Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig, sehr gut. – Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Letztendlich wird entscheidend sein, dass die Landesregierung und wie sie ihren daraus resultierenden Auftrag in zielgerichtetes Handeln umsetzt. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Rudolf Borchert, SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut.)

Danke schön, Herr Vierkant.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS auf der Drucksache 4/1205 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichnen. – Danke schön. Die Gegenprobe. –

(Heiterkeit bei Beate Mahr, SPD: Herr Riemann, wollen Sie nicht zustimmen?!)

Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1205 angenommen.

Wer jetzt dem Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1172 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1172 mit den soeben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Zuzahlungserleichterungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in Heimen, auf der Drucksache 4/1185. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 4/1203 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Zuzahlungserleichterungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in Heimen – Drucksache 4/1185 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/1203 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das ist ein wichtiges Thema, über das wir jetzt zu befinden haben. Es geht nämlich um Menschen mit Behinderungen und um pflegebedürftige alte Menschen in Heimen und deren Verpflichtung zur Zuzahlung für Arzneien, Arztbesuche et cetera, et cetera.

Das GKV-Modernisierungsgesetz ist in Kraft, darüber ist landauf, landab in erheblichem Umfang diskutiert worden, eine Konsensgeschichte zwischen SPD auf der einen Seite und CDU auf der anderen Seite, aber es hat Auswirkungen. Es hat die Auswirkung, dass von Zuzahlungsbeträgen heute keiner mehr befreit ist. Sie werden sich erinnern, in der Vergangenheit gab es die Situation, dass Menschen, die unterhalb einer gewissen Einkommensschwelle lagen, sich von dieser Zuzahlungspflicht befreien lassen konnten. Diese Befreiungsmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr mit der Konsequenz, dass jeder, völlig unabhängig davon, wie viel Geld ihm zur Verfügung steht, einen prozentualen Anteil seines Jahresbruttoeinkommens für Zuzahlungszwecke zur Verfügung stellen muss. Der prozentuale Anteil beträgt entweder zwei Prozent oder ein Prozent des Bruttojahreseinkommens. Das ist davon abhängig, ob jemand chronisch krank ist oder nicht.

Und jetzt stellen wir uns mal die Situation der Menschen in Heimen vor, die diesen Heimaufenthalt schon nicht aus eigenen Mitteln finanzieren können und deswegen also auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind. Auch die müssen von ihren Sozialhilfeleistungen diese Zuzahlungsbeträge leisten. Und diese Zuzahlungsbeträge fallen an am Anfang des Jahres und belasten so das Taschengeld der Leute. Diesen Menschen steht in der Regel ein Taschengeld von rund 100 Euro im Monat zur Verfügung und davon müssen dann immer diese Zuzahlungsbeträge geleistet werden. Das halten wir für ausgesprochen verbesserungsbedürftig. Es gibt Bundesländer, die hier schon Lösungen gefunden haben in Vereinbarung mit Kassen, Sozialverbänden, Einrichtungsträgern et cetera, die letztendlich im Ergebnis dazu führen, dass hier eine Erleichterung diesen Menschen, diesen zuzahlungspflichtigen Heimbewohnern zuteil wird. Das heißt also, dass die Belastungen entweder auf das ganze Jahr verteilt werden oder dass andere kompensatorische Faktoren gefunden werden.

Unser Antrag zielt heute darauf ab, hier das Sozialministerium prüfen zu lassen, ob es im Land MecklenburgVorpommern Möglichkeiten gibt, den Heimbewohnern, den hiervon Betroffenen, hart Betroffenen, diese Last zu nehmen und letztendlich zu Lösungen zu kommen, die zu Erleichterungen für diesen Personenkreis führen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS)

Danke schön, Herr Heydorn.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erste hat das Wort die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz hat in verschiedener Hinsicht ja einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Es öffnet einerseits in vielen Versorgungsbereichen Monopolstrukturen zugunsten wettbewerblicher Lösungen und gibt durch die Förderung neuer Versorgungsformen auch Anreize zur Erhöhung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der gesundheitlichen Versorgung. Wir hatten ja einige dieser Dinge bereits in vorhergehenden Beiträgen genannt.

Andererseits stellt aber die Gesundheitsreform eine Abkehr vom Solidarprinzip dar, indem durch die Neugestaltung der Zuzahlungsregelungen die Versicherten überproportional belastet werden. Und diese soziale Unausgewogenheit war ja auch der Grund dafür, dass die Landesregierung im Bundesrat dem Gesetz so nicht zugestimmt hat.

(Reinhard Dankert, SPD: Richtig.)

Bei der Krankenversorgung gilt seit Einführung des GKV-Modernisierungsgesetzes, die Liste der Dinge, die von den Patientinnen und Patienten selbst bezahlt werden müssen, ist länger als die der Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, die es auf Rezept gibt. Und es fängt eben bei den Praxisgebühren von 10 Euro je Quartal an und geht bei den erhöhten Zuzahlungen zum Beispiel eben für die verschreibungspflichtigen Medikamente, Heilmittel und Krankenhausaufenthalte weiter. Wir wissen, es gibt keine Zuschüsse mehr zu Brillen, auch homöopathische Mittel oder Mittel gegen Erkältungen werden nur bei einem kleinen Personenkreis von der Krankenkasse bezahlt.

Besonders betroffen von all diesen Regelungen sind die Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger. Grundsätzlich sind zwar Zuzahlungen während eines Kalenderjahres durch die Versicherten nur bis zu einer bestimmten Summe, also gesetzlich festgelegt zwei oder ein Prozent, zu leisten, aber für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger in Mecklenburg-Vorpommern liegt die Belastungsgrenze bei 68 Euro im Jahr. Und der Regelsatz ist um diesen Beitrag nicht erhöht worden, sondern die Zuzahlungen müssen eben aus der vorhandenen Substanz heraus getragen werden. Das Einkommen sinkt dadurch zeitweilig oftmals unter das Existenzminimum. Das widerspricht dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 (1) unseres Grundgesetzes.

(Torsten Koplin, PDS: In der Tat.)

Und dieser Meinung schloss sich auch das Verwaltungsgericht Braunschweig an. Die Stadt Braunschweig wurde dazu verurteilt, einem Sozialhilfeempfänger die Kosten für eine Therapie zu erstatten, bis über die Frage entschieden ist, ob der zu zahlende Eigenanteil bei der Regelsatzfestlegung noch berücksichtigt werden muss oder nicht. Für mich erkennt das Gericht damit an, dass die sozialstaatlich gebotene Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums als originäre Funktion der Sozialhil

fe bei allen Sparbemühungen nicht aus dem Blick geraten darf. Gerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe müssen für alle Menschen unabhängig von den aktuellen persönlichen Lebensumständen und Notlagen gewährleistet bleiben. Und die verstärkte Betonung – und ich betone das ausdrücklich – der Eigenverantwortung, die ich auch fordere und die ich auch wünsche, und das sage ich mit allem Nachdruck, zur schleichenden Verabschiedung vom Sozialstaatsgebot führen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, mit der Praxisgebühr auch für Sozialhilfeempfänger wird eindeutig gegen das früher geltende Bedarfsdeckungsprinzip verstoßen, das den Regelsätzen zugrunde liegt. Und für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger in stationären Einrichtungen und in Heimen ist der Barbetrag, der zwischen 80 und 127 Euro im Monat liegt, hier für die Kosten der Gesundheit einzusetzen. Von diesem Betrag sind 68 Euro beziehungsweise 34 Euro für chronisch kranke Menschen als jährliche Eigenbeteiligung, das heißt monatlich sechs oder eben drei Euro, einzusetzen. Erst wenn diese Belastungsgrenze überschritten ist, erteilt die Krankenkasse für den Rest des Jahres eine Befreiungsbescheinigung.

(Harry Glawe, CDU: Wenn sie erteilt wird. Es gibt ja viele, die noch nicht erteilt sind.)

Und hier gilt auch, vieles wird von den Kassen seit dem 1. Januar eben gar nicht mehr übernommen und ist sowieso von den Patienten selbst zu bezahlen. Denken wir eben an Nasentropfen und all diese Dinge.

Ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen: Ich halte allein diese finanziellen Belastungen für sozial nicht vertretbar bei der Bürger/-innengruppe, die wir hier im Blick haben.

(Beifall Torsten Koplin, PDS)

Die mit den Zuzahlungen verbundenen besonderen Härten, insbesondere für die Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger in den Heimen, haben das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung deshalb veranlasst, Gespräche mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kommunen mit dem Ziel zu führen, für die Betroffenen eine sozialverträgliche Lösung zu finden, die sowohl für die Sozialhilfeträger beziehungsweise die Heimträger, aber auch für die Kranken möglichst einfach und praktikabel sein sollte. Eine solche Vereinbarung könnte nach dem Vorschlag des Bundesministeriums zum Inhalt haben, Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, die nur ein Taschengeld beziehen, zum 1. Januar eines Jahres zu befreien oder die Zuzahlungen bis zur jährlichen Belastungsgrenze direkt vom zuständigen Sozialhilfeträger an die jeweilige Krankenkasse zu entrichten.

Ich begrüße deshalb, weil also auch in anderen Ländern hier nach Lösungen gesucht wird, den Antrag der Koalitionsfraktionen ebenso wie den Antrag der Opposition. Ich werde mich ausdrücklich mit den Kassen, Sozialhilfeträgern und den Heimträgern zu dieser Frage verständigen und um eine Lösung ringen, die zu einer minimalen Belastung der betroffenen Personen führt. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordneter Herr Glawe. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Der Antrag der SPD und PDS „Zuzahlungserleichterungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in Heimen“ ist sehr wichtig und er ist fast überfällig.

Frau Ministerin sprach ja davon, es soll Erleichterungen geben. Ich will Ihnen mal zwei, drei Dinge aufzählen, was da alles gefordert wird. Also bei der Frage, ob ich befreit werde, geht es einmal darum, dass zum Beispiel auch die Heimbewohner ihre Bankguthaben vorlegen müssen, ihre Zinseinkünfte, Schwerbehindertenausweis, mindestens 60 Prozent, Rentenausweis, …

(Torsten Koplin, PDS: Es wird ja keiner mehr befreit.)

Ja, es wird alles geprüft, Herr Kollege, durchs Sozialamt.

… dann die Frage nach der Einstufung, also Belege sammeln, ob ich ein Prozent, wenn ich als chronisch krank gelte, oder ob ich vom Jahresbruttoeinkommen zwei Prozent erlange. Sie können ja im Prinzip davon ausgehen, für die Bürgerinnen und Bürger in Heimen, zum Beispiel gibt es ja auch junge Erwachsene, die mehrfach geschädigt sind, die auch in Heimen versorgt werden, für die ist es eine unheimliche Hürde, das alles selbst zu bewegen.

(Torsten Koplin, PDS: Das ist wahr.)

Da hat ja der Gesetzgeber gesagt, die bekommen Betreuer. Man muss sich also auch fragen, ist die Qualität der Betreuer richtig, wenn es heute noch in einigen Heimen so ist, dass ein Drittel der chronisch Kranken und Sozialhilfeempfänger noch keinen Bescheid von der Krankenkasse haben oder keine Bescheinigung haben, dass sie von der Beitragszahlung oder Zuzahlung befreit sind.

Was heißt das in der Praxis? Frau Ministerin hat vorhin vorgetragen, eigentlich ist ein chronisch Kranker verpflichtet nach dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 1. Januar 2004, 34 Euro pro Jahr zu zahlen, wenn er Sozialhilfeempfänger ist, oder, wenn er eben nicht chronisch krank ist, 68 Euro. Das ist eine Belastung. Das ist auf der einen Seite richtig, auf der anderen Seite muss man sich aber auch die Frage stellen: Wie viel hat der schon überzahlt? In jedem Quartal hat er sozusagen 10 Euro zu bezahlen. Für jedes Arzneimittel, das er verschrieben bekommt, muss er zuzahlen, bei 10 Euro, wenn es weniger als 10 Euro kostet, beträgt die Zuzahlung 5 Euro für ein Medikament, bei bis zu 80 Euro muss er 10 Prozent zuzahlen, das sind 8 Euro. Kostet ein Arzneimittel mehr als über 100 Euro, bleibt die Zuzahlung bei 10 Euro. Das rechnen Sie mal hoch! Er hat dann innerhalb von kurzer Zeit, mindestens im ersten Quartal eines Jahres, eigentlich schon die Zuzahlungsregelung erreicht. Die Belege sind alle da. Er bekommt aber von den Krankenkassen kein Zertifikat, dass er nicht mehr zuzahlen muss. Er wird also nicht von den Zuzahlungen freigestellt. Was passiert? Es muss wieder gezahlt werden. Es werden wieder 10 Euro in der Praxis fällig und es werden auch wieder Zuzahlungen für die Arzneimittel fällig.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Ich denke, das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU, Jörg Heydorn, SPD, Ute Schildt, SPD, und Torsten Koplin, PDS)