Meine Damen und Herren, wir alle wissen, die EU-Osterweiterung ist ein enormer Kraftakt. Je besser unser Land vorbereitet ist, umso größer die Chancen und umso geringer die Risiken. Gemeinsam mit allen wichtigen Kräften unseres Landes ist die Vorarbeit in vollem Gange. Europa macht einen historischen Schritt. Wir wollen ihn nutzen! – Herzlichen Dank.
Zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Thema können wir unsere polnische Delegation auch wieder begrüßen. Ich freue mich, dass es so geklappt hat.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat nunmehr einen weiteren, einen zweiten Bericht zur Erweiterung der Europäischen Union vorgelegt, der sich in seinem ersten Teil mit dem Stand der Beitrittsverhandlungen beziehungsweise der Beitritte auseinander setzt und im zweiten Teil sich mit der Bedeutung dieser Erweiterung für unser Bundesland und den Positionen in diesem Lande und auch den Ergebnissen der einzelnen Maßnahmen beschäftigt.
Der Stand der Erweiterung ist uns allen hinlänglich bekannt. Am 16. April dieses Jahres ist in Athen der Erweiterungsvertrag unterzeichnet worden. Damit werden 75 Millionen Menschen in zehn neuen Ländern mit zehn neuen Sprachen in die Europäische Union aufgenommen. In allen Beitrittsländern, bis auf Estland und Lettland, wurden bereits Volksabstimmungen zum EU-Beitritt durchgeführt, die alle pro EU ausgegangen sind. Das ist besonders erfreulich und zeigt auch den Ehrgeiz, den die Länder und Völker hier in die Sache legen.
Seit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages haben die neuen Mitglieder das Recht, als Beobachter an EURatssitzungen teilzunehmen und vor allen Ratsgremien und den bisherigen Mitgliedern das Wort zu ergreifen. Am 1. Mai 2004, also im nächsten Jahr, wird der Beitritt dann vollzogen.
Diese Erweiterung bietet neben hoher Verantwortung aber auch riesige Chancen. Diese finden nach meinem Geschmack keine allzu große Erwähnung in dem Bericht der Landeregierung. Das ist schade, denn es kommen immerhin zehn neue Partner hinzu und dieses muss man entsprechend beachten und entsprechend würdigen. Wir vergrößern den Friedensraum Europa und damit den Frie
Vor dem Hintergrund der Ereignisse des 11. September und des Irakkrieges ist wieder sehr deutlich geworden, dass die Europäische Union zuallererst ein Friedensprojekt ist. Bereits bei dem Vertrag über die Montan-Union ist in allererster Linie daran gedacht worden, die Verbannung, die Kriegsgefahr in den unterzeichnenden Ländern zu verbannen.
Eine große Chance ist auch, dass unsere Wirtschaft sich nunmehr in einem einzigen und in einem einzigartig großen Binnenmarkt bewegt. Wir bekommen gleiche Mindeststandards von Riga bis Rom. Die wirtschaftlichen Vorteile lassen sich hier an einigen Schlagwörtern festmachen: mehr Wachstum, ein größerer Binnenmarkt, verstärkter Handel, wachsende Investitionen. Die Europäische Kommission erwartet für das kommende Jahr in den zehn Beitrittsländern ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent. Für die EU werden im Vergleich dazu nur 1,5 Prozent erwartet. Auch hier sieht man, dass ein großer Sprung nach vorne in der Wirtschaftskraft zu erwarten sein wird, vor allem in den Beitrittsländern.
Die Erweiterung bringt jedoch zusätzliche volkswirtschaftliche Wachstumseffekte. Mehr Wachstum bedeutet mehr Arbeitsplätze und damit mehr Wohlstand, mehr soziale Sicherheit und damit auch deutlich mehr handfeste Vorteile für den Einzelnen, für die Bevölkerung, die dahinter steht.
Die Bevölkerung in der Union wird mit der Aufnahme der zehn Beitrittskandidaten auf 450 Millionen Menschen anwachsen. Damit entsteht in Europa der größte Binnenmarkt der Welt – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, der größte Binnenmarkt der Welt mit mehr Einwohnern als in den USA, Kanada und Japan zusammen. Etwa 441 Millionen sind es auf dieser Seite und auf der europäischen Seite 450 Millionen. Ein gemeinsamer Binnenmarkt heißt freier Waren- und Personenverkehr und damit auch mehr Handel und auch mehr Tourismus.
Das Papier, das uns vorgelegt worden ist, lässt leider den Tourismus, beispielsweise aber auch die Wissenschaft doch eher am Rande stehen oder erwähnt ist sogar gar nichts. So ist für die Tourismusbranche und damit für das ganze Land es doch ein faszinierender Gedanke, auf den mich der Kollege Friese gebracht hat, dass es eine schiffbare Verbindung gibt zwischen Breslau und Bad Kleinen, die neue europäische Achse Breslau und Bad Kleinen.
Sofern man den Wallensteingraben zwischen Bad Kleinen und der Hansestadt Wismar dann entsprechend ausbauen würde, muss man sich einfach vorstellen, dass man mit einem Schiff, einem Segelschiff oder einem Motorboot, tatsächlich von Breslau bis in die Ostsee hineinfahren könnte und umgekehrt.
Was sich darin für den Wasserwirtschaftstourismus, der ja auch eine Innovation ist, wie wir heute Morgen gehört haben, verbirgt, das wird einem dann deutlich, wenn man an den Wassertourismus denkt im Brandenburgischen und auch auf der Müritz.
Wir in Mecklenburg-Vorpommern sind im Wesentlichen durch unsere unmittelbare Nachbarschaft zu Polen mit diesem Beitrittsland in ganz besonderer Weise verbunden. Mich hat es daher außerordentlich gefreut, dass in Polen das Referendum positiv ausgegangen ist.
In keinem anderen künftigen Mitgliedsland, in keinem anderen künftigen Mitgliedsstaat wurde die Debatte um den EU-Beitritt so kontrovers geführt und für uns auch so dicht und so nah kontrovers geführt wie in Polen. In keinem anderen Land ist die Front der Gegner so verhärtet und in keinem anderen Land bestand nach meiner vorsichtigen Einschätzung so sehr das Risiko, dass eine schwierige innenpolitische Lage den Blick für die eigentliche Bedeutung der Entscheidung hätte trügen können. Jedoch hat die Mehrheit der Polinnen und Polen erkannt, dass es bei dem Referendum nicht darum ging, die heutige Lage in Polen zu bewerten. Die Entscheidung ist vielmehr vor allem für die Zukunft Polens im 21. Jahrhundert und darüber hinaus von ganz besonderer Bedeutung.
Die politische Lage in Polen ist schwierig. Diese Schwierigkeiten haben aber nichts mit dem EU-Beitritt zu tun. Die Mitgliedschaft in der EU schafft vielmehr einen stabilen politischen und wirtschaftlichen Rahmen für die Entwicklung Polens als lebendige Demokratie und funktionierende Marktwirtschaft. Der politische Einfluss Polens wird größer und Polens wirtschaftliche Aussichten verbessern sich zunehmend.
Die Landesregierung hat in dem vorgelegten Papier auf etwa 15 von insgesamt 20 Seiten das nachbarschaftliche Verhältnis zu Polen beleuchtet. Zu Recht, wie ich meine, denn als direkte Nachbarn ist uns an einer guten und für beide Seiten wirtschaftlich erfolgreichen Zusammenarbeit besonders gelegen.
Gleichwohl fehlen die Erwähnung und Bewertung des ungeheueren Potentials des ganzen Europa. In einem Zeitalter, in dem so genannte Pfennigartikel in China produziert, auf dem Seewege nach Europa verschifft und hier für einige wenige Cent verkauft werden, in dem man eben schneller von Wismar nach Breslau kommt als auf dem eben erwähnten Wasserwege, in dem man zum Handy greift, E-Mails versendet und Telefonkonferenzen führen kann, spielt die räumliche Entfernung nicht die allergrößte Rolle. Deswegen dürfen wir nicht vergessen, dass der EU-Beitritt auch mit vielen anderen Staaten – der Ostseeraum ist angesprochen worden – eine große Rolle für uns spielt und eine große Herausforderung ist. Die Chancen, die Europa uns bietet, sind gesamteuropäische Chancen. Und nur so dürfen wir die EU-Erweiterung betrachten und nur so dürfen wir diese Chancen zukünftig begreifen.
Allerdings darf man sich keine Illusionen darüber machen, dass die Erweiterung der EU auch bedeutet, dass Europäer in den nächsten Jahrzehnten mit größeren materiellen Unterschieden und Ungleichheiten zurechtkommen werden und diese legalisieren sollen. Selbstverständlich gab es immer Unterschiede im Lebensstandard zwischen Ost- und Westeuropa und während des Kalten Krieges vertiefte sich diese Kluft beträchtlich. Mit der EU
Erweiterung werden diese Unterschiede nicht mehr zu verbergen sein. Aber schauen wir uns einmal Griechenland an oder Spanien oder Portugal, nicht zuletzt Irland. Diese Länder haben ebenfalls eine schwierige Geschichte, hatten ebenfalls unter Diktaturen zu leiden und auch dort gab es arme Menschen. An der Gleichberechtigung dieser Länder in der Europäischen Union wird jedenfalls heute niemand mehr zweifeln.
Die Union ist den Werten verpflichtet. Sie ist insbesondere auch der Solidarität verpflichtet. Die genannten Länder sind wohlhabender geworden und sie haben ihre Stimme in der Union. Daher werden wir die Zeit zur wirtschaftlichen Angleichung zwischen Ost- und Westeuropa nicht in Jahren, sondern wohl eher in Generationen zu leisten haben. Mit diesen Dingen muss man umgehen, denn zur Realität in der europäischen Gemeinschaft zählt, dass wir als Völker voneinander verschieden sind. Wir sind Deutsche, Franzosen, Spanier, Polen oder Italiener in einer europäischen Familie. Es ist gerade diese Verschiedenheit, die uns stark macht und die vertraglich durch die EU-Verträge geschützt ist. Denn schon John Monet, einer der Gründerväter der Europäischen Einigung, sagte: Wir vereinigen keine Staaten, sondern Menschen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das ist das Los des fast letzten Redners. Was soll man noch sagen? Vieles von dem, was meine Vorredner schon gesagt haben, steht in meinem Redemanuskript. Darum gestatten Sie mir nur einige wenige Anmerkungen zu dem uns vorliegenden Bericht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, was die Zeitplanung betrifft, sind wir optimal hier bei uns. Denn in der letzten Woche haben noch in Griechenland die Staats- und Regierungschefs über die weitere Entwicklung der Europäischen Union und deren Verfassung beraten und heute behandeln wir hier einen Bericht unserer Landesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union. Das zeigt zum einen, wie aktuell wir sind, das zeigt aber zum anderen, dass das Thema EU-Erweiterung immer aktueller wird. Das kommt in dem uns vorliegenden Bericht der Landesregierung, denke ich, zum Ausdruck. Insofern, glaube ich, ist der uns vorliegende Bericht ein guter und ein aktueller Bericht.
Aber ich glaube, dass man diesen Bericht im Zusammenhang mit dem jetzt dem Europaausschuss übergebenen Jahresbericht der Landesregierung zur Zusammenarbeit im Ostseeraum für den Zeitraum 2002/2003 sehen muss. Denn in diesem Bericht ist noch einmal auf die Zusammenarbeit im Ostseeraum hingewiesen worden, auf Fördermöglichkeiten und auf die bereits bestehende gute Zusammenarbeit und die Aktivitäten unserer Landesregierung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Tat ist es so, dass in knapp zehn Monaten die EU um 75 Millio
nen Einwohner reicher ist, dass die Ostsee sozusagen ein Binnenmeer wird und unser Land Mecklenburg-Vorpommern – darauf hat der Ministerpräsident schon hingewiesen – rückt ins Zentrum der EU. Und mit diesem Beitritt der zehn Länder wird ein weiterer, wie ich meine, entscheidender Schritt zur Integration Deutschlands vollzogen.
Im Bericht wird auf die Chancen unseres Landes im Zusammenhang mit der Erweiterung hingewiesen. Meine Vorredner sind hier schon darauf eingegangen und ich glaube, dass wir riesige Chancen haben bei der weiteren Entwicklung unseres Landes. Sicher gibt es aber Risiken. Dennoch glaube ich, dass die Chancen überwiegen und wir diese Chancen nutzen müssen.
Im Bericht heißt es dazu: „Die zum Zeitpunkt des Beitritts tatsächlich eintretenden Veränderungen kommen darüber hinaus nicht überraschend. Sie sind absehbar und daher besteht die Möglichkeit, sich auf diese Veränderungen einzustellen.“ Zitatende. Dieses Zitat betrifft den Beitritt Polens. Und, darauf haben meine Vorredner hingewiesen, Polen berührt uns natürlich ganz besonders als unmittelbarer Nachbar. Dennoch glaube ich, dass das Zitat mit Vorsicht zu genießen ist, denn wie im wahren Leben steckt hier der Teufel im Detail. Und darauf haben meine Vorredner hingewiesen, auf bestimmte Übergangsregelungen, zum Beispiel Arbeitnehmerfreizügigkeit oder Grundstückskäufe und vieles mehr. Da wird es Übergangsregelungen geben und da steckt dann häufig die Schwierigkeit in der Umsetzung dieser Dinge.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Beispiele zeigen eben – und darauf will ich noch einmal hinweisen –, dass diejenigen, die die Verhandlungen geführt haben in den letzten Jahren, sich doch sehr intensiv mit vielen Dingen auseinander setzen mussten. Und ich glaube, dass es nicht immer ganz leicht war, diese Verhandlungen zu führen, zumal es vorwiegend um kleinere Staaten geht, die natürlich eine Menge Befindlichkeiten haben, und man immer wieder neue Kompromisse suchen muss.
Ich glaube, das ist eine bemerkenswerte Leistung dieser Verhandlungen in den letzten Jahren und es zeigt aber, dass die Erweiterung der EU kein Selbstläufer ist, sondern sie ist eine historische Aufgabe und wird die unselige Spaltung unseres Kontinentes überwinden helfen. Das heißt aber, dass die Landesregierung nicht nachlassen darf in ihrer Aktivität, denn ich bin durchaus davon überzeugt, dass es noch Reserven gibt und die Zeit läuft. Zum Beispiel denke ich, dass man darüber nachdenken sollte, dass in den einzelnen Ministerien Mitarbeiter EUtauglich gemacht werden, beziehungsweise man versuchen muss, weitere Mitarbeiter und Beamte in den EUDienst zu bekommen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Musik spielt in Zukunft immer mehr in Brüssel und wir brauchen Mitarbeiter, die diese Melodien dann erkennen. Gerade wenn es um das Ziel-1-Gebiet – darüber haben wir schon häufig gesprochen –, wenn es darum geht, dass wir für unser Land das Ziel-1-Gebiet erhalten, müssen wir sehen, dass wir alle Kräfte bündeln, um dann hier erfolgreich zu sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube aber, dass wir als Parlamentarier uns noch intensiver mit diesem Thema auseinander setzen müssen. Zwar haben wir im Rechts- und Europaausschuss mit dem Ministerpräsidenten sowie mit den Europaabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern beraten und wir haben einen An
trittbesuch in Stettin beim dortigen Sejmik durchgeführt, bei dem erste Arbeitsgespräche geführt wurden, die meiner Meinung nach unbedingt fortgeführt werden sollten.
Herzlichen Dank, Herr Born. Herr Born war dabei. Er wird mit seinem Beifall bestätigen können, dass wir das fortführen sollten. Insofern bedauere ich schon, dass die Zeitplanung des heutigen Besuchs der polnischen Delegation uns kaum Möglichkeiten für den Rechts- und Europaausschuss ließ, um diese Arbeitsgespräche weiter fortzuführen.
Bei unserem Besuch in Stettin hat sich der von mir bereits erwähnte Ausspruch, dass der Teufel im Detail steckt, gezeigt, wie gerade bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit von Unternehmen aus Deutschland und Polen oder aber beim Sprachunterricht – darauf haben meine Vorredner schon hingewiesen –, besonders in unseren Schulen.