Protokoll der Sitzung vom 07.03.2001

Dabei muss deutlich gemacht werden, dass artgerechte Tierhaltung und umweltgerechte Produktionsverfahren nicht abhängig von Betriebsgrößen und Rechtsformen sind. Dieses müssen wir gerade aus dem Osten immer wieder einfordern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das Ziel bleibt nach wie vor eine weitgehend flächendeckende Landnutzung und Landbewirtschaftung. Die multifunktionalen Aufgaben der Landwirtschaft als Träger der ländlichen Entwicklung sind stärker als bisher herauszutragen und herauszustreichen. Die Instrumente Modulation und Cross Compliance sind für uns ungeeignet, solange die Gefahr besteht, dass die Mittel, die daraus freigesetzt werden, nur Ländern zugute kommen, die sich eine Kofinanzierung leisten können, und nicht Mecklenburg-Vorpommern, sondern den südlichen Ländern. Das heißt, die Forderung ist ganz klar, diese Mittel müssen, wenn es denn so kommen soll oder muss, innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Verfügung stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an diesen einzelnen Punkten mögen Sie die Komplexität der künftigen agrarpolitischen Herausforderungen erkennen. Doch Agrarpolitik ist nicht alles, wenn es um die Landwirtschaft geht. An der Gestaltung der Zukunft muss der Berufsstand, egal, in welchem Bereich er sich gebunden fühlt, einen viel größeren Beitrag leisten und auch größere Anteile beisteuern als bisher.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Jeder einzelne Landwirt kann dabei ganz im Sinne von „Meine Hand für mein Produkt“ etwas bewirken. Ich freue mich auf diese Zusammenarbeit und bin mir sicher, dass die Landwirte mittlerweile über diese Dinge sehr realistisch denken und sich einiges in den Köpfen bewegt hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schwebs von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Frau Schwebs.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allerorten gibt es Diskussionen um eine Wende in der Agrarpolitik. Konservative und Grüne, Landwirte und Umweltschützer, Wissenschaftler und Stammtischbesucher, Frau Künast und Herr Fischler und noch viele andere mehr sind an den Diskussionen beteiligt.

(Gerd Böttger, PDS: Auch die Roten.)

Die BSE-Krise und jetzt die Maul- und Klauenseuche erscheinen wie das Menetekel einer gescheiterten Landwirtschaftspolitik. Und es gibt, wie immer in solchen Situationen, mehr Fragen als Antworten. Klar ist inzwischen nur eines: Die in den letzten Jahren in Europa und in der Bundesrepublik praktizierte Agrarpolitik trug und trägt auch heute noch einen erheblichen Teil dazu bei, dass die Landwirtschaft und damit der ländliche Raum keine Zukunft hat. Deshalb muss die Art und Weise, wie die Landwirtschaft heute betrieben wird, auf den Prüfstand. Und es ist zu diskutieren, wie sie zukünftig ausgestaltet werden soll, wo ihre Prioritäten liegen werden. Es ist einigermaßen sinnlos, unsere Landwirtschaft für einen Weltmarkt fit zu machen, der noch weniger angemessene Preise zahlen wird als unsere Verbraucher. Deshalb erscheint es mir sinnvoller, darüber zu diskutieren, wie die Landwirtschaft in überschaubaren Wirtschaftskreisläufen bei der Produktion von Qualitätsprodukten aus der Region unterstützt und gefördert werden kann.

Die Landwirtschaft ist dabei, mehr und mehr ihre prägende Rolle als Wirtschaftskraft im ländlichen Raum zu verlieren. Flächendeckende und sich rechnende Landbewirtschaftung wird mehr und mehr zu einem nicht finanzierbaren System in Deutschland und in der EU. An seine Grenzen wird dieses System spätestens dann stoßen, wenn die beitrittswilligen osteuropäischen Länder mit ihren Problemen in die EU aufgenommen werden. Im Zuge der landwirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre hat sich zudem eine Konkurrenzsituation zwischen der Herstellung von entlohnten marktfähigen Agrarprodukten und von nicht marktfähigen ökologischen Leistungen herausgebildet. Nicht nur aus diesem Grunde sind die ökologischen Leistungen der Landwirtschaft in den letzten Jahren zurückgegangen. Sie werden von den Bauern nur solange genutzt, wie sie für ihre Arbeit Vorteile darin sehen.

Agrarpolitik der Zukunft muss aber mehr beinhalten als die Definition der Rahmenbedingungen für agrarische Produktion. Ihr Ausgangspunkt muss Entwicklungs- und Strukturpolitik für den ländlichen Raum sein, der gleichzeitig auch beschäftigungspolitische Aspekte berücksichtigt, regional ausgerichtet wird, Verbraucherinteressen aufnimmt und ökologisch nachhaltig ist. Deshalb sind bei der Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft alle an der Regionalplanung beteiligten Partner an einen Tisch zu holen. Das erfordert in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel konkret, dass die beabsichtigte Richtlinie zur

Umsetzung der FFH- und Vogelschutzvorgaben eben gerade nicht als ein einzelner Erlass des Umweltministeriums endet, sondern nach einer öffentlichen Anhörung durch alle betroffenen Häuser sowohl vom Arbeitsministerium, vom Landwirtschaftsministerium und vom Wirtschaftsministerium getragen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Gerade vom Wirtschaftsministerium.)

Gerade vom Wirtschaftsministerium.

Genauso wichtig für die Zukunft der Landwirtschaft und der Gesellschaft ist, dass die Landwirte die ihnen zustehende Schlüsselrolle beim sozialen und ökologischen Umbau der Agrarwirtschaft auch einnehmen können. Politiker müssen dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Dazu müssen die Mittel zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raumes, zur Schaffung und Erweiterung von nichtlandwirtschaftlichen Verdienstmöglichkeiten umgeschichtet werden und es müssen regionale, überschaubare Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen geschaffen werden, und zwar für beide Formen der Landwirtschaft, für die konventionelle wie für die ökologische. Direktvermarktung allein ist eben auch nicht der Stein der Weisen.

Der Wunsch und der Anspruch der Landwirte, meine Damen und Herren, ihrem Beruf ökologischer und artgerechter nachzugehen, ist offensichtlich zurzeit sehr groß. Sie haben sehr wohl erkannt, dass Betriebe mit zertifizierter Produktion, Herkunftsgarantie und vertraglichen Bindungen mit verarbeitenden Betrieben aus der Region von der gegenwärtigen Krise der Landwirtschaft nicht so hart betroffen sind wie normale Betriebe. Eine wachsende Anzahl umstellungswilliger Landwirte vermeldet beispielsweise die Erzeugergemeinschaft „Biokorntakt“, die seit 1994 in der Vermarktung ökologischer Rohstoffe tätig ist.

Eine Umstellung geht natürlich nicht von heute auf morgen. Kleine Schritte versprechen hier mehr Erfolg als kurzatmige, große Sprünge. Übergangsfristen und zeitweise erhebliche staatliche Beihilfen werden notwendig sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Diese Beihilfen müssen sich aber an realen Preisen orientieren. Auch das muss verändert werden, denn die gegenwärtige Förderungssumme für Betriebe, weil sie beispielsweise auf Ökolandbau umstellen wollen, in Höhe von 200 DM je Hektar ist nach Aussage von Betroffenen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, hören wir von umstellungswilligen Landwirten. Auch die Verbraucher fordern und akzeptieren diese neue Anforderung an landwirtschaftliche Produkte. So meldet beispielsweise die Organisation „Neuland“, ein Verein, der unter anderem vom BUND, dem Tierschutzverein und der Arbeitsgemeinschaft „Bäuerliche Landwirtschaft“ gegründet und getragen wird, entgegen dem allgemeinen Verkaufsverhalten seit Dezember letzten Jahres weiterhin steigende Verkaufsergebnisse bei Fleisch.

Ich komme damit zum Schluss und möchte nur noch sagen, dass wir der Meinung sind, dass eine Wende in der Landwirtschaft nicht nur über marktpolitische Interventionen, sondern auch über viele Veränderungen in rechtlichen und in institutionellen Bereichen vonstatten gehen muss, und dazu sind natürlich eine gesellschaftliche Diskussion und ein darauf aufbauender Konsens unbedingt notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Beckmann von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Dr. Beckmann.

(Unruhe bei Dr. Christian Beckmann, CDU, und Martin Brick, CDU – Lorenz Caffier, CDU: Er war zweimal dran!)

Nach der vorliegenden Reihenfolge der CDU wären Sie erst etwas später dran, aber wenn Sie es wollen, gern. Bitte sehr, Herr Brick, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also eins will ich mal festhalten, mit der fünften Jahreszeit – Herr Schlotmann ist, glaube ich, nicht im Saal – habe ich überhaupt nichts am Hut.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Ich werde an meinem Stil nichts ändern.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Das kennen wir.)

Bei Ihnen, Herr Schlotmann, habe ich die Ideen dem Thema entsprechend total vermisst und, Herr Backhaus, dass Ihnen nun gänzlich der Humor ausgegangen ist, das kann ich gut nachvollziehen.

(Heiterkeit und Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

So viel öffentliche Aufmerksamkeit nämlich wie jetzt haben die Landwirtschaft und die Agrarpolitik lange nicht mehr gehabt.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Horch, horch!)

Da sollte man sie für eine Wende in der Agrarpolitik in der Tat nutzen, jedoch nicht, um nunmehr einer gerade spürbaren Ökogeneigtheit hinterherhechelnd in die nächste agrarpolitische Falle zu stolpern, wenn man sich aus der vorherigen noch gar nicht richtig befreit hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

In diesem Zusammenhang lassen Sie mich sagen, ich habe nichts gegen ökologischen Landbau, aber 20 Prozent plus, das ist in diesem Zusammenhang für mich eine gesinnungsethische Schnapsidee.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Unterstützenswert ist in Feld und Stall jede Landwirtschaft, die auf den Schutz von Gesundheit, Boden, Pflanze, Tier und Umwelt abstellt und die dies mit wirtschaftlichem Erfolg zu bewältigen versteht. Eine solche Unterstützung kann auch in einem bloßen Nichtbehindern bestehen. Gebraucht wird eine Agrarpolitik, die auf längere Sicht weg vom staatlichen Tropf führt, weg von staatlichen Eingriffen in die Märkte und weg von staatlicher Bevormundung der Landwirte. Wollen mehr Verbraucher als bisher Ökoprodukte haben, werden sie diese bekommen, sowohl vom Handel wie von den Landwirten, wie auch von der Verarbeitungsindustrie, wenn sie bereit sind, den nötigen Preis dafür zu bezahlen.

Politiker haben sich die Entscheidung darüber nicht anzumaßen. Ökologie und Ökonomie sind keine Gegensätze. Der Kampf um zukunftssichere Existenz und gesichertes Einkommen landwirtschaftlicher Unternehmen ist weder mit einem Berliner Menü, bestehend aus

Bundesadler mit Ökogemüse, noch durch das Trinken von Hasse-Schröder Premiumpils, durch die Bauern zu gewinnen, sondern nur mit der Rückkehr zur sachlichen, aber nachdrücklichen Argumentation.

(Zurufe von Dr. Gerhard Bartels, PDS, – und Andreas Bluhm, PDS – Angelika Gramkow, PDS: Wenigstens „Lübzer“ hätte ich genommen.)

Die Bekämpfung von Seuchen und eine notwendige – ich betone, notwendige – andere Agrarpolitik haben nichts miteinander zu tun, sie bedingen sich auch nicht gegenseitig. Wir haben lange genug zugesehen, wie Sachunkundige dies miteinander vermischen.

Die Zukunft der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern wird eben längst nicht mehr in diesem Landtag oder von der Landesregierung bestimmt, sondern ist abhängig vom Einsatz, ich sagte es vorhin schon mal, des MSD in Brüssel und da kann man nicht laufend vollmundig hinreisen und mit leeren Händen zurückkommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schildt von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Schildt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir die Berichte der Arbeit des Landtages bis in die erste Legislatur zurückverfolgen, können wir feststellen, dass dieses Hohe Haus sich von der ersten Stunde an für politische Rahmenbedingungen eingesetzt hat, die die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen und Möglichkeiten für die Entwicklung ländlicher Räume schafft. Hauptziel war es dabei stets, unter europäischen Rahmenbedingungen die landwirtschaftlichen Strukturen unseres Landes gleichberechtigt im Bund und in Europa zu entwickeln. Wir haben uns angepasst an den Trend europäischer Landwirtschaftspolitik, die sich vorrangig auf das Ziel konzentriert hat, sich im sich liberalisierenden Weltmarkt zu behaupten. BSE hat den Finger in eine Wunde gelegt, die uns Antworten auf die Frage suchen lässt: Wohin muss sich eine Landwirtschaft entwickeln? Das ist nicht nur ein Ruf nach gesetzlichem Regelungsbedarf, das ist die laute Forderung nach Visionen, für eine zukünftige Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges in Europa, in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen Vorleistungen der Wissenschaft, Zusammenarbeit mit allen, die an der Kette bis zum marktfähigen Lebensmittel beteiligt sind. Wir brauchen den Ehrgeiz der Landwirte, gesunde Lebensmittel auf den Markt zu bringen.

Meine Damen und Herren, die Agrarpolitik der letzten 40 Jahre hat zu einer Einschränkung der natürlichen Funktion der ländlichen Räume geführt und ist hoch bürokratisiert. Verärgert haben wir an dieser Stelle festgestellt, dass allein 15 Prozent des europäischen Agrarhaushalts für Verwaltungszwecke benötigt werden. Landwirtschaftliche Produktion ist auf der geltenden Basis zwangsläufig auf Masse statt auf Qualität ausgerichtet, was zwangsläufig die gute landwirtschaftliche Praxis immer in den Grenzwertbereich auslastet und übersieht. Damit ist die Landwirtschaft nicht selten Verursacher von Umwelt- und Naturschutzproblemen.

(Beifall Dr. Henning Klostermann, SPD)

Das dürfen wir nicht schönreden. Fliegen Sie im Mai über unsere Felder und Sie sehen deutlich die kleinen und großen Schäden. Spätestens mit der BSE-Krise stellen die Verbraucher die Frage: Wie gesund sind unsere Lebensmittel? Wie oft wird am unteren Grenzwert produzierte Ware nach Interventionsbedingungen beispielsweise in der Müllerei eingesetzt. Kein Wunder, dass dann Backzusätze notwendig sind, um ein taugliches Brot zu backen. Das ist nur ein Beispiel.

Meine Damen und Herren, die Förderung der Landwirtschaft läuft in alten, mehr und mehr überholten Pfaden, auf denen Grundregeln der Marktwirtschaft massiv verletzt werden. Es kann künftig nur gefördert werden, was der Gesellschaft dient. Bis zum Jahr 2002 sind die Beschlüsse der Agenda 2000 festgeschrieben, dann kommen sie erstmalig auf den Prüfstand. Schon heute können wir feststellen, dass Umstrukturierungen zwingend notwendig sind. Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass das System künftiger Agrarförderung mehr als bisher darauf ausgerichtet sein muss, die Kulturlandschaft mit ihren typischen Lebensräumen zu erhalten. Bei diesen Entwicklungen darf es keinen Konflikt zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft geben. Wir brauchen beide und müssen die Bedingungen genau definieren.