Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich den Zwischenruf hier höre, man solle sich viel mehr mit Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen zusammensetzen, das ist nämlich nicht ein Wollen der Länder, die ich eben genannt habe, sondern es ist ein Nichtstun des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ausnahmen, Frau Finanzministerin, bestätigen die Regel, wie Sie letzte Woche. Aber grundsätzlich stehen wir dabei außen vor.

Aber weiter zum Thema NDR. Herr Ministerpräsident, Satellitenverbreitung – 2006 läuft das sowieso aus. Und wenn ich die Zeitschiene sehe, glaube ich nicht, dass man jetzt noch für ein halbes Jahr oder für ein Jahr NDR-Regional Mecklenburg-Vorpommern herunternimmt, ab 2007 ist Digitalfernsehen angesagt. Und da ist es Ihre Verantwortung oder die desjenigen, der dann regiert, dass man sich dafür einsetzt, dass wir eine Frequenz im digitalen Fernsehen bekommen. Das ist das Gebot der Stunde, dass man sich da engagiert!

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Ministerpräsident, es ist ein schwieriges Thema. Ich wollte es eigentlich nicht ansprechen, aber Sie haben Ernst Albrecht Vorwürfe gemacht. Ist es denn ein Zufall, dass 1991, als Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein SPD-geführt waren, ein Intendantenwechsel beim Norddeutschen Rundfunk stattgefunden hat? Ich sehe das nicht als Zufall an.

Herr Ministerpräsident, auch das wollte ich meinem Kollegen Friese eigentlich ersparen, aber wenn Sie mit der großen Keule gegenüber Christian Wulff durch das Land ziehen, dann darf ich den „Spiegel“ vom 11. Juni 2001 wörtlich zitieren: „Am 2. April“ des genannten Jahres „muss im Kopf von Siegfried Friese eine Art übergesetzlicher Notstand geherrscht haben. Gleich morgens griff der Innenausschussvorsitzende des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern zum Telefon und meldet sich beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), Studio Schwerin. Den Chef wolle er sprechen, schnell, es sei dringend. Wenige Stunden später saß der SPD-Abgeordnete im Büro des Landesfunkhausdirektors Gerd Schneider und kam zur Sache. Er habe gehört, dass eine Radiosendung geplant sei, in der über ehemalige Stasi-Mitarbeiter im Rathaus der Kleinstadt Warin berichtet werden solle. Der Fall bereite ihm große Sorgen. Ein ,Kesseltreiben‘ sei dort im Gange. ,Kommunalpolitische Kreuzritter‘, als Bürgerinitiative getarnt, vergifteten das Klima.“

(Siegfried Friese, SPD: So war das.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Wolfgang Riemann, CDU: Politische Einflussnahme, Herr Friese.)

was hier nicht in dem Artikel steht, ist, dass Siegfried Friese Mitglied des Rundfunkrates des Norddeutschen Rundfunks im Landesrundfunkrat Mecklenburg-Vorpommern ist. Was hier auch nicht im Artikel steht, ist, dass der Norddeutsche Rundfunk trotzdem die Sendung gebracht hat. Der Norddeutsche Rundfunk hat sich nicht beeinflussen lassen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Herr Ministerpräsident, ich wollte das ursprünglich nicht bringen. Übrigens gibt es keine Gegendarstellung dazu und mir sind auch nicht rechtliche Schritte des Landtagsabgeordneten Friese oder in dem Fall des NDRRundfunkratsmitgliedes Friese gegen den „Spiegel“ Hamburg bekannt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, öffentlichrechtlicher Rundfunk ist ein mehr als fragiles Gebilde. Und Sie tun, Herr Ministerpräsident, sehr gut daran, nicht die politische Keule herauszuholen. Ich sage das ganz ausdrücklich, ich habe unsere Position beschrieben und mir passt nicht alles, was mein CDU-Parteifreund Christian Wulff, mit dem ich über Jahre freundschaftlich verbunden bin als Fraktionsvorsitzender, mit Blick auf den Norddeutschen Rundfunk macht.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Aber wenn Sie die Drohkeule rausholen, wir gehen dann nach Berlin-Brandenburg, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, so war das jedenfalls in niedersächsischen Zeitungen zu lesen, sollten Sie sich das alles, auch diese Drohgebärden, sehr, sehr gut überlegen!

Ich für mich gebe zu, ich war nicht der große Befürworter 1991/1992 mit Blick auf den Norddeutschen Rundfunk, man hätte sich auch andere Konstruktionen vorstellen können. Ich sage aber heute – wer mich kennt, der weiß, ich greife selten in den Honigtopf –, wir sind beim Norddeutschen Rundfunk gut aufgehoben.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU, und Andreas Petters, CDU)

Und wenn zum Beispiel Niedersachsen sagt, dass Mecklenburg-Vorpommern gerade im zentralen Fernsehprogramm überrepräsentiert ist, dann ist das doch nach meinem Dafürhalten gerade im Bereich Kultur, Wirtschaft und Tourismus ein Stück Wettbewerb. Ich denke, wir sollten, wenn wir auch in anderen Strukturen denken, norddeutsch denken, dann ist der Norddeutsche Rundfunk, die Vierländeranstalt, ein erster wichtiger Schritt. Da gibt es noch andere Kooperationen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kooperationen bewahren davor, dass überhaupt über einen Nordstaat debattiert wird. Und deswegen, Herr Ministerpräsident, erhalten Sie unsere Unterstützung in den Punkten, die ich benannt habe. Aber ich sage Ihnen auch ganz klar: Wenn Sie hier weiter die politische Keule oder die Drohkeule bei dieser wirklich hochsensiblen Thematik rausholen sollten, dann werden Sie – ich habe mich bisher sehr zurückgehalten bei dem Thema, auch Vergleich mit DDRStaatsrundfunk und so weiter und so fort, das mag bei den Leuten ja super ankommen, so, wie Sie agieren – nur eins verhindern, dass Sie Mecklenburg-Vorpommerns Interessen in schwierigen Verhandlungen mit SchleswigHolstein, Hamburg und Niedersachsen erfolgreich vertreten werden können. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Rehberg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Friese von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass alle Fraktionen in diesem

Landtag sich klar zum NDR bekennen. Ich begrüße das außerordentlich, denn es ist ein wichtiges Unterpfand dafür, dass unsere Staatskanzlei sich jetzt in den anstehenden Verhandlungen auf dieses Votum berufen kann. Wir alle drei wollen den NDR und ich begrüße das außerordentlich.

Herr Rehberg wirft nun dem Ministerpräsidenten einige Dinge vor. Ich nehme an, der Ministerpräsident kann sich alleine dazu äußern. Herr Rehberg, ich möchte nur so viel sagen: Wenn der Ministerpräsident die Vorschläge, die Herr Wulff unterbreitet hat, nicht entkräftet hätte oder ihnen widersprochen hätte, dann wäre dieses ein Verzicht auf die Wahrung und Verteidigung demokratischer staatsferner Grundpositionen, die wir seit 1990 in diesem Lande haben. Es war geradezu die Verpflichtung des Ministerpräsidenten, den Angriffen des Ministerpräsidenten von Niedersachsen zu widersprechen. Worum geht es bei diesen Vorwürfen?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Es geht um das Wie! Es geht um das Wie! – Rainer Prachtl, CDU: Es geht nicht um das Was, es geht um das Wie!)

Die niedersächsische Staatskanzlei hat Vorschläge unterbreitet, dass die Aufsichtsgremien des NDR künftig anders zu besetzen seien. Der Verwaltungsrat sei nicht mehr staatsfern von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zu wählen, die wiederum durch die Landesparlamente gewählt werden, sondern durch Vertreter der Staatskanzleien. Von zwölf Mitgliedern des Verwaltungsrates sollten sechs von den Landesregierungen der vier Länder geschickt werden.

Ich frage Sie, Herr Rehberg, ist das nicht Staatsfunk, wie wir ihn nicht haben wollen? Ist das nicht Eingriff der Regierungen in die Rundfunkfreiheit unserer Länder? Da muss der Ministerpräsident widersprechen, eine andere Wahl hat er gar nicht. Herr Wulff schlägt vor, die Aufsicht über den Rundfunk insgesamt über seine Finanzen zu verstärken, durch die Regierungen natürlich. Das widerspricht dem Prinzip der Staatsferne. Wir haben Aufsichtsgremien über den Rundfunk, das sind der Rundfunkrat mit 58 Mitgliedern, der Verwaltungsrat und es sind seit 2002 auch die so genannten Berichte, die die Rundfunkanstalten an die Parlamente geben, die allen Parlamenten in diesem Lande vorgelegt werden und wo die Rundfunkanstalten dazu Auskunft geben müssen. Das will Herr Wulff ändern.

Ich sage Ihnen ganz eindeutig, das, was Herr Wulff dort vorgeschlagen hat, ist der Versuch, massiv mit staatlichen Mitteln und mit staatlicher Macht in den Rundfunk einzugreifen. Ich kann dem Präsidenten der Vereinigung der Unternehmensverbände aus unserem Lande Herrn Hering nur zustimmen, der geschrieben hat: „Wir können die Attacken des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff gegen die NDR-Strukturen nicht verstehen. Auch die Drohung, bei Nichterfüllung aller Forderungen den NDR zu verlassen, erstaunt uns.“ Und in der gleichen Richtung hat sich die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein geäußert, und zwar meiner Meinung nach völlig zu Recht. Ich kann Herrn Plog, dem Intendanten des NDR, nur zustimmen, wenn er sagt, der NDR steht nicht in der Tradition von Staatsrundfunk, er steht in der Tradition der BBC. Und das ist eine gute Position.

Ein letztes Wort zur Frage der Vergrößerung und der Verkleinerung der Gremien. Herr Wulff möchte, dass die Aufsichtsgremien über den NDR, den Rundfunkrat, ver

kleinert werden. Darüber kann man sicherlich streiten. Man muss aber wissen, in dem Maße, wie man diesen Rundfunkrat verkleinert, schließt man gesellschaftlich relevante Gruppen in diesem Lande von dieser Aufsicht aus. Das war bis 1990 der Fall. Es war der damalige Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Gerhard Schröder, der dafür gesorgt hat, dass diese Gremien vergrößert werden, um so genannten gesellschaftlich relevanten Gruppen die Möglichkeit zu geben, an der Kontrolle des Rundfunks teilzunehmen. Ich habe darüber auch noch keine abschließende Meinung. Und wenn man sagt, verkleinern, verschlanken, dann sind das natürlich Worte, die in unsere Reformdebatten immer hineinpassen. Nur man muss wissen, wenn man den Rundfunkrat verkleinert, nimmt man einer Reihe von gesellschaftlich relevanten Gruppen die Gelegenheit, daran teilzunehmen.

Ein letztes Wort. Herr Rehberg, Sie sprachen davon, dass ich beim NDR war und mit Herrn Schneider über einen Vorfall gesprochen habe. Das trifft zu, daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht. Das war auch richtig so, denn in jener Zeit wurde heftig die Debatte darum geführt, Stasimitarbeiter oder nicht.

Ich erhielt einen Anruf von einem Herrn aus meinem Wahlkreis, der meinte, er würde durch die Berichterstattung erheblich in seinem persönlichen Ansehen geschädigt, da der NDR beabsichtige, etwas zu senden. Er wisse jetzt schon, dieses würde ihn in seiner Integrität erheblich beschädigen. Er fragte, ob ich ihm als Rundfunkratsmitglied und als Landtagsabgeordneter aus seinem Wahlkreis dabei helfen kann. Ich habe gesagt, ich will es versuchen. Ich bin daraufhin zum NDR gefahren und habe mit Herrn Schneider darüber gesprochen. Ich habe ihm gesagt: Schauen Sie doch einmal nach, die Vorwürfe gibt es! Ich wäre sehr daran interessiert, dass diesem Mann recht geschieht und das Ansehen seiner Person nicht beschädigt wird. Das war der Vorgang und dazu stehe ich. Die Rundfunkratsmitglieder sind aufgerufen, den NDR in seiner Programmtätigkeit zu beraten. Dieses habe ich gemacht und dieses muss...

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Den NDR in seiner Programmtätigkeit zu beraten, was hat das mit Staatsferne zu tun?)

Ja, natürlich, dann schauen Sie sich den Staatsvertrag an, da steht das so drin!

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ach, das ist doch wohl nicht wahr! So verstehen Sie Staatsferne?!)

Meine Damen und Herren, ich freue mich und komme zum Ausgangspunkt zurück.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist das SPD-Verständnis von Staatsferne?!)

Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass die jetzt anstehenden Verhandlungen in Ruhe geführt werden und wir zu einem Ergebnis kommen. Es erstaunt mich schon sehr, Herr Rehberg, wenn ich das einmal sagen darf, wenn aus der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen in diesen Tagen, in denen Herrn Wulff der Wind so mächtig ins Gesicht weht, plötzlich eine Mitteilung kommt, die behauptet, dieser Vorschlag, die Gremien nicht mit Landesvertretern zu besetzen, sei nicht der Vorschlag des Ministerpräsidenten. Dieses sei der Vorschlag eines Referenten aus der Staatskanzlei, und zwar des Rundfunkreferenten. Das ist ein Rückzug ersten Grades und es zeigt etwas von der Statur des Ministerpräsidenten, der mit sehr viel Brachial

gewalt vorgeht und nachher die politische Verantwortung für seine Absichten, die er bekundet hat, einem Beamten in seiner Staatskanzlei zuschiebt. Dieses, meine Damen und Herren, wirft kein gutes Licht auf den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen. Ich bin froh, dass unser Ministerpräsident so eine klare Position in der Angelegenheit, Angriff auf die Staatsfreiheit des NDR, bezogen hat. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Friese.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion, der Vizepräsident Herr Bluhm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Drei Punkte habe ich hier für meine Fraktion deutlich zu formulieren:

Erstens. Die PDS-Fraktion unterstützt den vorliegenden Gesetzentwurf zum Staatsvertrag zur Änderung des NDRStaatsvertrages. Auch das, was interfraktionell bereits verabredet ist, nämlich morgen die Zweite Lesung dieses Gesetzentwurfes vorzusehen, findet unsere volle Zustimmung. Auch die PDS ist dagegen, die Gremienzusammensetzung des NDR zu verändern. Dass dieses heute hier von allen drei Fraktionen so deutlich zum Ausdruck gebracht wurde – ich bin auch Herrn Rehberg an dieser Stelle ausdrücklich dankbar dafür, das hier noch einmal so deutlich formuliert zu haben –, denke ich, ist eine Stärkung der Verhandlungsposition unseres Ministerpräsidenten in den bevorstehenden Gesprächen zur möglichen Änderung des NDR-Staatsvertrages.

Zweitens. Die PDS-Fraktion und die PDS in Mecklenburg-Vorpommern beabsichtigen nicht, den NDR als Vierländeranstalt aufzukündigen beziehungsweise ihn zu verlassen. Die PDS in Mecklenburg-Vorpommern steht auch künftig zum NDR.

Drittens. Herr Wulff rudert ja nun zurück, so, wie es auch in der „Frankfurter Rundschau“ vom heutigen Tage zu lesen war.

Mit der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages ist genügend Zeit, in Ruhe über die aufgeworfenen Probleme, Handlungsgegenstände auf der Ebene sowohl der Rundfunkreferenten der Staatskanzleien, der Chefs der Staatskanzleien und im Endeffekt auch auf der Ebene der Ministerpräsidenten sachlich im Interesse des Norddeutschen Rundfunks und in seiner Staatsferne liegenden Entwicklung zu entscheiden. In diesem Sinne wird die PDS-Fraktion der Überweisung dieses Gesetzentwurfes zustimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bluhm.