Protokoll der Sitzung vom 21.05.2003

ansätze auch in ihrem Hause existieren und man sich Gedanken macht. Um diese Lösungsansätze geht es und darum, dass man sie verfolgt. Sie haben einige genannt und die sollte man auch aufgreifen. Ich will hier drei, vier Lösungsansätze als gewisse Hilfestellung in den Raum stellen. Auf dieser Grundlage sollten wir dann weitermachen: Existenzgründerkredite, kommunale Angebote für niedergelassene Ärzte gerade im ländlichen Raum sollte man diskutieren und auch das Thema weiche Standortfaktoren sollte man nicht verachten. Wichtig ist ebenfalls, wenn wir die Zukunft betrachten, dass einfach festzustellen ist – und das ist nicht wegzudiskutieren –, dass immer weniger junge Leute Medizin studieren. Und wenn sie sich schon mal entscheiden und Medizin studieren, dann passiert nach dem Abschluss des Studiums Folgendes – das werden sicherlich die meisten hier auch wissen: Diese Studenten gehen lieber in die Pharmaindustrie oder in die Forschung oder landen als Berater bei den Krankenkassen. Und da kann in diesem System etwas nicht funktionieren. Deswegen müssen wir uns hiermit befassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und deswegen möchte ich alle hier an dieser Stelle noch mal dazu auffordern – und federführend ist natürlich das Ministerium gefordert –,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

so, wie Sie es auch in Ihrem Statement hier in „Die Straße“ angesprochen haben: Für die Rahmenbedingungen ist immer noch die Politik zuständig und deswegen sage ich Ihnen, ergreifen Sie die Initiative mit allen Beteiligten, so, wie Sie es richtig gesagt haben, insbesondere natürlich mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer, auch mit den Kommunen, und erstellen Sie ein zukunftsfähiges Programm! Ich bitte für die CDU-Fraktion um Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt noch einmal die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann können wir auch noch mal.)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, es freut einen natürlich, wenn die Reden so gründlich gelesen werden. Und ich sage, dass ich zu allem stehe, was in dieser Rede geschrieben steht, und es entspricht auch vollkommen dem, was in meinem Redebeitrag vorhin zu hören war.

Es gibt einen Punkt, auf den Sie leider nicht eingegangen sind, und den habe ich auch sehr deutlich benannt. Ich habe Ihnen nämlich gesagt, dass ich mit diesem Diktum Ihres Antrages nicht konform gehen kann, und zwar einfach deshalb, weil ich nur das als Aufgabe mir zuziehen kann, wofür ich auch verantwortlich bin. Und wenn Sie von der Landesregierung fordern, ein umfassendes Programm zur zukünftigen flächendeckenden medizinischen Versorgung und einen detaillierten Zeitplan zu dessen Umsetzung vorzulegen, dann sage ich Ihnen ganz einfach: Hier ist die Kassenärztliche Vereinigung als Selbstverwaltungsorgan gefordert, das kann nicht Aufgabe der Landesregierung sein, weil sie es auch nicht beeinflussen kann.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wesentliche zu dem Antrag ist von der Ministerin gesagt worden. Das entspricht eigentlich auch meinem Petitum, aber ein paar Gedanken vielleicht noch, eher Gedankensplitter.

Wir nehmen die Thematik, die Sie mit Ihrem Antrag aufgeworfen haben, sehr ernst. Das ist keine Frage. Nur wie Sie mit dieser Thematik umgehen, das ist insofern immer erstaunlich. Ich habe überlegt, ob da ein System dahintersteckt, und ich bin zu der Erkenntnis gekommen, das System – ich mache das mal deutlich an dem Redebeitrag von Herr Glawe vorhin – besteht darin, dass zuweilen ein Problem, von dem noch niemand etwas ahnte, erst einmal kräftig dargestellt wird, sozusagen auf die Pauke gehauen wird und alle Leute dann erschrecken.

(Torsten Renz, CDU: Denken Sie an das Zitat der Sozialministerin! Die hat das auch schon erkannt!)

Und dann, wenn der Popanz aufgeblasen ist, kommt die CDU als Retterin daher

(Harry Glawe, CDU: Genau! – Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS: Ja, so sind sie eben!)

und bietet sich als Klärerin an.

Ein Beispiel, das Sie vorhin selbst geliefert haben, ist der 80-jährige vergreiste Arzt, der womöglich jetzt noch praktizieren würde und so weiter.

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil er seine Patienten nicht verlassen will. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ärzte dürfen bis zum 68. Lebensjahr praktizieren, das wissen Sie ganz genau.

Wir sollten uns an etwas halten, was eigentlich schon mal Praxis war. Zumindest wenn wir hier nicht in diesem Saal stehen, sondern wenn wir im Sozialausschuss sind, an der Sache diskutieren, möchte ich Sie daran erinnern, dass wir vor reichlich 14 Tagen in Anklam waren. Und auch dort ist uns deutlich gemacht worden, es gibt wohl weniger ein Problem der Unterversorgung, es gibt aber bezogen auf die Regionen, sage ich mal, Verwerfungen oder eine ungleiche Verteilung der Niederlassungen. Herr Dr. Nieszery hat darauf hingewiesen. Ganz konkret am Beispiel der Radiologen ist uns das sehr deutlich gemacht geworden: Drei Radiologen sind in Greifswald ansässig, der nächste Radiologe ist erst in Pasewalk. Und wenn dann eine Person aus Anklam oder Ueckermünde zum Radiologen muss und gegebenenfalls ein Abführmittel einnehmen muss, um die Untersuchung über sich ergehen zu lassen, ist das mit diesen Wegen und bei den Verbindungen des Öffentlichen Personennahverkehrs womöglich eine Unzumutbarkeit.

Genau dieses Problems haben wir uns dann aber konkret angenommen. Sie selbst hätten eigentlich auf den Gedanken verfallen müssen, schon dort nach dem Sozialministerium zu rufen und zu fordern, das Sozialministerium möge hier die Klärung herbeiführen. Aber nein, in der Beziehung waren wir an der Sache orientiert und haben

uns darauf verständigt, dass wir die Kassenärztliche Vereinigung ansprechen. Sie ist unser Adressat. Die Gespräche mit Herrn Dr. Eggert haben bislang ergeben, dass die Kassenärztliche Vereinigung sich durchaus in der Pflicht sieht. Nur, sie muss auch an diese Pflicht immer wieder erinnert werden, denn die Punkte, die Frau Ministerin Dr. Bunge in der letzten Legislaturperiode im Juni vor dem Ärztetag in Rostock offeriert hat, sind damals in hohem Maße in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung überhaupt zustande gekommen und sind insofern ja eher eine Selbstverpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie muss sie im Grunde genommen nur ernst nehmen.

Was uns an Ihrem Antrag gefällt, ist eigentlich die Frage, dass Sie die Honorarangleichung bejahen. Aber auch hier steht die Kassenärztliche Vereinigung wieder in der Pflicht, denn die Krux für die Honorare bei der Kassenärztlichen Vereinigung sind die Verteilungskämpfe zwischen den Regelkreisen West und Ost, also faktisch, dass die Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern den Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das richtig verstehe, in den neuen Bundesländern derartig hohe Honorare – sprich 100 Prozent – so nicht zubilligen. Also das sind ganz klare Verteilungskämpfe, die auf der Ebene geklärt werden müssen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und dafür sollten wir uns dann auch mit Ross und Reiter benennend einsetzen.

Was ich sehr bedauere, ist die Ablehnung von der CDU in Bezug auf die Polikliniken. Nun, man kann der DDR so manches und völlig berechtigt kritisch ins Stammbuch schreiben und muss mit fehlender Demokratie und mit ökonomischen Bedingungen auch hart ins Gericht gehen, aber der Poliklinik etwas Schlechtes am Zeug flicken, das sehen viele Menschen in unserem Land anders. Die Poliklinik hat durchaus viele Vorzüge: kurze Wege für die Patientinnen und Patienten, enge Verbindung der Fachärzteschaft untereinander, niedrige Kosten, Entlastungen in Fragen der Verwaltungs- und Abrechnungsaufgaben und vieles andere mehr. Ich will einfach nur dafür werben, sich solchen Argumenten nicht zu verschließen.

(Harry Glawe, CDU: Wir wollen die Freiheit, wir wollen keine angestellten Ärzte, Herr Koplin!)

Insofern hoffe ich, dass noch nicht Hopfen und Malz verloren ist.

Wir nehmen, wie gesagt, Ihren Antrag ernst. Wir werden ihn ablehnen, weil er ordnungspolitisch die Rahmenbedingungen missachtet. Er stößt insofern ins Leere und ist leider kein Beitrag für eine konstruktive Problemlösung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Herr Koplin, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Timm?

Wenn ich sie beantworten kann, will ich das gern machen.

Ich darf, ja?

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Ich habe das nicht verstanden.

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Danke schön.

Herr Abgeordneter, bei allen guten Worten, die Sie für die Polikliniken reden, das will ich auch nicht in Abrede stellen. Ich habe eine Frau, die ist Ärztin. Ist Ihnen bekannt, dass, wenn Sie Polikliniken in dem Stil, wie wir sie mal hatten – und ich will sie nicht bewerten –, wieder aufbauen würden, damit mehr als 50 Prozent der Ärzteschaft in den finanziellen Ruin gehen, weil sie nicht in der Lage sind, neue Belastungen zu ertragen, weil sie alte noch nicht abgetragen haben?

(Ministerin Sigrid Keler: Anders organisieren!)

Ja, das möchte ich gern beantworten.

Ihrer Fragestellung entnehme ich, dass Sie unterstellen, es würde sich um einen abrupten Prozess handeln, sozusagen wie eine Zäsur: heute Niederlassung und schon morgen die Poliklinik. Das würde ja dazu führen, dass …

Das haben Sie falsch verstanden. Das müssen Sie jetzt nicht vertiefen.

Herr Abgeordneter!

Es tut mir Leid, wenn ich Sie falsch verstanden habe. Ich wähnte herauszuhören, dass es natürlich eine Frage ist: Aufgenommene Kredite, Leistungen und Verbindlichkeiten, die sich aus dem freien Beruf ergeben, kann man nicht eins zu eins umlegen in eine Praxisgemeinschaft. Das ist doch klar. Und darüber reden wir doch auch in einer Gesundheitsreform. Wir müssen mit aller Sorgfalt und aller Sensibilität die Reformen so gestalten, dass sie verträglich sind, dass sie positiv wirken. So ist Reform laut Willy Brandt ja auch zu verstehen. Das ist das Entscheidende. Es geht nicht darum, Existenzen zu vernichten, sondern Existenzen zukunftsfähig zu machen. Und ich denke, die Zukunftsfähigkeit liegt eher in der Gemeinschaft, eher in der Vernetzung.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Die bislang eingegangenen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten müssen natürlich berücksichtigt werden. Niemand in der Politik hat das Recht dazu, solche Reformen anzubieten, die faktisch dann in den Ruin führen. So ist das aber auch nicht zu verstehen.

Danke schön.