tal 2002 damit zu rechnen ist? So erleben wir das ja heute einige Tagesordnungspunkte weiter hinten mit dem Landesaltenplan. Ist das seriöser Umgang in der Jugendpolitik? Wird damit der ursprüngliche Sinn des Jugendparlaments erreicht, die Jugendlichen aus der passiven Ecke herauszubekommen, mit ihnen in den Dialog zu kommen, sie an das parlamentarische Regierungssystem heranzuführen, sie darin zu unterrichten, ihre Interessen zu artikulieren und durchzusetzen? Oder lernen sie jetzt einfach: Wir stellen eine Forderung auf, wir formulieren sie, dann liegt die Forderung herum, dann wird daraus ein Bericht gemacht, der wird dann abgeheftet und das war’s.
Mit dieser Beschlussempfehlung, glaube ich, sorgen wir für Frust und nicht für Freude. Sie sorgen für Politikverdrossenheit statt für Politikinteresse. Das ist mir allerdings zu einfach und auch zu billig. Ich bezweifle, dass ein 15-Jähriger, der mit Euphorie und Enthusiasmus gearbeitet hat und nun so einen Bericht bekommt, weitergeht auf dem Weg des Engagements in unserem politischen System.
Wenn wir dem 15-Jährigen aber ehrlich sagen würden, wie das System funktioniert, dass es darauf ankommt, auch dicke Bretter zu bohren, dass genau in diesen Abwägungsprozess der verschiedenen gegenseitigen Interessen gepaart mit einem verantwortungsvollen Umgang mit den finanziellen Mitteln gerade auch die Stärken des Systems liegen, dann können wir, glaube ich, die Jugendlichen für dieses System stärker begeistern. Ich finde, es gibt kaum etwas Spannenderes, als die Abläufe in unserem Parlament, wenn sie denn mehr sind, als schlichte Berichtsanforderungen an die Landesregierung. Diese Spannung bringen wir allerdings dem Jugendparlament nicht nahe, weil wir nicht den Mut haben, den jungen Leuten auch zu sagen: Nicht alle Eure Forderungen werden umsetzbar sein. Wir werden auch nicht nur einmal „nein“ sagen müssen. Doch aus meiner Sicht ist ein ehrliches „Nein, hier geht es nicht.“ besser als ein ständiges Vertrösten.
Dabei wissen wir doch, dass uns die Probleme der Jugend und ihrer Entwicklung hier im Land unter den Nägeln brennen. Ich möchte das gar nicht auf das Thema Rechtsextremismus beschränken. Doch die Frage der demographischen Entwicklung ist wohl eine der zentralsten Fragen, die wir hier erleben. Die Frage, wie wir die jungen Menschen für unser Land begeistern, damit sie bleiben – auch in etwas schwierigeren Zeiten – und nicht nach Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern oder Baden-Württemberg auswandern, ist doch eine Frage, um die wir uns hier täglich kümmern sollten, in die wir auch die Jugendlichen einbeziehen können und müssen.
Oder der Arbeitsmarkt – wie sieht denn die Situation dort aus? Wir können doch nicht monatelang über Pro und Kontra der Beteiligung an Kommunalwahlen für 16-Jährige diskutieren und diesen gleichzeitig eine berufliche Perspektive verweigern. Die junge Generation in unserem Bundesland sieht Ausbildung und Chance am Arbeitsmarkt als wichtigstes und als perspektivisch entscheidendes Kriterium darüber an,
ob sie in diesem Land eine Zukunft sehen. Bis zum heutigen Tag hat der Arbeitsminister Herr Holter – jedenfalls für mich nicht nachvollziehbar – kein exaktes Programm zur Bekämpfung der gegenwärtigen Jugendarbeitslosigkeit vorgestellt. Wir haben eine ständig steigende Zahl der Jugendarbeitslosigkeit. Derzeit sitzen hier 20.590 Jugendliche unter 25 Jahren auf der Straße – das ist die Einwohnerzahl von Parchim – und Sie reden über mehr Beteiligung der Jugendlichen in den Kommunen.
Aber ich frage Sie: Woran wollen wir sie noch beteiligen? Wollen Sie ihnen durch die Beteiligung an kommunalen Entscheidungsprozessen einen weiteren dritten Arbeitsmarkt, oder, sagen wir lieber, einen vierten, auftun? Sollen die Jugendlichen durch mehr Beteiligung ihre existentiellen Sorgen und Nöte, ihre Zukunftsängste, die aus der fehlenden Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt resultieren, vergessen? Bedenkt man dieses, ist Ihr Antrag nicht nur eine Farce, sondern sogar der Versuch, durch Täuschung einen Irrtum über die Perspektiven in diesem Land zu erregen – schlicht und einfach.
Jungen Menschen zu beweisen, dass man sie braucht, dass unsere Gesellschaft, unser Land sie braucht, wird man vor allem dadurch erreichen können, ihnen Arbeit in diesem Land zu verschaffen, gerecht bezahlte und vernünftige Arbeit, sie darüber hinaus erfahren zu lassen, dass sich gesellschaftliches und politisches Engagement und die Übernahme eines Amtes lohnen kann. Dass man mitunter nur dort viel mehr bewegen kann als in kurzfristigen Aktionen, muss und kann ihnen allerdings nur auf der Basis eines gesicherten Arbeitsplatzes vermittelt werden.
Wenn wir mit einer Beschlussempfehlung zu Arbeit, Jugend und Parlament auch keinen gesicherten Arbeitsplatz bereitstellen können, sollten wir doch zumindest versuchen, durch eine offene und ehrliche Diskussion mit den Jugendlichen nicht für Frustration gegenüber der Politik zu sorgen. Diese Beschlussempfehlung wird diesem Anspruch allerdings aus unserer Sicht nicht gerecht, so dass meine Fraktion sie auch nur ablehnen kann.
Herr Kollege Caffier, würden Sie mir zustimmen, dass die mangelhafte Anwesenheit der Abgeordneten, vor allen Dingen auch Ihrer Fraktion, wenig dazu beiträgt, Jugendliche zu motivieren, in die Politik einzusteigen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete hier im Saal, an den Mikrofonen, an den Kaffeetassen und wo
immer Sie sich aufhalten möchten! Ich bitte nachdrücklich darum, dass wir auch angesichts der eben angesprochenen Dinge vielleicht ein bisschen Disziplin zeigen und in den Saal zurückkehren, damit die jungen Leute, die hier im Gästeraum sitzen, nicht mit dem allerschlechtesten Eindruck von uns nach Hause gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bislang haben Kinder und Jugendliche noch keine richtige Lobby. Eher geht heute noch immer ein Kamel durch ein Nadelöhr, als einem Kind in unserer Gesellschaft ausreichend Gehör geschenkt wird. Parkplätze, Düsenjäger für Milliarden Mark – all das ist wichtiger als Zeit und Raum für Kinder und Jugendliche und ihre Bedürfnisse.
Wir Erwachsenen und insbesondere wir Politiker haben aber auch die Pflicht, und wir sollten auch den Verstand und das Gewissen dazu haben, unsere Wünsche und Ziele mit dem Wohl der Kinder und zu ihrem Schutz zu vereinbaren. Wir sollten das Liebste und Wertvollste, was wir besitzen – unsere Kinder –, mehr in den Mittelpunkt rücken.
Idee und Herzstück einer modernen Politik sollte es meines Erachtens sein, Kinder und Jugendliche schützend in die Mitte unserer Gesellschaft zu nehmen, sie als vollwertige Persönlichkeiten zu achten und durch Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Prozess zu einem demokratischen Bewusstsein zu erziehen sowie zu Standhaftigkeit und aufrechtem Gang, ebenso zum Respekt vor der Meinung Andersdenkender und zur Solidarität untereinander. Nur so können Kinder und Jugendliche ein soziales Gewissen entwickeln. Dies kann nicht durch Zwang geschehen, sondern durch das Recht, sich selbst dahin entwickeln zu dürfen und vor allen Dingen auch zu können. Mit Hilfe der Eltern und Erzieher können Kinder und Jugendliche dazu ermuntert werden, sich mit eigener Kraft verstärkt in die Gesellschaft und die Politik einzubringen und sich dort Gehör zu verschaffen, wo ihre Worte bisher ungehört verhallten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle, einige Worte einzufügen, die der Beauftragte oder der Vertreter der Bundesregierung in seiner Rede zur Auftaktveranstaltung von „Jugend im Landtag“ am 6. September 2000 in Schwerin formulierte: „Partizipation sollte in einer Demokratie eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber: sie ist es leider nicht. Das gilt vor allem für Jugendliche und noch mehr für Kinder. Je jünger die Kinder, um so mehr meinen die Erwachsenen, wir könnten über sie bestimmen. Was das auslöst, dürfte gerade den Jugendlichen unter uns klar sein: Ohnmacht; das Gefühl, ein Objekt des Handelns anderer zu sein und keine Rechte zu haben; der Eindruck, ohnehin nichts bewirken zu können; und das Ausgeschlossensein von Entscheidungen. Wovon lebt aber die Demokratie? Davon, dass Menschen sich einmischen, dass sie sich beteiligen, dass sie eine Chance haben, ihre Meinung zu äußern. Das Aushandeln von Interessen, das Demokratie ja im Kern ist, kann doch nur funktionieren, wenn alle Beteiligten ihre Interessen überhaupt in die Diskussion einbringen können. Und was will Erziehung? Das Menschenbild unserer Verfassung, des Kinder- und Jugendhilfegesetzes oder auch der UN-Konvention über die Rechte des Kindes ist das des mündigen und selbständigen sowie verantwortlich handelnden jungen Menschen, der mit sich und seiner Umwelt zurecht kommt. Wie will
die Gesellschaft dieses Ziel dann erreichen, wenn Kindern und Jugendlichen die Erfahrung vorenthalten wird, ernstgenommen zu werden, wenn sie nicht die Chance haben zu lernen, was Beteiligung konkret heißt? Diese wenigen Anmerkungen mögen genügen, um zu zeigen, dass Beteiligung nichts“, aber auch gar nichts – das ist jetzt meine Einfügung – „mit ,good will’ der Erwachsenen zu tun hat, sondern dass Partizipation ein Recht junger Menschen ist. Und zwar nicht im Sinne von einmaligen, spektakulären Aktionen, die häufig mehr Alibicharakter haben. Vielmehr bin ich überzeugt, dass wir eine Alltagsdemokratie brauchen. Überall dort, wo Sie, die Jugendlichen, leben, müssen Sie die Chance haben, sich zu ihren eigenen Belangen zu äußern.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Beteiligungskampagne müssen alle staatlichen Ebenen mitwirken, vom Bund, übers Land bis hin zu jedem einzelnen Dorf. Es ist aber schon bezeichnend, dass wir darüber überhaupt im Landtag beraten müssen. 100 Jugendliche aus Mecklenburg-Vorpommern haben uns Politikerinnen und Politiker während „Jugend im Landtag“ deutlich gezeigt, dass Jugendliche sich dauerhaft und qualifiziert einmischen wollen. Die Themen reichen von Bildung, über Sucht und Drogen bis hin zur Verkehrspolitik.
Die Ergebnisse von „Jugend im Landtag“ liegen Ihnen allen vor. Von Null-Bock habe ich dort nichts bemerkt, im Gegenteil. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist, wie wir alle wissen, kein Selbstläufer. Wenn sie gelingen soll, müssen wir dafür die Rahmenbedingungen schaffen, sie unterstützen und helfen. Der Landesjugendring hat dafür schon viel durch seine Beteiligungskampagne beigetragen. Nun ist es an uns, dafür zu sorgen, dass die eingeforderte Partizipation der Kinder und Jugendlichen auch Folgen hat und nicht Lippenbekenntnis bleibt, ansonsten brauchen wir uns nicht über die Politikverdrossenheit zu beklagen. Wenn unser Land kinderfreundlicher werden soll, dann ist es notwendig, dass Kinder und Jugendliche in eigener Sache mitreden dürfen. Erfreulicherweise wird dies auch schon in einigen Kommunen so gehandhabt. Ich hoffe, dass die Kommunalverfassung nun endlich entsprechend verändert wird.
Ganz entscheidend ist für mich auch, dass die Richtlinien für den Landesjugendplan die Beteiligungsmöglichkeiten zur frühzeitigen Einbindung von Kindern und Jugendlichen in politische Entscheidungsprozesse unterstützen. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist von unschätzbarer Bedeutung für unsere Demokratie. Sie ist Voraussetzung dafür, dass junge Menschen Verantwortung übernehmen lernen und besser geschützt sind vor der Ausübung von Gewalt und Diskriminierung, denn wer es gewohnt ist zu argumentieren, der schlägt und tritt nicht auf andere Menschen ein. Beteiligung ist deshalb auch ein Beitrag gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Es ist nicht das alleinige Mittel, aber es ist ein Mittel, ohne das Demokratie nicht überleben kann.
Deshalb sieht der Beschluss des Sozialausschusses in Ergänzung des Antrages vor, dass die Ergebnisse von „Jugend im Landtag“ an die Landesregierung übermittelt werden und diese darlegt, wie sie diese Forderungen und die Empfehlungen der Fraktionen dazu berücksichtigen wird. Die Fraktionen des Landtages sind damit nicht aus der Verantwortung entlassen, sich mit den Ergebnissen von „Jugend im Landtag“ zu beschäftigen.
Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir uns in allen Fachbereichen intensiv damit befasst haben. Ich bin schon sehr gespannt, ob und wie sich die Opposition hier einbringen wird. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, offensichtlich so ihre Probleme mit der Beteiligung haben. Das haben Sie durch Ihre Voten in den Ausschüssen gezeigt. Ich rufe Sie heute dazu auf, Ihre Meinung zu ändern und der vorliegenden Beschlussempfehlung zuzustimmen.
(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, das sollten Sie auch tun, weil Sie Aussagen für das Jugendparlament getroffen haben. – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)
Und jetzt zitiere ich aus dem Papier „Zukunftsoffensive der CDU – Politik gestalten, Mecklenburg-Vorpommern voranbringen“. Dort heißt es unter dem Punkt „Kommunal- und Innenpolitik“: „In der Kommune als dem unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen liegt eine Grundlage für einen toleranten, konfliktfähigen Umgang in der Gesellschaft. Eine verantwortlich handelnde Landesregierung wird daher das Engagement und die Mitsprachemöglichkeiten der Bürger gerade auf kommunaler Ebene unterstützen und die Kommunen stärken.“ Und ein zweites Zitat: „Wir wollen, dass die Mitsprache der Bürger bei Entscheidungen in ihrem persönlichen Umfeld verbessert wird. Sie ermöglicht Identifikation und Heimatbewusstsein. Die Mitsprache wird in den gewählten Gemeindevertretungen gewährleistet.“ Hört, hört! Zählen Kinder und Jugendliche nicht zu den Bürgern in diesem Land? Soll Mitsprache nur in den Gemeindevertretungen erfolgen? Das hätte ich gerne natürlich von Ihnen erklärt.
Und an der Stelle ist mir natürlich aufgefallen, Herr Riemann, dass Ihr Papier so einige Lücken hat im Demokratieverständnis.
steht: „Schule muss Kinder und Jugendliche darauf vorbereiten, Konflikte zu ertragen, Lebensumbrüche zu bewältigen und die eigene Lebensgestaltung in die Hand zu nehmen.“, dann frage ich mich ganz besorgt: Wollen wir das Bild des geduldigen Leibeigenen?
Meine Damen und Herren von der CDU, an einigen Stellen hatte ich die Hoffnung, dass Ihr Papier etwas taugt.
Anhand dieser Zitate muss ich sagen, ich habe den Glauben leider wieder verloren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Sie hatten noch nie einen Glauben.)