte Menschen im öffentlichen Bereich“. Ergebnis: Planungsfehler, deren Behebung jetzt Mehrkosten in Höhe von über einer halben Million D-Mark ausgelöst haben.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass in einigen wenigen Jahren Regelungen für das barrierefreie Bauen deshalb nicht mehr notwendig sind, weil das Wissen hierüber zu den Grundkenntnissen künftiger Architektengenerationen gehört.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zur federführenden Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung und mitberatend – und da möchte ich den Antrag von Kollege Kreuzer namens der SPD-Fraktion ergänzen – an den Finanzausschuss, Sozialausschuss und an den Innenausschuss. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Land Mecklenburg-Vorpommern gehört wie die Bundesrepublik Deutschland zu den politischen Gegebenheiten, wo es nicht üblich ist, dass Diskriminierung bestraft wird. Und weil das nicht üblich ist, ist es ganz einfach notwendig, dass Gesetzlichkeiten im Bund und Gesetzlichkeiten in den Ländern dementsprechende Rahmenbedingungen schaffen, um für die Menschen da zu sein, die Fürsorgepflicht zu untersetzen.
Herr Baunach, ich danke Ihnen vor allem für die letzten Worte, die Sie in Ihrem Redebeitrag gebracht haben, denn es ist für mich als eine der Betroffenen sehr wohl ein Ausdruck dafür, welche Gedankenfortschritte schon gemacht wurden, wenn Sie davon sprechen, in welcher Art und Weise Barrierefreiheit in die Gedanken Eingang finden sollte.
Und es ist auch gar kein Zufall, dass jetzt in anderen Bundesländern – alt wie neu – vermehrt über Landesbauordnungen nachgedacht wird. Es gibt nämlich außerparlamentarisch stark arbeitende Vereine und Verbände. Und ich kann die Selbsthilfeorganisation in der Bundesvertretung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, als ein Beispiel nennen. Ja, wir sind in die Bütt gegangen, um für Barrierefreiheit zu kämpfen, um uns voranzustellen im Kampf für Barrierefreiheit, um allen Menschen in jeder Lebenssituation zu gewährleisten, dass sie sich in ihrer Wohn- und Wohnumwelt wohl fühlen. Es ist nämlich so, wie Herr Baunach es schon sagte und auch Herr Kreuzer,
Barrierefreiheit bedeutet Wohlfühlen in jeder Lebenssituation, darunter natürlich auch für Menschen mit Beeinträchtigungen, für ältere Menschen und so weiter und so fort.
Frau Kleedehn, keiner hat die Landesbauordnung, wie sie jetzt ist, mies gemacht oder ihr abgesprochen, dass sie ein Fortschritt war. Aber wenn ein erster Schritt getan ist, ist es kein Grund, einen nächsten nicht zu tun.
Die Definition von Barrierefreiheit – und ich bin auch ganz froh, dass vermehrt Barrierefreiheit gesagt wird und abgegangen wird von diesem „behindertenfreundlich“ und „behindertengerecht“ und wie es noch überall heißt – gibt es bereits, Barrierefreiheit ist bereits definiert. Es wird jedoch leider Gottes manchmal nicht so richtig begriffen. Barrierefreiheit bedeutet barrierefreies Bauen auf mobiler und kommunikativer Ebene. Und da ist dann schon wieder der nächste gedankliche Fehler. Wenn „kommunikative Ebene“ gesagt wird, dann wird gleich gefragt: Um Gottes Willen, sollen wir denn, wenn wir jetzt bauen, bei mehrgeschossigen Häusern den Draht bis zur unteren Klingel für die Warnanlagen für Hörbehinderte gleich mit einbauen? Nein, mitnichten. Das ist dann das Hilfsmittel. Aber der Kanal, bitte schön, in dem diese Leitungen verlegt werden müssen, der sollte schon so groß sein, dass eben nicht nur die Klingelstrippe durchgeht, sondern auch die Schnur für die Warnanlage. Oder, es sollen nicht schon angebaut sein die Griffe für Behinderte, Rollstuhlfahrer auf den Toiletten. Aber die Toiletten müssen so groß sein und die Wände so breit, dass es dann möglich ist, das Hilfsmittel Handgriff anzubauen. Das bedeutet barrierefreies Bauen und nicht, dass die Hilfsmittel gleich mit angebaut werden.
Demzufolge, Frau Kleedehn, fühlte ich mich in Ihrer Rede schon ein ganzes Ende diskriminiert. Denn ich frage Sie ganz deutlich: In welcher Art und Weise sind finanzielle Einschränkungen daran schuld, dass sie nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können?
Und wieso geben Sie in Ihrem Redebeitrag Finanzen als Grund für Ausgrenzung, für ganz einfache Ausgrenzung an? Es ist schon ein paar Mal gesagt worden, barrierefreies Bauen bedeutet anfangs zwei bis vier Prozent mehr an Investitionen. Aber es bedeutet null Investitionen für Nachrüstung, wenn sich barrierefreies Bauen durchgesetzt hat, wenn es sich im Kopf durchgesetzt hat. Und das ist das, womit die Betroffenen eigentlich am meisten zu kämpfen haben, mit den Barrieren im Kopf, dass einfach nicht verstanden wird, dass es nicht eine Sache ist für behinderte Menschen allein, sondern eigentlich für alle, und ich betone, für alle. Und da sind chronisch Kranke mit einbezogen genauso wie jemand, der mal zufällig beide Hände voll mit Taschen oder ein Gipsbein hat.
Mit barrierefreiem Bauen, Frau Kleedehn, werden viele Faktoren bedient. Der erste wäre der – und das ist auch das Gute bei der Nachrüstungspflicht –, dass Firmen, die gerne barrierefrei bauen würden, die Chance bekommen, es tun zu dürfen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist ja zum Beispiel auch Vorreiter in der Ausbildung ihrer Architekten, denn unsere Architekten hier in Mecklenburg-Vorpommern haben sehr wohl in einem Semester barrierefreies Bauen als Unterrichtsfach. Aber sie dürfen es nicht anwenden, weil es dem Bauherren nicht genehm
ist, aus den unterschiedlichsten Gründen, weil zum Beispiel gesagt wird, wie es auch im Reichstag gesagt wurde, es muss schön aussehen. Und schön sind dann eben Metallgeländer, die kein Mensch anfassen kann in der Kälte. Der erste Faktor, wie gesagt, ist also, dass gezeigt werden kann, wie barrierefrei gebaut wird, dass gezeigt werden kann, dass es geldlich eben nicht unbedingt über alle Maßen gehen muss. Zweitens können wir mit der Nachrüstung zeigen, wie Menschenwürde und Menschenrecht genehm sind. Und drittens, Frau Kleedehn, auch Arbeitsplätze wird es schaffen. Was glauben Sie denn, warum zum Beispiel der Stellenpool für Behinderte zwar existiert, aber Behinderte unter Umständen nicht eingestellt werden können? Weil unsere Verwaltungsgebäude eben nicht barrierefrei sind
und weil man sich dann eben überlegen muss, ob ich eine Toilette für einen Menschen mit Behinderungen so umbaue, dass er hereinkommt oder nicht. Und wenn ich die Gebäude von vornherein barrierefrei habe beziehungsweise sie nachrüste, wird es eben nicht das Problem geben, dass ein Mensch mit Behinderungen nicht eingestellt werden kann.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, aus dem Sozialministerium gibt es eine umfangreiche Unterrichtung zu diesem Problem. Ich würde Sie, auch wenn es nicht Ihr Ressort ist, darum bitten, wenn es noch nicht geschehen ist, dort nachzulesen.
Eine hochzivilisierte gesellschaftliche Umgebung und ein hochzivilisiertes gesellschaftliches Land, so, wie wir es hier sind in Deutschland – und da mache ich keine Abstriche –, sollte aber auch bitte den Menschen so, wie er ist, akzeptieren, in seinem Für, in seinem Wider, in seinem Sein und auch in seinem Defizit. Und dazu gehört dieses Überwinden der Barrieren ganz einfach dazu.
Die Angelegenheit Paragraph 52, wo Sie anmerken, dass wir da nur Änderungen haben, die Zahlen betreffen: Diese haben auch einen Grund. Wir haben bemerkt im Lande Mecklenburg-Vorpommern, dass es Gaststätten gibt, und gar nicht so wenige, die mit voller Absicht 49 Plätze deklarieren, obwohl sie viel mehr reinkriegen. Aber 49 Plätze bedeutet nicht, dass man barrierefrei sein muss. Das bedeutet es erst ab 50 Plätzen. Deswegen die Umstellung auf die Quadratmeter. Das immer wieder greifende Argument für die Bauherren, wir haben keinen Platz für eine dritte Toilette für Behinderte – ich sage es in diesem Hohen Hause zum x-ten Mal: Kein Mensch mit Behinderungen verlangt für sich eine extra Toilette. Wenn die beiden Toiletten, nämlich für Männlein und Weiblein, die da sind, ein bisschen größer im Radius sind, ist die Sache schon gelaufen. Ein drittes, ein extra Örtchen wird nicht gebraucht.
Es gehört einfach dazu, dass eine Integration ins gesellschaftliche Leben dadurch begleitet wird, dass Rahmenbedingungen so gestrickt sind, dass diese Integration möglich ist. Mit der Erweiterung dieser Landesbauordnung und nicht der Nichtigmachung der alten wollen wir wieder einen weiteren Schritt tun, damit Rahmenbedingungen von vornherein so geschaffen sind.
Es ist dann schon diskriminierend, davon auszugehen, dass es nur Leute geben wird in den Branchen, die dagegen sind. Ich wünsche niemandem, dass er mal in den Kreis der Betroffenen eintritt.
Aber wenn mir immer wieder entgegengeschleudert wird, ein barrierefreies Bauen als Muss ist ein Eingriff in das freiheitliche Denken der Menschen und der Bauherren, der privaten Bauherren, da muss ich doch ganz intensiv fragen: Kann wirklich der Bauherr, wenn er baut, davon ausgehen, wie seine eigene Lebenssituation mal sein wird? Ist ein Eingriff in das Denken nur beim Bauherren von beachtenswerter Art und Weise oder ist es nicht auch ein Eingriff in das Denken von Menschen mit Behinderungen, wenn sie wieder vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind wegen Barrieren? Und außerdem: Barrierefreiheit ist wirklich eine Angelegenheit, die uns alle angeht, denn es gibt auch eine kommunikative Barrierefreiheit, die angemahnt wird, zum Beispiel auf der Arbeitsebene von Computerprogrammen. Ich möchte hier noch mal ganz eindeutig sagen, das ist nicht nur eine Sache von baulichen Angelegenheiten.
Auf Webseiten, wo tausend wild gewordene Werbegrafiker rumgearbeitet haben, kann kein Blinder navigieren. Und auch das ist nicht barrierefrei. Und auch das gehört dann zu der Arbeit von Behinderten, da wirklich Hand anzulegen. Demzufolge sehe ich mich auch in der Pflicht, das immer wieder anzumahnen. Wir tun einen guten Schritt. Wir haben sehr wohl Leute, die erst mal den Schritt noch nicht so verstehen, weil sie nur das Finanzielle sehen.