Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Herr Friese, haben Sie noch Ihre Frage? Dann können Sie sie jetzt stellen.

Herr Gerloff, Sie haben sich so anerkennend über die Privatisierung bei der Bahn ausgesprochen. Nun wissen Sie ja sehr gut, dass man damit gutes Geld verdienen kann. Ich will jetzt aber mal auf die Arbeitnehmerseite sehen. Ist Ihnen bekannt, dass dann, wenn privatisiert worden ist, die Gehälter der Beschäftigten abgesenkt wurden bei der Privat-Bahn, und ist Ihnen bekannt, dass diese Unternehmen, die privaten Unernehmen sich das Geld dann teilweise erheblich über das Arbeitsamt geholt haben? Kann man angesichts dieser Tatsachen noch von einem Effekt der Privatisierung sprechen?

Also natürlich ist das eine Privatisierung, wenn sich neue Verkehrsunternehmen gründen und auf den Markt wollen und sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Punkt zwei: Diese Leute haben auf dem Arbeitskräftemarkt Mitarbeiter akquiriert. Sie haben in diesem Fall keine Mitarbeiter- oder Besitzstandswahrungsverpflichtungen übernommen von der DB AG. Sie haben also Leute neu eingestellt, und zwar zu den tariflichen Bedingungen, die in diesen Unternehmen gelten und die sicherlich, wie ich es von den anderen ÖPNV-Unternehmen kenne, auch mit der Gewerkschaft vereinbart worden sind. Zum anderen verdient man sich nicht dumm und dämlich bei den SPNV-Leistungen, sondern als Erstes ist festzustellen, dass das Land diese Leistungen zu 20 Prozent oder noch billiger einkaufen kann, als es das bisher getan hat bei der DB AG. Anders wiederum heißt das, das Land kann mit dem vorhandenen

Geld – und das sind ja Regionalisierungsmittel des Bundes – mehr Verkehrsleistungen einkaufen und dem Bürger anbieten als bisher und das ist genau das, was wir eigentlich mit der Bahnstrukturreform und dem Regionalisierungsgesetz wollten.

(Barbara Borchardt, PDS: Zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.)

Was heißt zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Überhaupt nicht. Heute ist es ja nicht so,

(Harry Glawe, CDU: Was ist denn das hier?! Er kann doch nicht einfach weglaufen. Herr Präsident, das ist ja unerhört!)

dass man nach der Jugendweihe oder Konfirmation in ein Unternehmen geht und dort bis zur Rente bleibt, sondern man wechselt sehr oft seinen Arbeitsplatz und da kann es durchaus auch passieren, dass man in einem Unternehmen nicht mehr die gleiche Entlohnung bekommt, wie man sie vorher mal in einem anderen hatte.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

Herr Friese, es ist üblich, dass man bis zum Schluss der Beantwortung seiner Frage stehen bleibt.

Schönen Dank, Herr Gerloff.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2064. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucks a c h e 3/2064 mit den Stimmen der SPD und PDS bei Stimmenthaltung der CDU angenommen.

Vereinbarungsgemäß rufe ich an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Off-Shore-Windkraft, Drucksache 3/2060.

Antrag der Fraktion der CDU: Off-Shore-Windkraft – Drucksache 3/2060 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Brauer von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Brauer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! 200 Windkraftanlagen, jede mit gigantischen Rotorblättern von 57 Metern Länge ausgestattet, eine Fläche insgesamt von circa 1 9 5 Quadratkilometern, also vergleichsweise rund ein Fünftel der Fläche der Insel Rügen. Die 5-MegawattWindräder selbst werden laut Plan im Abstand von 600 bis 900 Metern auf riesigen monofielen Stahlfundamenten installiert. Diese werden wiederum 20 Meter tief in den Meeresgrund gerammt. Gigantismus in einem sensiblen Naturraum mit Namen „Ostsee“.

Es sind atemberaubende Zahlen, die uns da von Herrn Carstensen, einem Geschäftsmann aus dem niedersächsischen Hannover, auf Rügen präsentiert werden. Die Firma WINKRA plant, dieses rund 3 Milliarden DM teure Projekt – 3 Milliarden DM teuer! – vor der Insel Rügen, präzise nördlich der so genannten Oderbank, in den nächsten Jahren zu verwirklichen und laut Schreiben des Umweltministers Methling vom 07.04.2001 an die Ge

meinde Insel Hiddensee ein zweites Projekt nördlich des Darßes. Verfahrensführende Landesplanungsbehörde dafür ist das Ministerium für Arbeit und Bau.

Da unser Land mit Investitionen dieser Kategorie sehr rar bestückt ist, begrüßen wir als CDU-Landtagsfraktion grundsätzlich, wenn sich Investoren für die Realisierung ihrer Visionen und damit für Mecklenburg-Vorpommern entscheiden. Nicht zuletzt die Schaffung von neuen qualifizierten Arbeitsplätzen in modernen Technologie- und Zukunftsbranchen sind ein häufiges und auch zu Recht vorgebrachtes Argument in diesem Zusammenhang und Arbeitsplätze hat das Land verdammt nötig. Im vorliegenden Fall stellt sich der Sachverhalt aber etwas schwieriger dar und die aufgestellte Rechnung „Investitionen gleich Arbeitsplätze“ ist nicht ausreichend, sondern muss entsprechend um einige Punkte erweitert werden. Dieses ist auch der Grund, warum sich meine Fraktion, die CDU, zur Vorlage des Antrages „Off-Shore-Windkraft“ entschlossen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, um es gleich vorwegzunehmen: Der CDU-Fraktion liegt in keiner Weise etwas daran, als Verhinderer moderner Technologien und Entwicklungen aufzutreten. Und die Entwicklung regenerativer Energieträger gehört ohne Zweifel zu dieser Kategorie. Punkt 1 unseres Antrages betont ausdrücklich die Befürwortung von Erforschung, Entwicklung und Nutzung regenerativer Energieträger im Land Mecklenburg-Vorpommern und dazu gehört letztendlich auch die Solarenergie.

Der zweite Teil des Punktes bedeutet dabei keine Relativierung, sondern eine Unterstreichung des Genannten. Es geht nämlich heute vielmehr darum, ein überstürztes Handeln zu vermeiden, das morgen zum Nachteil aller Beteiligten werden könnte und damit letztendlich auch wirtschaftlichen Schaden für das Land bedeuten würde. Die unter Punkt 1 genannten Konflikte mit Naturschutz und Landschaftsschutzbild stellen einen solchen Aspekt dar. Eine Anlage mit so gigantischen Ausmaßen hat nun einmal dramatische Konsequenzen für das Landschaftsbild und damit direkte Auswirkungen auf die touristische Qualität für die vorpommersche Ostseeküste mit den Inseln Rügen, Usedom, Darß und auch Hiddensee. Vor diesem Hintergrund, bildlich gesehen, wird die Landesregierung aufgefordert, den Landtag zunächst über den aktuellen Stand der Bauplanungen von Off-Shore-Windkraftanlagen vor der Küste des Landes zu unterrichten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Land hält sich mit seiner Bewertung bislang weitgehend zurück. Grund ist in diesem Falle, so vermuten wir, die Lage des geplanten Baugebietes, denn dieses soll sich außerhalb der 12-Seemeilen-Zone und damit nicht mehr im Hoheitsgebiet des Landes befinden,

(Peter Ritter, PDS: Sehr richtig.)

sondern in der so genannten AWZ, also in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, und wäre damit Sache des Bundes, aber da dürfen wir es nicht unbeschadet liegen lassen.

Die Berührungspunkte mit Landesinteressen sind natürlich trotzdem gegeben und von vielfältiger Art. Zum einen sind es die bereits genannten Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Zum anderen sind es die in diesem Zusammenhang noch völlig unzureichend geklärten Auswirkungen auf den Naturschutz, die Wahrung touristischer

Interessen, den Schutz von Fischereigründen und – leider aktueller denn je – die offenen Fragen der Schiffssicherheit. Speziell zu erwähnen sind unter anderem mangelnde Kenntnisse über das Vogelzugverhalten, die Auswirkungen der Schallemissionen auf marine Säuger sowie die Auswirkungen der Unterseekabel mit ihren elektrischen Feldern auf das Laichverhalten der Fische. Probleme, die Herrn von Nordheim, INA-Vilm – Ihnen sicher bekannt, Herr Dr. Klostermann –, Sorge bereiten. Ein Fachsymposium wurde gegründet, mehr bisher aber auch nicht. Aus diesem Grund ist es aus unserer Sicht notwendig und laut Landesplanungsgesetz ja auch zwingend erforderlich, die Folgen für die lokale Umwelt im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu erforschen.

Im Punkt 2 unseres Antrages fordern wir die Landesregierung auf, den Landtag zu unterrichten. Angesichts der Sommerpause, die ja vor uns steht, denken wir, ist das IV. Quartal 2001 realistisch.

Werte Abgeordnete! Das Land befindet sich im Konflikt, einerseits rechtlich nicht zuständig zu sein, andererseits aber als direkt Betroffener Handlungsbedarf zu haben. Es befindet sich zudem vor der Aufgabe, die Interessen von Ökonomie und Ökologie sinnvoll abzuwägen. Diesem Konflikt darf die Landesregierung nicht ausweichen, sondern muss sich stattdessen aktiv in den Entscheidungsprozess auf Bundesebene einbringen, konkret im Sinne des gestern in die Ausschüsse überwiesenen Landesnaturschutzgesetzes, und hier meine ich – Stichwort Verbandsklage –, darüber muss man nachdenken.

(Peter Ritter, PDS: Das war ein richtiges Plädoyer für die Verbandsklage, Herr Brauer, das muss man jetzt so sagen. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Henning Klostermann, SPD: Eigentor!)

Insbesondere die Frage nach geeigneten Standorten für Messplattform- und Testfeldkonzepte sollte unter Einbeziehung von Landesinteressen beantwortet werden. Dem grundsätzlichen Gedanken, die Auswirkungen solcher Projekte erst in kleinen Testfeldern zu erforschen, steht meine Fraktion dabei mehr als positiv gegenüber. Zu diesem Zweck sollten, so, wie in Punkt 4 unseres Antrages beschrieben, zunächst die aus Sicht der Landesregierung möglichen Eignungsräume für Testkonzepte in Seekarten erfasst und auch dem Landtag und damit dem Parlament vorgestellt werden. Ich hoffe und wünsche, die Kadet-Rinne wird als Eignungsraum ausgeschlossen. Eine Begründung dafür muss ich wohl nicht anfügen. Ich war mit Greenpeace am 09.05. vor Ort auf der „Godenwind“ und im Speedboot.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Wir können ja auch Unterwasserproben nehmen.)

Sie sollten die Gelegenheit auch mal wahrnehmen, um sich zu informieren, was sich dort draußen vor unserer Haustür abspielt.

(Peter Ritter, PDS: Ich dachte, Sie bringen gestern Zementsäcke mit ins Parlament.)

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Nachzudenken über Ihre Rede braucht man wohl nicht.)

Sie sollen nicht denken, Sie sollen aufmerksam zuhören.

(Unruhe bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einiges Grundsätzliches anmerken zum von der rot-grünen Bundesregierung durchgepeitschten Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG. Die Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und Atomausstieg auf der einen Seite und dem Umwelt- und Landschaftsschutz auf der anderen Seite sind doch ein von der gegenwärtigen Bundesregierung hausgemachtes Problem. Denn anstatt erneuerbare Energien in Deutschland marktgerecht und effizient zu fördern, beschränkt sich die Bundesregierung lediglich auf den Atomausstieg um jeden Preis. Der Naturund Landschaftsschutz wird damit dem goldenen Kalb Atomausstieg geopfert. Dem gegenüber weiß doch jeder, welche Probleme in Sachen Subventionen von Windkraftanlagen damit im Zusammenhang stehen. Mit Dauersubventionen, Mehrfachförderungen und Mitnahmeeffekten werden die Gesetze des Marktes ausgehebelt. Es ist mir völlig unverständlich, warum die Bundesregierung bei den für den Ausbau der wichtigsten erneuerbaren Energien, Windkraft und Biomasse, mit erhöhten und neuerdings sogar fixen, von der Strompreisentwicklung abgekoppelten Vergütungen auf Anreize zur Effizienzsteigerung verzichtet. Kurz gesagt: Gäbe es keine Subventionen für Bau- und Stromeinspeisung, gäbe es auch keine OffShore-Anlagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass bei allem berechtigten Enthusiasmus für innovative Investitionen im Land eine Betrachtung des Ganzen nicht vergessen werden darf. Wenn die Atomkraftgegner darauf verweisen, dass die Kilowattstunde Atomstrom auf die Kosten für atomare Zwischenlagerung und Transport von Brennstäben draufgeschlagen werden muss,

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Und Endlager.)

sind die Entsorgungskosten von 200 Quadratkilometer großen, seeseitig stationierten Windkraftanlagen generell bei Standortentscheidungen auch mit zu kalkulieren. Eine Off-Shore-Anlage unterliegt physischem und moralischem Verschleiß. Die korrodierende Kraft von Seewasser ist uns allgemein bekannt. Warum hier also Unterschiede machen? Sonst besteht aus meiner Sicht die Gefahr, im Endeffekt mehr Schaden als Nutzen für das Land, die Menschen und damit auch für die Natur in MecklenburgVorpommern zu erreichen. Dadurch müssen die Energieunternehmen, um konkurrenzfähig zu bleiben, Billigstrom aus schrottreifen osteuropäischen Atomkraftwerken mitbeziehen

(Peter Ritter, PDS: Es gibt keinen guten und bösen Atomstrom. – Zuruf von Erhard Bräunig, SPD)

und das sollte man ganz einfach bedenken. Deshalb fordert meine Fraktion die Landesregierung auf, sich aktiv in den laufenden Entscheidungsprozess einzubringen. Noch ist es nicht zu spät, aber bereits wieder fünf vor zwölf. – Schönen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat das Wort der Minister Holter. Bitte sehr, Herr Holter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Brauer, das war ein Plädoyer für die Verbandsklage, also, herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ja.)