Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und ein Letztes, Herr Kollege Jäger: Schauen Sie mal ins Mitbestimmungsrecht! Und das ist nicht von RotGrün, Herr Kollege Thomas, sondern unser Mitbestimmungsgesetz stammt aus dem Jahre 1976,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

das Betriebsverfassungsrecht aus dem Jahre 1973, und greift Elemente aus dem Betriebsverfassungsgesetz von Anfang der fünfziger Jahre auf. Das ist also alles nicht so neu.

Zu den Mitbestimmungsorganen haben die Arbeiter und Angestellten des Unternehmens Wahlrecht, vollkommen unabhängig von ihrer Nationalität. Und sie wählen nicht nur ihren Betriebsrat mit, sie wählen auch die Arbeitnehmervertreter in den mitbestimmenden Organen des Unternehmens, gegebenenfalls des Konzerns, mit. Das heißt, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bank oder von VW oder von welchem Konzern auch immer werden von dem Türken, der dort im VWBetrieb am Band steht, mitgewählt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Monty Schädel, PDS: In einem deutschen Konzern? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der PDS und Heidemarie Beyer, SPD)

Und nun frage ich Sie: Wo wird eigentlich mehr reale Macht ausgeübt – im Aufsichtsrat der Deutschen Bank oder in der Gemeindevertretung eines vorpommerschen Dorfes?

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1816. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1816 mit den Stimmen der SPD und PDS gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Rentenpläne der Bundesregierung, auf Drucksache 3/1822.

Antrag der Fraktion der CDU: Rentenpläne der Bundesregierung – Drucksache 3/1822 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Nolte von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Nolte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen hier ganz eindeutig: Die gegenwärtig diskutierte Rentenreform stellt keinen gesellschaftlichen Fortschritt dar.

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das merkt man dem Entwurf bloß nicht an.)

Bitte lesen Sie unseren Beschlussantrag Punkt für Punkt durch, bevor Sie ihn verwerfen wollen, und denken Sie an die Menschen in unseren Bundesländern, in den neuen Bundesländern, an die Rentnerinnen und Rentner, an die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern.

(Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Selbstverständlich.

Es ist gerade vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass auch die PDS sich vernünftigen Alternativen nicht verschließen kann und ebenso wie wir die Rentenpläne der Bundesregierung ablehnt, so jedenfalls entnehme ich das der Plakatierung im öffentlichen Verkehrsraum.

(Peter Ritter, PDS: Das war aber besser als Ihr Plakat. – Zuruf von Götz Kreuzer, PDS – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Unser Land steht vor erheblichen demographischen Problemen, und dies vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft und des enormen Zuwachses an Rentnerinnen und Rentnern in Mecklenburg-Vorpommern. Werden im Bundesdurchschnitt bis zum Jahre 2030 auf jeden erwerbstätigen und erwerbsfähigen Bürger circa drei Rentner kommen, so werden es nach vorläufigen statistischen Berechnungen in Mecklenburg-Vorpommern circa fünf Rentner auf einen erwerbstätigen Einwohner sein. Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen!

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Das heißt, ein Erwerbstätiger wird die Rente für fünf Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns erarbeiten müssen.

(Peter Ritter, PDS: Deswegen haben wir ja Migration, Herr Nolte! – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Sie haben ja Recht. 2050 mit 500.000 Einwohnern, vollkommen in Ordnung, ja?

(Peter Ritter, PDS: Deswegen haben wir ja Migration.)

Daran erkennen Sie, dass das Problem der Rentenreform nicht nur ein sozialpolitisches, sondern auch ein finanzpolitisches ist, nicht nur aus der Sicht des Staates, das heißt der Ausgabenbegrenzung, sondern auch aus der Sicht der finanziellen Lebensabsicherung, des Altersrisikos und der Erhaltung des Lebensstandards im Alter.

Es ist deutlich, dass der Mangel der neuen Rentenformel, so, wie sie jetzt durch den Bundestag verabschiedet worden ist, darin besteht, dass in dieser Formel die demographische Entwicklung der Bevölkerung in keinerlei Weise berücksichtigt wird. Die zentrale Rentenformel für den aktuellen Rentenwert enthält nämlich lediglich den Beitragssatz in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und den Satz der zusätzlichen Altersvorsorge. Der aktuelle Rentenwert, der sich aus dieser Berechnung ergibt, reagiert also nur auf den Beitragssatz und auf den Satz für die private Vorsorge. Es kann und darf keine politische Willensbildung sein, dass mit politischen Variablen, die – so eingesetzt – wirklichen demographischen Gegebenheiten nicht einbezogen sind. Aber man muss es sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen.

Ich sage hier noch mal: Dies ist eine sozialdemokratische Entscheidung ohne Rücksicht auf die Menschen. Letztlich ist diese starre Formel lediglich darauf fixiert, den nominellen Anstieg des Beitragssatzes auf 22 Prozent zu begrenzen, was nach wie vor hinterfragbar bleibt. Die neue Rentenformel ist willkürlich und manipuliert, das heißt, nicht demographisch legitimiert und daher dem demographischen Faktor, wie er noch unter dem Bundesarbeitsminister Blüm formuliert wurde, deutlich unterlegen. Bei der Höhe des Rentenniveaus wird weiter getrickst und getäuscht. 68 Prozent bei Rot-Grün sind in Wahrheit nur 64 Prozent des Nettogehaltes oder weniger.

(Torsten Koplin, PDS: Das wollten Sie ja.)

Damit täuscht Riester auch die Gewerkschaften.

Jetzt überlegen Sie doch einmal, was die Rentenreform in der derzeitigen Form kosten wird, was sie insbesondere die Menschen in den neuen Bundesländern kosten wird. Meine Damen und Herren, überlegen Sie, was es unserer jungen Generation, die durch schlechtere Berufsund Einkommenssituationen schon benachteiligt ist, kosten wird und andererseits auch diejenigen kostet, die Kindererziehungszeiten und verminderte Basiseinkommen einfach nur durch ihre DDR-Vergangenheit hatten, gerade diejenigen, die in den nächsten fünf bis zehn Jahren das Rentenalter erreichen werden. Nicht vergessen werden darf die zusätzliche Belastung, die durch die Ökosteuer hinzukommt, da gerade diese dazu dient, die staatlichen Zuschüsse in der Rentenversicherung mitzufinanzieren, und sie in der Endstufe mit rund 35 Milliarden DM pro Jahr etwa 2 Prozentpunkten gleichkommen wird.

Nun ist die Rechnung ganz einfach für die Alterssicherung so, dass einschließlich der privaten Vorsorge von rund 4 Prozent und der Ökosteuer insgesamt ein wirklicher Beitrag von 28 Prozent erreicht wird und dafür maximal 64 Prozent des Nettogehaltes herauskommen. Ferner werden derzeit Bundeszuschüsse aus anderen Steuern als der Ökosteuer von etwa 90 Milliarden DM an die Rentenversicherung geleistet.

Unser damals in Regierungszeiten vorgelegtes Rentenreformgesetz, das von der derzeitigen SPD/Grünen-Koali

tion ausgesetzt worden war, enthielt einen demographischen Faktor. Das neue so genannte Rentenreformgesetz, das nun wirksam werden soll, beinhaltet aber die Demographie, das dringendste und drängendste Problem des Landes Mecklenburg-Vorpommern, nicht, so dass man den Prozess der Rentengesetzgebung keineswegs als einen Fortschritt bezeichnen kann.

Meine Damen und Herren! Durch die Rücknahme der Blüm’schen Reform sollte ein Wahlversprechen erfüllt werden, in Wahrheit aber wurden die Rentenkassen klamm. Dies soll jetzt wieder mit einem unzureichenden Konzept ausgefüllt werden. Zuerst griff man den Bestandsrentnern in die Tasche, indem das Lohnanpassungsprinzip ausgesetzt wurde und nur noch eine Inflationsanpassung übrig blieb. Das weiter fehlende Geld holt sich Rot-Grün an den Zapfsäulen der Tankstellen.

Und nun zu dem Thema Rentenbetrug. Bundeskanzler Schröder hatte versprochen, auch künftig die Renten so steigen zu lassen wie die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Das Versprechen wurde kaschiert. Jetzt spricht man von modifizierten Nettolohnanpassungen. Man kann es klamm oder still oder heimlich nennen, man kann es einfach frech nennen, es ist und bleibt Betrug.

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU, und Jürgen Seidel, CDU)

Es ist doch durch die derzeitigen Versprechen klar geworden: Im Jahr 2001 wird zum ursprünglichen Nettolohnprinzip bei der Rentenanpassung nicht zurückgekehrt, denn man spricht nur noch von einer modifizierten Nettolohnanpassung, was immer das sein mag, und das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten mit Sicherheit zu hören bekommen.

(Siegfried Friese, SPD: Da müsste man ein richtig starkes Plakat daneben setzen. – Harry Glawe, CDU: Genau so. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Zum Beispiel genau so eins, was Sie 1998 versucht haben. Insofern war die Aussage dieses Plakates, das jetzt diskutiert worden ist, durchaus richtig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig, Georg. – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Die Regierung verheimlicht nämlich ihre Pläne zur Rentenbesteuerung weiterhin. Sie muss ihre Pläne aber spätestens im Sommer aus der Schublade ziehen, wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage entscheidet, und das wissen Sie sehr genau, Herr Friese. Schon dann ist das von der Bundesregierung berechnete Rentenniveau hinfällig. Eine neue Diskussion über die Zukunft der Renten ist vorprogrammiert. Dann muss nachgebessert werden, wie bei vielen anderen verunglückten Gesetzen von Rot-Grün.

Weiterhin müssen wir, muss der Landtag die rot-grüne Rentenreform ablehnen, weil sie die Frauen und insbesondere die Frauen in den neuen Bundesländern, also Frauen in Mecklenburg-Vorpommern, zu Verlierern der Reform macht.

(Harry Glawe, CDU: So ist das.)

Der mit dieser Reform verbundene Ausstieg aus der Hinterbliebenenversorgung geht überwiegend zu Lasten von Frauen. Die soziale Absicherung der Frauen ist nach wie vor unzureichend. Frauen werden die Verliererinnen

dieser Reform sein. Und hierzu hätte ich gerne mal Frau Staszak gehört. Das Einfrieren des Freibetrages und die Anrechnung aller Einkünfte führt zum langfristigen Aus bei der Hinterbliebenenrente. Die von Riester vorgenommenen marginalen Verbesserungen zahlen Frauen und Familien durch gravierende Verschlechterungen an anderer Stelle.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Das ist die blanke Wahrheit bezogen auf die Frauenpolitik. Die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht ist nach wie vor unzureichend. Bei der zusätzlichen Altersvorsorge fehlt jedes Bemühen um Ausgleich geschlechtsbedingter Auswirkungen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ach ja, das lag in Ihren Vorschlägen vor, Herr Nolte, ja?!)

Sie haben doch eine beschlossene Rentenreform von Blüm.